Der Deutsche Künstlerbund im Spiegel seiner Ausstellungspraxis
1903–1936
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhalt
- I. Einleitung
- Besonderheiten
- Aufgaben des Deutschen Künstlerbundes
- Der Deutsche Künstlerbund in der kunsthistorischen Forschung
- Überlegungen
- II. Die Anfänge der modernen Kunstbewegung in Deutschland
- II.1 Offizielle Kunstförderung im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert
- II.1.1 Die Kunstpolitik Wilhelms II.
- Kritik an der kaiserlichen Kunstpolitik
- II.1.2 Die Königliche Akademie der Künste zu Berlin
- Die Ausstellungen der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin
- II.1.3. Der Verein Berliner Künstler
- Die Internationale Kunstausstellung 1891
- II.1.4 Die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft
- Die Ausstellungstätigkeit der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft
- II.2 Aufzug in die Moderne
- II.2.1 Der Fall Munch
- II.2.2 Die Gruppe XI
- II.2.3 Die Berliner Sezession
- Die Ausstellungen der Berliner Sezession
- II.3 Das Maß ist voll! – Die Weltausstellung in St. Louis 1904
- III. Dem Künstler seine Freiheit – Die Gründung des Deutschen Künstlerbundes
- III.1 Die Gründung in Weimar
- III.1.1 Harry Graf Kesslers Pläne für ein Neues Weimar
- III.1.2 Der Deutsche Künstlerbund wird gegründet
- III.1.3 Kesslers Gründungspamphlet
- Liberalität und Individualität
- Talentförderung
- Wirtschaftlichkeit
- Internationale Konkurrenzfähigkeit
- Modernes Kunstmuseum
- III.1.4 Das kunstpolitische Ausmaß der Gründung
- Die Debatte im Reichstag
- III.2 Zusammensetzung und Struktur des Deutschen Künstlerbundes
- III.2.1 Der Vorstand
- Gesamtvorstand
- III.2.2 Die Jury
- III.2.3 Die Mitglieder
- III.2.4 Tätigkeitsfelder des Deutschen Künstlerbundes
- Ausstellungen
- Vergabe des Villa-Romana-Preises
- III.2.5 Resümee
- IV. Die Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
- IV.1 Der Konfliktpunkt „Ausstellung“
- IV.1.1 Zur Rezeption „moderner“ Kunstausstellungen
- IV.1.2 Zur feuilletonistischen Rezeption der Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
- Kunst und Künstler (erschienen von 1902 bis 1933 in Berlin)
- Kunstchronik (erschienen von 1866 bis 1926 in Leipzig)
- Der Cicerone (erschienen von 1909 bis 1930 in Leipzig)
- Deutsche Kunst und Dekoration (erschienen von 1897 bis 1932 in Darmstadt)
- Das Kunstblatt (erschienen von 1917 bis 1933 in Berlin)
- Zeitschrift für bildende Kunst (erschienen von 1866 bis 1932 in Leipzig)
- Die Kunst für Alle (erschienen von 1885 bis 1944 in München)
- Kunstwart (erschienen von 1887 bis 1937 in München)
- IV.1.3 Spezifika der Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
- IV.2 Die Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
- 1904: 1. Jahresausstellung in München
- 1905: 2. Jahresausstellung in Berlin
- 1906: 3. Jahresausstellung in Weimar
- 1906: Modern German Art in London
- 1907: 1. Grafikausstellung in Leipzig
- 1908: 4. Jahresausstellung in Dresden (im Rahmen der Großen Kunstausstellung Dresden)
- Die Säle 1–29
- Die Abteilung der Grafik
- 1909: 2. Grafikausstellung in Dresden
- 1910: 5. Jahresausstellung in Darmstadt
- 1910: 3. Grafikausstellung in Hamburg
- 1911: 6. Jahresausstellung in Leipzig
- Exkurs: Der Bremer Kunststreit
- 1912: 7. Jahresausstellung in Bremen
- 1912: 4. Grafikausstellung in Chemnitz
- 1913: 8. Jahresausstellung in Mannheim
- 1913: 5. Grafikausstellung in Hamburg
- 1914: 6. Grafikausstellung in Leipzig
- 1920: 9. Jahresausstellung in Chemnitz
- 1921: 10. Jahresausstellung in Hamburg
- 1927: 7. Grafikausstellung in Dresden
- 1928: 11. Jahresausstellung in Hannover
- 1929: 12. Jahresausstellung in Köln
- 1930: 13. Jahresausstellung in Stuttgart
- 1931: 14. Jahresausstellung in Essen
- 1932: 8. Grafikausstellung in Königsberg, Danzig, Rostock, Hannover, Kiel
- 1933: 9. Grafikausstellung in Magdeburg, Kassel, Saarbrücken
- 1936: 15. Jahresausstellung in Hamburg
- IV.3 Die Ausstellungspolitik des Deutschen Künstlerbundes
- V. Die Rolle des Deutschen Künstlerbundes innerhalb der Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland im Spiegel seiner Ausstellungspraxis
- Anhang
- Harry Graf Kessler, Der Deutsche Künstlerbund (1904)
- Der engere Vorstand des Deutschen Künstlerbundes
- Der Gesamtvorstand des Deutschen Künstlerbundes
- Juroren des Deutschen Künstlerbundes
- Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes
- Archivalien
- Archiv der Akademie der Künste, Berlin – Archiv Bildende Kunst (AdK)
- Archiv Kunsthalle Bremen
- Archiv Kunsthalle Mannheim
- Bayerische Staatsbibliothek München (BSB München)
- Georg-Kolbe-Museum, Berlin (GKM)
- Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK)
- Stadtarchiv Darmstadt
- Stadtarchiv Mannheim
- Stadtarchiv München (StadtA Mü)
- Stadtarchiv Rostock
- Gedruckte Quellen
- Ausstellungskataloge des Deutschen Künstlerbundes bis 1936
- Ausstellungskataloge mit Beteiligung des Deutschen Künstlerbundes
- Ausstellungskataloge der Berliner Sezession
- Sonstige Ausstellungskataloge bis 1937
- Literaturverzeichnis
- Personenregister
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2015
Umschlagabbildung:
Gründungssitzung des Deutschen Künstlerbundes im Oberlichtsaal
des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar,
15./16.12.1903, Foto Louis Held, Foto-Atelier Louis Held
D 18
ISBN 978-3-631-71569-7 (Print)
E-ISBN 978-3-653-06941-9 (E-PDF)
E-ISBN 978-3-631-70497-4 (EPUB)
E-ISBN 978-3-631-70498-1 (MOBI)
DOI 10.3726/978-3-653-06941-9
© Peter Lang GmbH
Internationaler Verlag der Wissenschaften
Frankfurt am Main 2017
Alle Rechte vorbehalten.
Peter Lang – Frankfurt am Main · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien
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Diese Publikation wurde begutachtet.
Autorenangaben
Tanja Moormann-Schulz hat Kunstgeschichte und italienischen Philologie studiert und an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg promoviert. Sie hat an zahlreichen Dokumentationen zu dem einstigen Direktor der Berliner Nationalgalerie Ludwig Justi mitgearbeitet.
Über das Buch
Das Buch untersucht den Deutschen Künstlerbund, der mit seiner höchst heterogenen Aufstellung unter den Künstlervereinigungen im frühen 20. Jahrhundert einzigartig war. Seine Gründung im Winter 1903 bildete den Höhepunkt der Kontroverse um eine Liberalisierung des offiziellen Kunstbetriebs im wilhelminischen Kaiserreich. Junge und alte, moderne und traditionelle Künstler aus dem ganzen deutschsprachigen Raum kamen hier zusammen. Diese erste umfassende Monografie zum Deutschen Künstlerbund beleuchtet, wie sich der Bund von seinen Anfängen bis zur Zwangsauflösung 1936 zwischen den scheinbar unvereinbaren Polen Tradition und Moderne positioniert hat und inwiefern er seine heterogene Struktur im Sinne der modernen Kunstbewegung nutzbar machte.
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Inhalt
II. Die Anfänge der modernen Kunstbewegung in Deutschland
II.1 Offizielle Kunstförderung im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert
II.1.1 Die Kunstpolitik Wilhelms II.
II.1.2 Die Königliche Akademie der Künste zu Berlin
II.1.3. Der Verein Berliner Künstler
II.1.4 Die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft
II.3 Das Maß ist voll! – Die Weltausstellung in St. Louis 1904
III. Dem Künstler seine Freiheit – Die Gründung des Deutschen Künstlerbundes
III.1.1 Harry Graf Kesslers Pläne für ein Neues Weimar
III.1.2 Der Deutsche Künstlerbund wird gegründet
III.1.3 Kesslers Gründungspamphlet
III.1.4 Das kunstpolitische Ausmaß der Gründung
III.2 Zusammensetzung und Struktur des Deutschen Künstlerbundes
III.2.4 Tätigkeitsfelder des Deutschen Künstlerbundes
III.2.5 Resümee←7 | 8→
IV. Die Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
IV.1 Der Konfliktpunkt „Ausstellung“
IV.1.1 Zur Rezeption „moderner“ Kunstausstellungen
IV.1.2 Zur feuilletonistischen Rezeption der Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
IV.1.3 Spezifika der Ausstellungen des Deutschen
Künstlerbundes
IV.2 Die Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes
1904: 1. Jahresausstellung in München
1905: 2. Jahresausstellung in Berlin
1906: 3. Jahresausstellung in Weimar
1906: Modern German Art in London
1907: 1. Grafikausstellung in Leipzig
1908: 4. Jahresausstellung in Dresden (im Rahmen der Großen Kunstausstellung Dresden)
1909: 2. Grafikausstellung in Dresden
1910: 5. Jahresausstellung in Darmstadt
1910: 3. Grafikausstellung in Hamburg
1911: 6. Jahresausstellung in Leipzig
Exkurs: Der Bremer Kunststreit
1912: 7. Jahresausstellung in Bremen
1912: 4. Grafikausstellung in Chemnitz
1913: 8. Jahresausstellung in Mannheim
1913: 5. Grafikausstellung in Hamburg
1914: 6. Grafikausstellung in Leipzig
1920: 9. Jahresausstellung in Chemnitz
1921: 10. Jahresausstellung in Hamburg
1927: 7. Grafikausstellung in Dresden
1928: 11. Jahresausstellung in Hannover
1929: 12. Jahresausstellung in Köln
1930: 13. Jahresausstellung in Stuttgart
1931: 14. Jahresausstellung in Essen
1932: 8. Grafikausstellung in Königsberg, Danzig, Rostock, Hannover, Kiel
1933: 9. Grafikausstellung in Magdeburg, Kassel, Saarbrücken
1936: 15. Jahresausstellung in Hamburg
IV.3 Die Ausstellungspolitik des Deutschen Künstlerbundes←8 | 9→
V. Die Rolle des Deutschen Künstlerbundes innerhalb der Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland im Spiegel seiner Ausstellungspraxis
Harry Graf Kessler, Der Deutsche Künstlerbund (1904)
Der engere Vorstand des Deutschen Künstlerbundes
Der Gesamtvorstand des Deutschen Künstlerbundes
Juroren des Deutschen Künstlerbundes
Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes
Ausstellungskataloge des Deutschen Künstlerbundes bis 1936
Ausstellungskataloge mit Beteiligung des Deutschen Künstlerbundes
Ausstellungskataloge der Berliner Sezession
Sonstige Ausstellungskataloge bis 1937
Personenregister ←9 | 10→ ←10 | 11→
Es gibt keine Einrichtung, deren geschichtliche Entwicklung
nicht maßgebend wäre für ihre Beurteilung.1
(Heinrich Deiters)
Im Dezember 1903 wurde in Weimar der Deutsche Künstlerbund gegründet – eine Vereinigung von Künstlern, Kunsthistorikern und Kunstinteressierten, deren Anliegen es war, die Fesseln der restriktiven Kunstpolitik Kaiser Wilhelms II. zu lösen. Auf zwei Besonderheiten muss sogleich verwiesen werden, die den Deutschen Künstlerbund bis heute als eine der traditionsreichsten Künstlervereinigungen Deutschlands erscheinen lassen. Zum einen war er neben der 1856 gegründeten Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft der einzige überregionale Zusammenschluss von Künstlern. Zum anderen erstreckte sich sein Bestehen über eine Periode, die geprägt war von einschneidenden politischen Ereignissen und Veränderungen (ausgehendes Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Nationalsozialismus).
Wie auch schon bei den kurz zuvor entstandenen regionalen Sezessionen ging es bei der Gründung des Deutschen Künstlerbundes darum, die strikten ästhetischen Vorgaben der kaiserlichen Kunstpolitik aufzubrechen, denen die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft so voll und ganz verpflichtet war, und einen liberaleren Kunstbetrieb zu ermöglichen.2 Dabei wollte sich der Bund allen modernen Richtungen der Zeit gegenüber grundsätzlich offen zeigen und machte es sich zur Aufgabe, durch mehr oder weniger regelmäßige Ausstellungen einen möglichst umfassenden Überblick über das künstlerische Geschehen im gesamten deutschsprachigen Raum zu vermitteln. Das ist ihm fraglos gelungen, wenn man sich die Namen der Künstler vor Augen führt, die im Laufe der 33 Jahre seines Bestehens an den Ausstellungen des Bundes teilgenommen haben oder zu seinen Mitgliedern zählten.3
Anders als die Sezessionen, die mit dem aufkommenden Expressionismus an Relevanz verloren haben, wirkte der Künstlerbund weiter und spielte bis zu seiner Zwangsauflösung durch das nationalsozialistische Regime 1936 eine Rolle im deutschen Ausstellungswesen. 1950 wurde der Deutsche Künstlerbund unter anderen von Karl Hofer in Westberlin wiedergegründet. Der Bund existiert bis heute. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich jedoch allein auf die Jahre bis 1936, ohne dass darauf weiter verwiesen wird.←11 | 12→
Besonderheiten
In seiner inneren Struktur barg der Deutsche Künstlerbund einige Besonderheiten, die ihn von anderen Zusammenschlüssen unterscheiden. So war er damals die einzige Vereinigung moderner Künstler, deren Existenz längere Beständigkeit hatte. 33 Jahre war der Verein aktiv, bis es zu einer Unterbrechung kam, die allein durch äußere politische Umstände begründet war. Im Fall des Deutschen Künstlerbundes scheint diese Beständigkeit eher ungewöhnlich. Schließlich handelte es sich nicht um eine Lehranstalt im Sinne einer Akademie oder einer Schule und ebenso wenig um den Dachverband einer Berufsgenossenschaft wie die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft, sondern vielleicht eher um einen Interessenverband. Interessen aber sind selten beständig, sie ändern sich im Laufe der Zeit, wie die allgemeine Kurzlebigkeit der damaligen modernen Künstlervereinigungen gezeigt hat.4
Eine weitere Besonderheit liegt in der nationalen Überregionalität des Bundes, die sich nicht allein in der Zusammensetzung seiner Mitglieder und Ausstellungsteilnehmer niedergeschlagen hat. Der Künstlerbund wollte sich zudem im Laufe der Zeit durch wechselnde Veranstaltungsorte im ganzen Reich präsentieren. Auch die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft war überregional ausgerichtet und führte ihre Ausstellungen an verschiedenen Orten durch. Sie hatte aber in allen Regionen lokale Ortsgruppen. Der Künstlerbund war zentral organisiert, mit Sitz in Weimar und später in Berlin, und versuchte, die sonst konkurrierenden Kunstzentren zu vereinen. In der Überregionalität sah Harry Graf Kessler, der wohl engagierteste Mitbegründer des Bundes, einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Sezessionen:
„Der Künstlerbund wird […] die Aufmerksamkeit von ganz Deutschland auf Eine […] Ausstellung hinlenken. Und da diese Ausstellung zwischen Nord-, Süd und Mitteldeutschland wechseln wird, so kommt trotzdem ein ebenso großer und noch größerer Kreis mit ihr in nahe Berührung. Der Markt wird zugleich einheitlicher und weiter werden.“5
Darüber hinaus ist die Zusammensetzung der Mitglieder und Teilnehmer bemerkenswert. Nicht Wenige von ihnen gehören heute zu den Protagonisten der Klassischen Moderne. Die Mitgliedschaft beschränkte sich überdies nicht auf Kunstschaffende und Kunsthistoriker. Auch private Sammler und Förderer – Rechtsanwälte, Ärzte, Bankiers und Industrielle – traten dem Bund als Mitglieder bei.
Aufgaben des Deutschen Künstlerbundes
Zur Gründung des Deutschen Künstlerbundes kam es im Dezember 1903, nachdem der Konflikt zwischen traditionellen und progressiven Vertretern der bildenden Kunst im Zuge der Vorbereitungen des deutschen Kunstbeitrags für die Weltaus←12 | 13→stellung in St. Louis unlösbar kulminiert war. Die Gründung des Bundes war damit zunächst ein direkter Protest gegen ein bestimmtes Ereignis, das, wie so oft bei Kulturfragen, allein politisch gelöst worden ist. Der Bund wollte aber keinesfalls eine Eintagsfliege bleiben. Erklärtes Ziel war es, langfristig ein Gegengewicht zur konservativen Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft zu bilden. Dies schien sich tatsächlich zu bewahrheiten. Die Gründung des Deutschen Künstlerbundes schlug ein wie eine Bombe und war zwei Tage lang Thema im deutschen Reichstag.6 Grundlage der Debatte war ein Aufsatz, den Kessler unmittelbar nach der Gründung des Bundes verfasst hatte, um die Ambitionen der neuen Gesellschaft vorzustellen.7 Sie lassen sich in fünf Punkten umreißen: 1. künstlerische Freiheit, 2. Talentförderung unter qualitativen Maßstäben, 3. Wirtschaftlichkeit, 4. internationale Konkurrenzfähigkeit und 5. die Schaffung eines modernen Kunstmuseums. Erreicht werden sollten die genannten Ziele mittels des Mediums Ausstellung.
Unbedingtes Kriterium war es, jede künstlerische Eigenart zu gewähren, ohne eine Richtung zu bevorzugen oder auch strikt abzulehnen, dabei aber niemals den Qualitätsmaßstab aus den Augen zu verlieren. Der Anspruch bestand darin, Talente zu fördern. Diese Zielvorstellungen haben sich auch nach der Neugründung 1950 nicht verändert, was ihre Gültigkeit bestätigt.8 Dem Künstlerbund ging es um die Schaffung autonomer Arbeitsbedingungen und die besondere Förderung talentierter, junger, auch eigenwilliger Künstler. Dies diente nicht nur dem Selbstzweck der Vereinigung. Auch der ökonomische Aspekt spielte zunehmend eine Rolle, seitdem sich in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts der Kunsthandel zu einem aufstrebenden Wirtschaftsfaktor entwickelt hatte. Umso wichtiger war es, auch das internationale Ansehen der deutschen Kunst wieder anzuheben und ihre Konkurrenzfähigkeit im internationalen Kunsthandel zu sichern.
Kessler hatte also den Ehrgeiz, mit dem Künstlerbund in den Kunstmarkt einzugreifen, ihn bestmöglich mitzubestimmen. Zu diesem Zweck strebte er explizit „Elite-Ausstellungen“9 an, die jede Durchschnittlichkeit übertreffen sollten.
Kesslers Absichten reichten bis in die Museumspolitik, indem auch lebenden Künstlern nun der Weg ins Museum geöffnet werden sollte. Seine Idee blieb keine Vision. Die ersten Museumsleiter, die sich dafür engagierten, ihre Häuser der modernen Kunst zu öffnen, waren zu einem großen Teil Mitglieder im Deutschen Künstlerbund: Alexander Dorner, Richard Graul, Ludwig Justi, Walter Kaesbach, Alfred Lichtwark, Gustav Pauli, Hans Posse, Fritz Wichert.←13 | 14→
Die Forderung nach künstlerischer Freiheit war 1903 nicht mehr neu. Seitdem sich Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Kaufkraft für Kunstgegenstände mehr und mehr auf private Sammler verlagert und der Staat keine Monopolstellung mehr als Förderer und Auftraggeber hatte, konnten die Künstler endlich abrücken von nationalästhetischen Sujets, die ihre neuen Auftraggeber oder potentiellen Kunden nicht mehr interessierten. Stilistisch aber waren sie weiterhin an den allgemeinen Kunstgeschmack gebunden, wenn sie ihre Arbeiten auch verkaufen wollten. Hinzu kam, dass das neunzehnte Jahrhundert ein enormes Überangebot an akademisch ausgebildeten Künstlern hervorgebracht hatte. Qualitätvolle Arbeiten gingen in den Massen unter. Im Großen und Ganzen herrschte ein Künstlerproletariat vor, „das eine große Zahl von Mittelmäßigen und wenige der Besten umfaßte“, das war „typisch für das 19. Jahrhundert.“10
Schon in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hatten sich lokale Kunstvereine gebildet, die eine erste Demokratisierung des Kunstbetriebs vorzeichneten, wie 1829 der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen oder 1844 in München der Künstler-Unterstützungs-Verein. Diese ersten Zusammenschlüsse dienten der Kommunikation unter den Künstlern und der Schaffung einer solidarischen Künstlerschaft. Es lag ihnen aber noch völlig fern, für einen künstlerischen Individualismus zu kämpfen. 1903 ging es um mehr. Insbesondere Kessler wollte eine Künstlerorganisation schaffen, die unabhängig von Staat und Regierung agieren konnte. Er sparte in seinem Aufsatz nicht an Hohn, wenn er auf den ärgsten Gegenspieler der modernen Kunstbewegung Anton von Werner anspielte: „Denn es steht fest, dass in der Kunst nur die Ausnahme Wert hat; kein Fleiß, keine Gesinnung, keine Richtung, nur die Eigenart. Alles Andre ist nicht nur weniger wert, sondern Nichts wert. Es ist Nichts und hat kein Recht, wie Etwas behandelt, berücksichtigt, gehängt zu werden.“.11
Details
- Seiten
- 458
- Erscheinungsjahr
- 2017
- ISBN (ePUB)
- 9783631704974
- ISBN (MOBI)
- 9783631704981
- ISBN (PDF)
- 9783653069419
- ISBN (Paperback)
- 9783631715697
- DOI
- 10.3726/978-3-653-06941-9
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2017 (Februar)
- Schlagworte
- Moderne Kunst Avantgarde Berliner Sezession Offizielle Kunstpolitik Wilhelm II. Harry Graf Kessler Künstlerische Freiheit Liberalisierung des Kunstbetriebs Reichstagsdebatte Künstlervereinigungen Kunstausstellungen 20. Jahrhundert Künstlerförderung
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 458 S., 4 s/w Abb.