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Die Kontrolle von Public Private Partnerships im Beschaffungswesen im Rahmen des europäischen Beihilfen- und Vergaberechts

von Jiweon Seon (Autor:in)
©2018 Dissertation 294 Seiten

Zusammenfassung

Bei der öffentlichen Beschaffung ist Public Private Partnership (PPP) eine neue Handlungsform, bei der öffentliche und private Sektoren eine Partnerschaft zur Durchführung der öffentlichen Aufgaben zusammen eingehen. Unter Berücksichtigung des öffentlich-rechtlichen Charakters der PPP ist eine Kontrolle von durch eine solche Partnerschaft gestalteten Verträge im Hinblick auf das öffentliche Recht erforderlich. Nicht zuletzt ist das europäische Beihilfen- und Vergaberecht von Bedeutung. Im Beihilfenrecht kommt es darauf an, unter welchen Kriterien die staatliche Tätigkeit beim PPP-Projekt gerechtfertigt wird. Im Vergaberecht geht es um Pflichten und Verfahren bei der Durchführung des PPP-Projekts. Die Kontrolle von beihilfen- und vergaberechtswidrigen Verträge liegt diesem Werk am Herzen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Prolog
  • I. „Pacta sunt servanda“
  • II. Public Private Partnership als neue Tendenz bei der Erledigung der öffentlichen Aufgaben
  • 1. Beteiligung der privaten Hand an der staatlichen Tätigkeit
  • 2. Entwicklung der Public Private Partnership im Beschaffungswesen
  • 3. Problemstellung
  • III. Untersuchungsprogramm
  • Erstes Kapitel: Grundlagen von Public Private Partnership
  • I. Historische Betrachtung von Public Private Partnership
  • 1. Entwicklung der Formen staatlichen Handelns (und neues Paradigma der Verwaltung)
  • a) Entwicklung der Formen des Verwaltungshandelns
  • b) Verwandlung der Beziehung zwischen Staat und Bürger in der Verwaltung
  • 2. PPP als neue Form des Verwaltungshandelns
  • II. Die Bedeutung der PPP
  • 1. Schwierigkeit der Definition der PPP
  • 2. Der Begriff aus Regelungen sowie aus der Literatur
  • 3. Der Ursprung der PPP (Zwei Aspekte)
  • a) Die PPP als Mittel zur Überwindung des sog. Staatsversagens
  • b) PPP aus der Motivation der Partizipation und der Kooperation
  • 4. Die einzelnen Begriffsmerkmale
  • a) Beitrag des Privaten (durch private Finanzierung oder Organisation)
  • b) Privates Interesse
  • c) Partnerschaft, keine Hilfe
  • d) Verantwortung des öffentlichen Trägers
  • 5. Abgrenzung zu anderen Begriffen
  • a) Zur Privatisierung, insb. der funktionalen Privatisierung
  • b) Zum verwaltungsprivatrechtlichen Handeln
  • c) Verwaltungshelfer
  • 6. Stellungnahme
  • Zweites Kapitel: Public Private Partnership im Beschaffungswesen
  • I. Vorbemerkung
  • II. Die rechtliche Zulässigkeit von PPP in Deutschland
  • 1. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen von PPP
  • a) Einführende Hinweise
  • b) Demokratieprinzip
  • c) Sozialstaatsprinzip
  • d) Rechtsstaatsprinzip, insb. Gesetzesvorbehalt
  • e) Beamtenrechtlicher Funktionsvorbehalt
  • f) Bundeseigene Verwaltung
  • 2. Verfolgung der Wirtschaftlichkeit im Sinne des Art. 114 Abs. 2 GG
  • III. Zustand von PPP im Beschaffungswesen
  • 1. Einleitung
  • 2. Deutschland
  • a) Gesetzgebungsstand
  • aa) Überblick
  • bb) ÖPP-Beschleunigungsgesetz
  • cc) Regelungen im Rahmen des Vergaberechts
  • dd) Haushaltsrechtliche Normen
  • b) Die verschiedenen Typen des PPP-Projekts in Deutschland
  • aa) Überblick
  • bb) Finanzierungsmodelle
  • 1) Leasing-, Miet- und Ratenkaufmodelle
  • 2) Fondsmodell
  • 3) Sale and Lease Back
  • 4) Cross Border Leasing
  • 5) Contracting-Modell
  • cc) Organisationsmodelle
  • 1) Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen
  • 2) Betreibermodell
  • 3) Inhabermodell
  • 4) Konzessionsmodell
  • dd) Exkurs: Arten von PPP-Straßenbauprojekte in Deutschland
  • 1) A-Modell (Ausbau-Modell)
  • 2) F-Modell (Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz-Modell)
  • 3) V-Modell (Verfügbarkeitsmodell)
  • c) Statistische Beschreibung zu den deutschen PPP-Projekten
  • d) Bewertung des PPP-Stands in Deutschland
  • 3. Beispiele anderer Länder
  • a) Überblick
  • b) Großbritannien
  • aa) Die Erfindung und die Entwicklung der PPP
  • bb) Rechtliche Rahmenbedingungen
  • cc) Der institutionelle Rahmen: PPP-Units
  • c) Die Republik Korea
  • aa) Einführung und Entwicklung der PPP in Korea
  • bb) Grundstruktur des PPP-Projekts
  • cc) Stand der PPP-Projekte
  • d) Vergleich zur deutschen PPP
  • Drittes Kapitel: Notwendigkeit der Kontrolle über Public Private Partnership
  • I. Vorbemerkung
  • II. Explikation auf die PPP-Vertragsbeziehung
  • 1. Struktur des PPP-Vertrags
  • a) Begriff
  • b) Struktur des PPP-Vertrags
  • aa) Zwei Aspekte der Struktur des PPP-Vertrags
  • bb) Entscheidung über den Abschluss des Vertrags
  • cc) Ergebnis des Zuschlags des öffentlichen Auftrags als Rechtsfolge des Vertrags
  • c) Regelungsgegenstände des PPP-Vertrags
  • 2. Der öffentlich-rechtliche Charakter des PPP-Vertrags
  • a) Theorien zur Abgrenzung von öffentlichem Recht und Privatrecht
  • b) Die Merkmale der öffentlich-rechtlichen Natur des PPP-Vertrags
  • c) Stellungnahme
  • 3. Spezialität des PPP-Vertrags
  • III. Die PPP im Rahmen des Europarechts
  • 1. Die europarechtlichen Rahmenbedingungen der PPP
  • 2. Bedürfnis einer objektiven Betrachtung des Europarechts
  • IV. Zwischenergebnis: Notwendigkeit und Zweck der Kontrolle der PPP
  • Viertes Kapitel: Kontrolle über PPP im Rahmen des europäischen Beihilfenrechts
  • I. Einführung
  • II. Grundlagen des europäischen Beihilfenrechts
  • 1. Bedeutung der Beihilfen und Grundstruktur der Beihilfenregelung im Europarecht
  • 2. Grundsätzliches Verbot der Beihilfen mit Genehmigungsvorbehalt
  • a) Voraussetzungen der verbotenen Beihilfen im Rahmen des Art. 107 Abs. 1 AEUV
  • b) Die Erlaubnis der Beihilfen
  • aa) Überblick
  • bb) Ausnahmetatbestände nach Art. 107 Abs. 2 AEUV
  • cc) Entscheidungsspielraum nach Art. 107 Abs. 3 AEUV
  • c) Sekundärrechtliche Regelungen zur Beihilfenfreistellung
  • III. Die beihilfenrechtlichen Rahmenbedingungen angesichts des PPP-Projekts
  • 1. Bedürfnis nach beihilfenrechtlicher Betrachtung von PPP im Beschaffungswesen
  • 2. Beihilfen für den privaten Teilnehmer des PPP-Projekts
  • a) Problematik
  • b) Überprüfung des Vorliegens der Begünstigung
  • aa) Überblick
  • bb) Allgemeine Voraussetzungen
  • cc) Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
  • 1) Problematik
  • 2) Kriterien nach der Rechtsprechung vor dem Altmark-Trans-Urteil
  • 3) Maßstäbe des Altmark-Trans-Urteils
  • 4) Entwicklung der Maßstäbe nach Altmark-Trans und das Almunia-Paket
  • 5) Auswirkung der DAWI-Regelung auf die PPP
  • dd) Anwendung auf potenzielle Typen der Begünstigung beim PPP-Projekt
  • 1) Allgemeines
  • 2) Im Finanzierungsmodell
  • 3) Im Organisationsmodell
  • 4) Die Spezifik im Konzessionsmodell
  • 5) Zwischenergebnis
  • c) Überprüfung anderer Tatbestandsmerkmale
  • aa) Bestimmtheit bzw. Selektivität des Empfängers
  • 1) Überblick
  • 2) Der private Partner in der PPP als Unternehmen
  • 3) Bestimmtheit, Selektivität oder Spezialität
  • bb) Staatliche Mittel oder aus staatlichen Mitteln stammende Zuwendungen
  • cc) (Drohende) Verfälschung des Wettbewerbs
  • dd) Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten
  • d) Einzelne Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV
  • aa) Allgemeines
  • bb) Regionalbeihilfen im PPP-Projekt
  • cc) KMU-Beihilfen und die PPP
  • dd) Umweltschutzbeihilfen für PPP-Energieeffizienzprojekte
  • ee) Beihilfen für die Durchführbarkeitsstudie des PPP-Projekts
  • ff) Sektorale Beihilfen beim PPP-Projekt zur Beschaffung der Infrastrukturen
  • e) Weitere Sonderausnahmen im AEUV
  • f) Problem der Ausschreibung bezüglich der Beihilfen beim PPP-Projekt
  • 3. Beihilfen im Rahmen der Beschaffung der Infrastruktur durch die PPP
  • a) Problematik
  • b) Überprüfung der Tatbestandsmäßigkeit
  • 4. Beihilfen durch die Gründung eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens
  • a) Problematik
  • b) Überprüfung der Probleme
  • aa) Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Beihilfe
  • bb) Rechtfertigung der Kapitalbeteiligung im Rahmen des Beihilfenrechts
  • IV. Die Beihilfenaufsichtsverfahren
  • 1. Allgemeines Kontrollverfahren nach Art. 108 AEUV
  • a) Überblick
  • b) Prüfverfahren der Alt- und Neubeihilfen
  • aa) Überprüfung der bestehenden Beihilfen
  • bb) Überprüfung der neuen Beihilfen
  • c) Rückforderungsverfahren
  • 2. Aufhebung der rechtswidrigen Beihilfen beim PPP-Projekt
  • a) Wirksamkeit des gegen das Beihilfenrecht verstoßenden PPP-Vertrags
  • aa) Problematik
  • bb) Verstoß gegen den Art. 108 Abs. 3 AEUV
  • cc) Verstoß gegen den Negativbeschluss
  • dd) Der Umfang der Nichtigkeit und das Verfahren der Rückgewährung
  • b) Rückforderung der Beihilfen bei der Nichtigkeit des PPP-Vertrags
  • aa) Rückforderung der Beihilfen an den privaten Unternehmen
  • 1) Allgemeine monetäre Förderung
  • 2) Unmittelbare Formen der Beihilfen, insb. beim Konzessionsmodell
  • bb) Beihilfen durch das PPP-Projekt zur Beschaffung der Infrastruktur
  • cc) Beihilfen durch die Gründung des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens
  • V. Zwischenergebnis
  • Fünftes Kapitel: Kontrolle der PPP im Rahmen des europäischen Vergaberechts
  • I. Einführung
  • II. Anwendung des Vergaberechts auf die PPP
  • 1. Grundlagen des europäischen und deutschen Vergaberechts
  • a) Struktur der Regelung auf europäischer Ebene
  • aa) Primärrechtliche Grundsätze des europäischen Vergaberechts
  • bb) Richtlinien über das Vergaberecht
  • 1) Entwicklung des Sekundärrechts im Vergaberecht
  • 2) Der aktuelle Regelungsstand
  • b) Die Entwicklung des deutschen Vergaberechts und die Umsetzung des europäischen Vergaberechts
  • aa) Die traditionelle Betrachtung des öffentlichen Auftrags — Fiskustheorie
  • bb) Bemühungen um die öffentlich-rechtliche Kontrolle des Auftragsvertrags in Deutschland
  • 1) Problematik
  • 2) Die haushaltsrechtliche Lösung
  • 3) Die wettbewerbsrechtliche Lösung
  • 4) Die jüngste Reform und der aktuelle Regelungsstand im deutschen Vergaberecht
  • c) Grundsätze des europäischen Vergaberechts und ihre Anwendung
  • aa) Ausgangslage
  • bb) Wettbewerbsprinzip
  • cc) Gleichbehandlungsgebot oder Diskriminierungsverbot
  • dd) Transparenzgebot
  • ee) Wirtschaftlichkeit
  • ff) Verhältnismäßigkeit
  • gg) Nachprüfbarkeit
  • 2. Anwendung des europäischen Vergaberechts auf die PPP
  • a) Voraussetzungen für die Anwendung des europäischen Vergaberechts
  • aa) Grundlage
  • bb) Existenz des Auftraggebers und des Wirtschaftsteilnehmers
  • cc) Beschaffungscharakter der PPP-Projekte
  • 1) Allgemeines
  • 2) Exkurs: Regelungen der Konzessionsrichtlinie im Hinblick auf das Konzessionsmodell
  • dd) Vorliegen eines entgeltlichen Vertrags
  • ee) Schwellenwert
  • 1) Allgemeines
  • 2) Anwendung auf die PPP
  • b) Das sog. In-house-Geschäft
  • aa) Entwicklung des Begriffs vom In-house-Geschäft
  • bb) Kodifizierung in der Richtlinie und Umsetzung ins deutsche Recht
  • cc) Anwendung auf die PPP
  • 3. Zusammenfassung
  • III. Vergabeverfahren beim PPP-Projekt
  • 1. Bekanntmachungspflicht
  • a) Grundlage
  • b) Anwendung auf jedes PPP-Modell – Inhalt und Umfang der Ausschreibung
  • aa) Allgemeines
  • bb) Finanzierungs-, Betreiber- sowie Inhabermodell
  • cc) Die Spezifik des Konzessionsmodells
  • 2. Auswahl des Verfahrens
  • a) Arten der Vergabefahren
  • b) Auswahl des geeigneten Verfahrens beim PPP-Projekt
  • aa) Das offene oder nicht offene Verfahren
  • 1) Vorrang des offenen Verfahrens?
  • 2) Das nicht offene Verfahren
  • bb) Verhandlungsverfahren und wettbewerblicher Dialog
  • 1) Anwendungsmöglichkeit der beiden Verfahren auf die PPP
  • i) Voraussetzungen und deren Anwendung auf die PPP
  • ii) Rangverhältnis zwischen dem Verhandlungsverfahren und dem wettbewerblichen Dialog
  • iii) Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb
  • iv) Spezifik im Konzessionsmodell
  • 2) Ablauf eines Verhandlungsverfahrens beim PPP-Projekt
  • 3) Ablauf eines wettbewerblichen Dialogs beim PPP-Projekt
  • cc) Innovationspartnerschaft
  • 1) Einführung der Innovationspartnerschaft
  • 2) Anwendung auf die PPP
  • c) Zwischenergebnis
  • IV. Wirkung der vergaberechtswidrigen PPP-Verträge
  • 1. Fälle der rechtswidrigen PPP-Verträge im Rahmen des Vergaberechts
  • 2. Kontrollmittel des vergaberechtswidrigen Verfahrens und Kritik am vorhandenen vergaberechtlichen Kontrollregime
  • a) Pflicht der Mitgliedstaaten zur Kontrolle der vergaberechtswidrigen Verfahren
  • b) Nichtigkeit des unter Verstoß gegen das Vergaberecht geschlossenen PPP-Vertrags
  • c) Das Kündigungsrecht des öffentlichen Auftraggebers
  • aa) Kündigungsrecht i. S. des § 133 Abs. 1 GWB
  • bb) Vertragliches Kündigungsrecht
  • d) Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes
  • aa) Rechtsschutz für übergangene Bieter
  • 1) Überblick
  • 2) Primärrechtsschutz
  • 3) Sekundärrechtsschutz
  • bb) Rechtsschutz für Bürger oder Benutzer der Infrastruktur beim Konzessionsmodell
  • cc) Mangel der öffentlich-rechtlichen Sichtweise beim gerichtlichen Rechtsschutz
  • V. Zwischenergebnis
  • Zusammenfassung und Ergebnis
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Prolog

I. „Pacta sunt servanda“

Der Satz „pacta sunt servanda“ stellt in allen Rechtsstaaten einen „unverzichtbaren“ Grundsatz dar,1 der aus dem kanonischen Recht stammt.2 Demnach sind Verträge einzuhalten und die aus dem Vertrag hergeleiteten Pflichten zu erfüllen. Das gilt auch für das deutsche Recht, obwohl dies in Deutschland im kodifizierten Recht nicht ausdrücklich erwähnt wird.3 Diesem Grundsatz unterfällt grundsätzlich jeder Vertrag, der im öffentlich-rechtlichen Bereich wie auch im privatrechtlichen Zusammenhang geschlossen wird.

Es ist aber nicht festzustellen, dass dem Satz immer eine absolute Priorität eingeräumt wird. Aufgrund des Schutzes des Gemeinwohls, eines sozialen Bedarfs oder einer politischen Rücksichtnahme kann der Vertrag entgegen dem Willen der Vertragsparteien geändert oder gekündigt werden. Solche Ausnahmefälle von „pacta sunt servanda“ werden hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte betrachtet.

Einerseits kann der Satz „pacta sunt servanda“ bei einem privatrechtlichen Vertrag nur ausnahmsweise eingeschränkt werden, soweit bestimmte Werte der Vertragsfreiheit überlegen sind, die der Staat schützen muss.4 Dies kann in Form der einzelnen Widerrufbestimmungen geschehen, etwa §§ 312g, 489 und 510 BGB.5

Andererseits muss der Satz „pacta sunt servanda“ beim öffentlich-rechtlichen Vertrag vor den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts einschließlich der Gesetzmäßigkeit verworfen werden. Im Gegensatz zu den ← 21 | 22 → Parteien des privatrechtlichen Vertrags muss der öffentliche Träger statt der „autonom definierten Interessen“ die Verwirklichung des Gemeinwohls anstreben.6 So wird seine Handlung von den gesetzlichen Bestimmungen determiniert und dirigiert.7 Im öffentlich-rechtlichen Bereich steht eher das Prinzip der Gesetzmäßigkeit im Vordergrund als Vertragsfreiheit sowie -treue.8 Daher wird der Gesetzesmäßigkeit beim öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 59 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 134 BGB der Vorrang gewährt.9

Allerdings ist die Rolle des Vertrags als Handlungsform im öffentlich-rechtlichen Bereich nicht völlig verschwunden. Werden die Vorzüge der Vertragsform bei der Durchführung der öffentlichen Aufgaben betrachtet, sind die Vertragsfreiheit sowie -treue im öffentlich-rechtlichen Zusammenhang in einem gewissen Umfang durchzusetzen. Dabei handelt es sich darum zu untersuchen, wie und inwieweit der Satz „pacta sunt servanda“ bei der Handlung in der Vertragsform des öffentlichen Trägers eingeschränkt wird. In dieser Dissertation ist vor allem der PPP-Vertrag im Infrastrukturbeschaffungswesen von Interesse, der einen neuen Modus der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben in der modernen Verwaltung darstellt.

II. Public Private Partnership als neue Tendenz bei der Erledigung der öffentlichen Aufgaben

1. Beteiligung der privaten Hand an der staatlichen Tätigkeit

Die Beteiligung von privaten Personen an der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben ist in der Verwaltung immer schon in verschiedenen Formen erfolgt – von der Anhörung im Entscheidungsprozess bis zur Beleihung von Aufgaben. Ein Beliehener stellt ein privates Subjekt dar, das innerhalb der wahrgenommenen Kompetenz zur Realisierung der öffentlichen Aufgaben im „eigenen Namen“ tätig ist.10 Die Beleihung mit staatlichen Funktionen ist als Rechtsinstitut zur ← 22 | 23 → Erledigung der Verwaltung früher schon erfasst worden, bei der sowohl staatliche Aufgaben als auch die dafür erforderlichen Befugnisse dem privaten Sektor übertragen werden.11 Die Beleihung ist nicht nur in der Form der konventionellen Vergabe der öffentlichen Beschaffung oder als Verwaltungshelfer erfolgt, sondern es entwickelte sich daraus sogar eine Privatisierung.12 Wenn die private Hand bei bestehenden Formen der Beleihung an der staatlichen Tätigkeit beteiligt ist, trägt der Private nur eine funktionell getrennte Verantwortung (bei der Beteiligung als Verwaltungshelfer) oder übernimmt die gesamte Verantwortung der Aufgabe (bei der Privatisierung). Aber es ist eine neue Form der privaten Beteiligung in der modernen Verwaltung entstanden, bei der es eher um eine Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor geht als um eine Trennung und Übertragung der Verantwortung.

2. Entwicklung der Public Private Partnership im Beschaffungswesen

Die Public Private Partnership (im folgenden PPP),13 d. h. die öffentlich-private Partnerschaft, ist eine neue weltweite Tendenz zur Durchführung der öffentlichen Aufgaben, bei der öffentliche und private Sektoren zusammen eine Partnerschaft eingehen.14 Im Unterschied zum Verwaltungshelfer gehört der private ← 23 | 24 → Beteiligte bei der PPP weder zur Behörde noch übernimmt er im Gegensatz zur Privatisierung die gesamte Verantwortung der Aufgaben.

Es ist zwar möglich, dass in allen Bereichen der staatlichen Tätigkeit die PPP-Formen herangezogen werden.15 Aber die PPP ist nicht zuletzt bei der Infrastrukturförderung als eine innovative und alternative Beschaffungsvariante angesehen.16 In Deutschland hat zuallererst eine sog. „Task Force“ des Finanzministeriums in Nordrhein-Westfallen seit 2002 die Einführung der PPP im Beschaffungswesen versucht.17 Durch die Erfahrung mit den Pilotprojekten der Task Force wurden Kriterien und der Ablaufprozess von PPP-Projekten aufgestellt.18 Ferner wurden die institutionellen Grundlagen für die PPP durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz19 bundesweit gelegt. Demnach werden verschiedene Projekte in der Gegenwart durchgeführt.20 ← 24 | 25 →

Regelungen über den öffentlichen Auftrag zur Infrastrukturbeschaffung bestehen aus verschiedenen Rahmenbedingungen. Die rechtlichen Fragen der PPP sind vor allem angesichts der vorhandenen Regelungen zu überprüfen und ihre Spezifität ist dann zu berücksichtigen.

3. Problemstellung

Da sich die PPP durch die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor auszeichnet, bleibt die Frage, ob sie im öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Bereich geregelt werden muss. Demnach gehen rechtliche Fragen um die PPP davon aus, ob und inwieweit der Satz „pacta sunt servanda“ beim PPP-Vertrag durchgesetzt werden kann. Wird der PPP-Vertrag für privatrechtlich gehalten, lässt sich die Vertragsfreiheit zwar in den Vordergrund stellen, folglich muss der vertraglichen Vereinbarung Priorität bei der Durchführung des Projekts eingeräumt werden. Dagegen kann die Vereinbarung zwischen den Parteien aufgrund der öffentlich-rechtlichen Regelungen beschränkt werden, wenn die PPP dem öffentlich-rechtlichen Bereich angehört. Dabei geht die Gesetzmäßigkeit der Privatautonomie vor.

Früher wurde die öffentliche Beschaffung im deutschen Recht privatrechtlich geregelt. Während die materielle Regelung über den Vertrag demnach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unterliegt, werden das Vergabeverfahren und die Kriterien des Zuschlags durch Verdingungsordnungen bestimmt, die keine21 oder eine mittelbare22 Außenwirkung haben. Darum sind die Zivilgerichte im Streit um den Auftragsvertrag federführend.23 Darüber hinaus stellt das Ergebnis des ← 25 | 26 → Zuschlags an sich keinen Gegenstand der Klage dar, weil die Zuschlagskriterien nur im Innenverhältnis der Verwaltung gelten. Für den übergangenen Bewerber ist es aber möglich, den Schadenersatz aus culpa in contrahendo zu beanspruchen.24 Wenn auch die öffentliche Beschaffung durch die PPP erledigt wird, sollte der PPP-Vertrag nach dem vorherigen Regelungsregime einer solchen Rechtsstruktur unterfallen.

Unter Berücksichtigung des europäischen Rechts und aus funktionaler Sicht ist eine Überprüfung dieses Regulierungsschemas jedoch erforderlich. Die PPP im Unionsraum muss selbstverständlich nach dem Europäischen Recht kontrolliert werden. Verschiedene Rechtsfragen bezüglich der Rahmenbedingungen des Europarechts können zwar bestehen, aber die wichtigsten Regeln bei der Infrastrukturförderung werden aus dem Beihilfen- und Vergaberecht abgeleitet. Zum einen darf eine staatliche Zuwendung in Bezug auf die Durchführung des PPP-Projekts in keiner Weise gegen das EU-Beihilfenrecht verstoßen und zum anderen sollten Regelungen des europäischen Vergaberechts, etwa der Vergaberichtlinien, im deutschen Vergaberecht als gültige Normen funktionieren, die bei der Durchführung des PPP-Projekts einzuhalten sind. Weiterhin ist zu beachten, dass die Beschaffung der Infrastruktur in funktionaler Hinsicht der öffentlich-rechtlichen Kontrolle unterstehen muss, da Aufbau, Erhalt und Betrieb der Infrastruktur mit dem öffentlichen Interesse unzertrennlich sind. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Grundlagen ist der Satz „pacta sunt servanda“ beim PPP-Vertrag zu beschränken. Das europäische Beihilfen- und Vergaberecht stellen innerhalb des öffentlichen Rechts die maßgebliche Regelung für die Gestaltung und die Durchführung des PPP-Vertrags dar.

Metaphorisch könnte somit gesagt werden, dass eine Vereinbarung für das PPP-Projekt als Rohstoff, der unter dem früheren Kontrolleregime privatrechtlich geregelt würde, in der Küche namens öffentliches Recht mit dem Filtrierapparat des Europäischen Beihilfen- und Vergaberechts gesiebt wird und ein feines Produkt, d. h. ein beihilfen- und vergaberechtskonformer PPP-Vertrag, hergestellt wird. Diese Dissertation widmet sich diesem Herstellungsprozess des gefilterten PPP-Vertrags. Also geht es in den folgenden Kapiteln darum, wie und inwieweit die PPP aus Sicht des öffentlichen Rechts im Rahmen des Europäischen Beihilfen- und Vergaberechts kontrolliert wird. Im Zusammenhang des Beihilfenrechts sind die Fragen einerseits zu diskutieren, ob und wie staatliche Zuwendungen beim PPP-Projekt, Angebote der durch die PPP eingerichteten Infrastruktur und ← 26 | 27 → Erteilungen des Zuschlags für das PPP-Projekt im Rahmen des Europäischen Beihilfenrechts gerechtfertigt werden. Andererseits ist es problematisch hinsichtlich des vergaberechtlichen Aspekts, ob der PPP-Vertrag dem Europäischen Vergaberecht unterliegt, welche Verfahren für das PPP-Projekt herangezogen werden und wie der vergaberechtswidrige PPP-Vertrag zu kontrollieren ist.

III. Untersuchungsprogramm

Diese Dissertation widmet sich der Diskussion der oben genannten Thematik. Dafür bedarf es vor allem der Schaffung einer Grundlage für den Forschungsgegenstand. Um einen Ausgangpunkt zu bilden, sind erste Anfänge und die Bedeutung der PPP im akademischen Zusammenhang zu erfassen. Daher wird die Entstehung der PPP im ersten Kapitel zunächst vor dem historischen Hintergrund untersucht. Dann wird auf Basis einer historischen Betrachtung ein sinnvoller Begriff der PPP insbesondere im Beschaffungswesen durch die Exploration ihrer einzelnen Begriffsmerkmale und den Vergleich mit anderen Begriffen beleuchtet.

Im zweiten Kapitel wird nicht nur die Zulässigkeit der PPP im Beschaffungswesen durch die Überprüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen behandelt, sondern auch ein praktischer Zustand der PPP statistisch festgestellt. Es ist für die Ermittlung des Umfangs der Regelung und ihrer Methoden dienlich, ein tatsächliches Bild der Regelungsgegenstände in der Praxis zu haben. Darüber hinaus werden Beispiele der Entwicklung der PPP im Ausland angeführt, damit die Konstellation der PPP in Deutschland damit verglichen werden kann.

Es geht sodann im dritten Kapitel darum, ob und wieso eine öffentlich-rechtliche Kontrolle des PPP-Vertrags notwendig ist. Die in dieser Dissertation aufgeworfenen Rechtsfragen um PPP ergeben sich daraus, dass die bisherigen Regelungsmodi über das in der Vertragsform durchgeführte PPP-Projekt zweifelhaft sind. So ist die Struktur des PPP-Vertrags zuerst zu analysieren und dann dessen Rechtsnatur aufzuklären. Schließlich wird konkret beleuchtet, warum es einer solchen öffentlich-rechtlichen Kontrolle, insbesondere der europarechtlichen Regelungen, beim PPP-Vertrag bedarf. Damit kann eine Grundlage für die Debatte über das Kontrollregime des PPP-Vertrags geschaffen werden.

Im vierten Kapitel werden Probleme der Anwendung des europäischen Beihilfenrechts hinsichtlich der PPP untersucht. Zunächst werden beihilfenrechtliche Rahmenbedingungen thematisiert, die bei der Durchführung des PPP-Projekts herangezogen werden. Ferner sind Möglichkeiten zu reflektieren, dass beim PPP-Projekt eine Zuwendung einer verbotenen Beihilfe entsprechen oder den Ausnahmefällen unterstehen. Am Ende sollte die Rechtswirkung des unter Verstoß gegen das Beihilfenrecht geschlossenen PPP-Vertrags aufgearbeitet werden. ← 27 | 28 →

Das fünfte Kapitel befasst sich mit den Aspekten der vergaberechtlichen Kontrolle des PPP-Vertrags. Vor allem wird eine Übersicht über die Entwicklung des europäischen Vergaberechts und dessen Umsetzung ins deutsche Recht zusammengestellt. Dann bedarf es einer Überprüfung, ob die vergaberechtlichen Regelungen auf die PPP angewandt werden. Diese Frage geht davon aus, dass öffentliche Aufträge i. S. der Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 VRL sowie § 103 GWB beim PPP-Projekt vorliegen. Daher ist die Anwendungsmöglichkeit vergaberechtlicher Vorschriften in Bezug auf jede Voraussetzung des öffentlichen Auftrags zu analysieren. Darüber hinaus ist zu beurteilen, ob die PPP-Vergabe einem Ausnahmefall, etwa dem sog. In-house-Geschäft, entspricht. Das vergaberechtliche Verfahren zur Durchführung des PPP-Projekts wird ebenfalls diskutiert. Nicht zuletzt wird der vorhandene Regelungsstand im Rahmen des Vergaberechts vom öffentlich-rechtlichen Blickpunkt aus zu kritisieren sein.

Schließlich werden Wege zur Balance zwischen der effizienten Durchführung des PPP-Projekts und der Bewahrung der öffentlich-rechtlichen Ordnung basierend auf diesen Diskussionen gesucht. Unter Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Natur und der Besonderheiten des PPP-Vertrags kann eine angemessene Empfehlung zur öffentlich-rechtlichen Kontrolle von PPP ausgesprochen werden, damit bei der PPP Win-Win-Effekte entstehen können.


1 Philipp, NVwZ 2013, 911 (912); Vgl. Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 2017, Einf v § 145, Rn. 4a; Weller, Die Grenze der Vertragstreue von (Krisen-)Staaten, 2013, S. 25; ders., Die Vertragstreue, 2009, S. 38; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2016, § 10, Rn. 23.

2 Im römischen Recht bedarf es dagegen neben der Willensübereinstimmung noch einer weiteren Voraussetzung für die Begründung einer Obligation. Also geht der Satz nicht allein auf das römische Recht zurück. Vgl. Liebs, Römisches Recht, 1993, S. 259 f.; Raab, in: Konzen/Krebber/Raab/Veit/Waas, Festschrift für Birk, 2008, 659 (662); Weiß, Pacta sunt servanda im Verwaltungsvertrag, 1999, S. 5 f.; Weller, Die Vertragstreue, 2009, S. 37.

3 Vgl. Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2016, Rn. 11.

4 Vgl. Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 2017, Einf v § 145, Rn. 4a; Philipp, NVwZ 2013, 911 (912); Raab, in: Konzen/Krebber/Raab/Veit/Waas, Festschrift für Birk, 2008, 659 (666); Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2016, § 43, Rn. 14.

5 Vgl. Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2016, § 43, Rn. 14.

6 Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2013, § 59, Rn. 6.

7 Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2013, § 59, Rn. 6.

Details

Seiten
294
Erscheinungsjahr
2018
ISBN (PDF)
9783631762462
ISBN (ePUB)
9783631762479
ISBN (MOBI)
9783631762486
ISBN (Hardcover)
9783631760703
DOI
10.3726/b14431
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
private Beteiligung öffentliche Aufgaben PPP-Vertrag Infrastruktur Begünstigung i. S. des Beihilfenrechts vergaberechtliche Vorgaben
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018., 294 S., 1 s/w Abb., 5 Tab.

Biographische Angaben

Jiweon Seon (Autor:in)

Jiweon Seon amtierte als Forscher von Korea Development Institute. Dabei war er nicht nur in der Praxis im öffentlichen Beschaffungswesen tätig, sondern beteiligte sich auch an verschiedenen wirtschaftspolitischen Forschungsprojekten. Für die Promotion werden seine Studien und Erfahrungen weiterentwickelt.

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