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Die Insolvenzsicherung betrieblicher Altersversorgung

Eingehende Betrachtung des gesetzlichen Insolvenzschutzes durch den Pensions-Sicherungs-Verein sowie Darstellung der Grundzüge privatvertraglicher Insolvenzsicherungsmechanismen

von Elisabeth Sechtem (Autor:in)
©2020 Dissertation 252 Seiten

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund des stetig absinkenden gesetzlichen Rentenniveaus gewinnt die betriebliche Altersversorgung eine immer prominentere Rolle in der öffentlichen Diskussion. In der Folge muss ebenfalls besonderes Augenmerk dem Insolvenzschutz von Betriebsrenten gelten. Die Autorin setzt sich in ihrer Arbeit mit den gesetzlichen Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung sowie deren Insolvenzsicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein auseinander. Auch wird das rechtliche Schicksal dieser Betriebsrenten in der Unternehmensinsolvenz sowohl mit Blick auf das Regelinsolvenz- wie auch auf das Insolvenzplanverfahren beleuchtet. Schließlich skizziert die Autorin einige Gestaltungsmöglichkeiten privatvertraglicher Insolvenzsicherung, etwa durch Contractual Trust Arrangements.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort und Danksagung
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung und Problemaufriss
  • Teil 1 Geschichte, Charakter und Systematik der betrieblichen Altersversorgung nach dem BetrAVG
  • A. Historie und Gesetzgebung
  • I. Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung
  • II. Gesetzgebungsverfahren und Gesetzesentwicklung seit 1974
  • 1. Rentenreformgesetz 1999
  • 2. Altersvermögensgesetz 2001
  • 3. Alterseinkünftegesetz 2004
  • 4. Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie 2015
  • 5. Betriebsrentenstärkungsgesetz 2017
  • B. Wesen der betrieblichen Altersversorgung
  • I. Tatbestandsmerkmale gem. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG
  • II. Leistungsarten und Versorgungsstrukturen
  • III. Aktuelle Zahlen zur betrieblichen Altersversorgung
  • 1. Verbreitung in Deutschland
  • 2. Deckungsmittel
  • C. Systematik
  • I. Art der zugesagten Leistung, § 1 BetrAVG
  • 1. Reine (echte) Leistungszusage – defined benefit
  • 2. Beitragsorientierte Leistungszusage
  • 3. Beitragszusage mit Mindestleistung
  • 4. Reine Beitragszusage – defined contribution
  • 5. Entgeltumwandlung in betriebliche Altersversorgung
  • a) Entgeltumwandlungsanspruch gem. § 1a BetrAVG
  • b) Entgeltumwandlung als Zusage- und Finanzierungsart nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG
  • 6. Eigenbeitragszusagen des Arbeitnehmers als Umfassungszusagen
  • II. Die verschiedenen Durchführungswege betrieblicher Altersversorgungszusagen nach §§ 1, 1b Abs. 2 bis 4 BetrAVG
  • 1. Unmittelbare Versorgungszusage (Direktzusage)
  • 2. Direktversicherung
  • 3. Pensionskasse
  • 4. Pensionsfonds
  • 5. Unterstützungskassen
  • III. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers, § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG
  • Teil 2 Die gesetzliche Insolvenzsicherung gem. §§ 7 ff. BetrAVG
  • A. Vorbemerkungen
  • I. Rechtliche Einordnung der gesetzlichen Insolvenzsicherung und Historie
  • II. Persönlicher Geltungsbereich, § 17 BetrAVG
  • 1. Grundsatz
  • 2. Statuswechsel
  • III. Der Pensionssicherungsverein Verein auf Gegenseitigkeit als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung, § 14 BetrAVG
  • 1. Historie und Rechtsgrundlagen des PSV
  • 2. Rechtsnatur
  • 3. Finanzierung und Beitragspflicht, § 10 BetrAVG
  • B. Die gesetzliche Insolvenzsicherung durch den PSV
  • I. Inhalt der gesetzlichen Insolvenzsicherung gem. § 7 BetrAVG
  • 1. Versorgungsansprüche, § 7 Abs. 1 BetrAVG
  • 2. Versorgungsanwartschaften, § 7 Abs. 2 BetrAVG
  • a) Gesetzliche Unverfallbarkeit gem. § 1b BetrAVG
  • b) Anrechnung von Vordienstzeiten
  • 3. Sonderproblem: Insolvenzschutz bei Betriebsübergang gem. § 613a BGB
  • a) Versorgungsansprüche bei Betriebsübergang
  • b) Betriebsübergang und Insolvenz
  • II. Insolvenzsicherungspflichtige Durchführungswege
  • 1. Unmittelbare Versorgungszusage
  • 2. Direktversicherung
  • a) Versorgungsleistungen, § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BetrAVG
  • b) Versorgungsanwartschaften, § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BetrAVG
  • (1) Unwiderrufliches Bezugsrecht
  • (2) Widerrufliches Bezugsrecht
  • (3) Eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht
  • c) Sonderproblem: Insolvenzschutz von Ersatzansprüchen aus dem Versorgungsverhältnis am Beispiel unterbliebener Prämienzahlung und Insolvenzschutz von Ansprüchen aus der arbeitgeberseitigen Einstandspflicht aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG
  • 3. Unterstützungskasse und Pensionsfonds
  • a) Unterstützungskasse
  • b) Pensionsfonds
  • III. Sicherungsfälle
  • 1. Regelfall: Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers
  • a) Tatbestand
  • b) Relevanter Zeitpunkt
  • 2. Weitere Sicherungsfälle
  • a) Abweisung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
  • (1) Tatbestand
  • (2) Relevanter Zeitpunkt
  • b) außergerichtlicher Vergleich
  • (1) Rechtsnatur
  • (2) Vergleichsarten und -struktur
  • (3) Tatbestand
  • (i) Grundsätzliches
  • (ii) Sonderproblem: Anspruch auf Zustimmung gegen den PSV?
  • (4) Verfahren
  • (5) Besserungsklausel zugunsten des PSV im außergerichtlichen Vergleich
  • (6) Relevanter Zeitpunkt
  • c) vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masselosigkeit
  • (1) Tatbestand
  • (2) Relevanter Zeitpunkt
  • IV. Umfang des Versicherungsschutzes
  • 1. Höhe der Leistungen
  • a) Rentner mit laufenden Bezügen
  • b) Versorgungsanwartschaften
  • (1) Unmittelbare Versorgungszusage
  • (2) Direktversicherung
  • (3) Unterstützungskasse
  • (4) Pensionsfonds
  • 2. Anspruchszeitraum
  • 3. Höchstgrenzen
  • 4. Anzurechnende Leistungen
  • a) Minderung des Anspruchs gegen den PSV
  • b) Sonderproblem: Anrechnung der Leistungen des Treuhänders im CTA-Modell
  • (1) Anrechnung nach § 7 Abs. 4 S. 1 BetrVG
  • (2) Keine Anrechnung im Lichte des Übergangs des CTA-Vermögens auf den PSV
  • (3) Einschätzung
  • c) Vertikale und horizontale Aufteilung der Versorgungsverpflichtungen
  • d) Besserungsklausel zugunsten des PSV im Insolvenzplan, § 7 Abs. 4 S. 5 BetrAVG
  • 5. Ausschluss des Anspruchs wegen Missbrauch
  • a) Allgemeiner Missbrauchstatbestand, § 7 Abs. 5 S. 1 BetrAVG
  • b) Widerlegliche Vermutung des Missbrauchs, § 7 Abs. 5 S. 2 BetrAVG
  • c) Unwiderlegliche Vermutung des Missbrauchs, § 7 Abs. 5 S. 3 BetrAVG
  • (1) Grundsatz
  • (2) Rückausnahmen
  • V. Übertragung der Leistungspflicht auf Pensionskasse oder Lebensversicherer, § 8 BetrAVG
  • VI. Abfindung von Kleinstanwartschaften durch den PSV, § 8a BetrAVG
  • C. Der PSV im Insolvenzverfahren
  • I. Regelinsolvenzverfahren
  • 1. Der PSV und die Versorgungsberechtigten
  • a) Mitteilung der Versorgungsrechte, § 9 Abs. 1 BetrAVG
  • b) Forderungsübergang, § 9 Abs. 2 BetrAVG
  • 2. Geltendmachung der übergegangenen Versorgungsrechte durch den PSV
  • a) Informationspflichten des Insolvenzverwalters gegenüber dem PSV
  • b) Insolvenzrechtliche Qualifikation der übergegangenen Versorgungsrechte
  • 3. Vermögensübergang externer Versorgungsträger auf den PSV
  • II. Insolvenzplanverfahren
  • 1. Liquidationsplan
  • 2. Fortführungsplan
  • a) Grundsätzliches
  • b) Besonderheiten der Beteiligung des PSV
  • (1) Besserungsklausel zugunsten des PSV, § 7 Abs. 4 S. 5 BetrAVG
  • (i) Rechtsfolgen bei Nichtaufnahme einer Besserungsklausel
  • (ii) Gesetzgeberisch beabsichtigte Besserstellung des PSV gegenüber anderen Gläubigern
  • (iii) Ausgestaltung der Besserungsklausel
  • (iv) Sonderstellung des PSV in einer Folgeinsolvenz
  • (2) Bildung einer eigenen Gläubigergruppe, § 9 Abs. 4 BetrAVG
  • Teil 3 Fragen haftungsrechtlicher Zuordnung im Umfeld betrieblicher Altersversorgung
  • A. Anfechtbarkeit von Versorgungszusagen nach den §§ 129 ff. InsO
  • I. Anfechtbarkeit der originären Zusage und deren Verbesserungen
  • 1. Gegenüber dem Versorgungsberechtigten
  • 2. Gegenüber dem PSV
  • II. Anfechtung im Umfeld von Lebensversicherungsverträgen
  • 1. Grundsätzliches
  • 2. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern
  • 3. Insolvenzanfechtung und Entgeltumwandlung
  • III. Einschätzung
  • B. Vermögensrechtliche Zuordnung von Entgeltbestandteilen aus Entgeltumwandlung – Aussonderungsrecht des Versorgungsberechtigten?
  • I. Problemstellung
  • II. Pro Aussonderungsrecht
  • III. Contra Aussonderungsrecht
  • 1. Ansicht des BAG (Urt. v. 21.03.2017 – 3 AZR 718/15)
  • 2. Argumentation des BGH (Urt. v. 18.07.2002 – IX ZR 264/01)
  • IV. Schlussfolgerung
  • Teil 4 Grundzüge der Möglichkeiten vertraglichen Insolvenzschutzes von betrieblichen Rentenansprüchen und -anwartschaften
  • A. Contractual Trust Arrangements (CTA)
  • I. Rechtliche Einordnung
  • 1. Verpfändungsmodell („Einseitige Treuhand“)
  • 2. Sicherungstreuhand („Doppelseitige Treuhand“)
  • II. CTA in der Insolvenz des Treugebers
  • 1. Insolvenzfestigkeit der Treuhandmodelle
  • a) Verpfändungsmodell
  • b) Sicherungstreuhand
  • 2. Rechtsfolgen in der Insolvenz und Verwertung
  • a) Verpfändungsmodell
  • (1) Verwertungsbefugnis in den verschiedenen Stadien von Pfandreife
  • (i) Situation vor Pfandreife
  • (ii) Situation nach Pfandreife
  • (2) Verpfändungsmodell und PSV
  • b) Sicherungstreuhand
  • (1) Verwertungsbefugnis
  • (2) Sicherungstreuhand und PSV
  • B. Verpfändung von Bezugsrechten aus Rückdeckungsversicherungen
  • I. Rechtliche Einordnung
  • II. Die Verpfändung von Rückdeckungsversicherungen in der Insolvenz des Arbeitgebers
  • 1. Insolvenzfestigkeit der Verpfändung
  • 2. Verwertungsbefugnis
  • a) Vor Eintritt der Pfandreife
  • b) Nach Eintritt der Pfandreife
  • III. Zusammenspiel mit der gesetzlichen Insolvenzsicherung durch den PSV
  • Fazit und Ausblick
  • Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Ausblick
  • Literaturverzeichnis

Einleitung und Problemaufriss

Das in der Bundesrepublik nach wie vor immer prekärer werdende Verhältnis von Altersrentnern zu aktiven Beitragszahlern bedingt, dass das bislang im Umlageverfahren finanzierte gesetzliche Rentensystem zukünftig nicht mehr als belastbare, oft alleinige Finanzquelle für die Versorgung der Rentner ausreichen wird.1 Daher erlangt die betriebliche Altersversorgung sowie deren Absicherung vor Risiken einer Unternehmensinsolvenz als starke zweite Säule neben der gesetzlichen Altersversorgung sowie der privaten Vorsorge in Deutschland eine immer wichtigere Stellung.2

Aufgrund der Rentenreform 2001, die voraussichtlich noch bis 2030 andauern wird, können sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bei vollen 45 Versicherungsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung derzeit ein Versorgungsniveau von durchschnittlich 40 bis 45 % ihrer letzten Bruttobezüge erreichen, Tendenz sinkend.3 Darüber hinausgehende, private Altersversorgung ist gerade – aber nicht nur – bei den Geringverdienern regelmäßig aufgrund ihrer häufig angespannten finanziellen Situation keine verlässliche Aufstockungsmöglichkeit für ein auskömmliches Ruhegeld im Alter.

Da eine betriebliche Rente aber gerade im Hinblick auf steuerliche Förderungsmodelle oftmals günstiger zu bewerkstelligen ist als die teurere, private Vorsorge, liegt hier das Potential, die bislang hinter der gesetzlichen Rente ein relatives Schattendasein fristende betriebliche Altersversorgung weiter in den Vordergrund zu rücken und letztlich einen Wandel von einem ergänzenden zu einem teilweise gar ersetzenden Verhältnis von betrieblicher zu gesetzlicher Altersversorgung anzustoßen.4

Zusätzlich zu der politischen Dimension der betrieblichen Altersversorgung spielen deren Anreize auch bei den Arbeitgebern eine große Rolle für die Akquise qualifizierter Mitarbeiter. Diese möchten sich auch im Alter gegen das drohende Absinken der gesetzlichen Renten durch die Zusage auf betriebliche Altersversorgung ausreichend abgesichert sehen. Dabei ist auch eine Absicherung jener Ansprüche vor einer möglichen Unternehmensinsolvenz bedeutungsvoll.

←21 | 22→

Obschon die reine Anzahl von Unternehmensinsolvenzen derzeit rückläufig ist5, erregen doch Großinsolvenzen wie die der Fluggesellschaft Air Berlin im Jahr 2017 nicht nur erhebliche mediale Aufmerksamkeit. Vielmehr werden auch Arbeitnehmer großer, dem Anschein nach wirtschaftlich stabiler Unternehmen, ein Interesse für den „worst case“, also eine Insolvenz ihres Arbeitgebers, entwickeln. Dies gilt umso mehr, als der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) mittelfristig im Begriff ist, wieder zu steigen.6 Ob sich Wirtschaft und Industrie auch in einem Umfeld gestiegener Zinsen weiter stabil zeigen werden oder ob mitunter auch Insolvenzen drohen, wird die Zukunft zeigen.

Von einer Arbeitgeberinsolvenz betroffen sein kann insbesondere auch der Sektor der gerade in großen Unternehmen regelmäßig anzutreffenden, komplexen Systeme betrieblicher Altersversorgung. Versorgungsanwärter und speziell Betriebsrentner haben ein veritables Interesse daran, dass ihre Versorgung auch im Falle der Insolvenz ihres (ehemaligen) Arbeitgebers geschützt ist und weiterhin Bestand hat. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Versorgung um eine arbeitnehmerseitig, im Wege der Entgeltumwandlung finanzierte Versorgungszusage handeln kann.7 Eine solide Expertise auf diesem Gebiet, die Aufklärung der Arbeitnehmer über die Möglichkeiten betrieblicher Altersversorgung sowie eine rechts- und insbesondere insolvenzsichere Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsysteme für den Fall der Arbeitgeberinsolvenz sind damit essentiell.

Die verschiedenen Zusagearten und Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung korrelieren mit dem Voraussetzungs- und Rechtsfolgensystem der §§ 7 ff. des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz, BetrAVG), welche den gesetzlichen Insolvenzschutz von Versorgungsrechten normieren. Diese im Interesse und zum Schutze der Arbeitnehmer geschaffene gesetzliche Insolvenzsicherung wird durch den Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSV) übernommen. Er sichert unter den Voraussetzungen der §§ 7 ff. BetrAVG im ←22 | 23→Insolvenzfall Arbeitnehmer sowie ihnen gesetzlich gleichgestellte Personen und deren Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung ab. Im Gegenzug gehen die Versorgungsrechte, für die der PSV sodann einzustehen hat, auf diesen über. Er ist demgemäß in aller Regel an den jeweiligen Insolvenzverfahren beteiligt.

Diese Arbeit beschäftigt sich daher – nach einer Darstellung von Historie und Systematik der betrieblichen Altersversorgung nach dem BetrAVG – im Kern mit dem gesetzlichen Insolvenzsicherungsmechanismus durch den PSV. Sie analysiert die hierzu ergangene Rechtsprechung sowie die dazugehörige Literatur und gibt eine Übersicht über den Stand von viel diskutierten Rechtsfragen. Insbesondere wird daran anschließend die exponierte und wichtige Rolle des PSV im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers beleuchtet.

Mit den Risiken, welche für Versorgungsberechtigte, deren betriebliche Altersversorgung nicht unter den Schutzschirm der §§ 7 ff. BetrAVG fällt, im Falle der Arbeitgeberinsolvenz verbleiben, beschäftigt sich der dritte Teil dieser Arbeit. So können solche Versorgungszusagen etwa einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter ausgesetzt sein. Im Weiteren stehen die haftungsrechtliche Beurteilung und vermögensrechtliche Zuordnung von Beiträgen aus Entgeltumwandlung in der Arbeitgeberinsolvenz im Fokus.

Den Schluss dieser Arbeit bildet eine Darstellung der außerhalb der §§ 7 ff. BetrAVG liegenden, in der Praxis vielfach eingesetzten privatvertraglichen Insolvenzsicherungsinstrumente der Sicherungstreuhand- sowie der Verpfändungsmodelle.

←23 |
 24→←24 | 25→

1 Vgl. hierzu BT-Drs. 18/12612, S. 2 und 3.

2 So bereits im Jahre 1998: Blomeyer, NZA 1998, 911, 912.

3 Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung 2017, S. 12.

4 Hanau, NZA 2016, 577, 578.

5 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 14.03.2018 (Nr. 091), https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2018/03/PD18_091_52411.html (zuletzt aufgerufen am 21.01.2019).

6 Vgl. Prognosen für das dritte Quartal 2019, „Ökonomen erwarten für die zweite Hälfte des Jahres 2019 eine EZB-Zinserhöhung“, Handelsblatt vom 19.07.2018, www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/zinspolitik-oekonomen-erwarten-in-der-zweiten-haelfte-des-jahres-2019-eine-ezb-zinserhoehung/22817060.html?ticket=ST-881125-SctHpd5mSv7WDfNaSwyc-ap2 (zuletzt aufgerufen am 21.01.2019).

7 Vgl. Fischer/Thoms-Meyer, DB 2000, 1861, 1864; Küppers/Louven, BB 2004, 337.

Teil 1 Geschichte, Charakter und Systematik der betrieblichen Altersversorgung nach dem BetrAVG

Als Einstieg in die Materie und zur besseren Nachvollziehbarkeit der Rechtsauffassungen von Rechtsprechung und Literatur zu den streitigen Punkten des hier behandelten Themas bieten sich ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung sowie eine fokussierte Darstellung ihrer Charakteristika an.

Insbesondere erleichtern die geschichtlichen Grundlagen des Entstehens der betrieblichen Altersversorgung ein Verständnis hinsichtlich der mannigfaltigen Überlegungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Auslegung und Intention der späteren gesetzlichen Regelungen. Dies gilt insbesondere für die Rechtsauffassungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften sowie zu dem damit zusammenhängenden Insolvenzschutz.8

Die Einführung in das Wesen und die Systematik der betrieblichen Altersversorgung, gerade auch ein Blick auf die Leistungsarten sowie die verschiedenen Durchführungswege, soll hiernach den Grundstein legen, um die Struktur sowie den nach Durchführungswegen und Art der Versorgungsrechte dezidierten Umfang der gesetzlichen Insolvenzsicherung durch den PSV verständlicher zu machen.

A. Historie und Gesetzgebung

I. Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung

Die Anfänge der betrieblichen Altersversorgung gehen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück.9 In Konsequenz der die alten familiären Sozialstrukturen aufbrechenden Industrialisierung wurde es für den damaligen Arbeitgeber notwendig, seine Arbeiter bei Invalidität sowie im Alter zu versorgen. Als frühes Vorbild einer betrieblichen Altersversorgung gelten die Bergbau-Knappschaftskassen, welche durch das Preußische Berggesetz von 1854 entstanden.10

←25 | 26→

Unter der Reichskanzlerschaft Otto von Bismarcks und der Einführung staatlicher Sozialgesetzgebung wurde ein die betriebliche Altersversorgung geringfügig mittelbar kodifizierendes Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung 1889 geschaffen.11

Zu dieser Zeit wurde die betriebliche Altersversorgung maßgeblich über betriebliche Pensionsfonds durchgeführt.12 Daneben war auch die unmittelbare Durchführung über die Unternehmen selbst weit verbreitet. Von untergeordneter Bedeutung waren damals die sog. Unterstützungskassen, welche aber nicht mit den heutigen zu verwechseln sind. Mit Unterstellung derjenigen Unterstützungskassen unter staatliche Aufsicht, welche auf ihre Leistungen einen Rechtsanspruch einräumten, wurden mit Inkrafttreten des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) 1901 die heutigen Pensionskassen geboren.13

Infolge der weiteren Entwertung privater Geldanlagen aufgrund der beginnenden Inflation Anfang der 1920er Jahre gewann die betriebliche Altersversorgung weiter an Präsenz.14 Dies blieb auch dem Fiskus nicht verborgen, der im Zuge seiner Steuergesetzgebung in 1934 die bis dato rechtlich unselbstständigen Versorgungskassen zur Umwandlung in rechtlich selbstständige Träger zwang. Diese rechtlich selbstständigen Versorgungsträger stellen die heutigen Unterstützungskassen dar.15

Zwischen 1945 und 1966 wurde die betriebliche Altersversorgung weiter durch neue Gesetze und die Rechtsprechung des BAG geformt und weiterentwickelt.16 Mit der Rentenreform 1957 und der damit einhergehenden dynamisierenden Erhöhung der Sozialrenten wandelte sich der Charakter der betrieblichen Altersversorgung von der bloßen Gewährleistung eines Existenzminimums im Alter zu einem Instrument der Aufrechterhaltung des Lebensstandards für Rentner.17 Diese Entwicklung gipfelte schließlich 1972 in der Rechtsprechung des BAG, welches feststellte, dass der betrieblichen Altersversorgung nicht nur der ursprüngliche Fürsorgecharakter innewohnte, sondern sie auch vom Gedanken des Entgelts für geleistete Betriebstreue getragen sei.18 Diese Entgelttheorie des ←26 | 27→BAG ist bis heute aktuell und prägt weiter den „Doppelcharakter“ der betrieblichen Altersversorgung.19

II. Gesetzgebungsverfahren und Gesetzesentwicklung seit 1974

Bereits im Sozialbericht der Bundesregierung von 1970 wurden die bis dahin viel diskutierten Problemkreise der betrieblichen Altersversorgung, nämlich die Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften, die Insolvenzsicherung, die Anrechnungsbegrenzung sowie die Inflationsanpassung in den Fokus gerückt.20 Arbeitnehmer hatten zu diesem Zeitpunkt mit dem Erwerb betrieblicher Versorgungsansprüche eine lediglich schwache Absicherung ihrer Altersbezüge erreicht. So fielen Anwartschaften bei freiwilligem Wechsel des Arbeitgebers oder auch im Falle einer Kündigung oftmals ersatzlos fort. Bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers waren die Versorgungsansprüche nicht nur gefährdet, sondern gingen in aller Regel unter. Daneben wurden nicht nur die zu diesem Zeitpunkt noch steigenden gesetzlichen Renten an die betrieblichen Versorgungsansprüche angerechnet, es fand darüber hinaus auch keine Anpassung der Anspruchshöhe in Abhängigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung statt, sodass die allermeisten Versorgungsansprüche so ausgehöhlt wurden.

Der Gesetzgeber reagierte auf diese Problematik mit einem ersten Referentenentwurf des BetrAVG vom 04.04.1973, welchen das Bundeskabinett 19.09.1973 beschloss und dem Bundesrat als Regierungsentwurf am 28.09.1973 zuleitete. Der Bundestag, der den Regierungsentwurf samt Stellungnahme vom Bundesrat am 26.11.1973 zugeleitet bekommen hatte, beriet diesen nach Einholung von Stellungnahmen unter anderem von der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V. (aba) unter dem 05.12.1974 und beschloss ihn mit kleineren Änderungen einstimmig. Mit Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf am 19.12.1974 wurde dieses im Bundesgesetzblatt mit gleichem Datum am 22.12.1974 verkündet.21

Der Gesetzgeber schuf mit dem BetrAVG gleichsam ein „Nachzügler-Gesetz“ zur gesetzlichen Gestaltung der bis dato lediglich durch Richterrecht kodifizierten arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung, nachdem die steuerrechtlichen Parameter bereits Mitte der 1950er Jahre gesetzlich niedergelegt worden waren.22 Das BetrAVG sollte nunmehr ←27 | 28→die „Mindestbedingungen der betrieblichen Altersversorgung“ bestimmen.23 Durch das BetrAVG wurden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen betreffend Unverfallbarkeitsregelungen, das Auszehrungsverbot, die Insolvenzsicherung von unverfallbaren Anwartschaften und laufenden Versorgungsleistungen, die Gründung des PSV24 sowie die Anpassungspflicht für Renten. Es handelt sich bei dem BetrAVG um ein echtes arbeitsrechtliches Gesetz mit stark arbeitnehmerschützendem Charakter.25

1. Rentenreformgesetz 1999

Die erste größere Gesetzesänderung erfuhr das BetrAVG durch Art. 8 des Rentenreformgesetzes 1999 (RRG) vom 16.12.1997.26 Hierdurch wurde unter anderem zunächst die bis dahin lediglich durch Richterrecht als betriebliche Altersversorgung qualifizierte Entgeltumwandlung nunmehr auch gesetzlich als solche festgeschrieben. Auch im Hinblick auf die Zusageform der beitragsorientierten Leistungszusage wurde eine gesetzliche Klarstellung vorgenommen. Zudem wurde die Übertragung von Versorgungsanwartschaften bei Unternehmensliquidationen erleichtert. Ferner erfuhren die Rahmenbedingungen der gesetzlichen Insolvenzsicherung weitere Konkretisierung. Schließlich wurde die Anpassungspflicht aus § 16 BetrAVG erweitert.

2. Altersvermögensgesetz 2001

Durch das Altersvermögensgesetz (AVmG) vom 26.06.2001 wurden die einzelnen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung sowie die Einstandspflicht des Arbeitgebers für von ihm getätigte Versorgungszusagen unter § 1 BetrAVG gesetzlich definiert.27 Zudem wurde die Beitragszusage mit Mindestleistung als neue Zusageart sowie der fünfte Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung über die Einrichtung eines Pensionsfonds eingeführt.28 Daneben fand aus Arbeitnehmersicht eine weitere Verbesserung der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen statt. Die wohl folgenreichste Neuerung stellte die ←28 | 29→Einführung des gesetzlichen Anspruchs der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung in § 1a BetrAVG dar.29 Damit wurde die bis dahin umfassende Freiwilligkeit der arbeitgeberseitigen Entscheidung zur Einführung eines Versorgungssystems eingeschränkt.30

3. Alterseinkünftegesetz 2004

Art. 8 des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom 05.06.2004 räumte dem Arbeitnehmer das Recht auf eigene Beitragszahlung in seine betriebliche Altersversorgung ein.31 Insbesondere wurde die Portabilität von Versorgungsanwartschaften bei Arbeitgeberwechsel weiter verbessert, um den Arbeitnehmern die Möglichkeit der Ansparung von Betriebsrentenansprüchen in einem „einheitlichen Altersvorsorgekonto“ einzuräumen.32

4. Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie 2015

Details

Seiten
252
Erscheinungsjahr
2020
ISBN (PDF)
9783631823637
ISBN (ePUB)
9783631823644
ISBN (MOBI)
9783631823651
ISBN (Hardcover)
9783631812563
DOI
10.3726/b16893
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (April)
Schlagworte
Betriebsrente PSV Insolvenzsicherung CTA Einstandpflicht BetrAVG Insolvenzschutz Betriebliche Altersversorgung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 252 S., 1 s/w Abb.

Biographische Angaben

Elisabeth Sechtem (Autor:in)

Elisabeth Sechtem ist Rechtsanwältin im Bereich des Arbeitsrechts. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und war bereits während der Anfertigung dieser Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer international ausgerichteten Rechtsanwaltskanzlei tätig. Elisabeth Sechtem wurde an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert.

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