Prolegomena to a Science of Reasoning
Phaneroscopy, Semeiotic, Logic
Summary
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Title
- Copyright
- About the author(s)/editor(s)
- About the book
- This eBook can be cited
- Table of Contents
- Phaneroscopy, Semeiotik, Logik. Eine Einführung
- Reasoning
- Scientific Method
- Notes for a Syllabus of Logic
- Exact Logic. Introduction. What is Logic?
- Logic. The Theory of Reasoning By C.S. Peirce
- Logic Viewed as Semeiotic
- Logic as the General Theory of Signs of all Kinds
- Phaneroscopy: Or, the Natural History of Concepts
- Phaneroscopy
- Signs, Thoughts, Reasoning
- Logic. Book I. Analysis of Thought
- Common Ground
- How to Define
- Essays toward the Full Comprehension of Reasonings. Preface
- Quest of Quest. An Inquiry into the Conditions of Success in Inquiry
- An Appraisal of the Faculty of Reasoning
- Part II. Mathematical Reasoning
- Bibliography
- Index of Technical Terms
- Name Index
Phaneroscopy, Semeiotik, Logik Eine Einführung
Charles S. Peirce – bekannt als der Gründer der modernen Zeichenwissenschaft – richtet sein wissenschaftliches Interesse nicht primär auf die formale Grundlage von Zeichen, sondern auf das Zeichen als die Objektivation von Gedankenprozessen. Denkprozesse, erklärt er, bestehen aus einer Reihe von Bedeutungstransformationen, sind eingebettet im Interpretationsprozess und gestützt durch logische Strukturen. In Peirces umfangreichem Oeuvre sind zahlreiche Hinweise und Passagen zu finden, deren Gedankenkonzepte und Architektonik trotz der breiten Zerstreuung auf ein einheitliches, mit festen theoretischen Zügen erfassbares und inhaltlich kohärentes Werk über eine Wissenschaft des Denkens hindeuten. Dies umreißt konstitutive Elemente eines Wissenschaftsmodells, das das Denken – samt seiner Struktur und Entwicklungsdynamik – erklärt und Konzepte von Zeichenrelationen, von Temporalität, von Bedeutungsgenerierung sowie eine funktionale Ebene von logischen Gesetzmäßigkeiten aufweisen kann.
Alles Denken, so Peirce, beginnt und endet im Zeichen. Zeichen kommunizieren Ideen, indem sie Ideen von vergangenen Gedanken mit denen der Zukunft verbinden. Mehr als reine Gedanken oder imaginäre Zeichen verkörpern sie Potentialitäten, die sowohl zu intern-mentalen wie auch extern-universalen Zeichen transformiert werden. Zeichen entstehen im Denkprozess und sind dessen Manifestation und Fixierung zugleich: daraus darf allerdings nicht gefolgert werden, dass die Wissenschaft des Denkens mit einer Wissenschaft des Zeichens gleichzusetzen sei. Denn, das Zeichen als Resultat des Denkprozesses ist vor allem die Repräsentation einer vergangenen Handlung, und als solche ist sie lediglich in der Lage, die formalen Bedingtheiten von Zeichen, aber niemals den Ansatzpunkt sowie den Prozess seiner Entstehung zu erklären. Demgegenüber verspricht eine Wissenschaft des Denkens all dies zu verbinden; für diesen Zweck bestimmt Peirce drei einander bedingende Bereiche: Phaneroscopy, Semeiotik und relationale Logik, jeweils begleitet mit den Funktionsfeldern des Beobachtens, des Entwerfens und der Interpretation, sowie deren Konkretisierung in Objekt, Zeichen und Interpretant.
In seinem Buch Studies in Logic beendet Charles S. Peirce das Kapitel unter dem Titel A Theory of Probable Inference mit dem folgenden Absatz:
„Side by side, with the well established proposition that all knowledge is based on experience, and that science is only advanced by the experimental verifications of theories, ← 13 | 14 → we have to place this other equally important truth, that all human knowledge, up to the highest flights of science, is but the development of our inborn animal instincts.”1
In dieser und in zahlreichen weiteren Passagen seines Werks zum Ausdruck gebrachte Verflechtung und Einbindung von Erfahrung, Experiment und von Instinkt bestimmtem Handeln prägt Peirces Entwurf eines Wissenschaftsmodells. Für sein Ziel eine umfassende Erkenntnislehre zu gründen, in der sowohl das Subjekt als Erfahrungsmoment, das Experiment als das Moment der Zeichensetzung sowie die Einbettung des Interpretanten in einer universalen instinktgelenkten Erfahrung einbezogen werden, setzt Peirce unterschiedlichste methodische Instrumente ein. In dieser methodischen und instrumentellen Heterogenität liegt der genuin interdisziplinäre Charakter Peirces Wissenschaftslehre; sie ist eine polyphone und aus multiplen Perspektiven entworfene Annäherung an das Denken und an dessen Folge, das Erkennen. Die erkenntnisorientierte Suche nach einer Universalordnung des Wissens und der Drang, sie auf logischen Fundamenten zu erfassen, bestimmen die Architektonik Peirces Gesamtwerks; allerdings folgt sein Logik-Modell einem durch Relationen bestimmten dynamischen Prozess, in dem die Hierarchie der Zeichenelemente situationell verhandelbar bleibt. In diesem Modell bildet die triadische Verflechtung von Objektbestimmung, Zeichensetzung und Bedeutungsnormierung durch den Interpretanten eine molekulare Kräfteeinheit, deren Wirkung zugleich durch die Potenzialität von weiteren synaptischen Anschlüssen bestärkt wird. In Peirces Wissenschaftsmodell bleibt der Anfang jedes Erkenntnisprozesses sinnlich sensuell, so auch die Kunst der Erfassung von Wissen, sie beginnt mit der Beschreibung der sinnlichen Perzeption, dem Phaneron, als die Schnittstelle, als das Interface zwischen Zeichendaten und dem wahrnehmenden Subjekt. Mit seiner Lehre der Phaneroscopy, der Wissenschaft zur Erfassung des Phanerons, führt Peirce den forschenden Blick in die strukturimmanente Architektonik und Logik von Zeichenprozessen, öffnet einen kontemplativen Raum, aus dem heraus jeglicher phänomenologischer Prozess der Sinnerzeugung und -erfassung ihren Ursprung hat.
Die erste Frage, die sich Phaneroscopy stellt, ist, so Peirce, die Frage nach der Ursache der Aufmerksamkeit, als die erste Stufe des Bewusstwerdens des Denkprozesses. Das primäre Untersuchungsobjekt der Phaneroscopy ist dementsprechend das Phaneron, das Manifeste, das den Betrachter anblickt. Es ist die Schnittstelle zwischen einer externen Wirklichkeit und deren momentanen Wahrnehmung, der Ausgangspunkt der Semeiosis, mit ihren konstitutiven ← 14 | 15 → Elementen Empfindung, Wille und Gedanken, jeweils als Repräsentationen von unterschiedlichen Bewusstseinsformen.
Charles S. Peirce gehört zu den wenigen Zeichenwissenschaftlern, die nicht das Sprechen sondern das Sehen als die Grundlage des logischen Denkens verstanden und dies in einer Wissenschaft des genauen Beobachtens eingebettet haben. Bekanntlich hat er seinen Entwurf einer Science of Reasoning und ihrer Hauptformen in zahlreichen Manuskripten dokumentiert; so zum Beispiel werden im Manuskript Nr. 655, unter dem programmatischen Titel „Quest of Quest“, die Wissenschaften in drei Kategorien unterteilt: in eine Theoretische Wissenschaft, deren Ziel die Suche nach der Wahrheit um des Wahrheitswillens ist, eine Praktische Wissenschaft, die Suche nach der Wahrheit und ihrer Zwecke, sowie eine Angewandte Wissenschaft, deren Ziel die Erprobung und Umsetzung von theoretischen Erkenntnissen ist. Diese erweitert Peirce um eine „Wissenschaft der Schlussfolgerung“, deren Architektonik vor allem drei Wissenschaftskonzepte umfasst: eine Lehre des Beobachtens (Phaneroscopy), eine Zeichenlehre und eine Interpretationslehre.
Die vorliegende Publikation hat sich zur Aufgabe gemacht, sich dem ersten Teil, der Lehre des Beobachtens, sowie deren Stellung im Gesamtkontext Peirces Wissenschaft des Denkens anzunähern. Neben ihrer hohen Relevanz für die bildwissenschaftliche Forschung öffnet die Lehre der Phaneroscopy einen erkenntnistheoretischen Zugang zu Peirces Werk, denn sie erfasst den ersten Schritt, den Auslöser jeglichen Gedanken- und Zeichenvorgangs. Auch in dieser Hinsicht kann Phaneroscopy die Grundmotive Peirces Denkens exemplifizieren und die so oft proklamierte Schwierigkeit eines sachgemäßen Zugangs zumindest in bescheidenen Schritten entkräften.2
Die Stärke und Originalität Peirces Werks – wie es die Phaneroscopy modellhaft darstellt – liegt in der Überwindung der Kluft zwischen dem natur- und geisteswissenschaftlichen Denken und Wirken. Peirces ausgeprägte Nähe zu naturwissenschaftlich orientierten Methoden liegt auf der Hand; schon im jungen Alter lernt er, dass konkretes Beobachten und abstrakte Folgerungen feste Bestandteile einer Wissenschaft sind. Sein Vater Benjamin Peirce, Mathematiker und ← 15 | 16 → Astronom, war an der Entdeckung der Planeten Uranus und Neptun beteiligt, war Autor zahlreicher Studienbücher und Monographien zu den Bereichen Trigonometrie, Algebra, Geometrie, Astronomie und Nautik, spielte eine entscheidende Rolle bei der Gründung des Harvard Observatoriums sowie der Gründung der American Academy of Arts and Sciences.
Somit wächst der Sohn Charles Peirce in einer von Wissenschaft und Innovation geprägten Umgebung auf, hat nicht nur fundiertes Wissen über Geodäsie, Theorie der Pendelschwingung, Kartographie, sondern ist auch als Wissenschaftler an zahlreichen Studien aktiv beteiligt, wie zum Beispiel im Rahmen der astronomischen Studien seines Vaters. Peirce ist ein Pionier in der Nutzung des Spektroskops zur Beobachtung des Spektrums und der Bestimmung der Spektralklassen von Sternen, sowie der Entwicklung des Spektrometers zur Messung von Spektren, für die er sogar ein eigenständiges Messverfahren entwickelt, das später als Teil des berühmten Michelson/Morley-Experiments etabliert wird.3 Auch als Physiker arbeitet Peirce bis 1891 für die United States Coast and Geodetic Survey, dessen Leiter sein Vater von 1867–74 war.
All diese Erfahrungen erklären Peirces unermüdliche Suche nach einem umfassenden Wissenschaftsmodell, das in der Lage sein sollte, die Perspektive unterschiedlicher Disziplinen in zwei Kernpunkten zu bündeln: das Beobachten von Universalstrukturen und das Beobachten von Quantenstrukturen. Eine entscheidende Rolle für die Umsetzung dieser Idee spielt sein Studium der Chemie. Peirce war ein begeisterter Schüler von Josiah Cooke, Professor für Chemie und Mineralogie an der Harvard Universität, der für eine angewandte Wissenschaft eintrat. Cooke, ähnlich wie später Peirce, unterteilte die Wissenschaft in zwei gleichwertige Komponenten, eine subjektive und eine objektive:
„Objectively it is a body of facts, which we have to observe, and subjectively it is a body of truths, conclusions, or inferences, deduced from these facts; and the two sides of the subject should always be kept in view.”4
Drei Schwerpunkte Cookes Wissenschaftstheorie zeigen direkte Parallelen mit Peirces Wissenschaftsmodell, es sind: die Kunst des Beobachtens Phaneroscopy, die anwendungsorientierte Wissenschaft der Zeichenlehre und die interdisziplinäre ← 16 | 17 → Methodik. Cooke zählt die Fähigkeit des genauen Beobachtens zu den entscheidenden wissenschaftlichen Qualitäten, setzt sich sogar für die Schulung dieser Fähigkeit ein:
„We are all gifted with senses, but how few of us use them to the best advantage! ’We have eyes and see not;’ for, although the light paints the picture on the retina, our dull perceptions give no attention to the details, and we retain only a confused impression of what has passed before our eyes. ‘But how‘, you may ask, ‘are we to cultivate this sharpness of perception?’ I answer, only by making a conscious effort to fix our attention on the objects we study, until the habit becomes a second nature. […] It is a question of sight, not of understanding, and all the optical theories of the cause of the luster will not help you in the least toward seeing the difference between diamond and glass, or anglesite and heavy spar.”5
Nicht nur die Öffnung naturwissenschaftlicher Denkgrenzen prägt Peirces methodischen Ansatz. Bekanntlich machte Peirce kein Geheimnis daraus, welche Wirkung Schillers Ästhetische Briefe auf sein Denken hatten und welche Rolle er der Ästhetik zuschrieb: „It is now forty-seven years ago that I undertook to expound Schiller’s Aesthetische Briefe to my dear friend, Horatio Paine. We spent every afternoon for long months upon it, picking the matter to pieces as well as we boys knew how to do. In those days, I read various works on esthetics; but on the whole, I must confess that, like most logicians, I have pondered that subject far too little. The books do seem so feeble. That affords one excuse. And then esthetics and logic seem, at first blush, to belong to different universes. It is only very recently that I have become persuaded that that seeming is illusory, and that, on the contrary, logic needs the help of esthetics.”6
Details
- Pages
- 186
- Publication Year
- 2016
- ISBN (PDF)
- 9783653059007
- ISBN (MOBI)
- 9783653952094
- ISBN (ePUB)
- 9783653952100
- ISBN (Hardcover)
- 9783631666029
- DOI
- 10.3726/978-3-653-05900-7
- Language
- English
- Publication date
- 2015 (December)
- Keywords
- Bildwissenschaft Kulturwissenschaft Semiotik Zeichentheorien
- Published
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 186 pp., 2 b/w fig.
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