Medien für die Europäische Bildungsgesellschaft
Medienbildung – Medienbewertung – Mediennutzung
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover Page
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Kapitel 1 Medienbildung – Bildungsmedien
- Bildungsmedien und Medienbildung im Kontext des Medienwandels: Thomas A. Bauer
- Religiöse Kulturen als interkulturelle Herausforderung für Erwachsenenbildung: Joan Hemels
- Bildung als Motor von Integrationspolitik: Joan Hemels
- Outcome of adult education in terms of social inclusion: Maurice de Greef, Mien Segers, Dominique Verté
- Das Politische und die Politik in der Ära der Deregulierung: Dimitris Charalambis
- Die Überwindung randgruppenbezogener Stereotype als Teil des lebenslangen Lernens: Barbara Köpplová, Jan Jirák
- Bildungsmedien und soziale Integration: Péter, Csizmár, Lívia Kovácsevics
- Kapitel 2 Medienbewertung – Qualitätskriterien
- Qualitätsbewertung von digitalen und analogen Bildungsmedien mit dem Comenius-Bewertungssystem: Bernd Mikuszeit
- Comenius-Qualitätsbewertung für Didaktische Multimediaprodukte (DMP): Bernd Mikuszeit
- Comenius-Qualitätsbewertung für Allgemeine Multimediaprodukte (AMP): Marko Ivanišin
- Comenius-Qualitätsbewertung für Lehr- und Lernmanagementsysteme (LMS): Marko Ivanišin, Simon Hauptmann
- Comenius-Qualitätsbewertung für Blended-Learning- Programme (BLEP): Bernd Mikuszeit
- Comenius-Qualitätsbewertung für Computerspiele mit kompetenzförderlichen Potenzialen (CKP): Stefanie Grün, Dorothea Rosenberger
- Erasmus-Qualitätsbewertung für Europolitische Bildungsmedien (EBM): Thomas A. Bauer
- Evaluierung von Bildungsmedien zur zeitgeschichtlichen Bildung: Barbara Köpplová, Jan Jirák
- Blended-Learning-Programm Sozialberufe und Integration: Ute Szudra
- Blended-Learning-Programm: Büchner aktuell, Woyzeck: Ute Szudra
- Kapitel 3 Mediennutzung – Bildung
- Medialisierte Bildung: von eWolken zum Sinn: Marko Ivanišin
- Entwicklung von Wissen und Bildungsmedien: Magdalena A. Kalaidjieva
- Nutzung von Multimedia in der beruflichen Orientierung sowie in Aus- und Weiterbildung: Christos Giannoulis
- Klientel- vs. Sozialvertrag. Der griechische „Sonderweg“ in die Schuldenkrise: Dimitris Charalambis
- Das audiovisuelle Erbgut als Quelle für eurokulturelle Bildung: Joan Hemels
- Von Medienbildung, über Medienkluft, zu Medienkompetenz: Kaja Žuran, Marko Ivanišin
- Autorenverzeichnis
Europa hat eine lange Lerngeschichte: kulturell, politisch, ökonomisch, sozial. Es ist nun, angekommen bei der Frage, wie es sich definitiv strukturell aufstellen möchte, wieder mit sich selbst, mit seinem inneren Ansehen konfrontiert. Und es scheint im Kontext zunehmender weltpolitischer Komplexität der Fragestellungen der zivilisatorischen Entwicklungszusammenarbeit zu vergessen, dass es im Blick von außen gesehen das darstellt, was andere Kontinentalgesellschaften trotz aller ideologischer Narben, die das europäische Gesicht trägt, bewundern: eine einzigartige, durch die Synergie von Kultur, Wissen, Bildung, Glaube, Wirtschaft und Politik erreichte zivilisatorische Qualität, die historisch beispiellos ist – oder noch besser: die ein Entwurf sein könnte für die friedliche Koexistenz und Nachbarschaft von allem, was in dieser Welt zueinander verschieden ist und sein kann: Ethnien, Sprachen, Kulturen, Religionen, Systeme, Lebensstile, Geschichten und große, oft nationale Erzählungen. Eben und erst im Kontrast zum Konzept der Vergemeinschaftung kommen die Unterschiede zur Geltung – in beiden Ausprägungen: als Reichtum und Wert von Ressourcen wie Vielfalt der Erfahrung, Diversität der Herkünfte und der Entwürfe und Synergien der Partizipation aus unterschiedlichsten Interessen, sowie auch als Herausforderung von bei weitem nicht hinreichend habitualisierten Werten wie soziale Aufmerksamkeit, Toleranz, Akzeptanz, Solidarität, Schutz von Minderheiten. Dies alles vor dem Hintergrund gegenwärtiger postmoderner Weltströmungen wie Globalisierung, Konvergenzprozesse, Migration, generelle Mobilität und Fluididät. Die Vielfalt und der Reichtum an Optionen macht in vielen Bereichen, auf vielen Ebenen und in vielen Kontexten des alltäglichen Lebens mehr Schwierigkeiten als Freude und stresst das intrinsische Programm der Kommunikation.
Die Lebensqualität von Gesellschaften ereignet und entfaltet sich in Kulturen der Soziabilität, der Inspiration und der wechselseitigen Bedachtnahme auf Freiräume von und für Individualität und Personalität. All dies lässt sich nur im Moment der Kommunikation klären und sicherstellen. Dieser Moment aber ist genau das innere Programm einer Gesellschaft: sie ist, was ihre Kommunikation ausmacht. Im Umfeld solcher Problemstellung stellt sich die Frage nach den Chancen und den Zumutungen der Kompetenz der Gesellschaft und der Individuen im Umgang mit Kommunikation als ihrer eigentlichen Ressource. Diese entsteht und generiert sich aus dem Zusammenspiel von Medialität und Bildung. Medialität ist das ← 7 | 8 → Kulturphänomen von Kommunikation, ob personal, technisch, privat oder öffentlich: nichts, was gesellschaftlich relevant ist oder sein soll, lässt sich machen ohne Medien, besser: ohne Mediengebrauch. Denn Medien werden – alltagskulturell relevant – zu solchen erst aufgrund des tatsächlichen, des gedachten oder vorgestellten persönlichen und sozialen Gebrauchs. Alle Kommunikation geschieht in Form von Medien. Das verlangt nach mehr sozialer und kultureller Aufmerksamkeit gegenüber damit verbundenen Stärken und Schwächen der Gesellschaft verglichen mit der hohen politischen und ökonomischen Aufmerksamkeit. die man bisher den Medien (hier verstanden in klassischem Sinne als Massenmedien), ihrer Technologie und dem professionellen Umfeld, das es braucht, zugewandt hat. In Verbindung mit Technologie, Verfügbarkeit und Standardisierungsprogrammen der Medien (der klassischen Medien wie der Social Media auf je eigene Weise) realisiert und entwickelt sich im alltäglichen Gebrauch der Medien eine neue Ästhetik des Sozialen bzw. der Soziabilität von Gesellschaft, die auch ethische Fragen aufwirft und die bestehende Beziehungskulturen, insbesondere im Umfeld von Institutionen (Politik, Wirtschaft, Bildung, Familie etc.) stresst, weil sie deren Axiomatik in Frage stellt. Der sich darin abzeichnende soziale Wandel ist zugleich als Kultur- und als Medienwandel zu sehen. Oder noch deutlicher: die Kultur dieser Gesellschaft, in der wir leben, ist in ihrem Kern Medienkultur.
Es stellt sich die Frage nach den Kompetenzprogrammen einer medienkulturell definierten Gesellschaft dringlicher denn je. Das Buch, das Ihnen vorliegt, will zu dieser Frage Stellung nehmen, Perspektiven aufzeigen und Anregungen dazu geben, wie Europa, das sich als Bildungsgesellschaft versteht, den Programmen von Medienbildung und von Bildungsmedien mehr Aufmerksamkeit aus ihren Ressourcen von Bildungstheorie, Bildungspolitik und Bildungspraxis zuwenden könnte. Diese Publikation fasst die Ergebnisse der von der Europäischen Kommission im Programm Lebenslanges Lernen geförderten Leonardo- und Grundvig-Projekte „BB-Media – Die Qualität von Bildungsmedien, Multimedia und Blended-Learning für eine effektive beruflichen Aus- und Weiterbildung, insbesondere zur Förderung von Migranten, zur Verhinderung sozialer Ausgrenzung und Unterstützung interkultureller Kommunikation“ und „EvaluMedia – Evaluierung von multi-medialen, IKT-basierten und didaktischen Bildungsmedien für die Erwachsenenbildung – Kriterien und Weiterbildungsangebote“ zusammen und stellt weiterführende Anregungen und Überlegungen für die Weiterbildungspraxis vor.
Medienbildung, Medienbewertung und Medialisierung der Bildung werden aus einer weiten Sicht auf die europäische Bildungsgesellschaft behandelt. Angebote für die Gestaltung von Weiterbildung fußen auf Erfahrungen aus der Weiterbildungspraxis, didaktisch-methodischen Grundüberlegungen und auf wissenschaftlichen Diskursen, die den Stand aktueller nationaler sowie europäischer ← 8 | 9 → Lehre und Forschung auf dem Gebiet von Bildungsmedien, Multimedia, E-Learning und Blended-Learning spiegeln. Um das Ziel zu erreichen, eine breite Leserschaft aus Wissenschaft, Politik und Praxis der Medienbildung wie der Bildungsmedien anzusprechen und ihr einen breiten Überblick sowie konkrete und für den internationalen Vergleich relevante Einblicke zu geben, wurde das Buch in drei große Kapitel gegliedert:
Kapitel 1: Medienbildung – Bildungsmedien
Das Kapitel versteht sich als Hinführung zur Problematik und als Blitzlicht für einzelne darin aufzunehmende Zusammenhänge. Diese werden zunächst im Beitrag von Thomas A. Bauer, Wien, gesellschafts- und kultur-theoretisch unter dem Stichworten „sozialer Wandel“ und „Medialität von Bildung“ analysiert, kommentiert und im Sinne einer Theorie der Medienbildung begründet. Joan Hemels, Amsterdam, liefert zwei Beiträge bei. Der erste Beitrag mag in diesem Kontext überraschen, ist aber im Kontext zeitgesellschaftlicher Analyse durchaus angebracht: er beschäftigt sich mit religiösen Kulturen als interkulturelle Herausforderung. Der Beitrag konzentriert sich in seiner Analyse – beispielhaft für den gesamten Prozess – auf das Phänomen des interreligiösen Dialogs und auf dem entsprechende Bildungsbemühungen in den Niederlanden. Dem folgt eine Analyse von Ergebnissen von Bildungsbemühungen um Inklusion. Maurice de Greef, Mien Segers und Dominique Verté, ebenfalls aus den Niederlanden, referieren über Ergebnisse von Studien zum Thema Inklusion im Kontext von Erwachsenenbildung. Deren Beitrag ist in English verfasst. Dimitris Charalambis, Athen, richtet den Blick auf das Krisenphänomen in Europa und analysiert unter dem Stichwort „Deregulierung“ mögliche Krisenfaktoren. Mit dem Problem der Stereotypen gegenüber Randgruppen in der Tschechischen Republik und möglichen bildungspraktischen Lösungen bringen Barbara Köpplova und Jan Jirak, beide aus Prag, die Thematik der Verhaltens- und Bewusstseinsbildung im gesellschaftlichen Umgang mit Minderheiten ein. Noch einmal fokussiert auf das Thema der Integration von Roma in Ungarn geschieht dies in der Darstellung und Analyse von Péter Csizmár und Lívia Kovácsevics aus Sopron.
Kapitel 2: Medienbewertung – Qualitätskriterien
In Kapitel 2 wird das Comenius-Bewertungssystem für digitale und analoge Bildungsmedien vorgestellt, das beim europäischen Comenius-Edumedia-Award angewendet wird. Es werden für mehrere Bildungsmedienarten Qualitätsanforderungen und Qualitätskriterien abgeleitet. Im Beitrag von Bernd Mikuszeit, Berlin, wird die Evaluierung von Bildungsmedien und Blended-Learning-Programmen mit dem Comenius-Bewertungssystem abgeleitet, ein Überblick über Evaluierungsbereiche und Qualitätskriterien für analoge und digitale ← 9 | 10 → Bildungsmedien dargestellt und das Comenius-Bewertungsverfahren vorgestellt. Daran schließen sich Erläuterung und Zusammenstellung der Comenius-Qualitätsbewertung für Didaktische Multimediaprodukte von Bernd Mikuszeit, Berlin, an. Marko Ivanisin, Maribor, begründet in den beiden folgenden Beiträgen die Comenius-Qualitätsbewertung für Allgemeine Multimediaprodukte und zusammen mit Simon Hauptman, Maribor, für Lehr- und Lernmanagementsyteme und leitet für diese Medienbereiche Qualitätsanforderungen und Qualitätskriterien ab. Es folgen zwei Abschnitte mit der Darstellung und Begründung der Comenius-Qualitätsbewertung für Blended-Learning-Programme durch Bernd Mikuszeit, Berlin, und für Computerspiele mit kompetenzförderlichen Potenzialen durch Stefanie Grün und Dorothea Rosenberger, Leipzig. Die Darstellung des Bewertungssystem wird abgerundet mit der Ableitung und Begründung der Erasmus-Bewertung mit Qualitätsanforderungen und Qualitätskriterien für europolitische Bildungsmedien, die im europäischen Erasmus-Euromedia-Award angewendet werden, durch Thomas A. Bauer, Wien. In den folgenden Beiträgen wird an Beispielen gezeigt, wie die Comenius-Qualitätsbewertung angewendet werden kann, für Didaktische Multimediaprodukte durch Barbara Köpplová und Jan Jirák, Prag, und für Blended-Learning-Programme durch Ute Szudra, Berlin.
Kapitel 3: Mediennutzung – Medienkompetenz
Eingeleitet wird das Kapitel von Marko Ivanišin mit der Frage: welchen Stellenwert hat Digitalisierung der Lehre und des Lernens, wenn man einmal (mehr) überlegt, was ist Wissen und wie es zu Stande kommt? Verstehen ist hier ein weiteres Schlüsselwort. Auch Magdalena A. Kalaidjieva, Sofia, setzt sich zunächst mit Wissen(sgesellschaft) auseinander und stellt anschließend die Digitalisierung von Bildung in Bulgarien vor. Christos Giannoulis, Limassol, beschreibt Möglichkeiten und gibt Anregungen für mehr Einsatz von digitalen Inhalten und Persönlichkeits- und Orientierungstest bei Schülern, die sich über ihren weiteren Bildungsweg entscheiden wollen/müssen. Dimitris Charalambis, Athen, stellt eine detaillierte und sehr kurzgefasste Geschichte Griechenlands im 20. Jahrhundert vor. Die dazugehörige Kontexte führt er als ausgewählte Literatur und Bildungsmedien am Ende seines Beitrages an. Joan Hemels ist ein Zeitzeuge und Mitstreiter der Medienpädagogik seit ihren Anfängen. So erzählt er uns diese Geschichte sehr lebendig und nahekommend. Anschließend werfen Marko Ivanišin und Kaja Žuran, Maribor, einen Blick auf Ansätze und Theorien der Medienbildung, überprüfen ihre Relevanz im Zeitalter der Digitalisierung und versuchen, bisherige Überlegungen mit neuem Sinn zu bereichern.
Die Herausgeber, Berlin, Dezember 2013 ← 10 | 11 →
Kapitel 1
Medienbildung – Bildungsmedien
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Bildungsmedien und Medienbildung im Kontext des Medienwandels
Ein bildungstheoretisch begründetes Konzept von Medienkompetenz und Medienhabitus
Bildung im gesamtgesellschaftlichen Kontext
Die Weltgesellschaft befindet sich – nicht erst seit der ersten großen Finanz- und Systemkrise dieses Jahrhunderts, aber im Umfeld dieser besonders merklich – in einem ziemlich vehementen Umbruch mit ziemlich dissipativen Auswirkungen. Davon sind alle Regionen und alle Gesellschaften, wenn auch relativ unterschiedlich, betroffen. Es ist zu vermuten, dass die Auswirkungen im internationalen Vergleich am ehesten entlang eines Stärken-Schwächen-Profils erkennbar werden, wenn man unterstellt, dass die Rahmenbedingungen aufgrund der globalen Zusammenhänge für alle Gesellschaften ähnlich sind, weil sie alle auch – umgekehrt – von der globalen Vernetzung zu profitieren suchen. Niemand will ausgeschlossen sein. Es scheint so zu sein, dass die hier zu nennenden relevanten Prozesse, Globalisierung und Konvergenz – im Kontext dieser Analyse hier in erster Linie problematisiert in Bezug auf die Bereiche Bildung und Medien bzw. Bildungs- und Medienwandel – Auswirkungen haben, die (1.) im strukturellen Kontext von Wissen und Bildung virulent werden (vgl. dazu Diehl/Karmasin 2013) und überdies (2.) je nach Region und Systemzusammenhang verschieden, elaborierte Strukturen und avancierte Systeme weiter stärken und schwach entwickelte Systeme weiter schwächen werden. Das ist nicht zuletzt dem erbarmungslos an Kenn- und Vergleichszahlen orientierten und generell hypostasierten Markt-Modell zuzuschreiben und den Wettbewerbseffekten der von Wirtschaftsinteressen getriebenen Globalisierung geschuldet (vgl. Martin / Schuhmann 1998).
Das Markt-Modell hat sich zum Referenz-Diktat entwickelt, dessen spezifischen Kriterien des Erfolgs – um es in Metaphern zu sagen – Reich vor Arm, Schön vor Hässlich, Oben vor Unten, Rechts vor Links, also – so gut wie alle relevanten Kategorien der Zuordnungen gesellschaftlichen, institutionellen wie individuellen Wohlbefindens unterstellt bzw. unterworfen werden. Es ist nicht von Ungefähr, dass die angesprochenen Umbruchseffekte sich vor allem in den – soweit gesellschaftlich organisiert – Kontexten von Kommunikation und Wissen (systemisch gesprochen: Medien und Bildung) bemerkbar machen. ← 13 | 14 → Weil Gesellschaften das sind, wie ihre Kommunikation (die soziale Praxis der Verteilung von Gesellschaftlichkeit – vgl. Bauer 2006a: 57 f.) strukturiert ist und wie ihr Wissen im Kontext dieser Verteilung kultiviert und balanciert wird, sind die Strukturen von Wissen und Kommunikation, systemisch geordnet in Institutionen von Bildung und Medien, jene sozialen Basisinstitute von Beobachten und Handeln, die den Umbruch gleichermaßen spüren wie sie ihn verantworten.
Im Grunde ist dies der Effekt, den die Wissenskluft-Hypothese, abgeleitet von gesellschaftspolitisch formulierten Theoremen, beschreibt (vgl. Bonfadelli 1994): Wissende sind – nicht nur, aber vor allem im Kontext der Mediennutzung – bevorteilt in der weiteren Generierung von Information und Bildung, während Bildungsbenachteiligte weniger Chancen haben oder wahrnehmen, Bildungswerte zu generieren oder zu lukrieren. Das rückt die Frage nach dem Potenzial von Medien und Bildung in das Zentrum der Überlegung zu den kontextuellen Bedingungen gesamtgesellschaftlicher Lösung von gegebenen strukturellen Problemen, Krisen und Konflikten. Und am Ende ist man wieder am Anfang: Lernen – und zwar so lang und so herausfordernd wie das Leben, so weit und so grundsätzlich wie die Gesellschaft und individuell so intrinsisch wie das Erkennen des eigenen wahren Selbst.
Medien – Dispositive lebenslangen Lernens
Die Forderung nach lebenslangem bzw. lebensbegleitendem Lernen kann nicht von der Gesellschaft, insbesondere seitens ihrer Basisinstitute (Politik, Wirtschaft, Bildung) an das Individuum gerichtet sein, wenn sie nicht zugleich, damit sie ihren gesellschaftlichen Sinn erfüllt, auch als eine des Individuums an die Gesellschaft, das heißt vor allem an ihre Basisinstitute zu richtende ernst genommen würde. Sie wäre aber auch falsch gestellt, wenn sie nur als Nachrüstung des Individuums den zunehmend komplexer werdenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gegenüber, oder nur als Nachrüstung der Strukturen der Gesellschaft dem Individuum gegenüber verstanden würde. Bildung ist als eine persönliche Lebenshaltung gesellschaftlich so relevant wie es auch als Projekt der gesellschaftlichen Kooperation Relevanz hat für die persönliche Lebensprogrammierung. Bildung ist nicht die Buntmachung eines sonst vielleicht grauen Lebens, nicht ein Faktor der Besserstellung oder des Vorteils in einer Wettbewerbsgesellschaft, sondern ein, besser: das Vernunftkonzept des gesellschaftlichen Lebens, das Basiskonzept der Konstruktion und Organisation einer Gesellschaft, die nachhaltig sein möchte, indem sie mit den Ressourcen von heute die von und für morgen sicherstellt. Bildung ist ein gesellschaftliches Dispositiv und deshalb eine Modalität der Medialität ihrer kommunikativen Verfassung. Weil Gesellschaft im Grunde nur das ← 14 | 15 → ist, was ihre Kommunikation ausmacht und Kommunikation, wie Gesellschaft ja selbst auch, gar nicht denkbar ist ohne deren generelles und strukturelles Medienprogramm, ist Bildung (schon per se) nicht nur ein Fall von Kommunikation, sondern auch ein solcher von und für das Medienprogramm (richtiger: Medialitätsprogramm) der Gesellschaft (vgl. Bauer 2012: 70).
Medien – Dispositive einer lernenden Gesellschaft
Im Hinblick auf die Bildungsprogramme der Gesellschaft ist man im Allgemeinen mit einer dem Lebens- und Karrierezyklus folgenden Struktur konfrontiert, die sich aus Kindergartenbildung, Schulbildung, Berufsvorbildung, berufsbegleitende Bildung, Erwachsenenbildung und akademische Bildung etc. zusammensetzt. In Folge dieser zyklischen Fragmentierung – und weil diese bisher auch immer wegen der vor allem von der Organisation der Wirtschaft geforderten Qualifikations- Kompetenzzuteilung (Spezialisierung) gerne auf Abschlüsse ausgerichtet war, die Wirtschaft aber nun erkennt, dass sie sich damit gar keinen Gefallen tut – merkt man nun, dass diese auf Abschluss fixierte Aus-Bildung bildungspolitisch kontraproduktiv ist. Denn die Orientierung am Abschluss schließt auch oft den Lernprozess ab. Die Wahrnehmung des Prozesses, des Kontinuums, verliert sich in der Fixierung auf Ergebnisse und Kategorien. Da Wissen, von dem ja Bestand und Entwicklung der Gesellschaft abhängen, zuerst ein Prozess-Gut ist, dessen Relevanz und Verlässlichkeit dadurch gewährleistet ist, dass es reflexiv autoproduktiv, also durch Reflexion (Forschen, Lernen) wieder Wissen produziert, ist die Gesellschaft theoretisch strukturell in einem Dauerzustand des Lernens, der erst aufgrund der Ergebniserwartung konkret zum Dauerstress wird. Wenn also Lernen die Struktur der Selbstvergewisserung der Gesellschaft ist und diese wiederum sich nur wahrnehmen kann in den Strukturen ihrer Medialität, dann ist Lernen per se ein mediales Dispositiv der Gesellschaft bzw. sind Medien die Dispositive einer im Wege des Lernens (als lernende) zu sich selbst findenden Gesellschaft. Auf den Boden gebracht heißt dies: die Qualität des Lernens ist nicht nur vom (Wissens-)Inhalt bestimmt, sondern in entscheidendem Maße von dessen Vermittlungszusammenhang, nicht nur der medialen Infrastruktur, die man verwendet, sondern vor allem des überlagerten Organisationszusammenhangs wegen, auf den man sich bezieht. Für die Bestimmung der Qualität der Medienmuster des Lernens müssen Kategorien der Kommunikation herangezogen werden, wenn die Annahme richtig ist, dass Medien (Medialitätsstrukturen) die Kennzeichnung der Relevanz der Kommunikation, ihrer Absichten, Zielsetzungen und Verfahrensweisen darstellen (vgl. Schmidt 2005: 35). Im Kontext der hier durchzudenkenden Problemstellung – Was leisten Medien für die gesellschaftliche Bildung und was bedeutet Bildung für den gesellschaftlich vernünftigen Gebrauch von ← 15 | 16 → Medien? – muss nicht der gesamte medientheoretische Kanon abgearbeitet werden. Es reicht die – allerdings sozialtheoretisch begründete – Feststellung, dass Medien einen Beobachtungs- und Handlungszusammenhang darstellen, in dem Menschen sich vergesellschaften, weil sie im generalisierten Bezug auf diese sich Möglichkeiten und Zumutungen der Vergemeinschaftung von Interessen und Deutungen einander zuspielen und sich im Vertrauen auf deren gestische (strukturelle) Stimmigkeit vermuten sich in gemeinsam relevanten Wirklichkeitsdeutungen zu verstehen bzw. verständigen zu können. Es geht also um mehr und um Hintergründigeres als um äußerlich differente Medienstrukturmuster (Einzelmedien): es geht um den gesellschaftlichen Gestus der Medialität bzw. den medialen Habitus von Gesellschaft. Gesellschaft ist ohne ihre mediale Struktur nicht denkbar und nicht machbar. Wenn aber Gesellschaft ist, was ihre Kommunikation ausmacht (Bauer 2011: 136), dann ist Medialität die Kategorie ihrer Selbstbeobachtung und der kulturelle wie strukturelle Horizont ihrer Selbstverwirklichung: Medialität und Bildung, beide Konzepte rückgebunden zur Kommunikation der Gesellschaft bzw. zur Gesellschaftlichkeit von Kommunikation, sind, so gesehen, die relevanten Vernunftprogramme ihrer Entwicklung. Sie sind zueinander in dialektischem Verhältnis – und möglicherweise deshalb in relativer Konkurrenz: sie brauchen und ergänzen einander in dem Maße, in dem sie sich durch ihre kulturtypische Ähnlichkeit unterscheiden.
Kompetenzprogramme der Medienbildung
Bezugnehmend auf diesen Zusammenhang soll es das Ziel der folgenden Problembeschreibung sein die Bewertung von Bildungsmedien auszurichten nach Wert- und Zielvorstellungen, die im Kontext von Theorien zur Medien- und Kommunikationsbildung entwickelt und formuliert werden. Organisierte Gesellschaften funktionieren in allen Systemen und Lebensbereichen auf der Basis ihrer Medienkommunikation: es gibt keine medienfreie Existenz (Hartmann 2003: 18 ff.). Alles, was Menschen über die Gesellschaft wissen bzw. für die Interpretation und Gestaltung ihrer Lebenszusammenhänge meinen wissen zu müssen, „wissen sie über Massenmedien“ (Luhmann 1974). Man muss zur Affirmation dieser These den Medienbegriff ausweiten. Medien sind Medien, weil und wenn und unter der Voraussetzung, dass man sie so gebraucht wie sie gemeint sind. Nicht der technisch-organisatorische Komplex ist das Definitionskriterium, sondern der Beobachtungs- und Handlungszusammenhang. Der Gebrauch von Medien ist das medientheoretisch relevante Medien-Modell. Dieser hängt ab von den Lebenszusammenhängen und den darin (oft rituell) eingebetteten sozial und kulturell ← 16 | 17 → definierten Mustern der Aufmerksamkeit. Medien sind im Kontext der Frage, welche Rolle sie im Lebensvollzug von Individuum und Gesellschaft spielen – gesellschaftstheoretisch betrachtet – nicht als apparative oder organisierte Systeme zu betrachten, sondern – unter dem Stichwort Medialität umschrieben (Bauer 2011: 476) – als in symbolischer Interaktion (Gestus) realisierte soziale Praxis der wechselseitigen Beobachtung: der Gebrauch umschreibt, was ein Medium im Kontext der Konstruktion von Wirklichkeit und der Konstitution von Gesellschaft ist. In dieser kulturtheoretischen Perspektive ist Medienwirkung dann nicht als ein „dem Medium“ anzulastendes Thema, und Medienkompetenz dann nicht (nur) als ein dem Individuum anzulastendes Thema zu erschließen, sondern als eines der Qualität der Konstitution von Gesellschaft.
Medienkompetenz
Das generelle Ziel von Medienbildung wird allgemein als „Medienkompetenz“ bezeichnet. Der Begriff klingt pädagogisch sehr plausibel. Er ist, wie für pädagogische Denkzusammenhänge nicht anders zu erwarten, normativ und eben deshalb auch kritisch zu hinterfragen: nach seinem Medien- und Kommunikationsverständnis, nach seiner bildungs- bzw. pädagogiktheoretischen Ausrichtung sowie nach seiner gesellschaftstheoretischen Einbettung. Über Bildungsmedien für die pädagogische Praxis (hier: Einsatz von Bildungsmedien im Kontext von Erwachsenenbildung) theoretisch Gültiges auszusagen macht nur Sinn im Kontext einer kritisch-reflexiven Theorie von Medienbildung. Diese geht in jedem Falle über die üblichen, theoretisch wie praktisch gewohnten Grenzen der Pädagogik (bzw. der Medienpädagogik) hinaus, zumal im Kontext von Erwachsenenbildung :
- – der Begriff des Mediums bzw. der Einzelmedien wie Presse, Rundfunk, Fernsehen, Internet wird ausgeweitet zu einem theoretischen Konzept von gesellschaftlicher Medialität,
- – das Verständnis von meist individualtheoretisch konzipierter Pädagogik wird ausgeweitet zu einer gesellschaftstheoretischen Konzeption von Bildung,
- – das theoretische Konzept von Kompetenz, die zunächst als individuelles Vermögen beschrieben wird, muss ausgeweitet werden zu einem gesellschaftstheoretisch fundierten Begriff des Medienhabitus.
In diesem Sinne ist Medienkompetenz das habituelle Interesse und das habituelle Vermögen von Beobachtung und Handeln im Umgang mit (im Gebrauch von) Medien, bzw. im Wissen um die Bedingungen der Medialität des Lebens in Gesellschaft. Dabei handelt es sich um prozedurale, soziale und persönlichkeitsbezogene ← 17 | 18 → Fähigkeiten, sich Wissen anzueignen und sich in Wissensbeschaffungsvorgänge einzumischen. Das verlangt Handlungskompetenz, die man als Einheit von Fach-, Sozial- und Humankompetenz verstehen kann und die Fähigkeit meint, die Wirklichkeit, mit der man lebt, auf der Basis reflektierter Erfahrung (Wissen) bewusst, kritisch und verantwortlich einzuschätzen und zu bewerten (Dehnbostel 2005: 118 f.). Diese Konzeption von Kompetenz baut auf einer anthropologischen Unterstellung auf, die davon ausgeht, dass der Mensch – phylogenetisch und ontogenetisch – mit einer ihn als Person begründenden kommunikativen Kompetenz ausgestattet sei, die es ihm ermögliche sich mit seiner Umwelt in Verbindung zu wissen, sich der damit verbundenen Verantwortung für sich und andere bewusst zu sein und sich selbst als integrierter Faktor und relevantes Moment der sozialen und kulturellen Welt zu verstehen. Aus dieser grundsätzlich unterstellbaren kommunikativen Kompetenz leitet sich die Lernbarkeit der grundlegenden Kulturtechnik des Sprechens, Lesens und Schreibens ab. Eine Differenzierung der kommunikativen und sozialen Kompetenzen entsteht im Zusammenspiel von Handeln, Denken und Sprache. Das Wichtigste an dieser Kompetenz ist aber, dass Menschen nicht nur technisch in der Lage sind, etwa ein Bild zu entziffern, sondern darüber hinaus in der Lage zu sein etwas dazu denken zu können, das Verständnis voraussetzt. (Kröger/Reisky 2004: 33).
Die Hintergründe des Kompetenz-Theorems
Die Überlegung, das Konzept von Kompetenz auf Medien zu beziehen, hängt offensichtlich damit zusammen, dass man sich Kommunikation nicht medienfrei wie umgekehrt Medien sich nicht kommunikationsfrei vorstellen kann, man aber zugleich annimmt, dass die kommunikative Kompetenz zu einem guten Teil die des kompetenten Mediengebrauchs ist. Kommunikation und Kompetenz sind zueinander gewandte Konzepte. Das lässt vermuten, dass der Kommunikationsbegriff ähnlich gewertet werden kann wie der der Kompetenz: einmal als intrinsisches Modell der Existenz- und Selbstbestimmung des Menschen (Konstruktion von Wirklichkeit im Blick auf sich selbst bzw. den generalisierten Anderen) und zum andern als extrinsisches (gesellschaftlich außengeleitetes) Modell des Handelns, um Wirkungen zu erreichen, Einfluss auszuüben bzw. um Erfolg zu steigern. Eben diese Außen-Leitung verlangt ein Kraft-Modell: das der gewussten, gewollten, intendierten, zugleich kritisch reflektierten Nutzung von Infrastruktur. Die Schritte in der Kompetenzsteigerungsleiter von kommunikativer (Habermas 1980) zu linguistischer Kompetenz (Bernstein 1974, Chomsky 1981) und von dort zu Medienkompetenz (Baacke 1980) sind alltagslogisch nachzuvollziehen, wissenschaftslogisch aber kritisch zu betrachten, weil zwischen kommunikativer ← 18 | 19 → Kompetenz, linguistischer und Medienkompetenz nicht einfach nur graduelle, sondern konzeptuelle Unterschiede bestehen. Es handelt sich nicht einfach nur um eine Steigerung von Fähigkeit von einer auf eine nächste Ebene. Vielmehr geht es um einander bedingende und ermöglichende, aber unterschiedlich konzipierte Modelle von humaner und homininer Kompetenz (vgl. Bauer 2012).
Der Begriff der Kompetenz ist ein philosophisch-anthropologisch, psychologisch, soziologisch und nicht zuletzt pädagogisch gebrauchtes Konzept, das die Vorstellung eines intrinsischen Desiderats bemüht, demnach es dem Menschen zumutbar sei und es ihm vermutlich auch obliege bzw. er dafür Sorge zu tragen hätte für selbst verantwortlich zu sein und dass er für diese menschenwürdige Position der Autonomie und Souveränität (Prinzip Emanzipation) auch über Potenziale verfüge, die ihm ebenso, allerdings als Lernprozess, zumutbar bzw. zu ermöglichen und abzufordern wären: Fähigkeit, Fertigkeit, Bereitschaft – eingeschrieben oder im Wege von Bildung einzuschreiben in Einstellungen, Haltungen und Verhaltensweisen (Habitus). Neben dieser kritisch-normativen Konzeption gibt es aber auch eine kritisch-pragmatische, die das Kompetenzmodell organisationstheoretisch, instrumentell und bildungstechnologisch verwertet: als Maß-Moment der Steigerung oder Steigerbarkeit der Qualifikation innerhalb eines Professionalisierungsprogramms. Auf dieser Ebene beschreibt Kompetenz das Maß der Zuständigkeit, ausdrückbar in erwartbaren oder gesellschaftlich erwarteten Fertigkeiten (skills). Was die beiden Konzeptionen unterscheidet ist die kritische Perspektive. Während die grundsätzliche (philosophische) Konzeption intrinsisch und emanzipatorisch gedacht ist (werden muss), ist die pragmatische, die dem gesellschaftlichen System zugeordnete Konzeption eher extrinsisch, affirmativ und kompensatorisch gemeint.
Media Literacy
Vor und neben dem Begriff der Medienkompetenz hat sich auch der der Media Literacy etabliert (vgl. Buckingham 2003, European Commission 2012) Media Literacy wird gerne verstanden als die Fähigkeit zu (kritischem Lesen bzw.) zur kritischen Mediennutzung und wurde ursprünglich in allen theoretischen Rahmungen der Medienpädagogik mit der Entwicklung persönlicher Interessen und Kapazitäten assoziiert, Zugang zu sozialem Kapital zu erschließen (Bourdieu 1982, Coleman 1994). In diesem Sinne wurde sie stets als Faktor für Rationalität und Vernünftigkeit innerhalb des Prozesses persönlicher Sozialisation gesehen („vernünftiger Mediengebrauch“). Theoretisch wurde Media Literacy oft mit der so genannten 4. Kulturtechnik gleichgesetzt (vgl. Baacke 1997). Von dort ausgehend hat der Begriff eine Bedeutungserweiterung erfahren um „Skills und Kompetenzen, welche das Finden, Auswählen, Analysieren, Evaluieren und ← 19 | 20 → Speichern von Information beinhalten, in ihrer Behandlung und ihrem Gebrauch unabhängiggig von beteiligten Codes oder Techniken“ (vgl. European Commission 2012). Betrachtet man, dass die soziale Kommunikationsentwicklung von der Medienentwicklung (Medientechnologie) abhängig ist, dann ist das Kompetenzkonzept mehr oder weniger Konzept für die pragmatische Assimilation des pädagogischen Status der Plattformen medientechnologischer Entwicklungen von sozialer (öffentlicher) Kommunikation in Form von Codes, strukturellem Design, Techniken und „generativer Grammatik“ (Chomsky 1972: 83, 1981). Vom Standpunkt konzeptueller Theorieentwicklung aus gedacht, ist Medienkompetenz eine Spezifikation eines allgemeinen Werkzeugkastens kommunikativer und kultureller Fähigkeiten, welche verwendet werden um soziales Kapital zu erlangen.
Im Vergleich zu Kommunikationskompetenz ist Medienkompetenz ein unterschiedliches Kompetenzmodell und wird, wenn man das Modell systematisch strukturiert (vgl. Baacke 1997), in der Regel anhand von mindestens vier beteiligten Ebenen wahr genommen:
- – Medienwissen: Wissen wie das Mediensystem gebildet wird, wie es funktioniert – in Bezug auf Technik, Wirtschaft, Politik, Recht, sozialer Werte – und unter welchen Bedingungen Medien gesellschaftlich nützliche oder problematische Funktionen für den öffentlichen gesellschaftlichen Diskurs erbringen.
- – Medienanalyse: Analyseinhalt, Effekte, die Art und das Interesse industrieller Produktion an Medien und das Verständnis für die Position medialer Potenziale und Macht.
- – Medienkritik: Bewertung der Rolle die Medienprogramme dabei spielen einer Gesellschaft kritische Eigenbeobachtung, sowie persönliche Wissensvermehrung und Lebensorientierung zu ermöglichen.
- – Mediengestaltung: Die Fähigkeit sozialer Partizipation erwerben und zu lernen sich selbst über mediale Mittel auszudrücken.
Natürlich entspricht Baackes Konzept von Medienkompetenz – immer verstanden als eine Folge von Medienpädagogik – einem instrumentellen Verständnis von Medien und ist eng mit einem funktionalen Medienkonzept als Mittel zu Macht (oder Gegenmacht) Einflussnahme und Anteilhabe verbunden. Das medienzentrierte Verständnis von Kompetenz verleitet dazu, auch das Kompetenzmodell instrumentell und funktional auszulegen: Kompetenz als Fähigkeit etwas zu erreichen, durchzusetzen bzw. sich durchzusetzen. Eine solche Auslegung wäre für das philosophisch formulierte Kompetenzmodell (Selbstverwirklichung als Selbstverantwortung) zu eng und zu industrie-ideologisch. Neuere Konzepte von Medienkompetenz gehen selbstverständlich weiter, auch wenn ← 20 | 21 → sie sich nur schwer durchsetzen im Mainstream der pragmatischen Ansätze. Aufgrund der Vorherrschaft eines funktionalen Medienverständnisses. Eine kulturelle Medieninterpretation, die der eigentliche theoretische Hintergrund des Kompetenzkonzeptes ist (vgl. Bauer 2012), schließt viel bewusster an den Bedeutungssphären von Kommunikation an, weil sie zum einen Medialität als die kommunikationsinhärente Umwelt der kommunikativen Praxis versteht; und weil sie zum anderen Kommunikation gar nicht anders denkt denn als Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung von Erfahrung unter der Bedingung der Generierung von Symbolik für eben diese Vergemeinschaftung von Unterschied.
Details
- Seiten
- 514
- Erscheinungsjahr
- 2014
- ISBN (PDF)
- 9783653042337
- ISBN (MOBI)
- 9783653987010
- ISBN (ePUB)
- 9783653987027
- ISBN (Paperback)
- 9783631651179
- DOI
- 10.3726/978-3-653-04233-7
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2014 (März)
- Schlagworte
- Bildungsmedien: Medienbildung Medienbewertung Blended-Learning Mediennutzung E-Learning
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 514 S., 2 s/w Abb., zahlr. Tab.