Kaisertum, Papsttum und Volkssouveränität im hohen und späten Mittelalter
Studien zu Ehren von Helmut G. Walther
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autoren-/Herausgeberangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Die ostfränkisch-deutsche Königserhebung im frühen und hohen Mittelalter – Zeitgenössische Quellenaussagen und retrospektive Forschungskonstrukte (Stephan Freund)
- „Ius et potestas principum“: Die päpstliche Politik gegenüber den deutschen Fürsten. Theorie und Praxis zwischen 1198 und 1254 (Robert Gramsch)
- Schöpfungstheologie und politische Theorie bei Wilhelm von Ockham (Volker Leppin)
- Zur Symbolik des Reichs in Hansestädten und hansischen Niederlassungen (Klaus Krüger)
- Die scholastischen Theologen und der werdende Staat der Moderne (Jürgen Miethke)
- Wissen als soziales System. Wissenskultur im Mittelalter (Johannes Fried)
Bücher haben ihre eigene Geschichte – das vorliegende zumal! Die hier vereinten Beiträge gehen zurück auf ein Festcolloquium, das in den Rosensälen der Friedrich-Schiller-Universität Jena – man wagt es kaum zu schreiben – am 7. Juli 2009 anlässlich des wenige Tage zuvor begangenen 65. Geburtstags von Helmut G. Walther stattfand.
Unter dem Titel ‚Kaisertum, Papsttum und Volkssouveränität im hohen und späten Mittelalter‘ referierten Schüler und langjährige Weggefährten des scheidenden Jenaer Ordinarius für Mittelalterliche Geschichte zu Fragestellungen und Themen, mit denen sich Helmut G. Walther im Laufe seines wissenschaftlichen Lebens immer wieder beschäftigt und denen er in zahlreichen Beiträgen neue Impulse vermittelt hat.
Es waren viele bunte Blumen, die wir dem Jubilar damit überreichen konnten und in der ihn in ganz besonderem Maße auszeichnenden Art hat er sie entgegen genommen, indem er das Colloquium mit vielen geistreichen und scharfsinnigen Diskussionsbeiträgen bereichert hat. Schon bald, so die feste Absicht, sollten die einzelnen Blumen zu einem Strauß gebunden werden, um sie auf Dauer zu bewahren und weiteren Kreisen zugänglich machen zu können. Aus unterschiedlichen Gründen – sie hier aufzuzählen, würde zu weit führen und könnte unser Bedauern über die lange Dauer bis zum Erscheinen des Bandes nicht aufwiegen – ist es uns erst jetzt, im Jahre 2016 gelungen, die Beiträge zum Buch zu vereinen.
Nichtsdestotrotz freuen wir uns außerordentlich, Helmut G. Walther das Werk schließlich präsentieren zu können. Dass dies gelungen ist, verdanken wir in erster Linie den Autoren der einzelnen Beiträge und deren Geduld und Nachsicht mit den Herausgebern. Wir verdanken es aber auch der Unterstützung durch die studentischen Hilfskräfte in Halle und Magdeburg, die für die Vereinheitlichung der Beiträge gesorgt und manche inhaltliche Verbesserung vorgeschlagen haben. Unser Dank gilt besonders dem Peter Lang Verlag, der sich bei der Kostenkalkulation sehr entgegenkommend gezeigt hat und nicht zuletzt der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Jena, die den Druck mit einem Zuschuss unterstützt hat.
Als Schüler von Helmut G. Walther wollen wir ihm mit dem Band – zugleich im Namen aller Autoren – ein nochmaliges Zeichen unserer Verbundenheit und unseres Dankes für die langjährige Unterstützung geben und ihm zugleich für die Zukunft alles Gute wünschen!
Magdeburg – Halle, im September 2016
Stephan Freund – Klaus Krüger
Die ostfränkisch-deutsche Königserhebung im frühen und hohen Mittelalter – Zeitgenössische Quellenaussagen und retrospektive Forschungskonstrukte*
Bis ins 13. Jahrhundert erfolgte die mittelalterliche Königserhebung1 – und damit die Bestimmung des obersten Verfassungsorgans der vormodernen Gesellschaft!2 – scheinbar ohne feste Regularien. Erst im Spätmittelalter kam es zur Ausformulierung entsprechender theoretischer Vorstellungen und Konzepte bis hin zur Entwicklung regelrechter Staatstheorien und erst damals begannen Kanonisten und Legisten nach der Legitimationsbasis von Königtum und Kaisertum zu fragen3. Im frühen und hohen Mittelalter hingegen bildete die Königserhebung vornehmlich ein konkret-praktisches Problem, das offenkundig keiner theoretischen Erörterung und Fixierung bedurfte, sondern im Zuge einer jeweils ad hoc erfolgenden Austarierung der gesellschaftlichen Kräfte eine Lösung erfuhr. Folgt man allerdings der bisherigen, überwiegend aus der retrospektiven Betrachtung urteilenden Forschung, so wurde das Handeln ← 9 | 10 → der ‚Großen‘4 im Wesentlichen vom Widerstreit zwischen den Prinzipien des Erb- und des Wahlrechts bestimmt5. Eine kritische Revision der bisherigen Forschungsdiskussion zum Komplex der Königserhebung im ostfränkisch-ottonisch-deutschen Reich des frühen und hohen Mittelalters erscheint vor dem Hintergrund dieser beiden konträren Perspektiven dringend erforderlich. Damit wird die Standortgebundenheit der bisherigen Fragestellung abgelöst zugunsten einer dem Untersuchungszeitraum adäquaten Betrachtungsweise.
1. Alte Schatten – Die Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts und die Folgen
Die deutsche Mediävistik hat lange Zeit unter der Dominanz der Verfassungsgeschichte gestanden, ja regelrecht gelitten, deren Fragestellungen unter dem Eindruck tagesaktueller Verfassungsdiskussionen des 19. Jahrhunderts formuliert wurden6. Die neuere Forschung ist allmählich im Begriffe, sich von ← 10 | 11 → derartigen anachronistischen Perspektiven, die den Blick auf die Spezifika insbesondere des frühen und hohen Mittelalters verstellen, zu lösen7. Vor allem die Diskussion um die Entstehung des deutschen Reichs des Mittelalters hat gezeigt, welch befreiende Wirkung dieser Perspektivwechsel zeitigen kann8. Beim Themenkomplex ‚Königswahl‘ ist man noch nicht ganz so weit. Die Königserhebung bildet im Schatten von Heinrich Mitteis und Walter Schlesinger noch immer ein vornehmlich aus der Sicht der älteren Verfassungsgeschichte betrachtetes, theoretisches Problem9: Wahlrecht und Erbrecht, mithin also zwei Prinzipien, die im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kontroverse Diskussionen hervorriefen, hätten – so die damals entwickelte Auffassung – einander im Mittelalter gegenüberstanden.
Auch auf diesem Feld tut ein Perspektivwechsel not, will man den derzeitigen Erkenntnisstillstand überwinden und in Erkenntnisfortschritt verwandeln.
Wie auf anderen Gebieten der mittelalterlichen Geschichte gilt es auch hier, sich dem Thema aus der Sicht der Zeitgenossen zu nähern. Diese war bis weit ins 12. Jahrhundert hinein vornehmlich durch pragmatische Überlegungen ← 11 | 12 → bestimmt. Auf diesen Pragmatismus muss man sich einlassen und man muss akzeptieren, dass trotz aller bisweilen kulturell-geistig hochstehenden Zeugnisse der Karolinger-, Ottonen- und Salierzeit auf der politischen Ebene jener Phase noch immer archaische Vorstellungen und Handlungsmustervorherrschten, denen man mit elaborierten, modern-theoretischen Modellen nur schwerlich gerecht werden kann10. Rein theoretische Ausführungen waren selbst den geistig herausragenden Gelehrten jener Zeit, die vielfach zugleich königliche Berater waren, fremd. Aus diesem Grund haben sie keine abstrakten Politiktraktate verfasst, sondern Werke praktisch-didaktischer Natur. Verwiesen sei hier lediglich auf die als Fürstenspiegel konzipierte Biographie Ludwigs des Frommen aus der Feder des sogenannten Astronomus11, oder aber auf Wipos, einen ganz ähnlichen Charakter verratenden Gesta Chuonradi12. Gemeinsam ist diesen Werken, dass sie konkrete Beispiele bieten und dadurch knappe, einprägsame Handlungsanweisungen formulieren, an denen sich gegenwärtige oder künftige Herrscher orientieren sollten, aber auf umfangreiche theoretische Erörterungen verzichten. Das Fazit dieser knappen Vorbemerkungen kann daher nur lauten: Quellenbezug statt Theorie – konkrete Aussagen statt Metaebene.
Die jüngere Forschung hat gegenüber älteren verfassungsgeschichtlichen Ansätzen als ein wesentliches Charakteristikum der früh- und hochmittelalterlichen Königsherrschaft die Suche nach einem möglichst breiten Konsens zwischen Königtum und Großen herausgestellt13. In diesem Zusammenhang ← 12 | 13 → wurden ältere Vorstellungen eines streng hierarchischen Herrschaftsaufbaus aufgegeben zugunsten der Auffassung von einer königlichen Regierungsweise, welche die Einbindung der Großen nicht nur erstrebte, sondern auf sie zwingend angewiesen war, was zumindest in ottonischer Zeit eine polyzentrische Herrschaftsstruktur zur Folge hatte14. Die ältere Position eines Antagonismus zwischen Königtum und Fürsten ist damit deutlich zu relativieren zugunsten einer Auffassung, wonach es sich um ein durchaus produktives Ausbalancieren der jeweiligen Kräfteverhältnisse handelte15. Weitere vermeintliche Paradigmen sind ebenfalls obsolet: Adel und Geistlichkeit bildeten kein Gegensatzpaar, sondern stellten die beiden Seiten einer Medaille dar16. Und schließlich ist die Vorstellung, bei den früh- und hochmittelalterlichen Adelsfamilien habe es sich um festgefügte, über ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl verfügende Verbände gehandelt, deutlich zu korrigieren: Bei diesen Adelsfamilien handelte es sich um durch agnatische und kognatische Verwandtschaftsbeziehungen sowie zahlreiche darüber hinausreichende Loyalitäten unterschiedlicher Natur konstituierte, allenfalls lockere Zusammenschlüsse, deren Handlungen durch ganz heterogene Motive bestimmt wurden17. ← 13 | 14 →
Details
- Seiten
- 166
- Erscheinungsjahr
- 2017
- ISBN (PDF)
- 9783631715062
- ISBN (ePUB)
- 9783631715079
- ISBN (MOBI)
- 9783631715086
- ISBN (Hardcover)
- 9783631715055
- DOI
- 10.3726/b10641
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2016 (Dezember)
- Schlagworte
- Deutsche Königserhebung Symbolik der Hanse Wilhelm Ockham Scholastik Wissenskultur
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 166 S., 17 s/w Abb.
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