Die Konzernmutter als Mitarbeitgeberin im französischen Recht
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Vorwort
- Gliederung
- Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- Einleitung
- Teil 1: Der Arbeitgeber im Konzern nach französischem Recht
- § 1 Der Arbeitgeber
- A. Der Arbeitsvertrag
- I. Die persönliche Arbeitsleistung
- II. Die Leistungsvergütung
- III. Die juristische Weisungsgebundenheit
- B. Die Identifizierung des Arbeitgebers
- § 2 Grundzüge des französischen Gesellschaftsrechts
- § 3 Der Arbeitgeber im Konzern
- Teil 2: Die Konzernmutter als Mitarbeitgeberin
- § 4 Die Rechtsprechung zum Mitarbeitgeber in Konzerngesellschaften
- A. Der Mitarbeitgeber vor der Jungheinrich I-Entscheidung
- I. Der juristische Ansatz
- II. Der wirtschaftliche Ansatz
- 1. Die confusion d’intérêts, d’activité et de direction in der Instanzrechtsprechung
- 2. Die confusion d’intérêts, d’activité et de direction nach Ansicht des Kassationshofs
- III. Der Kombinationsansatz
- IV. Die Entscheidung Aspocomp
- 1. Sachverhalt
- 2. Entscheidung des Kassationshofs
- B. Die Entscheidung Jungheinrich-I
- I. Sachverhalt
- II. Entscheidung des Kassationshofs
- C. Die Rechtsprechung nach Jungheinrich-I
- I. Die Entscheidung Novoceram
- 1. Sachverhalt
- 2. Entscheidung des Kassationshofs
- II. Die Entscheidungen Métaleurop und Recyclex
- 1. Sachverhalt
- 2. Entscheidungen des Kassationshofs
- III. Die Entscheidung Jungheinrich-II
- 1. Sachverhalt
- 2. Entscheidung des Kassationshofs
- IV. Die Entscheidung Areva
- 1. Sachverhalt
- 2. Entscheidung des TASS Melun
- V. Weitere einschlägige Urteile
- 1. Kassationsurteile
- 2. Instanzgerichtliche Urteile
- D. Zusammenfassung
- § 5 Konsequenzen aus der Rechtsprechung des Kassationshofs
- A. Die Konzernmutter als Mitarbeitgeberin und Art. 19 EuGVVO
- I. Grundlagen der Arbeitsgerichtszuständigkeit nach französischem und europäischem Recht
- II. Der Mitarbeitgeber als Arbeitgeber im Sinne des Art. 19 EuGVVO nach Aspocomp und Jungheinrich-II
- B. Die Qualifizierung der Konzernmutter als Mitarbeitgeberin
- I. Die Qualifikationsmethoden
- II. Die einzelnen Qualifikationskriterien im Rahmen des wirtschaftlichen Ansatzes
- III. Rückwirkende Qualifizierung
- C. Die Konzernmutter als Mitarbeitgeberin bei einer Kündigung aus wirtschaftlichem Grund
- I. Einführung in das Recht der wirtschaftlich bedingten Kündigung
- 1. Grundlagen des allgemeinen arbeitgeberseitigen Kündigungsrechts
- 2. Besonderheiten der wirtschaftlich induzierten Kündigung
- II. Die wirtschaftlich bedingte Kündigung unter spezieller Berücksichtigung einer Mitarbeitgebersituation
- 1. Die Konzernmutter als Mitarbeitgeberin und die Geschäftsaufgabe
- 2. Die Konzernmutter als Mitarbeitgeberin und das Kündigungsschreiben
- 3. Die Konzernmutter als Mitarbeitgeberin und die obligation de reclassement
- 4. Die Konzernmutter als Mitarbeitgeberin und der plan de sauvegarde de l’emploi
- a. Alte und neue Gesetzeslage beim Beschäftigungssicherungsplan
- b. Der Beschäftigungssicherungsplan und die Mitarbeitgeberschaft
- § 6 Beweggründe für die Rechtsprechung zur Mitarbeitgeberschaft in Konzernstrukturen
- A. Das Dilemma der arbeitsrechtlichen Haftung in Konzernstrukturen
- B. Bereits existierende arbeitsrechtliche Korrekturmechanismen
- I. Korrekturmechanismen
- II. Unzulänglichkeiten der vorhandenen Korrekturmechanismen
- 1. Der Kündigungsgrund cessation d’activités
- 2. Die wirtschaftlich bedingte Kündigung im Unternehmensinsolvenzrecht
- a. Französisches Unternehmensinsolvenzrecht
- b. Das Arbeitsrecht bei der Unternehmensliquidierung
- aa. Der motif économique im Liquidationsverfahren
- bb. Das Kündigungsschreiben im Liquidationsverfahren
- cc. Die obligation de reclassement im Liquidationsverfahren
- dd. Der PSE im Liquidationsverfahren
- III. Zusammenfassung
- C. Bereits existierende Korrekturmechanismen im Insolvenzrecht
- I. Erstreckung des Insolvenzverfahrens
- 1. Voraussetzungen und Wirkungen der Verfahrenserstreckung
- a. Confusion de patrimoines
- b. Fictivité
- 2. Unzulänglichkeiten der Insolvenzverfahrenserstreckung
- II. Haftung für Masseunzulänglichkeit
- 1. Voraussetzungen und Wirkungen der Haftung für Masseunzulänglichkeit
- 2. Unzulänglichkeiten der dirigeant de fait-Haftung
- III. Zusammenfassung
- D. Bereits existierende Korrekturmechanismen im Deliktsrecht
- I. Voraussetzungen und Wirkungen der deliktsrechtlichen Haftung
- II. Unzulänglichkeiten der deliktsrechtlichen Haftung
- E. Missbrauch der Unzulänglichkeiten durch Konzernstrukturen
- F. Theorie des co-employeur als Ausweg
- Teil 3: Verteidigungsstrategien und Handlungsempfehlungen für deutsche Konzernmütter
- § 7 Mögliche Verteidigungsstrategien deutscher Konzernmütter
- A. Unzuständigkeit französischer Gerichte
- I. Argumentation
- 1. Fehlinterpretation eins
- 2. Fehlinterpretation zwei
- 3. Uneinheitliche Anwendung der EuGVVO
- 4. Verstoß gegen das Gebot der Vorhersehbarkeit
- 5. Vorabentscheidungsverfahren
- a. Grundzüge des Vorabentscheidungsverfahrens
- b. Das Vorabentscheidungsverfahren hinsichtlich Art. 19 EuGVVO
- c. Durchsetzbarkeit des Vorabentscheidungsverfahrens
- II. Bewertung
- B. Eingriff in die Niederlassungsfreiheit
- I. Argumentation
- 1. Schutzbereich
- 2. Eingriff
- 3. Rechtfertigung
- 4. Vorabentscheidungsverfahren
- 5. Vertragsverletzungsverfahren
- 6. Unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch
- II. Bewertung
- C. Verstoß gegen den Grundsatz der Selbständigkeit juristischer Personen und den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse
- I. Argumentation
- II. Bewertung
- D. Widerspruch zum Arbeitgeber-Begriff
- I. Argumentation
- II. Bewertung
- E. Eingriff in die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 GRCh
- F. Eingriff in die unternehmerische Freiheit nach deutschem Recht
- G. Eingriff in die unternehmerische Freiheit nach französischem Recht
- § 8 Handlungsempfehlungen an deutsche Konzernmütter
- A. Eigene Entscheidungs- und Verwaltungsbefugnis
- B. Eigenes Management
- C. Wirtschaftliche Unabhängigkeit
- Teil 4: Alternativen zur Mitarbeitgeber-Rechtsprechung
- § 9 Rechtsunsicherheit
- A. Interpretationsspielraum bei der dreifachen Vermischung
- B. Unklare Rechtsnatur des Mitarbeitgebers
- C. Konsequenzen der Rechtsunsicherheit
- § 10 Alternativen
- A. Gesellschaftsrechtliche Alternativen
- I. Der Konzern als juristische Person
- II. Anlehnung an die unité économique et sociale
- III. Konzernmutter und Tochtergesellschaft als eine juristische Person
- B. Schuldrechtliche Alternative
- C. Insolvenzrechtliche Ansätze
- I. Subjektive Beurteilung der Zahlungseinstellung
- II. Durchbrechung der Bindungswirkung des Insolvenzurteils
- D. Deliktsrechtliche Alternativen
- I. Haftung für fremdes Verschulden – Art. 1384 Code civil
- II. Haftung für eigenes Verschulden – Art. 1382 Code civil
- E. Gesetzliche Regelung der Theorie zum co-employeur?
- F. Bewertung
- Teil 5: Die Konzernmutter als „Mitarbeitgeberin“ im deutschen Recht – ein Vergleich
- § 11 Die Konzernobergesellschaft als Arbeitgeberin – Ansätze
- A. Arbeitgeber aufgrund von Vertrauenshaftung
- B. Funktioneller Arbeitgeber
- C. Mittelbarer Arbeitgeber
- D. Arbeitgeber aufgrund eines Schutzpflichtverhältnisses
- E. Arbeitgeber aufgrund arbeitsrechtlichen Durchgriffs
- § 12 Vergleich der französischen Rechtsprechung zum co-employeur mit dem deutschen Recht
- Conclusion
- Anhang 1: Synopse der Gerichtsurteile zur Mitarbeitgeberschaft
- Anhang 2: Auszüge aus dem Interview mit Pierre Bailly
- Entscheidungsverzeichnis
- Europäische Gerichte
- Französische Gerichte
- Amerikanische Gerichte
- Deutsche Gerichte
- Literaturverzeichnis
- Monographien:
- Gesetzeskommentare und Beiträge in Gesetzeskommentaren:
- Sammelwerke:
- Zeitschriftenaufsätze:
- Internetseiten:
- Abschlussarbeiten:
- Vorträge:
- Bericht:
- Amtsblatt der Europäischen Union:
- Zeitungsartikel:
Beginnend mit dem 18. Januar 2011 ergingen in Frankreich eine Reihe bedeutsamer Urteile im Konzernarbeitsrecht. Die Sozialkammer des Kassationshofs (Cour de cassation), und damit das höchste französische Arbeitsgericht, hat dabei zum Teil eherne Grundsätze des französischen Rechts außer Kraft gesetzt. Sogar klare Verstöße gegen Europarecht wurden offenbar billigend in Kauf genommen.
Konkret geht es um die Theorie des Mitarbeitgebers (co-employeur). Sie wurde bereits 1965 begründet. Danach kann jemand unter bestimmten Voraussetzungen juristisch als Mitarbeitgeber qualifiziert werden, auch wenn er keine arbeitsvertragliche Partei ist. In der Folge wird er wie ein vertraglicher Arbeitgeber behandelt und muss vor allem, was teuer und unangenehm werden kann, wie ein vertraglicher Arbeitgeber haften. So wurde etwa in der Entscheidung Jungheinrich I vom 18. Januar 20111 eine französische Konzernobergesellschaft als Mitarbeitgeberin der gesamten Belegschaft ihrer französischen Tochter in Anspruch genommen und musste den Arbeitnehmern Entschädigungen wegen ungerechtfertigter Kündigung zahlen.
Inzwischen wenden vor allem die französischen Instanzgerichte das Rechtskonstrukt des Mitarbeitgebers bei Konzernen so häufig und extensiv an, dass daraus ein handfestes Investitionshindernis erwachsen könnte mit erheblichen Folgen für den Wirtschaftsstandort Frankreich.
In Deutschland erregte vor allem das zweite Urteil des Kassationshofs in Sachen Jungheinrich vom 30. November 20112 großes Aufsehen. Darin wurde nämlich zum ersten Mal die deutsche Konzernmutter, und nicht mehr nur die französische Obergesellschaft, als Mitarbeitgeberin qualifiziert und musste Entschädigungen in Millionenhöhe leisten.
Mit dieser Entscheidung hat die Cour de cassation Gemeinschaftsrecht höchst eigenwillig ausgelegt, um es freundlich zu formulieren. Sie hat sich nämlich die Regelungen zur Gerichtszuständigkeit, insbesondere den Arbeitgeber-Begriff der EuGVVO, so hingebogen, dass mit einem Mal französische Gerichte autorisiert sind, auch ausländische Konzernmütter als Mitarbeitgeber heranzuziehen. ← 1 | 2 → Da sich der EuGH zu einem solchen Sachverhalt bislang nicht geäußert hat, wäre die Cour de cassation verpflichtet gewesen, ein Vorabentscheidungsverfahren anzustrengen. Gegen diese Pflicht hat sie offenkundig verstoßen.
Die vorliegende Arbeit untersucht, welchen Gefahren deutsche Konzernmütter französischer Töchter hierdurch ausgesetzt sind und wie sie diesen begegnen können.
In Teil 1 wird dargestellt, wer nach allgemeinem juristischem Verständnis Arbeitgeber im Konzern ist. Dafür werden sowohl der Arbeitgeber-Begriff als auch Grundsätze des Gesellschafts- und Konzernrechts in Frankreich zusammengeführt.
Ausgehend vom Grundsätzlichen wird dann im zweiten Teil die französische Rechtsprechung zur Theorie des Mitarbeitgebers erläutert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Rechtsprechung seit Januar 2011. Die Arbeit geht in diesem Teil auch der Frage nach, welche Folgen diese Rechtsprechung hat und warum französische Gerichte inzwischen so häufig auf dieses Rechtskonstrukt zurückgreifen.
Teil 3 befasst sich damit, wie sich deutsche Konzernmütter im Falle eines Mitarbeitgeber-Verfahrens vor französischen Gerichten verhalten sollten. Außerdem werden Handlungsempfehlungen gegeben, mit deren Hilfe eine Qualifizierung als Mitarbeitgeber durch französische Gerichte vermieden werden kann.
Da die Theorie zum Mitarbeitgeber große Schwächen aufweist und zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt, werden im vierten Teil juristische Alternativen zu diesem Ansatz aufgezeigt.
In Teil 5 wird schließlich das französische mit dem deutschen Recht verglichen. Außerdem wird untersucht, ob das deutsche Recht in diesem Bereich Anleihen beim französischen nehmen könnte.
Ergänzt wird die Arbeit durch ein Interview mit Pierre Bailly. Er war als Richter am französischen Kassationshof an den wichtigsten Entscheidungen zur Mitarbeitgeberschaft maßgeblich beteiligt. ← 2 | 3 →
1. Cass.soc., Urt. v. 18. 01. 2011 – n° 09–69199, Bulletin civil V n° 23.
2. Cass.soc., Urt. v. 30. 11. 2011 – n° 10–22964, Bulletin civil V n° 284.
Teil 1: Der Arbeitgeber im Konzern nach französischem Recht
Der Arbeitgeber ist in Frankreich, wie auch in Deutschland, nicht gesetzlich definiert.3 Auch Rechtsprechung und Rechtslehre haben bislang keine gängige Definition für ihn gefunden, obwohl mit der Arbeitgeberstellung zahlreiche Rechte und Pflichten verbunden sind. Fest steht jedoch: Im juristischen Sinne ist derjenige Arbeitgeber, der vertraglicher Gegenspieler zum Arbeitnehmer ist.4 Anknüpfung für die Ermittlung des Arbeitgebers ist insofern das Vorliegen eines Arbeitsvertrages.
Art. L. 1221–15 des französischen Arbeitsgesetzbuches (Code du travail) unterstellt den Arbeitsvertrag dem allgemeinen Recht (droit commun).6 Damit sind diejenigen Normen gemeint, die auf Grund fehlender besonderer Vorschriften Anwendung finden. Das allgemeine Recht für den Arbeitsvertrag findet sich im Code civil (Bürgerliches Gesetzbuch) und nicht, wie man vermuten könnte, im Code du travail. Grund dafür ist, dass der Arbeitsvertrag mit Inkrafttreten des Code civil im Jahre 1804 als Dienstvertrag verstanden wurde (contrat de louage des services).7 Der Dienstvertrag, der wiederum ein Unterfall des Mietvertrages ist, hat seine rechtlichen Grundlagen im Zivil- und nicht im Arbeitsgesetzbuch. ← 3 | 4 →
Weder im allgemeinen Recht zum Arbeitsvertrag, noch im zweiten Buch des Code du travail, das sich ausschließlich mit dem Arbeitsvertrag beschäftigt, ist definiert, ab wann ein Arbeitsvertrag anzunehmen ist.8
Details
- Seiten
- XX, 264
- Erscheinungsjahr
- 2015
- ISBN (PDF)
- 9783653052770
- ISBN (MOBI)
- 9783653971774
- ISBN (ePUB)
- 9783653971781
- ISBN (Hardcover)
- 9783631660263
- DOI
- 10.3726/978-3-653-05277-0
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2014 (Dezember)
- Schlagworte
- Konzern Insolvenz Haftung Arbeitsrecht
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XX, 264 S.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG