Dr. Martin Luthers Reformationsschriften des Jahres 1520
«An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung» – «Von der Babylonischen Gefangenschaft. Ein Vorspiel» – «Von der Freiheit eines Christenmenschen»
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhalt
- Vorwort
- Dr. Martin Luthers Lebenslauf 1483–1546
- A) Zeitanalyse
- 1) Geschichtlich-politische Situation in Europa und im Deutschen Reich
- 2) Luthers christliches Selbstverständnis
- B) Die drei Reformationsschriften von 1520
- I. An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (WA 6, 404–469)
- 1) Einführung
- 2) Luthers Text: An den Christlichen Adel Deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung. 1520 (WA 6, 404–469)
- II. Einführung und Text: „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Ein Vorspiel“ (De captivitate Babylonica ecclesiae, praeludium, von 1520) (WA 6, 497–573)
- 1) Einführung:
- 2) Text: Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Ein Vorspiel Martin Luthers 1520 (WA 6, 497–573)
- III. Von der Freiheit eines Christenmenschen 1520. (WA 7, S. 20–38, Latein: WA 7, S. 49–73)
- 1) Einführung
- 2) Text „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (WA 7, 20)
- C) Die Wirkgeschichte der drei Reformationsschriften
- 1) Bibel – Papst – Glaube – Gewissen
- 2) Theologie als praktische Theologie
- 3) Obrigkeit und Kirche
- 4) Gottesdienst und Sakramente
- 5) Ekklesiologie
- 6) Christliche Freiheit und Ethik und Neurologie
- D) Literatur
- E) Anmerkungen
- F) Namen
- G) Begriffe
Der 31. Oktober 1517, an dem Dr. Martin Luther seine 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg anschlug, wird als der Tag der Reformation in der Geschichte der Evangelischen Lutherischen Kirche weltweit gefeiert wie auch in politischen Ländern der Welt, so Slowenien u. a., die, angestoßen durch Luthers deutsche Bibelübersetzung, ihre eigene Nationalsprache entdeckten und als Schriftsprache auch ausformulierten.
Die Reformation ist eingebettet in die Neugestaltung Europas seit der Entstehung der Nationalstaaten: England, Frankreich, Skandinavien und Polen gegenüber dem Habsburgerreich. Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation erstarken unter der Herrschaft der habsburgischen Kaiser die deutschen Territorialgebiete des Reiches. Die bisherige Einheit von Staat und Kirche zerbrach durch die entstehenden Nationalstaaten und ihre kirchlichen Reformbewegungen, so dass sich das Verhältnis von Kirche und Staat in den einzelnen europäischen Staaten und vor allem im deutschen Reich neu zu bestimmen begann.
Kirchengeschichtlich wurde das Papsttum durch das päpstliche Schisma von Rom und Avignon mit seinen vielen Päpsten und Gegenpäpsten geschwächt. Erst das Basler Konzil (1431–1449) stellte die päpstliche Einheit in Rom wieder her. Die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern bleibt seit dem 11. Jahrhundert das beherrschende Thema Europas.
Geistesgeschichtlich schufen die humanistischen Gelehrten Erasmus von Rotterdam, Thomas Morus u. a. ein neues Lebensgefühl mit einem eigenständigen Menschen- und Weltbild, das nicht mehr dem biblischen entsprach. Die Renaissancekünstler Michelangelo, Raffael, Albrecht Dürer u. a. stellten ihre Kunst sowohl in den Dienst der Kirche wie auch der Fürsten.
Das positive Recht setzte sich gegenüber dem Gewohnheitsrecht durch und wurde in der Folge Grundlage des politischen wie auch des Verwaltungsrechtes.
Die Entdeckung der Überseeländer durch die Spanier, Portugiesen, Franzosen und Engländer weitete den Blick der Menschen Europas.
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund rief Dr. Martin Luther (1483– 1546) zur Erneuerung der christlichen Kirche aus dem Ursprung des Evan ← 7 | 8 → geliums von Jesus Christus auf. Sein Thesenanschlag an die Schlosskirche zu Wittenberg vom 31. Oktober 1517 hat die „Freiheit eines Christenmenschen“ aus den Fesseln der kirchlichen Gesetze und der kirchlichen Gelübde gelöst und zu einer biblischen Neubesinnung des Menschen und der Welt aus dem Evangelium angemahnt.
Er sieht die christliche Theologie als eine eminent praktische Angelegenheit nicht nur für den Glauben und das menschliche Seelenheil an, sondern auch für das persönliche Leben und das Weltgeschehen. Nach dem Thesenanschlag dehnt Luther seine theologische Erkenntnis- und seine Glaubenserfahrung auf die Alltagspraxis aus. Er begrenzt den Glauben keineswegs auf Kirche und Klöster, sondern weitet ihn in die Welt aus, weil Gott für ihn eine Wirklichkeit ist. Gemäß des Auftrags Jesu Christi (Matthäus 28,18–20) predigt er, spendet die Sakramente und veröffentlicht seine theologischen Gedanken in Büchern.
Besonders beachtenswert sind deshalb neben seinen Bibelkommentaren seine drei Reformationsschriften aus dem Jahr 1520, die er namhaften Personen widmete:
–„Herrn Nicolaus von Amsdorf, der Heiligen Schrift Lizentiat und Domherrn zu Wittenberg“ sein:
„An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“
–„Meinem lieben Herman Tunlich“ sein:
„Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Ein Vorspiel“
–„Herrn Hieronymus Mühlpfordt, Stadtvogt zu Zwickau“ sein:
„Von der Freiheit eines Christenmenschen.“
Mit diesen Schriften stellt er sich in die biblische Tradition der neutestamentlichen Brief des Petrus, Paulus, Johannes, Jakobus und Judas wie auch des Hebräerbriefes. Sie legen wie die an die entstandenen christlichen Gemeinden gerichteten Briefe nochmals den Glaubensinhalt der Botschaft Jesu Christi wie auch eine Anweisung eines Lebens aus dem Glauben dar. Dieses Schema von christlicher Lehre und Ethik aus der Bibel übernimmt Dr. Martin Luther in seinen drei Reformationsschriften von 1520, wenn er in der Vorrede „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ schreibt: „... womit ich für jedermann den, wie ich hoffe, unanfechtbaren Grund meines Lehrens und Schreibens dargelegt habe.“ ← 8 | 9 →
Von der Autorität der Heiligen Schrift als „auctoritas“ äußert er sich zu den kirchlichen Missständen seiner Zeit und zeigt gleichzeitig in seinen Ratschlägen ihre Abstellung wie auch ihre Reform auf. Es sind Schriften, geboren aus der Situation in der Sorge um die rechte biblische Verkündigung zum Seelenheil der Glaubenden.
Seine Absicht, die er mit seinen drei Werken von 1520 verfolgt, begründet er selbst gegenüber dem Wittenberger Hofprediger Georg Spalatin mit dem korrupten päpstlichen Kirchenwesen und der fehlenden obrigkeitlichen Mitverantwortung: „Ich meine, sie seien zu Rom alle toll, töricht, wütend, unsinnig, Narren, Stöcke, Steine, Hölle und Teufel geworden. Da mögt Ihr sehen, was von Rom zu erhoffen ist, das eine solche Unterwelt in die Kirche sich ergießen lässt. Diese Scheusale überwältigen mich wahrhaftig durch die Größe ihrer Dummheit... Die Geheimnisse des „Antichrist“ müssen endlich aufgedeckt werden, denn sie drängen sich ja selbst so sehr vor und wollen nicht länger verborgen bleiben. Ich habe im Sinne, ein Flugblatt an (Kaiser) Karl und den Adel ganz Deutschlands herauszugeben wider die Tyrannei und Nichtswürdigkeit der römischen Kurie.“ (1)
Als Theologieprofessor und Gemeindepfarrer zu Wittenberg legt Dr. Martin Luther in den Schriften die Missstände im deutschen Reich, in der Kirche und im öffentlichen Leben vom Standpunkt des Evangeliums Jesu Christi dar. Für ihn ist „das Evangelium von Christo“, (für das er sich nicht schämt), „denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben...“ (2), der Maßstab seiner Kritik an den furchtbaren kirchlichen Zuständen im deutschen Reich.
Mit seinen drei Reformschriften steht er in der Tradition der Kirchen- und der Öffentlichkeitskritik seit dem 11. Jahrhundert. Aus der damaligen Einheit von Kirche und Regierung fordert er auf Grund der anerkannten Autorität der Heiligen Schrift den Kaiser, den Adel auf, die kirchlichen Missstände zu beheben und wieder die Kirche vom Evangelium Jesu Christi bestimmen zu lassen. Für ihn hat die Obrigkeit sogar ein Recht und eine Pflicht für die Verantwortung in der christlichen Kirche zu sorgen. Beide institutionellen Kräfte fordert er auf, in ihrer Wechselwirkung und in ihrer jeweiligen Funktion zum Wohle ihrer Mitmenschen verantwortlich zu sorgen.
Mit seinem öffentlichen Auftritt fühlt sich Luther nicht ungehorsam gegenüber seiner Kirche und der Öffentlichkeit, sondern begreift sich als ← 9 | 10 → mitverantwortlich und aufgrund seiner Glaubenserkenntnis und seiner Vernunft ermächtigt, sich zu Wort melden zu können. Seine Freunde bezeichnen ihn nach der Leipziger Disputation 1519 als einen Propheten und nach 1529 versteht er sich selbst als ein Prophet der Deutschen, etwa in seiner Schrift „Warnung an seine lieben Deutschen“ von 1531. (3)
Seine drei Schriften formuliert Luther positiv, ausgehend von seiner biblisch-theologischen Erkenntnis, dass Gott den glaubenden Menschen in seiner schenkenden Liebe in Jesus Christus rechtfertigt und ihn dadurch frei macht zu einem Leben aus Gottes Liebe in der Welt. Er erkennt Gott aus der Bibel im Glauben immer als einen schenkenden, richtenden und gerecht machenden Gott an. Mit diesem Glaubensbekenntnis tritt er öffentlich auf und sieht sich selbst nach dem Verhör durch Kardinal Cajetan in Augsburg 1518 als einen Befreiten von den Fesseln des Kirchengesetzes in neuer Bindung an Gott an. In seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ entwirft er eine christliche Anthropologie, die getragen ist von Gottes Liebe. Sie gibt ihm sein christliches Selbstverständnis wie auch seine neue Sicht auf sich und seine Welt. Er versteht sich aus dem Glauben als eigenverantwortlich handelnder Mensch vor Gott und der Welt. Sein Handeln geschieht aus der von Gott geschenkten Liebe – nach der Wechselbeziehung „do ut des“ mit seinen Mitmenschen.
Diese drei Schriften, die Politik, Kirche und Leben vom Evangelium her beleuchten, haben eine geschichtliche Wirkkraft. Luther selbst ergänzt sie immer wieder durch neue Schriften auf Anfragen von Christen und zeigt in ihnen, wie der persönliche menschliche Glaube an Gott, das öffentliche Leben praktisch bestimmt und ihm zu einer rechten Entscheidung vor Gott und Welt verhilft.
Geistesgeschichtlich hat Dr. Martin Luther mit seinen drei Reformationsschriften auch den Bruch mit der Papstkirche, als „potestas“ angedeutet, indem er in seinen Schriften, Vorlesungen und Predigten die Heilige Schrift als alleinige Autorität des christlichen Glaubenslebens herausstellt. Nach seiner theologischen Erkenntnis interpretiert sie sich selbst.
Mit der Bekenntnisbildung, der Confessio Augustana von 1530, als einem evangelischen Bekenntnis, das das Glaubens-, Kirchen- und öffentliche Leben beschreibt, ist die Reform des evangelischen Kirchenwesens dargelegt und gilt seitdem als Bekenntnis der Evangelischen Kirchen in der Welt. Die Papstkirche antwortet darauf mit dem Konzil von Trient von 1545–1563. ← 10 | 11 → Es behandelt neben der päpstlichen Kirchenreform auch die durch die Reformatoren des 16. Jahrhunderts aufgeworfenen theologischen, kirchlichen und seelsorgerlichen Fragen. (4)
Die Vorgänge der Reformationsgeschichte sind nach 1528 ff nicht mehr so sehr an den Reformator Dr. Martin Luther gebunden. Sie werden einerseits von den Fürsten des sächsischen Kurfürstentums, dem Landgrafen Philipp von Hessen u. a., von den Räten der freien Reichsstädte und andererseits von den Universitätstheologen, den Pfarrern und von Philipp Melanchthon fortgesetzt.
Luther entfaltet seine Hauptwirksamkeit von der Autorität der Heiligen Schrift gegen den Schweizer Reformator Huldrych Zwingli in dem Abendmahlsverständnis von 1529 und im inneren Aufbau des Kirchenwesens der lutherischen Reformation. Seine theologischen Schwerpunkte sind Bibelübersetzung, Gottesdienstordnung, Kirchenlieder, Kirchenvisitationen, Neugestaltung des Schul- und Universitätswesen, der Kleine- und Große Katechismus, die Ausbildung der Theologen an der Universität Wittenberg und eine ausgedehnte Predigttätigkeit sowie die Herausgabe seiner Schriften. Wegen der Reichsacht kann er nur beratend am Evangelischen Bekenntnis auf dem Augsburger Reichstag von 1530 mitwirken. Bis zu seinem Lebensende bleibt er theologischer Berater seines sächsischen Kurfürsten Johann des Beständigen.
In der Zeit nach Luthers Tod scheitern alle Versuche, die Kirchenspaltung durch Lehrverhandlungen und durch das Konzil von Trient zu überwinden. Trotz der politischen Macht und des Sieges über den Schmalkaldischen Bund bei Mühlberg 1546/47, kann Kaiser Karl V. das Reformationsgeschehen nicht mehr rückgängig machen. Die Evangelischen sind in ihren deutschen Ländern und Reichsstädten trotz mancher Belastung ihrem evangelischen Glauben, der sich auf Bibel und Sakramente gründet, treu geblieben. Ihr Glaube hat ihre Lebens- und Weltanschauung und ihr Arbeitsethos durch die Zeiten bestimmt. Luthers Grundthese, dass die Freiheit des Christen von Gott dem Glaubenden geschenkt ist und in dieser Relation eine verantwortliche Freiheit im Leben und in der Welt ist, die mit keiner durch Menschen abgetrotzten Freiheit verwechselt werden darf, bleibt eine dauernde Bereicherung der weltweiten Religionsgeschichte und Weltgeschichte.
Aus diesem Grund lohnt es sich seine drei Reformationsschriften zu veröffentlichen, damit sie gelesen und bedacht werden können. Sie sind weder ← 11 | 12 → in der wissenschaftlichen Theologie der Universität noch in der der Kirche in ihrer Aussagekraft gewürdigt worden, so wie es hätte sein sollen. Eine Ausgabe mit Kommentar liegt zwar in Einzelausgaben vor, nicht aber in den zusammengestellten Werk- und Volksausgaben Dr. Martin Luthers. Darum gebe ich sie mit meinem Buch heraus.
Zu danken:
Die zitierten Originaltexte Dr. Martin Luthers sind der Weimarer Ausgabe der Werke Luthers, Weimar, 1888 ff (= WA) entnommen. Zahlen im Luthertext (in Klammern) beziehen sich auf die Seitenzahlen des Luthertextes der WA.
Nur in: Dr. Martin Luthers Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ von 1520 folge ich ab Seite 430–469 (WA 6) an manchen Stellen der Übersetzung von Ernst Kähler von 1911 in der Philipp Reclam jun. Ausgabe, Stuttgart 1961.
Dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg danke ich für die Verwendungsgenehmigung des Kupferstiches von Lukas Cranach d. Ä: Martin Luther als Augustinermönch, Inv-V-Nr. K 868.
(Die Verdeutschung des lateinischen Untertextes: „Das unvergängliche Abbild seines Geistes drückt Luther selbst aus. Lukas dagegen zeichnete die sterbliche Gestalt. 1520“)
Dem Verlag Peter Lang danke ich für die Aufnahme meines Buches in sein theologisches Programm.
München, 17. April 2015 | Pfarrer Dr. Horst Jesse, M.A. |
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Details
- Seiten
- 321
- Erscheinungsjahr
- 2015
- ISBN (PDF)
- 9783653058673
- ISBN (MOBI)
- 9783653963335
- ISBN (ePUB)
- 9783653963342
- ISBN (Hardcover)
- 9783631665350
- DOI
- 10.3726/978-3-653-05867-3
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2015 (August)
- Schlagworte
- Reformation Kirchentrennung Reformschriften
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 321 S.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG