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Fragen an Hagen: Wege zum «Nibelungenlied» für jugendliche Schülerinnen und Schüler

von Günther Bärnthaler (Autor:in)
©2020 Monographie 416 Seiten

Zusammenfassung

Wie kann man das Nibelungenlied in einem modernen Deutschunterricht vermitteln? Dieses Buch gibt vielfältige Antworten auf diese Frage.
Ausgehend von der These, dass Schülerinnen und Schüler nur für sie subjektiv bedeutsame Unterrichtsinhalte erfolgreich lernen, entwickelt der Autor Hypothesen zur Klärung der Frage, auf welche Weise jugendliche Schülerinnen und Schüler in das Nibelungenlied semantisch involviert sind. Zur Erstellung dieser Hypothesen haben Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II Fragen an die Figuren des Nibelungenliedes formuliert. Diese Fragen werden als Hinweise darauf interpretiert, welche Figuren mit welchen Themen für die Schülerinnen und Schüler subjektiv bedeutsam sind. Nach der Darstellung dieser qualitativen Untersuchung im Sinne der Grounded Theory gibt das Buch in einem zweiten Schritt zahlreiche Hinweise zur Umsetzung der Hypothesen im konkreten Deutschunterricht der Sekundarstufe II. Empirie liefert die Grundlage didaktischer Theorie, welche wiederum in die schulische Praxis einfließen soll.
Auf diese Weise entsteht ein Kompendium materialgestützten Literaturunterrichts zum Nibelungenlied, das Kompetenzerwerb und Wissenserwerb mit forschendem Lernen verbindet. Die Analyse wesentlicher Zeugnisse seiner literarischen, bildnerischen, politischen und filmischen Rezeption ergänzt dabei die intensive Arbeit am Nibelungenlied selbst.
Das Buch wendet sich sowohl an Theoretiker als auch Praktiker des Deutschunterrichts.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titelseite
  • Impressum
  • Vorwort
  • Inhalt
  • 1 Die Nibelungen und kein Ende
  • 2 Das Nibelungenlied für jugendliche Schülerinnen und Schüler
  • 2.1 Literaturgeschichteunterricht
  • 2.1.1 Zur Bedeutung von Alterität
  • 2.1.2 Kriterien des Literaturgeschichteunterrichts
  • 2.2 Zur subjektiven Bedeutsamkeit des Nibelungenliedes für jugendliche Schülerinnen und Schüler
  • 2.2.1 Fragen an Figuren des Nibelungenliedes
  • 2.2.2 Qualitative Einzelinterviews
  • 2.3 Thesen zum Nibelungenlied für jugendliche Schülerinnen und Schüler
  • 3 Unterrichtsarrangements zum Nibelungenlied für jugendliche Schülerinnen und Schüler
  • 3.1 Wer ist Kriemhild?
  • 3.1.1 Thema Mutter und Kind
  • 3.1.2 Thema Rache
  • 3.1.3 Thema Vorbildlichkeit
  • 3.1.4 Thema Worms
  • 3.2 Wer ist Siegfried?
  • 3.2.1 Thema Anderswelt
  • 3.2.2 Thema Fernliebe
  • 3.2.3 Thema Vorbildlichkeit
  • 3.3 Wer ist Hagen?
  • 3.3.1 Thema Gewalt
  • 3.3.2 Thema Vorbildlichkeit
  • 3.4 Wer ist Brünhild?
  • 3.4.1 Thema Anderswelt
  • 3.4.2 Thema Ehe
  • 3.4.3 Thema Vasallität
  • 3.5 Wer ist Gunther?
  • 3.5.1 Thema schwacher König
  • 3.5.2 Thema schwacher Mann
  • 3.5.3 Thema starker Kämpfer
  • 3.6 Wer ist Etzel?
  • 3.6.1 Thema Etzel und Kriemhild
  • 3.6.2 Thema großer König
  • 3.7 Wer ist Hildebrand?
  • 3.7.1 Thema Hildebrands Hinrichtung von Kriemhild
  • 3.8 Was ist Hyperbolik im Nibelungenlied?
  • 3.8.1 Thema quantitative Hyperbolik
  • 3.8.2 Thema qualitative Hyperbolik
  • 4 Die Nibelungen als ‚Barbaren‘
  • 4.1 Was ist ein ‚Barbar‘?
  • 4.2 Handeln die Nibelungen ‚barbarisch‘?
  • 5 Diagramme und Tabellen
  • 5.1 Diagramme
  • 5.2 Tabellen
  • 6 Literatur
  • 6.1 Quellen
  • 6.2 Forschungsliteratur
  • 6.3 Abgekürzt zitierte Literatur

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1Die Nibelungen und kein Ende

So verblüffend es sein mag, aber die Nibelungen schaffen es noch im 21. Jahrhundert in die Tagespresse. So konnte im Jahr 2003 der bloße Umstand, dass in der Zwettler Stiftsbibliothek auf mehreren Pergamentfetzen, sogenannter Einbandmakulatur, mittelhochdeutscher Text (Heinzle 2007) entdeckt und von der zuständigen Bibliothekarin teilweise dem Nibelungenlied (NL) zugeordnet worden war, „ungeprüft eine weltweite Hysterie entfachen“ (Heinzle 2003).

Offenbar ist das NL ein besonderes Stück Literatur. Im 21. Jahrhundert besteht seine Einzigartigkeit im Wesentlichen wohl aus jener Kette von Assoziationen, welche der nationalistische Missbrauch des Textes erzeugt hat und welche dieser nun nicht mehr loswird. Diese grellen Bilder einer Rezeption, die das Original beinahe marginalisieren, sind noch so lebendig, dass sie im deutschen Sprachraum beim geringsten Anlass spontanes mediales Interesse auszulösen vermögen. Um nochmals Heinzle zu zitieren: „Der Vorgang ist kurios und bedrückend zugleich“ (ebda.).

Keineswegs einzigartig, aber trotzdem bedeutsam ist die Beziehung der Nibelungen zu einem Trend des späten 20. Jahrhunderts, der bis zur Gegenwart anhält, nämlich zur Popularität alter epischer Stoffe. Deren stoffliche Komplexität und Tendenz zur seriellen Form findet sich – neben bestimmten universellen Motiven wie jenem des Helden – auch in modernen Medienverbundangeboten mit der Tendenz zur „extensiven Totalität“ (Ewers 2006, 302), die man deshalb durchaus als „Epen unserer Zeit“ (ebda.) sehen kann. Dazu zählen in hervorragender Weise Der kleine Hobbit und Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien ebenso wie Star Wars von George Lucas und J.K. Rowlings Harry Potter. Der heldenepische Kern der Geschichten von den Nibelungen, vor allem in ihren altnordischen Versionen, könnte leicht in einem ähnlichen Konglomerat von Buch, Film und Computerspiel wiederkehren. Und tatsächlich ist dies, allerdings ohne der breiten Öffentlichkeit wirklich bewusst zu sein, bereits geschehen, denn Tolkiens Werke verdanken den altnordischen Nibelungen, Teilen der Älteren Edda und der Völsunga saga (VS), sehr viel (Simek 2005).

Für den deutschen Sprachraum sind die Nibelungen längst zum Mythos geworden, zu einer „fundierenden Geschichte“ (Assmann 2007, 78; vgl. ebda., 75–86), die das kulturelle Gedächtnis als Wegweiser der Gegenwart nutzt. Der Mensch braucht Erzählungen, die all jenen täglichen Verrichtungen, die den Großteil seiner Energie verzehren, einen Sinn zuschreiben: „[…] life without myth is impossible“ (Gray 2014, 82). Allerdings ←11 | 12→ist dem NL diese „fundierende“ Bedeutung erst seit seiner Wiederentdeckung im Jahr 1775 zugeschrieben worden (Müller 1998, 55); sind Teile desselben, seine Protagonisten und altnordische Varianten des Stoffes sogar als Modell einer besseren Zukunft Deutschlands propagiert worden. So suchte etwa Friedrich Heinrich von der Hagen 1807 im NL, „was in der Gegenwart schmerzlich untergeht […] mit Hoffnung auf dereinstige Wiederkehr Deutscher Glorie und Weltherrlichkeit […]“ (von der Hagen 2013, 204, 205; Vorrede), und gab damit bereits einen Vorgeschmack der politischen Instrumentalisierung des Werkes in den folgenden eineinhalb Jahrhunderten (Müller 2003, 411–412). Einen ersten Eindruck vom breiten Strom der Nibelungenrezeption vermittelt Grimms Synopse (Grimm 2019), die alleine durch Daten aus Literatur, Kunst, Musik und Wissenschaft überwältigt, ohne die politische Rezeption zu erfassen. Ähnlich eindrucksvoll ist die voluminöse kommentierte Bibliographie der Nibelungenforschung von 1945 bis 2010 (Nibelungenlied und Nibelungensage 2012). So überrascht es nicht, wenn Ulrich Müller feststellt: „Die Geschichte der germanistischen Mediävistik ist auch eine Geschichte der Bemühungen um ein Verständnis der Dichtung“ (Müller 2003, 407).

Unter diesen Umständen kann es auch nicht verwundern, dass August Wilhelm Schlegel bereits 1812 forderte: „Dieß Heldengedicht muß in allen Schulen, die sich nicht kümmerlich auf den nothdürftigsten Unterricht einschränken, gelesen und erklärt werden. Es muß […] wieder ein Hauptbuch bey der Erziehung der deutschen Jugend werden“ (Schlegel 1812, 20). Das NL hatte nach seiner Wiederentdeckung durch Jacob Hermann Oberreit den politischen Nerv der Zeit so getroffen, dass ihm eine rasche Karriere als Nationalepos und politischer Mythos der Deutschen beschieden war. So sollte er den Deutschen ein Bewusstsein nationaler Identität und ein Vertrauen in die gemeinsame Zukunft vermitteln (Brandt 2004, 17; Heinzle 2004; allgemein: Gat 2013, 382). Dazu nochmals August Wilhelm Schlegel: „Von dieser Seite kann dieß Werk für uns eben das werden, was Homer den Griechen war“ (Schlegel 1812, 32). Oder Karl Joseph Simrock mit Bezug auf das NL und Walther von der Vogelweide: „[…] diese können der Jugend nicht früh genug bekannt werden: nichts ist geeigneter, unser erstorbenes Vaterlandsgefühl wieder ins Leben zu rufen, als diese beiden, die der Hort der Nation zu werden versprechen […]“ (Simrock 1870, 1). Einen Überblick über historische Tendenzen der Nibelungendidaktik liefert Wunderlich (Wunderlich 2003).

Interessanterweise ist aber die Vorliebe des Deutschunterrichts für das NL keineswegs eine Erscheinung des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geblieben. Möbius belegt in seiner umfassenden Unter←12 | 13→suchung, dass der Text zu jenem immer kleiner werdenden Korpus mittelalterlicher Literatur gehört, das sich in deutschen Lese‐ und Sprachbüchern behauptet und darin sogar eine prominente Rolle spielt (Möbius 2010, 147–190; vgl. auch Schindler 2014; Kastner 2019, 52–53, 63–64, 75). Dies belegen ebenso Ehrismann und Hardt, denen zufolge das NL gemeinsam mit Walther von der Vogelweide den winzigen Kernbereich mittelalterlicher Literatur ausmacht, den deutsche Lesebücher seit dem frühen 19. Jahrhundert enthalten (Ehrismann / Hardt 2003, 46), wobei die analysierten Lesebücher (aus den Fünfzigerjahren des 20. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts) typischerweise den jugendlichen Drachentöter Siegfried in den Mittelpunkt stellen, während sie Kriemhilds blutige Rache allenfalls kursorisch bedenken (ebda., 48–49). Übrigens kann man eine ähnliche Präferenz schon an der Rezeption von Fritz Langs Film Die Nibelungen (1924) ablesen, dessen erster Teil Siegfried beim zeitgenössischen Publikum viel besser ankam als sein zweiter Teil Kriemhilds Rache (Töteberg 1985). Für die Beliebtheit der Geschichte Siegfrieds sind bestimmt thematische Gründe – hauptsächlich das Heldenmotiv – verantwortlich, doch auch strukturelle Aspekte der Dichtung. Denn ganz anders als Kriemhilds Rache enthalten Siegfrieds Abenteuer das Potential zum zyklischen Ausbau und phantastischen Ausfabulieren (Heiser 2012), was bereits Das Lied vom hürnen Seyfrid (Erstdruck 1530) beweist. Heiser stellt schließlich für das NL sogar eine Renaissance fest, da sich in beinahe allen zugelassenen Lehrwerkreihen der Bundesrepublik eine Unterrichtseinheit zu diesem Text finde, die meist der 6. oder 7. Schulstufe zugeordnet sei (Heiser 2011).

Allerdings kann man in der Zuordnung des Epos zur Sekundarstufe I zusammen mit der Betonung des jugendlichen Drachentöters auch eine Tendenz zur Verharmlosung der Geschichte von den Nibelungen sehen. Die mittelalterliche Rezeption sah das NL ganz anders, nämlich „vor allem als Geschichte vom Untergang der Burgunden und vom Verrat Kriemhilds an ihren Verwandten“ (Müller 2015, 49), weshalb diesem Aspekt auch in Form der Klage ein eigener weitverbreiteter Text gewidmet wurde. Verharmlosung wird dem Epos gewiss nicht gerecht. Das NL ist alles andere als harmlose Unterhaltung, sondern eine rücksichtslose Reflexion der conditio humana.

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2Das Nibelungenlied für jugendliche Schülerinnen und Schüler

Belegt die für das NL konstatierte Renaissance lediglich didaktische Brauchtumspflege (Tradition) unter geändertem Vorzeichen, die man ohne großen Verlust beenden könnte, oder kann seine zentrale Stellung im schulischen Kanon mittelalterlicher Literatur mit Hilfe moderner Fachdidaktik als berechtigt erwiesen werden? Zur Beantwortung dieser Frage für den Deutschunterricht der Sekundarstufe II verwende ich in einem ersten Schritt die Kriterien eines modernen Literaturgeschichteunterrichts, anschließend untersuche ich in einem zweiten Schritt die subjektive Bedeutsamkeit des Textes für konkrete jugendliche Schülerinnen und Schüler (SuS). Die Ergebnisse von Schritt zwei konfrontiere ich in einem dritten Schritt mit den Ergebnissen von Schritt eins und leite daraus meine Thesen einer Didaktik für das NL auf Sekundarstufe II ab. In einem vierten Schritt konkretisiere ich diese Thesen schließlich in Form von Unterrichtsarrangements für forschendes Lernen.

2.1Literaturgeschichteunterricht

Literaturgeschichteunterricht auf Sekundarstufe II (im Überblick Korte 2003; Fingerhut 2010) ist ein Teilbereich des Handlungsfeldes Literatur. Als solcher hat er Anteil an dessen Bedeutsamkeit, die sich aus seiner kulturellen, sozialen und individuellen Funktion (Abraham / Kepser 2016, 19–27) ergibt, allerdings auch spezifischen Charakter. Als Klammer fungiert der Begriff der Ich‐Identität, „die angesammelte Zuversicht des Individuums, daß der inneren Gleichheit und Kontinuität auch die Gleichheit und Kontinuität seines Wesens in den Augen anderer entspricht“ (Erikson 2005, 256). Nach Erikson ermöglicht nur eine Ich‐Identität, die in einer kulturellen Identität wurzelt, „ein funktionierendes psychosoziales Gleichgewicht“ (ebda., 402).

Als Ziele des Literaturgeschichteunterrichts postuliere ich: Die SuS erhalten Unterstützung bei ihrer Enkulturation und ihrer Individuation, sie erwerben grundlegende literarische Kompetenzen und grundlegendes literarhistorisches Wissen. Alle vier Felder müssen – in jeweils unterschiedlicher Gewichtung – beachtet werden, wenn der Unterricht aus Literaturgeschichte sein volles Potential entfalten soll. Damit Literatur Enkulturation und Individuation unterstützen kann, müssen die SuS Literatur allerdings als „interaktives Speichermedium von Lebenswissen, das ←15 | 16→nicht zuletzt Modelle von Lebensführungen simuliert und aneignet, entwirft und verdichtet“ (Ette 2010, 17–18), akzeptieren. Erst dann kann es nicht geschehen, dass Deutschunterricht zum verkleinerten Abbild seines universitären Pendants verkümmert, denn dann erhalten die SuS – in Abstimmung mit ihrer jeweiligen Entwicklungsthematik – Chancen zur „Transformation ihrer Selbst‐ und Weltsicht“ (Meyer / Meyer 2007, 189), die ihnen subjektiv bedeutsam erscheinen: „Alles Lehren muss, wenn es zum Erfolg führen soll, […] subjektiv bedeutsam sein. Es muss zugleich der jeweiligen Entwicklungsstufe der Lernenden entsprechen, weil es sonst abperlen würde“ (ebda., 45; Hervorhebungen nicht übernommen). Diese These findet Unterstützung in empirischen Daten, die eine enge Beziehung zwischen literarischem Lesen und täglichem Leben dokumentieren, entweder als Identifikation mit der Hauptfigur des Textes oder als „selfconfrontational recognition of the similarities and differences between the reader´s own life situation and the narrated situation“ (Charlton / Pette / Burbaum 2004, 251). Nach Andringa tendieren weibliche Leser zur identifikatorischen Lesestrategie, männliche zur konfrontativen (Andringa 2001).

Einerseits müssen SuS, um Texte zum Aufbau ihrer Ich‐Identität nutzen zu können, über die zu deren Verständnis nötigen Kompetenzen verfügen, andererseits verkümmert aber Kompetenzerwerb ohne kulturell und individuell bedeutsame Texte zum weitgehend sinnlosen Training. Deshalb ist die Auswahl der Texte für den Literaturunterricht eine wesentliche Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer. Die Bildungsgangdidaktik formuliert das so: „Weder Kompetenzen (Fähigkeiten, Qualifikationen) noch Inhalte (Themen, Aufgaben) existieren für sich. Kompetenzen benötigen für ihre Entwicklung Inhalte. […] Dabei verweisen die Kompetenzen der lernenden Subjekte und die Anforderungsstruktur der Unterrichtsinhalte und sonstigen Lernaufgaben jeweils aufeinander. Formale Bildung ohne Inhalte wäre leer. Materiale Bildung, die nicht das sich bildende Subjekt formt, wäre blind“ (Meyer / Meyer 2007, 37; siehe auch Bachor 2010; Wintersteiner 2011; Zabka 2012).

Da es sich beim Unterricht aus Literaturgeschichte um einen Teilbereich des Literaturunterrichts handelt, ist auch hier vor allem Textverstehenskompetenz anzustreben. Diese besteht aus Analysekompetenz, Interpretationskompetenz und Applikationskompetenz (Leubner / Saupe / Richter 2016, 47–64). Alle drei Kompetenzen können durch die Rezeption älterer Literatur genauso gut erworben werden wie in Zusammenhang mit moderner Literatur (Wrobel 2013, 40–41). Dazu treten im Falle älterer Literatur in besonderem Maße die Fähigkeit der Zuordnung des einzelnen literarischen Textes zu seiner Entstehungszeit, die Fähigkeit zur Herstel←16 | 17→lung intertextueller Bezüge und die Metakompetenz der Problematisierung literarhistorischer Epochen und Kanones (Abraham / Rauch 2012). Nimmt man die universelle Bedeutung von Intertextualität (Hypertextualität nach Genette) ernst, so ist sinnvoller Literaturunterricht ohne Literaturgeschichte gar nicht möglich: „Es gibt kein literarisches Werk, das nicht, in einem bestimmten Maß und je nach Lektüre, an ein anderes erinnert; in diesem Sinne sind alle Werke Hypertexte“ (Genette 1993, 20).

Schließlich darf auch literarhistorisches Wissen keineswegs vernachlässigt werden. Erst dieses Wissen, das literaturtheoretische und kulturhistorische Aspekte ebenfalls abdecken muss, ermöglicht ein Verständnis der intertextuellen Zusammenhänge (Brüggemann 2009) sowohl auf Einzeltextebene wie auf Systemebene (Kammler 2013). Und nicht zuletzt verschafft es kognitive Entlastung und Unabhängigkeit von materiellen Ressourcen.

Zur Vermittlung der diachronen Qualität literarischer Texte, zur Verdeutlichung ihrer Entwicklung, sollen sie vor allem zu Längsschnitten verbunden werden, die sich entweder an inhaltlichen Aspekten (Entwicklungsaufgaben) oder an formalen Aspekten (Gattungen) orientieren. Auf diese Weise treten sowohl ihre Intertextualität als auch ihre Innovativität in den Vordergrund. Zur Einordnung in den kulturhistorischen Kontext sollen diese literarischen Texte mit pragmatischen Texten, visuellem und audiovisuellem Material konfrontiert werden. Auch die Einbeziehung fremdsprachiger Literatur ist, besonders im Hinblick auf deren Intertextualität, sinnvoll, manchmal sogar notwendig. Die Analyse von Zeugnissen der Literaturgeschichtsschreibung kann die Metakompetenz zur Problematisierung literarhistorischer Konstrukte fördern (Bonholt / Rupp 2006, 53–62).

Da „Epochendefinitionen und Epocheneinteilungen immer Konstruktionen und Hilfsvorstellungen“ (ebda., 320) sind, die sich aus einem „Akt der sinnstiftenden Strukturierung des geschichtlichen Materials von seiten des reflektierenden Betrachters“ ergeben (Voßkamp 1978, 191; Hervorhebungen nicht übernommen), erfolgt Literaturgeschichteunterricht am besten in Form forschenden Lernens. Nur so können Lernende wirklich nachvollziehen, was es bedeutet, Literaturgeschichte zu betreiben. In diesem Sinne spricht Nutz vom „Netz von Erkundungsrouten und Entdeckungsreisen“ (Nutz 1997, 46), und im selben Sinne sprechen Abraham und Rauch von der „Fähigkeit der selbstständigen, entdeckenden Erarbeitung von literaturgeschichtlichen Zusammenhängen anhand vielfältiger Materialien“ (Abraham / Rauch 2012, 345). Fußend auf einem Verständnis von Lernen als aktiver und vorwiegend selbstgesteuerter sozialer Konstruktion, postuliert die Theorie forschenden Lernens, dass Lernprozesse immer von ←17 | 18→einem herausfordernden Problem ausgehen. Stahl und Feigenson (2015) belegen diese Thesen.

Im schulischen Kontext werden SuS mit einem herausfordernden Problem konfrontiert (Phase 1) und aufgefordert, dieses mit Hilfe von Hypothesen zu lösen (Phase 2). Im Anschluss daran überprüfen sie ihre Hypothesen (Phase 3), stellen sie einander vor (Phase 4) und dokumentieren diese (Phase 5) (Messner 2012; auch Weber 2007; Bärnthaler 2010; Dewey 2011). Dabei ist besonders zu beachten, dass die Lernenden nicht überfordert werden, da diese Methode an sich höhere Anforderungen stellt. Deshalb darf der Lehrende die Lernenden nach der Initiierung des Lernprozesses – trotz aller Selbstständigkeit auf deren Seite – nicht ohne Hilfe lassen, sondern muss zu ihrer laufenden Unterstützung bereitstehen und den Lernprozess bei Bedarf weiter steuern. Ist dieses Kriterium erfüllt, so kann man mit Neber davon ausgehen, dass Lerninhalte länger behalten werden, dass Wissen besser genutzt werden kann, dass effektivere Lernstrategien erworben werden und die intrinsische Lernmotivation steigt (Neber 2010, 125). Hattie fasst seine Ergebnisse zu forschendem Lernen folgendermaßen zusammen: „Insgesamt zeigt sich, dass forschendes Lernen übertragbare Fähigkeiten des kritischen Denkens erzeugt, ebenso wie bedeutsame Vorteile im Wissensgebiet, eine verbesserte Leistung und eine verbesserte Einstellung gegenüber dem Unterrichtsfach“ (Hattie 2013, 248).

2.1.1Zur Bedeutung von Alterität

Literaturgeschichteunterricht trägt über die Vermittlung des Kanons einer Literatur in bedeutsamer Weise zur Enkulturation des Individuums bei, zur Ausbildung seiner kulturellen Identität, da jede Schriftkultur Literatur als Medium des kulturellen Gedächtnisses nutzt, als „Überlebensstrategie kultureller Identität“ (Assmann 2007, 127). Jugendliche müssen diesen Kanon – jene „literarischen Texte, […] die als besonders wertvoll, wichtig oder einflussreich gelten und an deren Tradierung einer Trägergruppe gelegen ist“ (Winko 2012, 237) – selbstständig und kritisch nutzen lernen, wollen sie ihm nicht ausgeliefert sein, denn seine „unmittelbare Wirkung auf Lebenspraxis und Selbstbilder“ ist nicht zu umgehen (Assmann 1998, 59). Dazu kann und muss der Unterricht aus Literaturgeschichte Gelegenheiten bieten.

Andererseits fördert Literaturgeschichteunterricht aber auch die Individuation, die Ausbildung einer Ich‐Identität der SuS, indem er sie mit literarischen Reflexen historischer Erfahrung konfrontiert, die ihnen sonst großteils entginge. Die geläufige These lautet, dass die Beschäftigung mit ←18 | 19→andersartigen Lebensentwürfen im Literaturgeschichteunterricht eine besondere Rolle spielt. Becker und Mohr sprechen sogar vom „Leitkonzept für historisches Interpretieren“ (Becker / Mohr 2012, 38).

Alterität – „Literarische und / oder kulturelle Andersheit, häufig auch synonym mit Fremdheit, Verschiedenheit, Differenz“ (Strohschneider 1997, 58) – wird meist auf vier miteinander verwobenen Ebenen beschrieben, der vertikalen (diachronen) Ebene, der horizontalen (synchronen / kulturellen) Ebene, aber auch auf der medialen und der geschlechtlichen Ebene (Kostka / Schmidt 2009, 35–38).

Waldenfels definiert das Fremde als „ein Außer‐Ordentliches, das den Rahmen der jeweiligen Ordnung übersteigt“ (Waldenfels 2012, 71). Alterität bezeichnet somit die Differenz zwischen dem Eigenen und dem anderen, fungiert als relationaler Begriff, der die Beziehung zweier Standorte zueinander abbildet (Münkler / Ladwig 1997). Unausweichlich ist die Ambivalenz des Fremden, kann doch jenes Übersteigen der jeweiligen (eigenen) Ordnung sowohl anziehend als auch abstoßend wirken (Rehberg 2012, 430–433; vgl. auch Kastner 2019, 95–96). Jedenfalls ist die Erfahrung des Fremden aber von existenzieller Bedeutung, da ohne sie keine Vorstellung vom Eigenen, keine personale Identität entstehen kann: „Wer das Eigene abschafft, schafft auch das Fremde ab“ (Waldenfels 2012, 67), und wer das Fremde abschafft, schafft auch das Eigene ab. Diese Gedankenfigur liegt in gleicher Weise der Anthropologie von Lévi‐Strauss zugrunde, der postuliert, „daß eine Zivilisation sich nicht selbst denken kann, wenn sie nicht über eine oder mehrere andere verfügt, die ihr als Vergleichsterme dienen. Um die eigene Kultur zu kennen und zu verstehen, muß man lernen, sie vom Standpunkt einer anderen zu betrachten […]“ (Lévi‐Strauss 2012, 41).

Münkler und Ladwig (1997) unterscheiden soziale Fremdheit (innere Grenzziehung, Fremdexklusion und Selbstexklusion), der stets ein Moment affektiver Distanzierung innewohnt, von lebensweltlicher Fremdheit (alltägliche Fremdheit, strukturelle oder kulturelle Fremdheit, radikale Fremdheit und die jedes Verständnis ausschließende definitive Fremdheit), die vornehmlich auf kognitiver Distanz beruht. Die Gradualität der Sphäre des Fremden visualisiert Stagl als eine Abfolge konzentrischer Kreise um die Sphäre der eigenen Gruppe, die selbst aus einem flexiblen Konstrukt von Kernbereich und Randbereich besteht. Als Hauptdimension des Fremden bezeichnet er folglich den Raum, mit dem allerdings auch immer die Dimensionen der Zeit und der Norm verbunden sind (Stagl 1997).

Alterität erweist sich somit als Grunderfahrung, die jeder Mensch macht und machen musss, um seine eigene Existenzweise zu verstehen. ←19 | 20→Darüber hinaus kommt dieser Erfahrung in Zeiten zunehmender Globalisierung ganz besondere Bedeutung zu, was Haidu bereits 1990 erkannte: „the problematic of alterity is one of the key problems of the epoch. To recognize the nonidentical, the different, the other […] is, I believe, the heart of the problematic “(Haidu 1990, 690). Inzwischen verliert sich die Menschheit immer mehr im weltweiten „digitalen Echoraum“ (Han 2018, 77) des Internets, in welchem „man vor allem sich selbst sprechen hört“ (ebda.; Hervorhebungen nicht übernommen). Aber gleichzeitig hat die Grunderfahrung der Alterität nichts an Bedeutung verloren, weshalb es heutzutage vorrangig ist, sich auf das Fremde einzulassen: „denn ohne Gegen fällt man hart auf sich selbst“ (ebda., 60; Hervorhebungen nicht übernommen).

In der Literatur begegnet uns die Matrix des Fremden vornehmlich als thematische Alterität, ästhetische Alterität und pragmatische Alterität (Gerner 2007, 233), allesamt Aspekte lebensweltlicher Fremdheit. Da diese in der deutschen Literatur vornehmlich aus der zeitlichen Dimension resultieren, rücken so ältere, vormoderne, mittelalterliche Texte in den Fokus des Deutschunterrichts. Das Spezifikum dieser Literatur, die „den Rahmen der“ gegenwärtigen „Ordnung übersteigt“ (Waldenfels 2012, 71), besteht in jener besonderen „Synthese von Nähe und Ferne“ (Simmel 1992, 766), die Simmel dem Fremden an sich attestiert, da dieses fast nie vollkommen anders ist.

Die Mediävistik nutzt den Begriff der ‚vertikalen Alterität‘ als Leitbegriff ihrer Disziplin, ja sogar als Relevanzargument (Braun 2013), was besonders auf die Didaktik mittelalterlicher Literatur im Deutschunterricht zutrifft (Bärnthaler 2010, 28–33). Dabei reichen die mediävistischen Positionen von der Betonung prinzipieller Unverständlichkeit jedes Textes einer fernen Vergangenheit (Zumthor 1979, 370) bis zum Postulat prinzipieller Verständlichkeit mittelalterlicher Literatur (Jauß 1977, 10, 14). Allerdings muss jede Bemühung um die Erkenntnis des Fremden auf der Annahme beruhen, dass dies prinzipiell möglich ist. Sonst wäre das gesamte Projekt weitgehend sinnlos.

Ich gehe davon aus, dass sich die Menschen im Laufe ihrer Entwicklung zwar sehr unterschiedlich präsentiert haben, diese Differenzen aber nur die Oberfläche ihres Verhaltens betreffen, nicht dessen Grundlage: „Universelle geistige Mechanismen können in verschiedenen Kulturen oberflächliche Veränderungen aufweisen“ (Pinker 2017, 64; Hervorhebungen nicht übernommen; vgl. ebda., 64–69, 89, 115–116; vgl. auch Hume 2003, 174–178; Alcock 2001, 180; Blackburn 2005, 207–219). Ähnliches scheint Wittgenstein zu postulieren, wenn er „[d]ie gemeinsame menschliche Handlungsweise“ als „Bezugssystem“ für ein Verständnis einer fremden Sprache sieht (Wittgenstein 1977, 129). Weiters gehe ich davon aus, dass jene menschlichen ←20 | 21→Universalien (Brown 1991; Pinker 2017, 647–653) stets eng verwoben sind mit Gefühlen: „Der Ausgangspunkt des Seins entspricht einem scheinbar kontinuierlichen, endlosen Gefühlszustand, […] der alle mentalen Vorgänge untermalt“ (Damasio 2017, 118; vgl. ebda., 117–125; Sapolsky 2018, 523; vgl. auch Hume 2003, 124–134; Hume 2015, 91–108). Beide Hypothesen zusammen ermöglichen die Annahme, dass auch SuS des 21. Jahrhunderts jene Gefühle, die etwa das NL so sehr prägen, prinzipiell verstehen können. Und deshalb sollten sowohl die Beschäftigung mit der fremden Oberfläche des Mittelalters als auch das Bemühen um die Erkenntnis, dass diese auf den gleichen Grundlagen wie unsere Welt beruht, jeglichen Unterricht zu mittelalterlicher Literatur prägen.

Die Didaktik argumentiert, mittelalterliche Literatur könne aufgrund ihrer Alterität in den SuS „gedankliche Irritation, ja Befremden auslösen und dadurch Verstehensbemühungen hervorrufen, letztlich sogar Anlass sein, Einstellungen und Verhaltensweisen zu überdenken“ (Bärnthaler 2010, 31–32). Diese These beruht auf Erkenntnissen der Lernpsychologie, die Unterrichtsinhalten, welche im Lernenden Überraschung oder Zweifel auslösen, die Auslösung ‚epistemischer Neugier‘ zusprechen (ebda., 31). Neuerdings findet diese These Unterstützung in der Empirie von Stahl und Feigenson, die belegen, dass bereits Kinder im Alter von elf Monaten in besonderem Maße lernen, wenn sie mit Ereignissen konfrontiert werden, die ihrem angeborenen Kernwissen (core knowledge) widersprechen: „The sight of an object that violated expectations enhanced learning and promoted information‐seeking behaviors […]“ (Stahl / Feigenson 2015, 91). Überdies haben die Autorinnen herausgefunden, dass die anschließenden Bemühungen der Kleinkinder um Klärung dieser Widersprüche nach dem Muster der Hypothesentestung verlaufen: „Together, our experiments reveal that when infants see an object defy their expectations, they learn about that object better, explore that object more, and test their relevant hypotheses for that object´s behavior“ (ebda., 94). Abschließend erweitern Stahl und Feigenson ihre Aussagen, indem sie ihrem Befund universelle Gültigkeit zusprechen, was bedeutet, dass menschliches Lernen stets durch die Konfrontation mit Neuem, Fremdem stimuliert werden kann und weitgehend über die Generierung und Überprüfung spezifischer Hypothesen abläuft. Mit Bezug auf Emotionen kommt Ben‐Ze’ev zum gleichen Befund, wenn er festhält, dass Emotionen überhaupt typischerweise auftreten, „wenn wir eine signifikante positive oder negative Veränderung in unserer persönlichen Situation wahrnehmen – oder in der Situation uns nahestehender Personen“ (Ben‐Ze’ev 2009, 21; Hervorhebungen nicht übernommen).

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Die Auseinandersetzung mit thematischer Alterität fördert auch die Bewältigung jener spezifischen Probleme des Jugendlichen, die man als seine Entwicklungsaufgaben bezeichnet. Darunter versteht man jene Aufgaben, die ein Jugendlicher (ca. 12 bis 18) in Interaktion mit seiner Umwelt bewältigen muss, um seine Ich‐Identität zu entwickeln. Oerter und Dreher unterscheiden zehn derartige Aufgaben: 1. Peers: zu Gleichaltrigen beiderlei Geschlechts neue, tiefere Beziehungen aufbauen. 2. Körper: Veränderungen des eigenen Körpers annehmen. 3. Rolle: ein Verhalten aufbauen, das der jeweiligen Rolle als Mann oder Frau entspricht. 4. Beziehung: engere Beziehungen zu einem Freund oder einer Freundin aufnehmen. 5. Ablösung: von den Eltern unabhängig werden. 6. Beruf: sich beruflich orientieren. 7. Partnerschaft / Familie: Vorstellungen über die zukünftige eigene Familie entwickeln. 8. Selbst: Klarheit über sich selbst gewinnen. 9. Werte: seine eigenen Werte definieren. 10. Zukunft: eine Perspektive für die eigene Zukunft entwickeln (Oerter / Dreher 2008, 271–332; bes. 279). Diesen Entwicklungsaufgaben begegnet man in den literarischen Texten aller Epochen. Die Bildungsgangdidaktik stellt sie in den Mittelpunkt ihrer Konzeption, damit „die gesellschaftliche Perspektive auf Lehren und Lernen mit der entwicklungspsychologischen und der didaktischen vermittelt werden kann“ (Meyer / Meyer 2007, 167; Hervorhebungen nicht übernommen). Analog argumentiert Frederking, wenn er schreibt, dass identitätsorientierter Literaturunterricht „Schüler‐ und Sachorientierung“ zusammenführt (Frederking 2013, 456).

Prinzipiell gilt das Alteritätsargument für Texte sämtlicher Epochen der Literaturgeschichte. Die Notwendigkeit von Alteritätserfahrungen verleiht dem gesamten literarischen Kanon zusätzliche Bedeutung. Buck votiert deshalb für einen „Kanon der Alterität“ (Buck 1983, 365), worunter er jene Literatur versteht, die aufgrund ihrer ausgeprägten Fremdheit als Korrektiv der aktuellen Verhältnisse dienen und so verhindern kann, dass die SuS blind werden für die Vielzahl der Möglichkeiten unserer Literatur und unseres Lebens. Ein derartiger Kanon ist von zentraler Bedeutung für einen identitätsorientierten Literaturunterricht, der die Leser/innen durch die Befreiung von ihrem lebensweltlichen Alltag neue Perspektiven erkennen und entwickeln lassen will (Münkler / Ladwig 1997, 35–36; Brüggemann 2008, 372–375; vgl. auch Bloom 1995, 28).

Die Unterschiede zwischen mittelalterlicher und jüngerer Literatur sind – ebenso wie jene zwischen einzelnen Kulturen – nur gradueller Natur und finden sich unter Umständen auch innerhalb des Textkorpus einer jüngeren Epoche. Wie unklar und brüchig die diesbezüglichen ‚Meistererzählungen‘ sind, indem sie etwa im Hinblick auf Säkularisation, Rationalisierung, Zivilisierung, Sozialdisziplinierung, Individualisierung, ←22 | 23→Ausdifferenzierung und Modernisierung dem Mittelalter und der Neuzeit eindeutige Positionen zuweisen, zeigt Schnell (Schnell 2013). Nichtsdestotrotz kommt dem gesamten Mittelalter im deutschen Sprachraum eine besondere Funktion zu, nämlich jene des pauschalen vormodernen Bezugspunktes der sich etablierenden und dabei sich fortschrittlich verstehenden Moderne. Seit der ‚Erfindung des Mittelalters‘ im 18. Jahrhundert begleitet uns – im Positiven wie im Negativen – diese Kontrastfigur zu unserer eigenen, unabgeschlossenen Epoche, die wir Neuzeit nennen. Und deshalb hören wir auch heute noch den Ausruf „Wie im tiefsten Mittelalter!“, jedoch nicht den Ausruf „Wie im tiefsten Barock!“ Gegenwärtig dient das Mittelalter häufig der eskapistischen Kompensation jener emotionalen Verluste, welche die fortschreitende Rationalisierung unserer westlichen Gesellschaft mit sich bringt. Deshalb erwerben unsere SuS häufig bereits außerhalb der Schule Wissen über das Mittelalter und interessieren sich für die Epoche (Kostka / Schmidt 2009; Oexle 2009; Brauch / Löffler 2011; Buck 2011b).

Eine Didaktik älterer Literatur muss, so meine bisherige Argumentation, deren Alterität betonen. Allerdings bildet diese Andersartigkeit mit vielfältigen Kontinuitäten ein so dicht gewobenes Netz, dass deren Negation das Gesamtbild vom Mittelalter grob verfälschen würde. Weil sich „das Besondere nur im Bezug auf etwas Gemeinsames erfassen lässt“ (Braun 2013, 29), muss in jedem einzelnen Fall untersucht werden, wo hier die Grenze zwischen beiden Aspekten verläuft, wo Diskontinuität in Kontinuität umschlägt (Baisch 2013, 205): „Es geht […] um die geduldige Beschreibung des Andersartigen im Vertrauten und des Bekannten im Fremden“ (Müller 1998, 39). Dieser vergleichende Zugang wird nicht nur dem mittelalterlichen Text gerecht (Braun 2013), sondern verankert ihn über die Analyse überzeitlicher Phänomene des Menschseins in der Lebenswelt der SuS, was unbedingt notwendig erscheint, wenn man von Jugendlichen liest, die „nicht fähig und / oder nicht willens [sind], sich in eine ihnen fremde Zeit hineinzuversetzen und aus dieser hypothetisch zu argumentieren und probeweise zu handeln“ (von Borries 1999, 196). Indem die SuS sowohl Konstanten des menschlichen Lebens kennenlernen als auch dessen Bandbreite, können sie einen reflektierteren Zugang zu ihrer eigenen Existenz finden, vielleicht sogar ihre meist unhinterfragte aktuelle Position modifizieren. Spinner hat für dieses Wechselspiel aus Fremdem und Eigenem – über literarisches Lernen schlechthin schreibend – folgende Worte gefunden: „Man sieht sich und seine Erfahrungen im literarischen Text wie in einem Spiegel und wird zugleich irritiert“ (Spinner 2006, 8).

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Da die Applikation der durch Alterität vermittelten Erkenntnisse auf die eigene Lebenswirklichkeit kaum auf selbstverständliche Weise erfolgt (Bärnthaler 2010, 231–232; Pflefka 2011, 284), sich ein adäquates Textverständnis jedoch erst „in der Selbstdeutung eines Subjekts vollendet“ (Ricœur 2005, 99; vgl. auch Gadamer 1990, 313), bedarf es einer spezifischen Methodik der Alterität. Diese muss auf einer gründlichen Analyse des alten Textes beruhen, wobei dessen Andersartigkeit gelegentlich sogar überbetont (Kiening 2005, 160), jedoch nie vorschnell geklärt (Jauß 1985, 115) werden darf. Erst aus einer solchen Phase des langsam, exakt und wiederholt ablaufenden textnahen Lesens (Paefgen 1998; Möbius 2010, 96–98; vgl. auch Gadamer 1990, 271 und Spinner 2006, 8) ergeben sich jene Fragen zur Andersartigkeit des Textes, jene Probleme, die anschließend von den SuS durch forschendes Lernen (Weber 2007; Messner 2012) möglichst eigenständig beantwortet werden sollen: „Je fremder der Text dem Leser gegenübersteht, umso stärker muss dieser versuchen, ihn textnah zu lesen“ (Paefgen 1998, 14; Hervorhebungen nicht übernommen). Zu diesem Zwecke empfiehlt Paefgen (1998) insbesondere Schreiben in Zusammenhang mit der Lektüre und Übersetzen (dazu Bärnthaler 1993). Den Wert des Übersetzens betont auch Schwinghammer, die erhoben hat, dass insbesondere SuS mit wenig Interesse an Literatur und am Mittelalter „im Laufe des Übersetzungsprozesses zunehmend […] das Bedürfnis nach einer kognitiven Durchdringung des Textes […] entwickelten, was sich unmittelbar auf ihre Lesemotivation und […] das Abrufen und Verknüpfen von vorhandenen Wissensbeständen auswirkte“ (Schwinghammer 2016, 43).

Jene Alterität, die von den SuS sogleich wahrgenommen wird, wenn sie ältere, insbesondere mittelalterliche Literatur lesen, ist jene der Sprache. Im Sinne der obigen Argumentation müsste auch diese Fremdheit durchgängig angenommen werden. Doch die Rezeption einer fremden Sprachstufe kann den lebensweltlichen Alltag der Leserinnen und Leser nicht so relativieren, dass dies zur Entwicklung seiner persönlichen Identität beitragen würde. Sprache und Literatur sind kategorial verschieden. Rein sprachliche Schwierigkeiten führen im Extremfall nur dazu, dass die SuS ältere Texte gar nicht rezipieren und somit die spezifische Lernchance der Alterität nicht nützen können. Da ich darin jedoch das zentrale Argument für die Auseinandersetzung mit älterer Literatur sehe, halte ich die Lektüre einer adäquaten modernen Übersetzung für unumgänglich, falls die Sprachstufe große Probleme bereitet. Dies gilt in aller Regel für mittelalterliche Literatur. Wo nur kleinere Schwierigkeiten vorliegen, kann die Verwendung visueller und lexikalischer Zusatzinformationen ausreichen, ein Textverständnis zu gewährleisten (Möbius 2010, 212), oder selbst darauf verzichtet werden, was Schwinghammer nahelegt (Schwinghammer 2015, ←24 | 25→147–158). Jüngere Sprachstufen des Deutschen sollten im Sinne jener besonderen „Synthese von Nähe und Ferne“ (Simmel 1992, 766) unbedingt im Original gelesen werden, obwohl auch hier bedeutende Verständnisschwierigkeiten bestehen können. Ein Text wie das NL muss in der Schule jedenfalls in neuhochdeutscher Übersetzung gelesen werden, da er sonst viel zu lang wäre, was allerdings nicht bedeutet, dass sich die SuS nicht mit der mittelhochdeutschen Sprache an sich beschäftigen sollen. Ganz im Gegenteil, sie sollen dies in lernbereichsintegrativen Unterrichtsabschnitten (Bärnthaler 2013; Mende 2013; Schwinghammer 2015) sehr wohl tun und werden auf diese Weise auch Wichtiges lernen, nämlich Einsicht in die Entwicklung der deutschen Sprache.

2.1.2Kriterien des Literaturgeschichteunterrichts

Basierend auf meinen bisherigen Ausführungen verlange ich von Texten für den Literaturgeschichteunterricht auf Sekundarstufe II die Erfüllung von fünf Kriterien: Sie gehören dem literarischen Kanon an (Enkulturation), sie thematisieren Elemente der Entwicklungsaufgaben im Jugendalter (Individuation), sie konfrontieren mit thematischer Alterität (Individuation), sie stehen exemplarisch für allgemein bedeutsame Unterrichtsinhalte (Unterrichtsökonomie), und sie waren zu ihrer Zeit literarisch innovativ (Unterrichtsökonomie). Exemplarische Inhalte sollten dabei stets prototypischen Charakter haben, also „besonders typische, gute und hervorstechende Vertreter einer Kategorie“ (Janle 2015, 44) sein.
Das NL erfüllt all diese Kriterien:

1. Das NL ist ein extrem kanonischer Text der deutschsprachigen Literatur.

2. Das NL thematisiert vier Entwicklungsaufgaben im Jugendalter: den Aufbau eines Verhaltens als Mann / Frau, den Aufbau einer Beziehung zu einem gegengeschlechtlichen Partner, die Entwicklung von Vorstellungen über Partnerschaft und Familie, die Definition eigener Werte.

3. Das NL konfrontiert über seinen Inhalt mit ausgeprägter Alterität im Rahmen überzeitlicher Phänomene des Menschseins: „Gerade in ihrer Fremdheit ist die Geschichte von Siegfrieds Verrat, der Rache Kriemhilds und dem Untergang der Burgunden faszinierend geblieben, weit über nationalistische Vereindeutigungen hinaus“ (Müller 2007, 180).

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4. Weil das NL sowohl Aspekte der Heldendichtung als auch Elemente des höfischen Romans aufweist, eignet sich der Text zur exemplarischen kontrastiven Erörterung dieser Genres.

5. Das NL ist durch die Konfrontation des archaischen Heldenethos mit der zur Zeit seiner Entstehung modernen höfischen Kultur literarisch innovativ.

2.2Zur subjektiven Bedeutsamkeit des Nibelungenliedes für jugendliche Schülerinnen und Schüler

Meine bisherigen Überlegungen sind vielleicht so schlüssig, dass sie eine entsprechende Unterrichtseinheit über das NL anregen können, ob diese allerdings zum gewünschten Lernprozess auf Seiten der SuS führt, bleibt mehr als ungewiss, denn – wie bereits festgestellt – was wir unterrichten, muss nicht nur gesellschaftlich und fachlich, sondern auch subjektiv bedeutsam sein. Diese subjektive Bedeutsamkeit ist Teil der Voraussetzungen erfolgreichen Unterrichts: „[…] effective instruction begins with what learners bring to the setting; this includes cultural practices and beliefs as well as academic content“ (Bransford / Brown / Cocking 2003, 153; siehe auch Stöckle 2011). Nach der Theorie des involvierten Lesens literarischer Texte (Steinhauer 2010) fördert semantische Involviertheit – „eine Form ästhetischer Erfahrung, die ein Leser macht, wenn er sich von einem Text persönlich angesprochen fühlt“ (ebda., 108) – die kognitive Durchdringung des Textes, die Interpretationskompetenz und die literarästhetische Urteilskompetenz der Leserin bzw. des Lesers. Spinner spricht von der wechselseitigen Steigerung subjektiver Involviertheit und aufmerksamer Textwahrnehmung (Spinner 2006, 8). Diese Involviertheit – eine Emotion, die mehr bedeutet als bloß Interesse – beruht auf dem Zusammenspiel von Text und lesender Person, deren persönliche Eigenschaften, besonders ihre Empathiefähigkeit, auf das emotionale Anregungspotential des literarischen Textes treffen und mit diesem interagieren. Insgesamt besagen Steinhauers Ergebnisse, „dass emotionale und kognitive Aspekte auch bei der Rezeption literarischer Texte in positiver Wechselwirkung miteinander stehen“ (Steinhauer 2010, 223).

Akzeptiert man diese Thesen, so ist es für erfolgreichen Literaturunterricht unabdingbar, den emotionalen Zugang der konkreten SuS zu den literarischen Texten, die im Mittelpunkt des Unterrichts stehen, zu berücksichtigen. Um erste Antworten auf diese Frage für das NL zu er←26 | 27→halten, untersuche ich die subjektive Bedeutsamkeit des Textes für konkrete jugendliche SuS der 10. Schulstufe. Dabei nutze ich die Methodik der Grounded Theory (Glaser / Strauss 2008; Hülst 2010; Urquhart 2013), da sich diese besonders für Felder eignet, „where no previous theory exists“ (Urquhart 2013, 10), was auf meinen Untersuchungsgegenstand zutrifft.

Die derzeitige Situation des Unterrichts aus Literaturgeschichte erinnert an jene Situation der Soziologie, von der Glaser und Strauss 1967 ausgingen, als sie die Grounded Theory als Methode der qualitativen Sozialforschung konzipierten: Wir brauchen keine neuen Theorien mehr, die außerhalb des Feldes entstanden sind, sondern solche, die das Feld und seine Probleme erklären. Diesem Ziel dient Grounded Theory durch ihre systematische Verbindung von Theorie und Empirie, die gewährleistet, dass die neuen Theorien praxisrelevant sind, da sie aus Daten der Feldforschung entwickelt wurden: „Joint collection, coding, and analysis of data is the underlying operation“ (Glaser / Strauss 2008, 43).

Im Zentrum solcher Forschung steht somit nicht die Überprüfung bereits bestehender Theorien, sondern die datenbasierte Bildung neuer Theorien auf verschiedenen Niveaus der Abstraktion: Induktion führt zu Hypothesen, die in weitere Forschung münden sollen: „A single case can indicate a general conceptual category or property; a few more cases can confirm the indication“ (ebda., 30).

Datenanalyse im Sinne von Grounded Theory beginnt mit offener Kodierung und schreitet über selektive Kodierung bis zur theoretischen Kodierung voran. Beim offenen Kodieren werden die vorliegenden Daten möglichst detailliert erfasst und vorläufig kategorisiert: „The data is examined line by line and codes attached to words or groups of words“ (Urquhart 2013, 193). Beim selektiven Kodieren werden die derart gewonnenen Kategorien gruppiert: „It is when open codes are grouped into higher level categories, with the core category or categories in mind“ (ebda.). Beim theoretischen Kodieren werden diese größeren Kategorien schließlich zueinander in Beziehung gesetzt, um eine neue Theorie zu generieren: „Relationships are built between categories“ (ebda.). Auf diese Weise führt Beschreibung über Analyse zur Theorie, „to bring out underlying uniformities and diversities, and to use more abstract concepts to account for differences in the data“ (Glaser / Strauss 2008, 114). Wesentlich ist dabei auch die Ergänzung des ursprünglichen Datenmaterials durch zusätzliche Daten, deren Erhebung aufgrund der Analyse der Ursprungsdaten sinnvoll erscheint: „Theoretical Sampling is deciding on analytic grounds where to sample from next“ (Urquhart 2013, 194). Auf diese Weise kann der Forscher ←27 | 28→sein Feld immer dichter beschreiben, genauer analysieren und für die Konzeption neuer Theorien fruchtbarer machen.

Meine Untersuchung der subjektiven Bedeutsamkeit, die das NL für jugendliche SuS besitzt, habe ich im Schuljahr 2013/14 in der Klasse 6il (= 10. Schulstufe) des Bundesrealgymnasiums Salzburg, Akademiestraße 19, 5020 Salzburg (i = Schulschwerpunkt Informatik; l = Schulschwerpunkt Labor), deren Deutschlehrer ich damals war, durchgeführt.

Ich danke an dieser Stelle meinen SuS für ihre Teilnahme an der Untersuchung, der Bildungsdirektion (damals Landesschulrat) für Salzburg für die Genehmigung und dem damaligen Direktor der Schule, Hofrat Gunter Bittner, für die Befürwortung derselben.

Die Untersuchung lief folgendermaßen ab:

A) Die SuS lasen zu Hause das NL in der Übersetzung von Bierwisch und Johnson 2013.

B) Sie führten dabei ein Lesetagebuch (dazu Hintz 2008) mit Bezug auf jede einzelne Aventiure: Anstoß zur Reflexion I.

Details

Seiten
416
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631817575
ISBN (ePUB)
9783631817582
ISBN (MOBI)
9783631817599
ISBN (Hardcover)
9783631808870
DOI
10.3726/b16774
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Sekundarstufe II Figuren des Nibelungenlieds semantische Involvierheit qualitative Empirie didaktische Theorie forschendes Lernen textnahes Arbeiten Rezeption des Nibelungenlieds Kompetenzerwerb Wissenserwerb
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 416 S., 1 s/w Abb., 26 Tab.

Biographische Angaben

Günther Bärnthaler (Autor:in)

Günther Bärnthaler ist Privatdozent der Universität Salzburg für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur. Er arbeitet vorwiegend im Bereich der Literaturdidaktik und bemüht sich besonders um eine Didaktik der Literatur des Mittelalters.

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Titel: Fragen an Hagen: Wege zum «Nibelungenlied» für jugendliche Schülerinnen und Schüler
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