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Fragen des Deutschen und Europäischen Insolvenzrechts

10. Kieler Insolvenzsymposium

von Stefan Smid (Band-Herausgeber:in)
©2016 Konferenzband 168 Seiten

Zusammenfassung

Der Band der auf dem X. Kieler Insolvenzrechtlichen Symposium gehaltenen Vorträge deckt das Feld des gesamten Insolvenzrechts ab: Von praktisch höchst bedeutsamen Zuständigkeitsfragen internationalen europäischen Insolvenzrechts bei grenzüberschreitenden Insolvenzen, dem bislang noch nicht ausgeleuchteten Recht der Genussrechte in der Insolvenz über insolvenzstraf- und insolvenzsteuerrechtliche Probleme, das insolvenzrechtliche Vergütungsrecht, das Gegenstand heftiger Diskussionen ist, nur scheinbar ausdiskutierte Fragen der Aus- und Absonderungsrechte bis hin zu Fragen des Verhältnisses von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht reicht der Bogen der Themen, die verhandelt worden sind.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Aussonderung massefremder Gegenstände
  • I.    Einleitung
  • II.   Fallgruppen
  • 1.  Der „Waggon-Fall“
  • 2.  Der „Kran-Fall“
  • 3.  Der „Telefonanlagen-Fall“
  • 4.  Hinweis
  • III.  Das Herausgabebegehren der Aussonderungsberechtigten
  • 1.  Theoretische Betrachtung der Aussonderung gem. § 47 InsO
  • 2.  Praktische Betrachtung der Aussonderung gem. § 47 InsO
  • a) Aussonderung aus Sicht der Gläubiger
  • b) Aussonderung aus Sicht des Insolvenzverwalters
  • aa) Einleitende Maßnahmen zur Realisierung der Aussonderung
  • bb) Die Ausgangssituation aller Beteiligten
  • cc) Darstellung der Aussonderung anhand der Einzelfälle
  • (1) Der „Waggon-Fall“
  • aaa) Auskunftspflicht des Insolvenzverwalters
  • bbb) Verweigerung der Aussonderung
  • ccc) Übergabe des Aussonderungsgutes
  • ddd) Frist
  • (2) Der „Kran-Fall“
  • aaa) Demontage der Kranelemente
  • bbb) „Rechtsmissbrauch“ als Verweigerungsrecht des Insolvenzverwalters?
  • (3) Der „Telefonanlagen-Fall“
  • (4) Verteilung der Aussonderungskosten
  • (aaa) Kosten der Demontage des Aussonderungsgegenstandes
  • (bbb) Kosten der Auskunftserteilung
  • IV.   Exkurs: Eröffnungsverfahren und Eigenverwaltungsverfahren
  • V.    Fazit
  • Aktuelle Entwicklung des Vergütungsrechts
  • I.    InsVV und die Inflation
  • 1.  Inflationsanpassung in Rechtsprechung und Literatur
  • 2.  Die Ansicht von Haarmeyer/Mock
  • 3.  Konkursrechtliche Reminiszenzen
  • II.   Querfinanzierung und Mischkalkulation
  • III.  Reformvorschläge
  • 1.  Diskussionsentwurf des Gläubigerforums
  • 2.  Diskussionsentwurf für ein Insolvenzrechtliches Vergütungsgesetz (InsVG)
  • 3.  Aussichten
  • Eine Strafnorm § 283c StGB – Die Gläubigerbegünstigung
  • I.    Der Tatbestand der Gläubigerbegünstigung
  • II.   Insolvenzstrafrecht im Ermittlungsverfahren
  • III.  Die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit in der strafrechtlichen Praxis
  • IV.  Beispiele
  • 1.  Erstes Beispiel
  • 2.  Zweites Beispiel
  • 3.  Drittes Beispiel
  • 4.  Viertes Beispiel
  • 5.  Fünftes Beispiel
  • 6.  Sechstes Beispiel
  • V.   Schluss
  • Gesellschaftsrecht in Krise und Insolvenz
  • I.    Gesellschaftsrecht in der Krise
  • II.   Gesellschaftsrecht in der Insolvenz
  • 1.  Gesellschaftsrechtliche Neutralität der InsO von 1994
  • 2.  ESUG
  • a) debt-to-equity-swap
  • b) Umwandlung
  • c) Ausgliederung
  • d) Austritt und Abfindung eines Gesellschafters
  • e) Anmeldeberechtigung des Insolvenzverwalters beim Registergericht
  • 3.  Einwendungen gegen das Verfahren
  • a) Missbräuchliche Antragsstellung und Insolvenzgründe
  • b) Gutachter = Sachwalter?
  • c) Fehlende Beschwerdemöglichkeit für Gesellschafter
  • d) Verfassungswidrigkeit (Art. 14 GG)
  • 4.  Insolvenz- und registergerichtlicher Prüfungsumfang
  • 5.  Rechtsschutz im Insolvenzplanverfahren
  • a) Planprüfung, § 231 InsO
  • b) Minderheitenschutz, § 251 InsO
  • c) Obstruktionsentscheidung, § 245 InsO
  • d) Sofortige Beschwerde, § 253 InsO
  • e) Freigabeverfahren, § 253 Abs. 4 InsO
  • 6.  Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in der Insolvenz?
  • 7.  Verfassungsbeschwerde
  • 8.  Fazit
  • Offene Rechtsfragen bei der internationalen Zuständigkeit nach der EuInsVO
  • I.    Einleitung
  • II.   Der Fall Alpine A 1-GmbH spółka jawna
  • 1.  Bezug zu Österreich:
  • 2.  Bezug zu Polen:
  • III.  Grundlagen der internationale Zuständigkeit nach der EuInsVO
  • 1.  Problemstellung
  • 2.  EuGH zur internationalen Zuständigkeit für Hauptinsolvenzverfahren
  • 3.  EuGH zur internationalen Zuständigkeit für Sekundärinsolvenzverfahren
  • IV.  Zur Bedeutung der Einstellung der (operativen) Tätigkeit
  • V.   Zur (Haupt-)Verwaltung der Schuldnerinteressen
  • 1.  Hauptverwaltung als zentrales Zuständigkeitskriterium
  • 2.  Hauptverwaltung am Ort der Verwaltungszentrale
  • 3.  Änderungen bei der Hauptverwaltung
  • VI.  Zum Begriff der Niederlassung
  • VII. Schlussbemerkung
  • Unternehmensrefinanzierung durch Genussrechte – Eigenkapitalähnliche (hybride) Finanzinstrumente und ihre Rolle in der Insolvenz
  • I.    Einleitung
  • 1.  Ausgangssituationen der Unternehmensrefinanzierung
  • a) Notwendigkeit der Unternehmensrefinanzierung, Investoren und Intermediäre
  • b) Systematik der Unternehmensfinanzierung
  • c) Unternehmensrefinanzierung durch Fremdkapital
  • d) Unternehmensrefinanzierung durch Eigenkapital
  • e) Mezzanine oder hybride Refinanzierungen der Unternehmen zwischen Fremd- und Eigenkapital
  • f) Grund des Kapitalbedarfs
  • g) Zusammenfassung zur Unternehmensrefinanzierung
  • 2.  Investoren in Genussrechte und Aspekte ihrer Einwerbung
  • 3.  Risiken des Investors bei den dem Eigenkapital angenäherten Instrumenten
  • a) Risikosituation des Investors in mezzanine Produkte
  • b) Risikoabschätzung: Zusammenhang der Refinanzierungsart mit den Konditionen am allgemeinen Kapitalmarkt, Fristenkongruenz93
  • II.   Genussrechte – eigenkapitalähnliche Instrumente mit Tradition
  • 1.  Hybrider Charakter der Genussrechte – ein Finanzinstrument zwischen Emittent und Anleger
  • 2.  Der Ausgangsfall in der aktuellen Judikatur: Derivate, pflichtwidrige Geschäfte einer AG und Folgen für den Genussrechtsinhaber
  • a) Urteil des BGH vom 29.04.2014
  • b) Sachverhalt
  • c) Verfahrensgang
  • d) Folgen des Urteils
  • e) Das Urteil Coreal Creditbank des OLG Frankfurt vom 20.08.2014
  • III.  Rechtliche Struktur von Genussrechten im Einzelnen
  • 1.  Genussrechte im Aktienrecht – ein beteiligungsähnliches nicht gesetzlich definiertes Rechtsinstrument
  • 2.  Genussrechte in der Rechtsprechung von Reichsgericht und BGH an Beispielen
  • a) Beteiligung an der Dividende anstelle eines Festzinses als frühes Merkmal
  • b) Mitgliedschaftsrechtliche Teilhabe des Genussrechtsinhabers?
  • c) Grundsatzentscheidung des BGH von 1992
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Charakter des Genussrechts aus dem Blick des BGH
  • (1) Charakter als schuldrechtliches Instrument und Folgen
  • (2) Kontrolle der Genussscheinbedingungen nach Aktienrecht?
  • (3) Verlustteilnahme, Wiederaufleben, Kapitalschnitt
  • d) Weitere Linien der BGH-Rechtsprechung
  • e) Folgerungen
  • 3.  Genussrecht, Finanzierungsform für alle Unternehmen?
  • a) Aktiengesellschaft, Societas Europaea, Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Privatautonomie
  • b) KGaA
  • c) GmbH
  • d) Genossenschaft
  • e) Körperschaften und rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts
  • f) Gesellschaften ausländischen Recht mit Verwaltungssitz im Inland
  • g) Nicht gewinnorientiert tätige Organisationen
  • h) Motive der Unternehmen zur Emission von Genussrechten
  • 4.  Entgelte für Investoren in Genussrechtskapital
  • a) Auflösend bedingte Struktur der Ansprüche bei eigenkapitalähnlichen Genussrechten?
  • b) Besonderheiten der laufenden Vergütung von Genussrechten – die „Naturaldividende“ bzw. „Naturalvergütung“
  • 5.  Anforderungen an Genussrechte als bilanzielles Eigenkapital
  • a) Jahresabschluss nach HGB
  • b) Jahresabschluss nach IAS/IFRS
  • 6.  Zusammenfassung: Systematisierung von Genussrechten, anzuwendendes Recht
  • 7.  Rechtsvergleichende Hinweise zu „Genussrechten“ in Rechtsordnungen, die der inländischen ähnlich sind
  • a) Österreich
  • b) Schweiz
  • 8.  Empirische Feststellungen zu Genussrechten
  • a) Emissionen von Genussrechten in der Unternehmenspraxis
  • b) Wesentliche Merkmale von eigenkapitalähnlichen Genussrechten
  • IV.  Genussrechte in der Insolvenz des Emittenten
  • 1.  Genussrechte ohne eigenkapitalähnlichen Charakter und ohne Verbriefung
  • a) Differenzierung zwischen Genussrechten mit und ohne eigenkapitalähnliche Struktur und zwischen unverbrieften und in wertpapierrechtlicher Form verbrieften Rechten
  • b) Unverbriefte Genussrechte ohne eigenkapitalähnliche Struktur.
  • 2.  Eigenkapitalähnliche Genussrechte ohne Verbriefung
  • a) Eigenkapitalähnliche Genüsse mit und ohne Verbriefung
  • b) Problemfelder der unverbrieften eigenkapitalähnlichen Rechte
  • c) Eigenkapitalähnliche Genussrechte und Zahlungsunfähigkeit?
  • aa) Ablehnung schematischer Antworten
  • bb) Rolle der Genussrechtsbedingungen
  • cc) Keine Verneinung der Zahlungsunfähigkeit allein aufgrund des Nachrangs eines Genussrechts
  • dd) Der Praxisfall: „Prokon“ und das AG Itzehoe
  • ee) Unwirksamkeit bzw. fehlende Durchsetzbarkeit von Verlustteilnahmeregelungen und Zahlungsunfähigkeit
  • d) Eigenkapitalähnliche Genussrechte und drohende Zahlungsunfähigkeit
  • e) Eigenkapitalähnliche Genussrechte und Überschuldung
  • f) Insolvenzanfechtung von Leistungen auf Genussrechte
  • aa) Kongruenz, Bargeschäft, § 133 InsO?
  • bb) Anfechtung gem. §§ 135 f. InsO?
  • cc) Anfechtungsrechtliches Sonderrisiko „Schneeballsystem“.
  • g) Eigenkapitalähnliche Genussrechte im Regel- bzw. Insolvenzplan-verfahren
  • 3.  Besonderheiten bei den in Schuldverschreibungen „verbrieften“ Genussrechten
  • a) Ausgabe von Genussscheinen, wertpapierrechtliche Besonderheiten
  • b) Anwendung des SchVG (2009) auf Altschuldverschreibungen?
  • c) Inhaltskontrolle der Genussschein-Bedingungen nach § 307 BGB
  • d) Versammlung der Genussscheininhaber trotz Nachrangs der verbrieften Genussrechte, § 19 Abs. 2 SchVG
  • e) Materiell-rechtliche Voraussetzungen der Restrukturierung, § 5 SchVG
  • aa) Restrukturierungsmaßnahmen und deren Voraussetzungen, Reformansätze der Beschlussanfechtung, Parallelen zu den §§ 251, 253 InsO
  • bb) Erleichterungen der Restrukturierung bei den eigenkapitalähnlichen Genussscheinen, debt equity swap?
  • V.   Anlegerrisiken, Anlegerstrategie, Anlegerschutz,?
  • 1.  Risikofelder
  • a) Risikofeld der unzureichenden Risikovermittlung gegenüber dem privaten Anleger
  • b) Risikofeld des Totalverlustes des Investment
  • c) Insolvenzanfechtungsrechtliches Risikofeld
  • d) Steuerliche Probleme in Fällen des Vorliegens eines Schneeballsystems – das steuerliche Risikofeld
  • e) Risikofeld des vorzeitigen Verkaufs mit hohen Abschlägen
  • 2.  Risikomanagement des Anlegers
  • 3.  Die Rolle der Anlageprospekte beim Risikomanagement
  • a) Wertpapierprospektgesetz
  • b) Vermögensanlagengesetz
  • c) De lege ferenda – ist die Lösung der Probleme des Anlegerrisikos ein Kleinanlegerschutzgesetz?
  • 4.  Schadenseingrenzung des Anlegers durch Haftungsansprüche gegen den Anlagevermittler bei fehlerhafter Beratung?
  • 5.  Teilweise Schadensliquidation in der Insolvenz bei Nachranganlage durch Aufstufung zur gewöhnlichen Insolvenzforderung?
  • 6.  Konfliktpotential des Gläubigerstreits in Sonderfällen?
  • VI.  Zusammenfassung, Fazit
  • Sanierungssteuerrecht
  • I.    Begriff des Sanierungssteuerrechts
  • II.   Sanierungsgewinne
  • 1.  Grundsatz: Besteuerung von erlassbedingten Gewinnen
  • a) Die gesetzliche Regelung des § 3 Ziffer 66 EStG a.F.
  • b) Sanierungserlass des BMF v. 27.03.2003
  • c) Stand der Rechtsprechung
  • 2.  Abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO)
  • 3.  Erlass nach § 227 AO
  • 4.  Unionsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Sanierungserlasses
  • 5.  Praxishinweise hinsichtlich des Vorgehens bei Sanierungsgewinnen
  • a) Darlegung der Tatbestandsmerkmale des Sanierungserlasses
  • b) Planungssicherheit – verbindliche Auskunft
  • c) Europarechtliche Implikation
  • 7.  Unternehmensbezogene Sanierung versus unternehmerbezogene Sanierung
  • 8.  Steuerliche Auswirkungen des Wegfalls von Verbindlichkeiten im Rahmen der Restschuldbefreiung
  • III.  Schicksal der Verluste bei Sanierungsvorgängen
  • 1.  Ermittlung des Verlustes
  • 2.  Verlustrücktrag bei der Einkommensermittlung
  • 3.  Ausschluss des Verlustabzugs nach § 8 Abs. 4 KStG a.F.
  • 4.  Schädliche Anteilsveräußerungen
  • 5.  Zeitpunkt des Verlustes der wirtschaftlichen Identität
  • 6.  Zeitraum für die Zuführung neuen Betriebsvermögens
  • 7.  Privilegierte Sanierungsfälle
  • 8.  Die Neuregelung des Verlustabzugs nach § 8c KStG
  • a) Schädliche Anteilsübertragung
  • b) Quotaler Verlustuntergang
  • c) Vollständiger Verlustuntergang
  • d) Mittelbarer Anteilseignerwechsel
  • e) Zeitpunkt des Erwerbs
  • f) Zusammenzurechnende Erwerber
  • g) Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen
  • h) Kapitalerhöhung mit Änderung der Beteiligungsquote
  • i) Unterjähriger Beteiligungserwerb
  • j) Konzernklausel
  • aa) Übertragender und übernehmender Rechtsträger
  • bb) Übernehmender Rechtsträger bei Abwärtsverschmelzung
  • cc) Dieselbe beteiligte Person
  • k) Beteiligung eines Dritten an der Kapitalgesellschaft als Rechtsträger
  • l) Verkürzung der Beteiligungskette
  • 9.  Verschonungsregelung
  • 10. Sanierungsklausel gemäß § 8c Abs. 1a KStG
  • a) Suspendierung der Anwendbarkeit auf Grund Beschlusses der Europäischen Kommission
  • b) Die Sanierungsklausel im Einzelnen

← 16 | 17 →Prof. Dr. Stefan Smid* und Max H. Kornhagen**

Aussonderung massefremder Gegenstände

In the introductory lecture „Segregation of assets not belonging to the insolvency estate“, the segregation pursuant to Section 47 of the German Insolvency Act {Insolvenzordnung (InsO)} is discussed as such on the basis of three select exemplary cases. In doing so, the implementation of the segregation process in practice is examined in detail, whereby individual problems — in particular the disclosure obligation of the insolvency administrator vis-á-vis the beneficiary of the segregation and the distribution of the costs of segregation among the participants — are substantiated.

I. Einleitung

Das in der Insolvenzordnung in § 47 normierte „Aussonderungsrecht“ ist sowohl den meisten Rechtstheoretikern und Studenten als auch den in der Praxis tätigen Insolvenzverwaltern und Richtern als solches bekannt. Jedoch wäre es – wie sich im Folgenden zeigen wird – ein Trugschluss, wenn man deshalb davon ausginge, dass das Recht der Aussonderung weniger diskussionswürdig sei als beispielsweise andere im Insolvenzrecht zu diskutierende oder sich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ergebende Probleme. Vielmehr wird aus folgendem Vortrag deutlich, dass sich bei der Realisierung der Aussonderung viele Probleme und Fragen auf Seiten aller Beteiligten ergeben können, die nach Lösungen und Antworten verlangen.

Der Vortrag vergleicht anhand drei ausgewählter Beispielsfälle zunächst das Aussonderungsrecht in der Theorie mit dem Aussonderungsvorgang in der Praxis und konkretisiert dabei einzelne Probleme wie das Auseinanderbauen von Aussonderungsgegenständen, die Ermittlungs- und Auskunftspflicht des Insolvenzverwalters sowie die Verteilung der einzelnen, im Rahmen der Aussonderung anfallenden Kosten zwischen allen Beteiligten.

← 17 | 18 →II. Fallgruppen

1. Der „Waggon-Fall“

Sachverhalt: Ein polnisches Unternehmen ist Eigentümer mehrerer Eisenbahnwaggons. Diese werden an ein deutsches Unternehmen, welches auf dem Gebiet des Transports tätig ist, vermietet. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten stellt das deutsche Unternehmen bei dem zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Folglich wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des deutschen Unternehmens eröffnet.

Als Eigentümer von 30 an die Insolvenzschuldnerin vermieteten Waggons wendet sich das polnische Unternehmen an den vom Amtsgericht bestellten Insolvenzverwalter und verlangt die ihm nach deutschem Recht zustehende Aussonderung. Das Begehren des polnischen Unternehmens, die Waggons auszusondern und an der deutsch-polnischen Grenze zu übergeben, nimmt der Insolvenzverwalter zur Kenntnis und wendet sich an den Geschäftsführer des zu verwaltenden Unternehmens. Dieser gibt Folgendes an:

Ganze 15 Waggons befänden sich bereits bei dem polnischen Unternehmen in Krakau, die übrigen 15 Waggons seien unauffindbar. Zudem seien die angemieteten Waggons im Gegensatz zu denen von deutschen Betriebsunternehmen noch nicht mit einem GPS-System versehen und ließen sich nicht orten; dies sei auch der Grund für den im Mietvertrag vereinbarten, niedrigen Mietzins gewesen. Auch mit Hilfe der Listen, die über den Verbleib der einzelnen Waggons geführt werden sollten, sei der aktuelle Standort nicht ermittelbar. Die Waggons würden täglich innerhalb Europas verwendet und verschoben werden. Wer nun genau über den Verbleib der Waggons Auskunft geben könne, wisse er leider nicht.

Diese Auskunft teilt der Insolvenzverwalter der polnischen Gläubigerin mit. Daraufhin verlangt diese (unter Androhung der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 InsO) die Ermittlung des Standortes der Waggons sowie deren Überführung an die deutsch-polnische Grenze auf Kosten der Masse.

2. Der „Kran-Fall“1

Sachverhalt: Die Schuldnerin vermietet gewerblich Spezialkrane, die jeweils nach dem Anforderungsprofil der Mieter aus durch Nummerncodes identifizierbaren Kranelementen zusammengefügt und nach Beendigung der Mietverhältnisse auseinandergeschraubt werden. Diese miteinander verbundenen Kranelemente bilden einzelne Krankomponenten, welche wiederum Abschnitte eines zusammengesetzten ← 18 | 19 →Krans darstellen. Nach Ablauf der jeweiligen Mietvertragsdauer eines Krans mit der Insolvenzschuldnerin können die einzelnen Kranelemente auseinander und für weitere Aufträge zu anders konfigurierten Kranen erneut zusammengebaut werden.

Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befinden sich ca. 8000 Kranelemente im Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Davon sind 2000 Kranelemente an drei Kreditinstitute sicherungsübereignet sowie 4000 Kranelemente an acht Leasingunternehmen veräußert und wiederum angemietet („sale-and-lease-back“); die restlichen Kranelemente stehen im Eigentum der Schuldnerin. Derzeit sind aufgrund verschiedener Mietverträge mit einer Laufzeit von 6-48 Monaten 4000 Kranelemente auf weltweit 280 Baustellen und drei Betriebsgrundstücken der Schuldnerin verteilt bzw. zu einzelnen Kranen miteinander verbunden. Sowohl im „Fremdeigentum“ stehende als auch „sicherungsübereignete“ Kranelemente sind mit Kranelementen der Insolvenzschuldnerin zu Kranen zusammengefügt worden.

Ein Leasingunternehmen will die Kranelemente verwerten und begehrt gem. § 47 InsO die Herausgabe der ihm als Eigentümer gehörenden 500 Kranelemente, welche in der Tat in 500 verschiedenen Kranen verbaut sind, auf Kosten der Masse.

3. Der „Telefonanlagen-Fall“

Sachverhalt: Die schuldnerische GmbH hat Räume angemietet; in diesen ist eine geleaste Telefonanlage eingebaut. Nachdem die GmbH beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat, macht die Leasinggeberin als Eigentümerin ihr Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO geltend und verlangt die Herausgabe der Telefonanlage auf Kosten der Masse.

4. Hinweis

Es ist in allen drei Fällen davon auszugehen, dass sich der Insolvenzverwalter unter Berücksichtigung der §§ 104 f. InsO dazu entschieden hat, die Erfüllung bzw. das Fortsetzen der Miet- und Leasingverträge auf Kosten der Masse gem. § 103 Abs. 2 InsO abzulehnen. Es soll lediglich die „Aussonderung“ als solche diskutiert werden.

III. Das Herausgabebegehren der Aussonderungsberechtigten

1. Theoretische Betrachtung der Aussonderung gem. § 47 InsO

Details

Seiten
168
Erscheinungsjahr
2016
ISBN (PDF)
9783653060850
ISBN (MOBI)
9783653956252
ISBN (ePUB)
9783653956269
ISBN (Hardcover)
9783631668528
DOI
10.3726/978-3-653-06085-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
Aussonderung Insolvenzsteuerrecht Insolvenzstrafrecht Vergütungsrecht Gläubigerbegünstigung Absonderung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 168 S., 1 farb. Abb., 1 s/w Abb.

Biographische Angaben

Stefan Smid (Band-Herausgeber:in)

Stefan Smid, Leiter des Centrums für Deutsches und Europäisches Insolvenzrecht, lehrt Zivilrecht, Zivilprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Schwerpunkt seiner Forschungen ist insbesondere das Insolvenzrecht.

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Titel: Fragen des Deutschen und Europäischen Insolvenzrechts