Einfluss des Nationalsozialismus auf die Presse der deutschen Volksgruppen in Rumänien, Ungarn und Jugoslawien
Zeitungsstrukturen und politische Schwerpunktsetzungen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- I. Die Anfänge der NS-Presse und ihr Gegenpol im deutschen Siedlungsraum von Rumänien von 1922 bis 1940
- Einleitung
- 1. „Selbsthilfe“. Kampfblatt für das ehrlich arbeitende Volk
- 2. „Klingsor“. Kulturpolitische Zeitschrift
- 3. Erweiterung der nazistischen Propaganda
- 4. Politische Lage der „Deutschen Volksgruppe in Rumänien“ von 1933 bis 1940 kurz dargestellt
- a) Siebenbürgen
- a.1) „Ostdeutscher Beobachter“, „Tageszeitung“ (TZ) und „Volk im Osten“
- b) Politische Lage der Deutschen im Banat
- c) „Banater Tagblatt“
- d) „Der Stürmer“
- 5. Machtkämpfe und Kompetenzüberschreitungen
- a) „Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt“
- b) „Banater Deutsche Zeitung“
- c) Führerprinzip und autoritäre Macht
- d) Nationalsozialismus und „Judenfrage“
- e) „Süd-Ost“
- f) Antisemitismus
- II. Gleichschaltung der deutschen Presse in Rumänien durch Volksgruppenführer Andreas Schmidt ab September 1940
- Einleitende Worte
- 1. Zentralisierung und Neuaufbau der deutschen Presse
- 2. Die „Südostdeutsche Tageszeitung“ (SdT), Zentralorgan der NS-Volksgruppenführung und „Leitmedium“ der NS-Diktatur in Rumänien
- 3. Walter Mays Weisungen an die Presse
- 4. Der Krieg und der Antisemitismus in der gleichgeschalteten deutschen Presse Rumäniens nach 1940
- a) Der Krieg
- b) Die Herausforderung des Krieges
- c) Aufstockung der Verluste an der Ostfront
- d) Antisemitismus in der deutschen Presse Rumäniens nach 1940
- e) Stigmatisierung der jüdischen Bevölkerung
- f) Höhepunkt der antibolschewistischen und antisemitischen Hetze
- g) Zeitschrift „Volk im Osten“
- h) Der Krieg und die Erfassung der Deutschen in Rumänien
- i) „Der politische Soldat“, Blatt für die Erziehung und Ausbildung der „Einsatzstaffel“ und „Deutschen Mannschaft“
- j) „Der DJ-Führer.“ Organ der Landesjugend der Deutschen Volksgruppe in Rumänien
- k) „NSV-Rundbrief“. Schulungs- und Mitteilungsblatt der NSV-Hauptverwaltung
- l) „Südostdeutsche Landpost.“ Wochenblatt der Deutschen Bauernschaft in Rumänien
- 5. Nordsiebenbürgen
- a) Die NS-Amtsleiter des Gebietes Nordsiebenbürgen im Jahre 1942 oder 1943
- b) „Siebenbürgische Deutsche Zeitung.“ Wochenblatt der deutschen Bewegung im Gebiet Siebenbürgen
- c) Antisemitismus
- d) Waffen-SS Aktion
- III. Pressewesen der Deutschen Volksgruppe in Ungarn von 1933 bis 1944
- Einleitung
- 1. „Deutscher Volksbote“
- 2. „Sonntagsblatt“
- 3. Die Presse des VDU setzt sich durch
- 4. Zur mutmaßlichen Wirkung der nazistisch angehauchten Presse des VDU
- 5. Pressepolitik des VDU nach dem Zweiten Wiener Schiedsspruch
- a) „Die Deutsche Zeitung.“ Organ der deutschen Volksgruppe in Ungarn
- b) „Die Donau.“ Wochenblatt für das katholische Deutschtum
- 6. Krieg und Anwerbung zur Waffen-SS in der VDU-Presse
- IV. Pressewesen der deutschen Volksgruppe im ehemaligen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen von 1922 bis 1944
- Einleitung
- 1. Pressestimmen gegen feindselige Politik der Belgrader Regierung
- a) „Deutsches Volksblatt“, Tageszeitung der Deutschen des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen
- b) Das deutsche Schulwesen
- c) „Deutscher Volksfreund“
- d) „Neue Zeit“, Organ der Banater Deutschen
- e) Das Minderheitenproblem in der deutschen Presse Jugoslawiens
- 2. Interne Auseinandersetzung in der Presse der deutschen Volksgruppe
- a) Politische Auseinandersetzung zwischen der nazistischen Erneuerungsbewegung und dem „Schwäbisch-Deutschen Kulturbund“
- 3. Katholisch – deutscher Widerstand gegen die nazistische Erneuerungsbewegung im katholischen Wochenblatt „Die Donau“
- a) „Die Wespe.“ Humoristisch-satirisches Wochenblatt
- b) Adam Berenz im Spott der „Wespe“
- 4. Die Gleichschaltung der deutschen Presse ab 1941 durch die Volksgruppenführer Sepp Janko im serbischen Banat und Volksgruppenführer Branimir Altgayer in Kroatien
- a) Die deutsche Presse im serbischen Banat
- b) NS-Blätter der Volksgruppenführung
- b.1) „Banater Beobachter“ mit der „Volkswacht“ als Beiblatt
- c) Antisemitismus
- 5. Die „Deutsche Jugend“ (DJ) in der deutschen Presse
- 6. Die Frau in der deutschen Presse im serbischen Banat und in Kroatien
- 7. Der deutsche Bauer
- V. Klaus Popa: Zeitungsstrukturen und politische Schwerpunktsetzungen Die Monatsschriften „Sachsenspiegel“ und „Volk im Osten“ und die „Südostdeutsche Tageszeitung“ der Deutschen Volksgruppe in Rumänien
- 1. Sachsenspiegel
- 2. Volk im Osten
- 3. Südostdeutsche Tageszeitung
- Ausgabe Siebenbürgen
- Personenregister
Bei einer kritischen Betrachtung der politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Bevölkerung in Rumänien, Ungarn und dem ehemaligen Jugoslawien in der Zwischenkriegszeit muss berücksichtigt werden, dass die Regierungen in den erwähnten Ländern der deutschen Minderheit gegenüber feindselig eingestellt waren. Das rief den Widerstand der Deutschen hervor. Zwar war die Bereitschaft der deutschen Minderheit zur Teilnahme am Staatsleben grundsätzlich vorhanden, zentrale Frage war jedoch die politische und wirtschaftliche Position der deutschen Volksgruppen innerhalb der neu entstandenen Staaten Rumänien, Ungarn und Jugoslawien nach dem Ersten Weltkrieg. Diesbezüglich jedoch herrschte Unzufriedenheit in den deutschen Siedlungsräumen, weil die Regierungen dieser Staaten den deutschen Anteil auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet immer mehr einschränkten.
Intellektuelle, die gegen die stiefmütterliche Behandlung der deutschen Minderheit protestierten, hatte es in den deutschen Siedlungsräumen schon bald nach dem Ersten Weltkrieg gegeben. Viele von ihnen hatten in Deutschland studiert und sich dort Burschenschaften oder anderen konservativen Vereinen angeschlossen. Aufgrund dessen hielten sie neben persönlichen und kulturellen Kontakten auch politische Verbindungen zu Deutschland aufrecht, so dass von den politischen Ereignissen im Reich ein großer Einfluss auf diese Personen ausging. Die Art und der Zeitpunkt des Durchbruchs der nationalsozialistischen Ideologie, die von Fritz Fabritius in Siebenbürgen/Rumänien bereits 1922, in Ungarn durch Franz Basch, und in Jugoslawien von Sepp Janko, Josef Trischler und Jakob Awender erst Mitte der Dreißigerjahre verkündet wurde, beweisen, dass der spätere Erfolg derselben weniger als ein Ergebnis systematischer nationalsozialistischer Bemühungen anzusehen ist, sondern vielmehr als ein Produkt der innen- und außenpolitischen Machtkonstellation des Nationalsozialismus in Deutschland.
Die Führungen der deutschen Volksgruppen mussten aufgrund des Verlustes ihrer Eigenständigkeit schwere innere Konflikte durchleben. Besonders diejenigen Intellektuellen, die mit der Führung unzufrieden waren, sahen im Aufstieg der NSDAP und in ihrer aggressiven Weltanschauung ← IX | X → eine willkommene Hilfe zur Veränderung. Sie erhofften sich davon in sozialer, politischer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht eine Befreiung vom staatlichen Druck. Obwohl die deutschen Parlamentarier in den verschiedenen Parlamenten immer wieder auf die Missachtung der Minderheitenrechte hinwiesen, hier aber kein offenes Ohr fanden, nutzten die NS-Erneuerungsbewegungen dies aus und warfen den Parlamentariern und den alten Volksführungen Versagen vor und provozierten so in der eigenen Presse die Auseinandersetzung. Moralisch und finanziell von Berlin unterstützt, gelang es ihnen von 1933 bis 1940, die etablierten Volksführungen zu beseitigen.
Dass die nationalsozialistische Ideologie bei den erwähnten deutschen Volksgruppen so erfolgreich war, ist zum Teil der Missachtung der Minderheitenrechte durch die jeweiligen Regierungen und den äußerst abgebrühten, zynischen Journalisten zu verdanken, weil sie die eigentlichen Meister und Manager der Infiltrierung durch die nationalsozialistische Ideologie waren. Dabei – das sei hier ausdrücklich betont – spielten für sie die Zeitungen und Zeitschriften kaum die ihnen gemäße Rolle.
Thema dieses Buches sind die inneren politischen Auseinandersetzungen zwischen den NS-Erneuerungsbewegungen und den alten Volksgruppenführungen von 1933 bis 1940, deren Verhältnis zu den jeweiligen Regierungen, die sich häufig in polemischen Artikeln in der Presse der NS-Erneuerungsbewegungen und der liberal-konservativen Presse niederschlugen sowie die Gleichschaltung der deutschen Presse nach 1940. Die Hoffnung auf einen besseren Lebensstandard und auf mehr politische und soziale Rechte innerhalb des Staates war sicherlich der entscheidende Beweggrund, der diese Deutschen für die Ideologie so empfänglich machten.
Noch bevor die Führungen der NS-Erneuerungsbewegungen ihren entscheidenden Schritt auf dem Wege zur Sicherung ihrer Macht taten, waren die Befürworter des Nationalsozialismus mit Hilfe des Dritten Reiches in eine Reihe wichtiger Machtpositionen bei den deutschen Volksgruppen in Rumänien, Ungarn und Jugoslawien aufgestiegen. Konsequent hatten sie sich auf die eigentlichen Schlüsselpositionen auf Landes-, Gebiets- und Kreisebene beschränkt, während sie Ämter mit nur dekorativem Wert gerne ihren Mitläufern überließen. Der zweite entscheidende Schritt war die Einsetzung der NS-Volksgruppenführungen durch die Volksdeutsche Mittelstelle und ← X | XI → die Machtübernahme der deutschen Volksgruppen 1940–1941 sowie deren Gleichschaltung.
Der rigorose Anspruch der NS-Volksgruppenführungen nach 1940 auf die totale Kontrolle der deutschen Bevölkerung ließ rasch keinen Raum mehr für unangepasste Berichterstattung. Am schnellsten und brutalsten wurde die bürgerliche Presse ausgeschaltet. Wenn es bis 1940 Unterschiede zwischen der bürgerlichen und der Presse der NS-Erneuerungsbewegungen gab, dann lag das in den unterschiedlichen politischen Meinungen und Arbeitsbedingungen der Journalisten. Das heißt nicht, dass die nationalsozialistische Medienpolitik der einzelnen NS-Erneuerungsbewegungen nicht funktioniert habe; es bedeutet nur, dass noch andere Elemente neben der erzwungenen Gleichschaltung eine Rolle spielten. Hier gab es auch Verführbarkeit, Selbstanpassung und begeistertes Mitmachen. Die Journalisten, die sich nach 1940 den NS-Volksgruppenführungen unterstellt hatten, waren nur noch Empfänger, Ausführer und Überbringer der ihnen von den Presse- und Propagandaleitern oder durch Tages- und Wochenparolen festgelegten Inhalten.
In der politischen und zeitungswissenschaftlichen Literatur ist unseres Wissens kaum etwas über den Aufbau und die Leitung der NS-indoktrinierten und indoktrinierenden Presse der deutschen Volksgruppen in Rumänien, Ungarn und dem ehemaligen Jugoslawien veröffentlicht worden. Die einstigen NS-Volksgruppenführungen haben zu ihrer Zeit jede Veröffentlichung darüber unterdrückt. Nach 1949 saßen jene NS-Machthaber der Deutschen aus Rumänien, Ungarn und Jugoslawien in den Führungen der Landsmannschaften in der Bundesrepublik und vereitelten bis 1985 – mit Hilfe der Bundesbehörden – jede objektive Publikation der Zwischenkriegs- und Kriegszeit.1 So gelang bis heute keine tiefgreifende und umfassende Untersuchung über das Pressemonopol der NS-Volksgruppenführungen in den erwähnten Ländern in die Öffentlichkeit. Noch nie war in der Geschichte der deutschen Volksgruppen in Rumänien, Ungarn und dem ehemaligen Jugoslawien eine so gigantische Maschinerie für Meinungsbildung mit einer derartigen Skrupellosigkeit zur Massenhypnotisierung eingesetzt worden wie 1940–1944. Auch Diskussionen über die NS-Vergangenheit bekannter ← XI | XII → Journalisten nach 1949 endeten häufig in Rechtfertigungsversuchen der Betroffenen.
Die Generationen, welche die Jahre von 1933 bis 1945 nicht selbst erlebt haben, können oft nicht begreifen, dass man nicht erfasst hat, auf welch gefährliches politisches Abenteuer die Deutschen in den erwähnten Ländern sich einließen, als man den NS-Bewegungen den Weg in die Führung der deutschen Volksgruppen freigab. Wer sich in die Zwischenkriegs- und Kriegszeit zurückversetzt und die öffentliche Meinung jener Jahre studiert, findet indes rasch die Erklärung für dieses Phänomen: Das, was sich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland in den deutschen Siedlungsräumen von Rumänien, Ungarn und Jugoslawien abspielte, bewegte sich derart jenseits aller geschichtlichen Erfahrung, dass nur wenige empfanden, auf welch gefährliche, ja verhängnisvolle Bahn man geraten war.
Johann Böhm
1 Vgl. Johann Böhm/Klaus Popa: Vom NS-Volkstum- zum Vertriebenenfunktionär, Peter Lang Edition, Frankfurt am Main 214.
Die Rolle, die die deutsche Presse nach 1919 im neu entstandenen Staat Rumänien spielte, ist in historischen und politischen Untersuchungen bisher kaum beachtet worden. Nicht nur in geschichtlichen Untersuchungen fehlen jegliche Hinweise über die Bedeutung der Massenmedien. Es ist nachvollziehbar, dass das Wissen, ob und in welcher Weise die deutsche Presse bei der Zerstörung der traditionellen liberal-konservativen Volksführung und der jahrhundertealten Traditionen mitwirkte, mehr auf Vermutungen als auf gesicherten Erkenntnissen beruht. Dies ist auf vielfältige Gründe zurückzuführen. Schon allein der Umstand, dass in den letzten Jahren vor der Machtergreifung Hitlers eine Vielzahl von Zeitungen im deutschen Siedlungsraum von Rumänien erschienen, macht die ausführliche Untersuchung ihrer Wirkung zu einer kaum zu bewältigenden Aufgabe.
Es besteht ein Konsens darüber, dass die Presse eine gesellschaftliche Kontroll- und Leuchtturmfunktion innehat, indem sie Mächtige aus Wirtschaft und Politik beaufsichtigt und Skandale, Korruption, Versagen und Seilschaften nachweist. Soziale Werte und Traditionen, Gemeinschaftssinn und kulturelle Identitäten einer Gesellschaft werden kommuniziert und beeinflusst.1 Nach dem Ersten Weltkrieg besaß die deutsche Presse in Rumänien weitgehende Freiheit, war jedoch an staatliche Bindungen geknüpft. Die liberal-konservativen Tendenzen lebten im „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt“, der „Kronstädter Zeitung“, der „Bistritzer Deutschen Zeitung“, der „Banater Deutschen Zeitung“ und in der „Temeswarer Zeitung“ sowie in anderen Lokalzeitungen bis 1933 weiter. Nach 1933 gerieten auch sie – mehr oder weniger – in den Sog der nationalsozialistischen Ideologie. ← 1 | 2 →
Nach einer Deutschlandreise 1922, bei der Fritz Fabritius2 die Bekanntschaft Hitlers machte, verbreitete er unter Gleichgesinnten den Völkischen Beobachter, sodass die Ideen des Nationalsozialismus bereits zu Beginn der Zwanzigerjahre im deutschen Siedlungsraum verbreitet wurden. Fritz Fabritius war von Hitler und seiner nazistischen Ideologie so begeistert, dass er sich von nun an dafür einsetzte. Von Beginn an wusste er um die Bedeutung ← 2 | 3 → der Propaganda, die er bereits zu Zeiten nutzte, als seine „Selbsthilfe“3 noch eine unbedeutende Bewegung darstellte.
1. „Selbsthilfe“. Kampfblatt für das ehrlich arbeitende Volk
Bereits im Frühjahr 1922 gab er ein Kampfblatt mit der Überschrift Selbsthilfe, Kampfblatt für das ehrlich arbeitende Volk heraus, das zu beiden Seiten mit dem Hakenkreuz versehen war, und mit dessen Hilfe er die nationalsozialistische Ideologie im deutschen Siedlungsraum Rumäniens verbreitete.
Konsequenter als jede andere politische Gruppierung der Siebenbürger Sachsen in den Zwanziger- und Anfang der Dreißigerjahre, kämpfte das „Selbsthilfe-Kampfblatt“ des Fritz Fabritius um Medienpräsenz, indem es großen Wert auf effektvolle Selbstdarstellung legte. Wie grundlegend die „Selbsthilfe“ sich in ihrem öffentlichen Kommunikationsverhalten von den politischen Gruppierungen der Siebenbürger Sachsen unterschied, zeigt die Energie, mit der Mitglieder und lokale Sympathisanten um publizistischen Einfluss kämpften. Trotzdem war die NS-Presse im deutschen Siedlungsraum ← 3 | 4 → von Rumänien bis 1933 klein und bescheiden, man kann ihre Gefahr danach jedoch nicht unterschätzen.
Da die „Selbsthilfe“ nationalsozialistische Politik propagierte, die der rumänischen Regierung zuwider lief, musste sie die beiden Hakenkreuze auf der ersten Seite entfernen. Der Inhalt des Blattes änderte sich jedoch nicht.
Die ehemaligen Mitglieder der Jugendwehren4, sowie „die Anhänger Fabritius aus den halb landwirtschaftlich eingestellten Kreisen der Vorstädte“ und andere sammelten sich regelmäßig um ihn.5 Bei diesen Zusammenkünften wurde die internationale Lage nach dem Ersten Weltkrieg und die der Deutschen im Allgemeinen besprochen. Heinrich Dolles Buch „Aus Not zu Brot, aus Mißgeschick zu Lebensglück“ regte sie an, die von ihm vorgestellte „Selbsthilfe“ auch in Siebenbürgen ins Leben zu rufen.6 Mit ← 4 | 5 → Hilfe des „Selbsthilfe Kampfblattes“ wurde für ein „artgemäßes deutsches Denken und Handeln, für Anerkennung des Grundsatzes: Gemeinnutz geht vor Eigennutz, für Brechung der Zinsknechtschaft durch gegenseitige Hilfe und für Ansiedlung der ärmsten Volksgenossen“7 geworben. Als die Bausparkasse Fuß fasste, wurden die „Grundsätze“, nach denen die „Selbsthilfe“ gearbeitet hatte, in sieben Punkten zusammengefasst, an denen sich der Aufbau der Deutschen in Rumänien zu orientieren habe. In Punkt sieben hieß es unter anderem:
„1. Gemeinnutz geht vor Eigennutz.
2. Einer für Alle, Alle für Einen!.
3. Jedem das Seine.“8
Die ideologischen Köpfe der Selbsthilfe Fritz Fabritius, Dr. Waldemar Gust9, Dr. Otto Fritz Jickeli10, Dr. Alfred Bonfert11, Pfarrer Alfred Csallner12, Adolf Roth13, Alfred Pomarius14, Pfarrer Wilhelm Staedel15 et cetera, führten im ← 5 | 6 → „Selbsthilfe-Kampfblatt“ das doppelsinnige Schreiben fort, um auch gemäßigte Leser gewinnen zu können. „Er [der Leser] macht mit, wenn er erst einmal den Verdacht geschöpft hat, dass Texte in anderen Zeitungen sich nicht an die Wahrheit halten“. Wie hielt es das „Selbsthilfe-Kampfblatt“ mit der Wahrheit? Bereits in den ersten Nummern fällt die polemische Kritik an der Kirchen- und Volksführung ins Auge. In „Der Beobachter“, eine Rubrik für kleinere Meldungen aus dem deutschen Siedlungsraum, fanden zuweilen auch Meldungen aus einzelnen deutschen Städten und Gemeinden Platz, sofern sie das Ansehen der Kirchen- und Volksvertreter herabsetzen oder der Lächerlichkeit preisgeben konnten. Dr. Waldemar Gusts Artikel „Meinungsfreiheit im Sachsenland“ wies beispielsweise die Kritik, „die Jugendlichen unter dem Vorsitz von Pfarrer Wilhelm Staedel, würden sich in fruchtloser Kritik erschöpfen“, zurück: „Wenn sie auch in ihrem betonten Gerechtigkeitsgefühl den Finger auf gewisse Mängel legen und bei der geringen Erfahrung manchmal in ihrem Auftreten schroff sind, sollte ihre gute Gesinnung nicht unterschätzt werden“.16 Im Leitartikel: „Selbsthilfe, Politik und Parteiwesen“ vertrat Dr. Otto Fritz Jickeli, den Standpunkt, die Selbsthilfe lehne „Politik im ländlichen Sinne ab, sie begnüge sich damit, für ihre Weltanschauung“ einzutreten. Zudem sei es angebracht, „wenn unsere Volksführung sich dazu bekennen würde.“17 „Die Selbsthilfe“ sei „keine politische Partei, sie verlangt im Gegenteil die Unterordnung aller Parteien unter das allgemeine Wohl“, der Selbsthilfe-Bewegung.
Die Selbsthilfe, die zunächst sozialen und wirtschaftlichen Zwecken dienen sollte, hatte jedoch von Beginn an einen nationalerzieherischen ← 6 | 7 → Impetus: die deutsche Volksgemeinschaft zu einem einzigen „Volkskörper“ zusammen zu führen, entwickelte sich aber zu einer ideologisch-politischen Bewegung. Um die Deutschen in Rumänien für ihre Ziele zu gewinnen, wurde nicht nur im „Selbsthilfe-Kampfblatt“, sondern auch außerhalb der „Selbsthilfe“ eine intensive Erziehungsarbeit in nationalsozialistischem Sinne betrieben. Fabritius stand in den Zwanzigerjahren in Kontakt mit Führungspersönlichkeiten der NSDAP, wie Hitler und Ernst Röhm, die einen großen Einfluss auf ihn und seine „Selbsthilfe“ ausübten.
Auch wenn die Selbsthilfe in den ersten Jahren ihres Bestehens keine großen Erfolge erzielen konnte, gelang es ihr immerhin, Aufmerksamkeit zu erregen. Analog zur NSDAP thematisierte Fabritius Mitte der Zwanzigerjahre Rasse und Volkstum in seinem „Selbsthilfe-Kampfblatt“18, beispielsweise mit folgenden Worten:
„Jeder Deutsche, der Anspruch auf Bildung erheben will, muß das im Lehmann-Verlag, München, erschienene Buch ‚Rasse des deutschen Volkes‘ von Dr. Hans Günther gelesen haben.“19
Das „Selbsthilfe-Kampfblatt“ druckte Beiträge aus dem Völkischen Beobachter ab, um vom Erfolg der NSDAP und ihrer Ideologie zu berichten und den Bauern höhere Verkaufspreise und Unterstützung der Armen zu versprechen.20 Bis 1927 gelang es der „Selbsthilfe“ nicht, nennenswerte Erfolge zu verbuchen. Als die Unzufriedenheit der Siebenbürger Sachsen mit den bestehenden Verhältnissen stieg, konnte Fabritius seine „Bausparkasse“ aktivieren. Seine Absicht war, alle „ehrlichen“, durch „Blut und Schicksal“ verbundenen „deutschen Volksgenossen“ zu einem „Volkskörper“ zu erziehen, dem sich jeder Deutsche in Rumänien „bedingungslos“ unterzuordnen habe.21 Unter diesem Slogan begann er mit Hilfe des „Selbsthilfe-Kampfblattes“ seine politischen Ambitionen zu realisieren. Bereits 1929 hatte die „Selbsthilfe“ 1620 Mitglieder, die sich auf 112 Ortschaften verteilten. Bis 1931 wuchs die Mitgliederzahl auf 3.193 und mit ihnen die Geldeinnahmen an.22 Diese Erfolge Fabritius’, die zunächst innersächsische Angelegenheiten ← 8 | 9 → waren, zeigen symptomatisch „dass nationalsozialistische Schriften und Zeitungen in den Buchhandlungen und Zeitungskiosken einen immer breiteren Raum einnahmen“.23
In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts wandte sich das „Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt“, Allgemeine Volkszeitung für das Deutschtum in Rumänien, gegen die Kritik an der Volksführung von Seiten der „Selbsthilfe-Bewegung“. Im Artikel „Volkserneuerung“24 wird der „Selbsthilfe-Bewegung“ unter anderem vorgeworfen:
„Man braucht nur einen oberflächlichen Einblick in das gesellschaftliche (soziologische) Schrifttum zu nehmen, um sofort den darin obwaltenden heillosen Wirrwarr der Auffassungen zu erkennen.“
Fabritius unterstellte der liberal-konservativen Führung der Siebenbürger Sachsen und dem „Liberalismus“ Egoismus und Materialismus; als besonders verachtenswert wurde dies in Reden und in den Artikeln des „Selbsthilfe-Kampfblattes“ im wirkungsvollen Kontrast zu den hehren Zielen der Bewegung inszeniert. Kritik an der Volksführung wurde polemisch in Form extremer Polarisierungen geübt.
Die Basis ihres politischen Kampfes gegen die Volks- und Kirchenführung waren von Beginn an die Weltanschauung Hitlers und Rosenbergs. Besondere Beachtung fand in diesem Zusammenhang die Predigt „Samaritergeist“ des Kronstädter Stadtpfarrers und Bischofsvikars D. Dr. Viktor Glondys vom 6. September 1931 über Luk. 10, 25–37. Sie betont die Unvereinbarkeit der christlichen Auffassung mit dem Nationalsozialismus:
„Das Gebot, das in dem Samaritergleichnis liegt, gilt ebenso für Chinesen und Neger wie für Juden und Abendländer, ebenso zur Zeit Jesu wie heute und zu allen Zeiten. Wir wissen: so soll es sein! Darum erscheint uns zum Beispiel Goethes Wort, wonach der Mensch edel, hilfreich und gut sein soll, weil dies allein ihn von allen Geschöpfen unterscheide, als unmittelbar einleuchtende Wahrheit und Widerhall des Christusgeistes. Und doch hat sich eine Bewegung gegen diesen barmherzigen, hilfsbereiten Samaritergeist zu erheben begonnen, der keine ← 9 | 10 → Schranken der nationalen oder konfessionellen Zugehörigkeit beachtet, sondern einfach hilft, wo Hilfe nottut […].
Auf diese Worte antwortete das „Selbsthilfe-Kampfblatt“:
Wir können es nur als eine Verirrung bezeichnen, wenn z. B. das christliche Gebot der Nächstenliebe, wie es in dem über die Grenzen des eigenen Volkstums und Glaubens sich auswirkenden Samaritergeist vor uns steht, als mit den Belangen des deutschen Volkes unverträglich, den blutgegebenen Stimmen der nordischen Rasse widersprechend abgelehnt und an die Stelle der Nächstenliebe die Berechtigung, ja Pflege des schärfsten Rassenhasses gesetzt wird. Die germanischen Charakterwerte seien, so wird gesagt, ‚das Ewige, wonach sich alles andere einzustellen habe.‘ Die nordische Rasse allein sei Gottes Ebenbild. Ihre Bestimmung zum Herrschen müsse rücksichtslos, auch mit Unterdrückung anderer Völker, die als minderwertig bezeichnet werden, durchgesetzt werden. Nichts dürfe geduldet werden, was diesem Anspruch entgegenstehe, auch nicht die Forderung der christlichen Nächstenliebe. Der tiefe Rassenhaß, der aus dem rassenmäßig bestimmten Blut sich erhebt, sei dem feindlichen Volk gegenüber allein am Platz. Versöhnlichkeit sei Feigheit.“25
Das „Selbsthilfe-Kampfblatt“ warf der sächsischen Volksführung „Halbheit und Lauheit am völkischen Gedanken sowie Unfähigkeit und Egoismus“ vor, was die Volksführung zu einem Gegenartikel veranlasste.26 Fabritius ging so weit, dass er die „Samariter“-Predigt dem Rasseforscher Prof. Dr. Hans F. K. Günther zur Begutachtung nach Jena schickte. Es wurden Glondys Lücken in der Bildung der Rassenlehre, Unbildung, Fahrlässigkeit als Seelsorger und Irreführung seiner Gemeindemitglieder vorgeworfen.27 Die Schriftleitung des „Selbsthilfe-Kampfblattes“ versuchte den Lesern das Samaritergleichnis zu erläutern, um dann in einer dritten abschließenden Stellungnahme28, nachdem sie Dr. Viktor Glondys mit unflätigen Ausdrücken beschimpft hatte, zu der Schlussfolgerung zu kommen:
Details
- Seiten
- XII, 378
- Erscheinungsjahr
- 2016
- ISBN (PDF)
- 9783653065268
- ISBN (ePUB)
- 9783653960907
- ISBN (MOBI)
- 9783653960891
- ISBN (Hardcover)
- 9783631673119
- DOI
- 10.3726/978-3-653-06526-8
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2016 (März)
- Schlagworte
- Bürgerliche Volksführung Pressekampf Machtergreifung Gleichschaltung
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XII, 378 S., 36 s/w Abb.