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Das kommunale Aufsichtsratsmandat

Doppelloyalität zwischen privatrechtlicher Freiheit und öffentlich-rechtlicher Ingerenzpflicht

von Christopher Pape (Autor:in)
©2020 Dissertation 304 Seiten
Reihe: Zivilrechtliche Schriften, Band 75

Zusammenfassung

Aufgrund der Verflechtung der unterschiedlichen Rechtsregime ist das kommunale Aufsichtsratsmitglied Pflichtenkonflikten ausgesetzt: Es fragt sich zum einen, ob die gesellschaftsrechtliche Weisungsfreiheit durch Weisungsbefugnisse der öffentlichen Hand durchbrochen werden kann. Zum anderen steht der grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht des Mandatsträgers ein Informationsbedürfnis des öffentlichen Gesellschafters gegenüber. Der Autor prüft in diesem Zusammenhang, ob angesichts der jüngsten Novellierung des Informationsprivilegs der öffentlichen Hand in §§ 394, 395 AktG Restriktionen angezeigt sind. Des Weiteren kommt er zu dem Ergebnis, dass zahlreiche der in den Gemeindeordnungen der Länder angelegten Berichtspflichten dem gesellschaftsrechtlich vorgezeichneten Rechtsrahmen nicht genügen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung und Gang der Darstellung
  • 1. Kapitel Grundlagen, Einordnung und Zielkonflikte
  • A. Verfassungsrechtliche Einordnung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen
  • I. Die Gemeinde als Schutzobjekt des Art. 28 Abs. 2 GG
  • II. Die Kommunalwirtschaft als objektive Rechtsinstitutionsgarantie im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG
  • 1. Allzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde
  • 2. Die Gemeindehoheiten und die verfassungsrechtliche Einordnung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden
  • 3. Grenzen kommunaler wirtschaftlicher Betätigung
  • a) Ausschließliche Ausrichtung auf Gewinnerzielung
  • b) Wirtschaftliche Tätigkeit außerhalb des Gemeindegebietes
  • c) Einschränkungen durch den Begriff der Daseinsvorsorge?
  • B. Das kommunale Unternehmen und der Gang der Kommunen in die Privatisierung
  • I. Definition und Voraussetzungen
  • 1. Das öffentliche Unternehmen und die öffentliche Beteiligung
  • 2. Das kommunale Unternehmen
  • 3. Wirtschaftlichkeit der kommunalen Tätigkeit
  • 4. Kommunalrechtliche Schrankentrias
  • a) Verfolgung eines öffentlichen Zwecks
  • b) Angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit nach Art und Umfang
  • c) Keine Subsidiarität
  • II. Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung
  • 1. Der Dualismus zweier Rechtskreise
  • 2. Der Grundsatz der Formenwahlfreiheit
  • 3. Die Kritik an der Formenwahlfreiheit und die Forderung nach Einschränkungen
  • a) Thesen in der Literatur
  • b) Entscheidung des Verfassungsgebers und des Gesetzgebers
  • III. Rechtsformen für kommunale Unternehmen
  • 1. Einteilung nach Rechtsform
  • a) Öffentlich-rechtliche Rechtsformen
  • aa) Regiebetrieb
  • bb) Eigenbetrieb
  • cc) Rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen)
  • dd) Zweckverband
  • ee) Stiftung des öffentlichen Rechts
  • b) Privatrechtliche Rechtsformen
  • aa) Gemeinderechtliche Schranken
  • bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung
  • cc) Aktiengesellschaft
  • 2. Einteilung nach Beteiligungsform
  • a) Eigengesellschaften
  • b) Gemischt-öffentliche Unternehmen
  • c) Gemischt-private Unternehmen
  • IV. Die Privatisierungspraxis
  • V. Gründe für die Verwaltungsprivatisierung
  • 1. Einfachere Gründung und Auflösung
  • 2. Gründe des Dienst- und Besoldungsrechts
  • 3. Zurückdrängung haushaltsrechtlicher Grundsätze
  • 4. Höhere Kreditwürdigkeit
  • 5. Steuerrechtliche Aspekte
  • 6. Vereinfachung interner Organisationsabläufe
  • 7. Entpolitisierung der Aufgabenerfüllung
  • 8. Möglichkeit der Haftungsbeschränkung
  • 9. Größere Flexibilität bezüglich Kooperationen
  • C. Die Kollision von Gesellschaftsrecht und Kommunalrecht und die daraus folgenden Zielkonflikte für die kommunale Praxis
  • I. Das Aufeinandertreffen zweier konfligierender Interessensysteme
  • 1. Wesen und Zielvorgaben des Gesellschaftsrechts
  • 2. Wesen und Zielvorgaben des kommunalen Wirtschaftsrechts
  • II. Konflikte in der kommunalen Praxis
  • D. Zusammenfassende Würdigung
  • 2. Kapitel Die Steuerung kommunaler Unternehmen durch die Gemeinde
  • A. Die Pflicht der öffentlichen Hand zur Einflussnahme
  • I. Demokratieprinzip und Prinzip der Volkssouveränität
  • II. Privatrechtliches Handeln und Staatsgewalt
  • III. Die Einwirkungs- und Kontrollpflichten der öffentlichen Hand
  • 1. Die kommunale Ingerenzpflicht
  • 2. Inhalt und Umfang
  • IV. Die Frage nach einem Verwaltungsgesellschaftsrecht
  • 1. Kollisionslage
  • 2. Thesen im Schrifttum
  • 3. Ablehnung der Lehre vom Verwaltungsgesellschaftsrecht
  • B. Die Steuerung über das Aufsichtsorgan
  • I. Gemeinderechtliches Instrumentarium und Vorgaben
  • II. Der kommunale Aufsichtsrat
  • 1. Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft
  • a) Aufgabe und Funktion
  • aa) Aktiengesetz
  • bb) Public Corporate Governance Kodex für kommunale Unternehmen
  • b) Zusammensetzung, Bestellung und Abberufung
  • aa) Aktiengesetz
  • bb) Mitbestimmungsrechtliche Vorschriften
  • (1) Mitbestimmungsgesetz
  • (2) Drittelbeteiligungsgesetz
  • (3) Weitere mitbestimmungsrechtliche Vorschriften
  • 2. Der Aufsichtsrat der GmbH
  • a) Fakultativer und obligatorischer Aufsichtsrat
  • aa) Fakultativer Aufsichtsrat
  • bb) Obligatorischer Aufsichtsrat
  • (1) Drittelbeteiligungsgesetz
  • (2) Mitbestimmungsgesetz
  • (3) Montan-Mitbestimmungesetz
  • b) Pauschale Pflicht zur Einrichtung eines Aufsichtsrates bei kommunaler Beteiligung?
  • aa) These in der Literatur
  • bb) Stellungnahme
  • c) Vorteile des Einsatzes eines Aufsichtsrates bei einer kommunalen GmbH
  • 3. Zusammensetzung des kommunalen Aufsichtsrates unter Berücksichtigung kommunalrechtlicher Regelungen und Prinzipien
  • a) Ausdrückliche gesetzliche Vorgaben und Praxis
  • b) Rechtslage bei fehlender gesetzlicher Vorgabe
  • aa) Minderheitenschutz durch analoge Anwendung des kommunalrechtlichen Fraktionenproporzes bei der Ausschussbesetzung?
  • bb) Minderheitenschutz kraft Gesellschaftsvertrags
  • 4. Das kommunale Aufsichtsratsmitglied
  • a) Gemeinderechtliche Vorgaben
  • b) Persönliche Voraussetzungen
  • aa) Gesellschaftsrecht
  • (1) Aufsichtsratsratsmitglied einer Aktiengesellschaft
  • (2) Aufsichtsratsratsmitglied einer GmbH
  • bb) Public Corporate Governance Kodex für kommunale Unternehmen
  • c) Ausgeschlossene Personen
  • d) Bestellung und Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern
  • aa) Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft
  • (1) Bestellung und Amtszeit
  • (2) Entsendungsrechte
  • bb) Aufsichtsrat einer GmbH
  • (1) Bestellung und Amtszeit
  • (2) Entsendungsrechte
  • e) Abberufung
  • aa) Gesellschaftsrecht
  • (1) Aktiengesellschaft
  • (2) GmbH
  • bb) Gemeinderechtliche Vorgaben
  • f) Die Rechtsstellung der kommunalen Aufsichtsratsmitglieder
  • g) Rechte und Pflichten kommunaler Aufsichtsratsmitglieder
  • aa) Rechte der Mandatsausübung
  • bb) Pflichten der Mandatsausübung
  • C. Zusammenfassende Würdigung
  • 3. Kapitel Gesellschaftsrechtliche Weisungsfreiheit trifft auf Weisungsrechte
  • A. Weisungsbindung der Aufsichtsratsmitglieder des Aufsichtsrates einer kommunalen Aktiengesellschaft
  • I. Aktienrechtliche Weisungsfreiheit
  • II. Weisungsrechte
  • 1. Kommunalverfassungsrechtliche Weisungsrechte
  • a) Kommunalrechtliche Vorgaben
  • b) Lösung des Konflikts
  • aa) Kommunalrechtliche Vorbehalte
  • bb) Durchbrechung der aktienrechtlichen Weisungsfreiheit durch kommunalrechtliche Weisungsbefugnisse
  • (1) Fortgeltung von § 70 Abs. 2 DGO 1935?
  • (2) Stellungnahme zugunsten der Unzulässigkeit kommunalrechtlicher Weisungsrechte
  • 2. Haushaltsrechtliche Weisungsrechte
  • 3. Beamtenrechtliche Weisungsrechte
  • a) These von einem uneingeschränkten beamtenrechtlichen Weisungsrecht
  • b) These von einem eingeschränkten beamtenrechtlichen Weisungsrecht
  • c) These von der Differenzierung nach dem Außen- und Innenverhältnis
  • d) Stellungnahme zugunsten der Unzulässigkeit beamtenrechtlicher Weisungen
  • 4. Rechtsgeschäftliche Begründung eines Weisungsrechts
  • a) Weisungsrecht durch Einzelvertrag
  • b) Weisungsrecht durch Satzungsregelung
  • B. Weisungsbindung der Aufsichtsratsmitglieder des Aufsichtsrates einer kommunalen GmbH
  • I. Weisungsbindung von Aufsichtsratsmitgliedern eines fakultativen Aufsichtsrates
  • 1. Lösungsansätze
  • a) These von der Indisponibilität der Weisungsunabhängigkeit
  • b) Stellungnahme zugunsten der gesellschaftsvertraglichen Einschränkungsmöglichkeit der Weisungsunabhängigkeit
  • aa) Begründung der Möglichkeit der Schaffung von Weisungsrechten
  • bb) Differenzierung nach mehrgliedriger GmbH und Einpersonen-Gesellschaft
  • (1) Gesellschaftsvertragliche Weisungsrechte bei der kommunalen Eigengesellschaft
  • (2) Gesellschaftsvertragliche Weisungsrechte bei der mehrgliedrigen GmbH
  • (a) Grundsatz: Keine Weisungsbindung durch gesellschaftsvertragliche Regelung
  • (b) Ausnahme: Ausrichtung des Gesellschaftsvertrages auf die Verfolgung eines einheitlichen öffentlichen Interesses
  • cc) Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Inhalt der Entscheidung
  • (3) Bewertung und Kritik
  • (a) Fehlende Auseinandersetzung mit der Legitimität von kommunalgesetzlichen Weisungsrechten
  • (b) Fragwürdigkeit der ergänzenden Vertragsauslegung
  • (c) Weitere Kritikpunkte
  • II. Weisungsbindung von Aufsichtsratsmitgliedern eines obligatorischen Aufsichtsrates
  • C. Zusammenfassende Würdigung
  • 4. Kapitel Kommunale Unterrichtungspflichten treffen auf die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht
  • A. Unterrichtungspflichten des kommunalen Aufsichtsratsmitgliedes
  • I. Unterrichtungspflichten kraft Kommunalverfassungsrechts
  • 1. Unterrichtungspflichten kraft kommunalrechtlicher Regelungen
  • a) Kommunalrechtliche Unterrichtungspflichten
  • b) Gegenstand der Unterrichtungspflicht
  • c) Vorbehalt zugunsten anderer Regelungen
  • 2. Unterrichtungspflichten kraft Kontrollkompetenz
  • a) Herleitung der Kontrollkompetenz des Gemeinderates
  • b) Gemeindeordnungsrechtliche Ausgestaltung der Kontrollkompetenz am Beispiel der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung
  • c) Gegenständlicher Geltungsbereich
  • aa) Das kommunale Unternehmen als Teil der Gemeindeverwaltung
  • bb) Der Sonderfall der gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaft
  • (1) Pauschale Zuordnung zum Privatrecht
  • (2) Differenzierung nach der Art der wahrgenommenen Aufgabe
  • (3) Staatliche Beherrschung als maßgebliches Kriterium
  • (a) Judikatur des Bundesverfassungsgerichts
  • (b) Maßgeblichkeit der staatlichen Einwirkungsqualität
  • d) Zeitlicher Umfang
  • e) Inhaltlicher Umfang
  • f) Kreis der Verpflichteten und Berechtigten
  • aa) Besonderheiten in Hessen und Brandenburg
  • (1) Hessen
  • (2) Brandenburg
  • bb) Rechtslage in den Ländern Thüringen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt
  • (1) Die Informationspflicht des Hauptverwaltungsorgans
  • (2) Die Informationspflicht anderer gemeindlicher Vertreter im Aufsichtsrat
  • cc) Ratsfraktionen als Anspruchsberechtigte
  • dd) Gemeindeausschüsse als Anspruchsberechtigte
  • II. Unterrichtungspflichten kraft Beamtenrechts
  • 1. Gehorsamspflicht nach § 35 S. 2 BeamtStG
  • 2. Hinweispflicht nach § 35 S. 1 BeamtStG
  • III. Unterrichtungspflichten kraft erweiterter Abschlussprüfung nach §§ 53, 54 HGrG
  • 1. Regelungszweck und Geltungsbereich
  • 2. Regelungsinhalt der §§ 53, 54 HGrG
  • a) § 53 HGrG
  • b) § 54 HGrG
  • 3. Herleitung von besonderen Berichtspflichten eines kommunalen Aufsichtsratsmitglieds aus den erweiterten haushaltsrechtlichen Informationsrechten einer Gebietskörperschaft
  • a) Besondere Berichtspflichten aus der Geschäftsführungsprüfung nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 HGrG
  • b) Besondere Berichtspflichten aus der Berichtszusendung nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 HGrG
  • c) Besondere Berichtspflichten aufgrund des Selbstunterrichtungsrechts nach § 54 HGrG
  • B. Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsratsmitgliedes
  • I. Verschwiegenheitspflicht als Kehrseite des Informationsanspruchs des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft
  • 1. Überwachungsaufgabe des AG-Aufsichtsrates
  • 2. Informationsanspruch des AG-Aufsichtsrates
  • 3. Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsratsmitgliedes des AG-Aufsichtsrates
  • II. Verschwiegenheitspflicht als Kehrseite des Informationsanspruchs des Aufsichtsrates der GmbH
  • 1. Überwachungsaufgabe des GmbH-Aufsichtsrates
  • 2. Informationsanspruch des GmbH-Aufsichtsrates
  • 3. Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder des GmbH-Aufsichtsrates
  • a) Rechtslage bei fakultativem Aufsichtsrat
  • aa) Keine Geltung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Gesellschaftern
  • bb) Geltung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Gemeindevertretung
  • (1) These von der Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Gemeindevertretung bei der Einpersonen-Gesellschaft
  • (2) Stellungnahme zugunsten des Bestehens der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Gemeindevertretung
  • cc) Disponibilität der Verschwiegenheitspflicht und Öffentlichkeit der Aufsichtsratssitzung
  • (1) Gesetzliche Ausgangslage: Nichtöffentlichkeit der Aufsichtsratssitzung
  • (2) Die Frage nach der Disponibilität der Verschwiegenheitspflicht und der Nichtöffentlichkeit der Aufsichtsratssitzung
  • (a) Meinungsstand in der Literatur
  • (b) Sonderfall der GmbH mit öffentlicher Beteiligung
  • b) Rechtslage bei obligatorischem Aufsichtsrat
  • III. Umfang und Grenzen der Verschwiegenheitspflicht
  • 1. Geheimnisse
  • 2. Vertrauliche Angaben, Berichte und Beratungen
  • 3. Kausalzusammenhang zwischen Tätigkeit als Organmitglied und Kenntniserlangung
  • 4. Grenzen
  • IV. Verschwiegenheitspflicht als Zeugnisverweigerungsrecht
  • V. Sanktionen
  • C. Pflichtenkonflikt und Lösung durch das Informationsprivileg nach §§ 394, 395 AktG
  • I. Gesetzeszweck
  • II. Entstehungsgeschichte und Aktienrechtsnovelle 2016
  • 1. Aktiengesetz 1965
  • 2. Der Weg zur Aktienrechtsnovelle 2016
  • a) Aktienrechtsnovelle 2011/2012
  • b) Aktienrechtsnovelle 2014/2016
  • III. Geltungsbereich
  • IV. Voraussetzungen
  • 1. Beteiligung der Gebietskörperschaft
  • 2. Wahl oder Entsendung „auf Veranlassung“
  • a) Unmittelbare Beteiligung
  • b) Mittelbare Beteiligung
  • 3. Pflicht zur Berichterstattung gegenüber Gebietskörperschaft
  • a) Berichtspflicht kraft gesetzlicher Regelung
  • aa) Begriff des Gesetzes im Sinne des § 394 S. 3 AktG
  • bb) Einzelne gesetzliche Berichtspflichten
  • b) Berichtspflicht kraft Satzungsregelung
  • aa) Rechtspolitische Bewertung der Einführung
  • bb) Begründung, Inhalt um Umfang
  • c) Berichtspflicht kraft Rechtsgeschäfts
  • aa) Rechtspolitische Bewertung der Einführung
  • bb) Voraussetzungen
  • (1) Parteien des Rechtsgeschäfts
  • (a) Gebietskörperschaft und Aufsichtsratsmitglied als Parteien des Rechtsgeschäfts
  • (b) Beteiligung der Gesellschaft
  • (2) Inhaltliche Ausgestaltung
  • (3) Form des Rechtsgeschäfts
  • (4) Mitteilung an den Aufsichtsrat
  • (a) Textform und Wirkungsweise
  • (b) Erklärender und Erklärungsempfänger
  • (5) Frage nach der Offenlegung gegenüber der Gesellschafterversammlung
  • (6) Zeitliche Wirkung
  • 4. Verhältnis der Berichtspflichten zueinander
  • a) Gesetzliche Berichtspflichte
  • aa) Modifikation durch Berichtspflicht qua Satzung
  • bb) Modifikation durch rechtsgeschäftlich begründete Berichtspflicht
  • b) Berichtspflichten kraft Satzungsregelung
  • aa) Modifikation durch gesetzliche Berichtspflicht
  • bb) Modifikation durch rechtsgeschäftlich begründete Berichtspflicht
  • c) Rechtsgeschäftlich begründete Berichtspflichten
  • aa) Modifikation durch gesetzliche Berichtspflicht
  • bb) Modifikation durch Berichtspflicht qua Satzung
  • 5. Die Berichterstattung gegenüber der Gebietskörperschaft
  • a) Funktionale Bindung des Informationsprivilegs und Vorlage vertraulicher Unterlagen
  • aa) Funktionale Bindung nach § 394 S. 2 AktG
  • bb) Beifügung vertraulicher Unterlagen
  • b) Gewährleistung des Geheimnisschutzes auf Seiten des Empfängers
  • aa) Wahrung der Vertraulichkeit auf Empfängerseite als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal
  • bb) Der Gemeinderat als Adressat der Berichte
  • (1) Betrauung mit der Beteiligungsverwaltung oder der Betätigungsprüfung im Sinne des § 395 Abs. 1 Hs. 1 AktG
  • (a) Entstehungsgeschichte
  • (b) Telos
  • (2) Sicherung der Vertraulichkeit
  • (a) These von der Zulässigkeit der Offenbarung gegenüber der Gemeindevertretung
  • (b) Stellungnahme zugunsten der Unzulässigkeit der Offenbarung gegenüber der Gemeindevertretung
  • cc) Folgen für die unterschiedlichen Berichtspflichten
  • (1) Kommunalrechtliche Berichtspflichten
  • (a) Gemeinderat oder Ausschuss als Berichtsadressat
  • (b) Berichtspflichten gegenüber anderen Stellen der Gemeinde
  • (c) Kommunalverfassungsrechtliche Kontrollkompetenz als Berichtspflicht
  • (2) Satzungsmäßig und rechtsgeschäftlich begründete Berichtspflichten
  • D. Zusammenfassende Würdigung
  • 5. Kapitel Zusammenfassung in Kernthesen
  • A. Zur Weisungsbindung eines kommunalen Aufsichtsratsmitgliedes
  • B. Zur Verschwiegenheitspflicht eines kommunalen Aufsichtsratsmitgliedes unter besonderer Berücksichtigung des Informationsprivilegs der §§ 394, 395 AktG
  • Literaturverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Für allgemein gebräuchliche und aus sich heraus verständliche Abkürzungen wird Bezug genommen auf:

 

Kirchner, Hilbert (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Aufl. Berlin/Boston 2015.

 

Davon abweichend oder darüber hinausgehend finden folgende Abkürzungen Verwendung:

BayGO Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern
BbgKVerf Kommunalverfassung des Landes Brandenburg
BOARD Zeitschrift für Aufsichtsräte in Deutschland
DGO Deutsche Gemeindeordnung von 1935
GkG NRW Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit Nordrhein-Westfalen
GO BW Gemeindeordnung für Baden-Württemberg
GO NRW Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
GO RP Gemeindeordnung für Rheinland-Pfalz
GO SH Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein
iVm in Verbindung mit
KSVG SL Kommunalselbstverwaltungsgesetz für das Saarland
KVG LSA Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt
MgVG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung
NKomVG Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz
SächsGO Sächsische Gemeindeordnung

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Einleitung und Gang der Darstellung

Die Kommunalfinanzen befinden sich seit längerer Zeit in einer Krisensituation.1 Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich die Städte und Gemeinden aufgrund der fortschreitenden Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften auf die gemeindewirtschaftliche Betätigung sowie wirkkräftiger Impulse des europäischen Gesetzgebers einem stetig anwachsenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt sehen.2 In diesem Zusammenhang zu nennen ist zum einen die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte durch die Einführung des Telekommunikationsgesetzes im Jahr 1996, mit welchem die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben schließlich umgesetzt und ein Rechtsrahmen für die Überführung eines staatlichen Monopols in eine Wettbewerbsordnung geschaffen wurde.3 Ins Gewicht fällt darüber hinaus die Marktöffnung im Rahmen des Energiesektors mit Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahr 1998.4 Denn insbesondere hierbei handelt es sich um einen klassischen Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge.5 Verschärft wird diese Situation in aktueller Zeit dadurch, dass mit der Flüchtlingskrise in Europa seit 2015 die Versorgung hunderttausender Flüchtlinge und die sich gegebenenfalls anschließende Integration der schließlich Aufenthaltsberechtigten eine umfassende Aufgabe auch für die Kommunen darstellt, deren Finanzierung auf lange Sicht noch nicht endgültig geklärt erscheint.6 Es kann daher wenig verwundern, dass sich die Kommunen seit jeher als Teilnehmer am Wirtschaftsleben gerieren, um alte Einnahmefelder zu erhalten und neue zu erschließen.7

Das 1. Kapitel dieser Arbeit dient der Darlegung der Grundlagen der zu behandelnden Thematik. Dieses bezieht sich zum einen auf die rechtliche Einordnung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen aus verfassungsrechtlichem Blickwinkel. Ferner sollen die kommunale Privatisierungspraxis sowie die Motive für die Verwaltungsprivatisierung der Gemeinden vorgestellt werden, deren rechtliches Fundament der Grundsatz der Formenwahlfreiheit legt. Anschließend werden die ←25 | 26→Zielkonflikte dargestellt, welche sich bei der kommunalen Organisationsprivatisierung aus der Verflechtung des öffentlichen Rechts einerseits und des Privatrechts andererseits für den öffentlichen Gesellschafter im Hinblick auf das Aufsichtsorgan eines kommunalen Unternehmens ergeben. Der Auflösung dieser Konflikte widmen sich ausführlich das 3. und 4. Kapitel dieser Arbeit.

Bedient sich die öffentliche Hand zur Bewältigung ihrer Aufgaben des Privatrechts, so kann sie sich nicht vollumfänglich der Bindungen entledigen, zu deren Beachtung sie das öffentliche Recht in ihrer Rolle als Trägerin hoheitlicher Gewalt verpflichtet. Vielmehr bleibt sie zur lenkenden und steuernden Einflussnahme auf ein öffentliches Unternehmen in Privatrechtsform verpflichtet. Die Erörterung dieser sog. kommunale Ingerenzpflicht ist Gegenstand des 2. Kapitels. Von besonderer Relevanz für den Arbeitstitel der vorliegenden Auseinandersetzung ist dabei die Einwirkung und Kontrolle der öffentlichen Hand in Bezug auf die Mitglieder des Aufsichtsorgans eines kommunalen Unternehmens.

Im 3. Kapitel wird der Frage nachgegangen, ob kommunale Aufsichtsratsmitglieder den Weisungen ihrer kommunalen Bestellungskörperschaft unterliegen. Dabei ist zu untersuchen, ob die grundsätzliche gesellschaftsrechtliche Weisungsfreiheit durch gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Weisungsrechte der öffentlichen Hand durchbrochen werden kann. Konkret geht es um das Rangverhältnis zwischen gesellschaftsrechtlicher Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes und öffentlich-rechtlichem Kontrollbedürfnis, wobei auch die Beteiligungsverhältnisse der betroffenen Gesellschaften in Rechnung zu stellen sein werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich im Jahr 2011 mit etwaigen Weisungsbefugnissen einer Gemeinde gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern eines städtischen Unternehmens zu befassen.8 Zu fragen ist, ob diese Entscheidung des Gerichts insbesondere vor dem Hintergrund der Fülle der Literaturansichten zu diesem Themenkomplex als höchstrichterliche Klärung der Frage um die Weisungsbindung von kommunalen Aufsichtsratsmitgliedern angesehen werden kann.

Untersuchungsobjekt des 4. Kapitels ist der Pflichtenkonflikt zwischen der Verschwiegenheitspflicht eines Aufsichtsratsmitglieds und dem Informationsbedürfnis des öffentlichen Gesellschafters, welches Ausdruck in zahlreichen gesetzlich geregelten Unterrichtungspflichten findet. Für die kommunale GmbH mit freiwillig eingerichtetem Aufsichtsrat stellt sich vor dem Hintergrund der Öffnungsklausel in § 52 Abs. 1 GmbHG insbesondere die Frage, ob die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht eines Aufsichtsratsmitgliedes und die Nichtöffentlichkeit der Aufsichtsratssitzungen zur gesellschaftsvertraglichen Disposition stehen. Zur Lösung des Konflikts zwischen Verschwiegenheitspflicht einerseits und Auskunftsbedürfnis andererseits hat der Gesetzgeber die Sondervorschriften der §§ 394, 395 AktG im Aktiengesetz etabliert, welche der öffentlichen Hand ein bedeutsames Informationsprivileg garantieren sollen. Die Vorschrift des § 394 AktG hat mit ←26 | 27→der Aktienrechtsnovelle 2016 eine Novellierung erfahren. Sie schreibt nunmehr vor, dass die Berichtspflicht, welche die Verschwiegenheitspflicht eines von einer Gebietskörperschaft gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitgliedes zugunsten der Körperschaft auflockert, nicht (mehr) nur auf einer Gesetzesvorschrift, sondern auch auf einer Regelung in der Satzung der Gesellschaft oder auf einem Rechtsgeschäft zwischen Gebietskörperschaft und Aufsichtsratsmitglied beruhen kann. Insbesondere diese beiden Möglichkeiten der Generierung einer Berichtspflicht sollen kritisch beleuchtet und, soweit erforderlich, sachgerechten Restriktionsvorschlägen zugeführt werden. Auch soll der für die kommunale Praxis relevanten Frage nachgegangen werden, ob ein Gemeindeparlament Adressat von Berichten eines kommunalen Aufsichtsratsmitgliedes sein kann. Die Antwort hierauf hat erhebliche Folgen für die Ausgestaltung der gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Berichtspflichten. Zu untersuchen ist in diesem Zusammenhang vor allem, ob die verschiedenen Auskunftspflichten der kommunalen Aufsichtsratsmitglieder in den Gemeindeordnungen der Länder dem gesellschaftsrechtlich vorgezeichneten Rechtsrahmen genügen.


1 Schmidt-Leithoff, Gemeindewirtschaft und Wettbewerb, S. 36 ff.

2 Schink, DVBl 2005, 861, 862 ff.; Schmidt-Leithoff, Gemeindewirtschaft und Wettbewerb, S. 24 ff.

3 Siehe dazu Cornils, in: Beck`scher TKG-Kommentar, Einl. A. Rn. 35.

4 Siehe dazu Zenke/Dessau, in: Danner/Theobald, Energierecht, Ziff. 140. Rn. 1 ff., 54 ff.

5 Schmidt-Leithoff, Gemeindewirtschaft und Wettbewerb, S. 24 ff.

6 Deutscher Städtetag, Herausforderung Flüchtlinge – Integration ermöglichen, S. 13 ff.; Deutscher Städtetag, Pressemitteilung vom 30.03.2016, abrufbar unter: http://www.staedtetag.de/presse/mitteilungen/077287/index.html (zuletzt abgerufen am 25.05.2020); Deutscher Städtetag, Pressemitteilung vom 04.05.2016, abrufbar unter: http://www.staedtetag.de/presse/mitteilungen/077699/index.html (zuletzt abgerufen am 25.05.2020).

7 Jarass, DÖV 2002, 489, 497; Krämer, LKV 2016, 348 f.

8 BVerwG, Urt. v. 31.08.2011, Az. 8 C 16/10 = ZIP 2011, 2054 = NJW 2011, 3735 = AG 2011, 882 = NVwZ 2012, 115.

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1. Kapitel Grundlagen, Einordnung und Zielkonflikte

Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden wird nicht schrankenlos garantiert. Vielmehr definiert Art. 28 Abs. 2 GG als Kehrseite der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden auch Grenzen für die Kommunalwirtschaft.9 Diese verfassungsrechtlichen Grundlagen sollen im Folgenden vorgestellt werden und dienen einer grundsätzlichen Einordnung des Untersuchungsgegenstandes.

Ferner tritt ein kommunales Unternehmen in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf, wobei die anhaltende und fortschreitende Praxis der Kommunen hin zu einer Organisation in einer Rechtsform des privaten Rechts ins Auge fällt. Hier ist die Frage nach einer umfassenden Formenwahlfreiheit der Verwaltung von grundlegender Bedeutung. Bedienen sich die Kommunen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben einer privatrechtlichen Rechtsform, so treffen – als logische Konsequenz der Wahlfreiheit – mit dem Gesellschaftsrecht einerseits und dem kommunalen Wirtschaftsrecht andererseits zwei Interessensysteme aufeinander, welche sich durch eine divergierende Wesensart auszeichnen und von unterschiedlichen Zielvorgaben geprägt sind. Aus diesem Gegensatz ergeben sich die für diese Arbeit relevanten Zielkonflikte in Bezug auf die Fragen nach der Weisungsgebundenheit und der Transparenz, welche mit dem kommunalen Aufsichtsratsmandat verbunden sind. Auch diese Aspekte sollen im 1. Kapitel veranschaulicht werden.

A. Verfassungsrechtliche Einordnung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen

Die Verfassungsvorschrift des Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht der kommunalen Selbstverwaltung. Ihnen muss von Verfassungs wegen das Recht zustehen, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Dass dazu auch das Recht zählt, sich kommunalwirtschaftlich zu betätigen, soll im Folgenden erläutert werden.

I. Die Gemeinde als Schutzobjekt des Art. 28 Abs. 2 GG

Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind nach der Konzeption des Grundgesetzes Teil einer mehrstufig gegliederten Staatsorganisation innerhalb der Demokratie10 und „Ausdruck der grundgesetzlichen Entscheidung für eine dezentral organisierte und bürgerschaftlich getragene Verwaltung“11. Sie stehen dem Staat ←29 | 30→also nicht gegenüber, sondern stellen selbst ein „Stück Staat“12 dar, „in dessen Aufbau sie integriert und innerhalb dessen sie mit eigenen Rechten ausgestattet sind“13. Nach dem Grundgedanken des Grundgesetzes stehen sich Bund und Länder gegenüber, während die Kommunen staatsorganisatorisch den Ländern eingegliedert sind.14 Wird in diesem Zusammenhang regelmäßig von mittelbarer Staatsverwaltung15 gesprochen, so bleibt doch erforderlich, dass man sich die Kommune als „Dezentralisierungsstufe“16 vergegenwärtigt: Die Bedeutung der in Art. 28 Abs. 2 GG verbürgten Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist gerade nicht lediglich als eine Ausformung vertikaler Gewaltenteilung zu betrachten, sondern dient vornehmlich der Bestärkung vom Staatsvolk ausgehender, demokratischer Legitimation.17

Von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützt sind zum einen die Gemeinden. Der Begriff der Gemeinde ist gesetzlich nicht konkretisiert, sondern sie wird als

„landesunmittelbare von ihren Bürgerinnen und Bürgern und Einwohnern getragene (mitgliedschaftlich strukturierte) kommunale Gebietskörperschaft mit Gebietshoheit zur autonomen Verwaltung universal überlassener oder speziell zugewiesener örtlicher eigener Angelegenheiten des Gemeinwesens sowie zur weisungsabhängigen Verwaltung enumerativ generell oder speziell zugewiesener fremder öffentlicher (Landes- oder Bundes-) Angelegenheiten“18

definiert. Die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG beziehen sich grundsätzlich auf die sog. Einheitsgemeinde, während intergemeindliche Kooperationsformen wie Verbandsgemeinden19, Verwaltungsgemeinschaften20, Ämter21 oder Samtgemeinden22, bei denen bestimmte Aufgaben aufgrund freiwilliger oder gesetzlicher Zuweisung von einer für mehrere ←30 | 31→Gemeinden zuständigen Einheit erfüllt werden, sowie einzelne Organe oder Teile einer einzelnen Gemeinde nicht Bezugssubjekte der Selbstverwaltungsgarantie sind.23 Gemeindeverbände im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG und damit weitere zur Selbstverwaltung Berechtigte sind jedenfalls die Landkreise.24 Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen und auch ihre Untergliederungen können sich nicht auf die Selbstverwaltungsgarantie berufen, da sie aus verfassungsrechtlicher Sicht Bundesländer und keine kommunalen Körperschaften darstellen.25

II. Die Kommunalwirtschaft als objektive Rechtsinstitutionsgarantie im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistet den Gemeinden nicht nur die institutionelle Rechtssubjektsgarantie und die subjektive Rechtsstellungsgarantie. Die objektive Rechtsinstitutionsgarantie ist die zentrale Garantieebene der kommunalen Selbstverwaltung.26

1. Allzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde

Die Rechtsinstitutionsgarantie umfasst zum einen das Recht der Gemeinden zur Wahrnehmung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (sog. Grundsatz der Allzuständigkeit oder Universalität der Gemeinde).27 Das Bundesverfassungsgericht führte 1988 in seinem Rastede-Beschluss aus, dass darunter diejenigen Bedürfnisse und Interessen zu verstehen seien, „die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben […], die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen“28, wobei es ←31 | 32→entgegen früherer Judikatur29 auf die individuelle Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht mehr ankommen soll30. In der Literatur wird jedoch vereinzelt darauf hingewiesen, dass die Größe einer Gemeinde bei der Frage, ob eine Angelegenheit der konkreten örtlichen Gemeinschaft vorliege, dennoch eine wichtige Rolle spiele.31

Ein Aufgabenkatalog, welcher die örtlichen Angelegenheiten im Einzelnen ausgestaltet, ist nicht Gegenstand des Kernbereichs des Selbstverwaltungsrechts, wohl „aber die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen“32. Die Gemeinden besitzen also das Recht, innerhalb der gesetzlichen Schranken neue und noch nicht besetzte Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft zu erfinden und diese an sich zu ziehen (sog. Aufgabenerfindungsrecht).33 Klassische Aufgaben des Wirkungskreises der Gemeinden sind etwa die Energie- und Wasserversorgung der Bevölkerung34 sowie die Schaffung und Unterhaltung von örtlichen Verkehrseinrichtungen35. Die Prüfung, ob eine Angelegenheit eine solche der örtlichen Gemeinschaft darstellt, erfolgt anhand des Einzelfalls, wobei Anknüpfungspunkt die Größe der betreffenden Gemeinde ist.36 Bei der Beurteilung dessen steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu.37 Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich insoweit auf eine Vertretbarkeitskontrolle, welche umso intensiver erfolgt, als die gemeindliche Selbstverwaltung durch die gesetzliche Regelung einen Substanzverlust erleidet.38

Die Rechtsinstitutionsgarantie sichert den Gemeinden darüber hinaus die Eigenverantwortlichkeit der Wahrnehmung der gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben.39 Dies meint eine Aufgabenerfüllung „ohne Weisung und Vormundschaft des Staates, wie dies nach der Maßgabe der Rechtsordnung zweckmäßig erscheint“40. Für den im Regelfall vorliegenden Bereich der freiwilligen ←32 | 33→Selbstverwaltungsaufgaben erstreckt sich die Eigenverantwortlichkeit auf das „Ob“ und das „Wie“ der Aufgabenerfüllung.41 Rechtfertigungsbedürftige Beschränkungen ergeben sich für pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben: In Bundesländern, deren Landesverfassungen das nach eigenem und übertragenem Wirkungskreis unterscheidende sog. dualistische Modell zugrunde liegt, ist den Gemeinden für pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben des eigenen Wirkungskreises das „Wie“ der Aufgabenbewältigung freigestellt, während Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises schon nicht in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG fallen. In Bundesländern mit sog. monistischem Modell, welches – dem Weinheimer Entwurf42 einer Gemeindeordnung folgend – sämtliche von der Gemeinde wahrgenommenen Aufgaben im Grundsatz als Selbstverwaltungsaufgaben ansieht, steht den Gemeinden für Pflichtaufgaben noch ein Gestaltungsermessen („Wie“ der Aufgabenerfüllung) zu, während ein solches für Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung entfällt.43 Die staatliche Kommunalaufsicht stellt das von der Verfassung gebotene Korrelat des Rechts auf Selbstverwaltung dar. Bei den gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben ist sie jedoch auf eine bloße Rechtsaufsicht begrenzt.44

2. Die Gemeindehoheiten und die verfassungsrechtliche Einordnung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden

Die sog. gemeindlichen Hoheiten oder Gemeindehoheiten bezeichnen typisierte Ausschnitte der von der Selbstverwaltungsgarantie umfassten Aufgaben.45 Sie stellen keine abschließende Auflistung der Selbstverwaltungsrechte dar, sondern sind vielmehr als Typsierungen46 oder heuristische Zusammenfassung der historischen Entwicklungen47 mit exemplarischem Charakter48 zu verstehen. In dogmatischer Hinsicht werden sie teilweise den örtlichen Angelegenheiten49, zumeist jedoch dem Merkmal der Eigenverantwortlichkeit50 zugeordnet. Nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts gehören zum Portfolio der Gemeindehoheiten im ←33 | 34→Wesentlichen die Gebietshoheit51, die Personalhoheit52, die Organisationshoheit53, die Planungshoheit54, die Satzungshoheit55 und die Finanzhoheit56.

Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden fällt nach herrschender Auffassung in das in Art. 28 Abs. 2 GG verankerte Selbstverwaltungsrecht57 und wird teilweise sogar ausdrücklich als Gemeindehoheit58 interpretiert. Konklusion des Rastede-Beschlusses ist, dass nicht die kommunalwirtschaftliche Betätigung im Sinne einer einzelnen Sachaufgabe als solche,59 sondern lediglich die Möglichkeit wirtschaftlicher Aufgabenerledigung dem unantastbaren Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zugeordnet werden kann60. Die Verfassungsnorm ist insoweit folglich als verfassungsrechtliche Aufgabengarantienorm61 zu verstehen. Ferner muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auslegung des Schutzbereichs der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie die historische Entwicklung der unterschiedlichen Erscheinungsformen kommunaler Selbstverwaltung berücksichtigt werden.62 Da sich die Kommunen seit jeher wirtschaftlich betätigen, ist die wirtschaftliche Betätigung als solche von Art. 28 Abs. 2 GG geschützt.63

3. Grenzen kommunaler wirtschaftlicher Betätigung

Als Kehrseite der verfassungsrechtlichen Gewährleistung zieht Art. 28 Abs. 2 GG der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden Grenzen.64 Zum einen stellt sich hier die Frage, ob die Gemeinden ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich auf Gewinnerzielung ausrichten dürfen und ob sie außerhalb ihres Gemeindegebietes am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen dürfen. Ferner ist fraglich, ob sich aus dem Begriff der Daseinsvorsorge Restriktionen herleiten lassen.

←34 | 35→

a) Ausschließliche Ausrichtung auf Gewinnerzielung

Da die Tätigkeiten der Gemeinden einer Bindung an einen öffentlichen Zweck unterliegen, sind diese zur Marktteilnahme als Unternehmer nur dann berechtigt, wenn sie damit Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfüllen, für die sie auch sachlich zuständig sind.65 Die wirtschaftliche Betätigung stellt also das Mittel zur Erfüllung kommunaler Aufgaben dar, welche wiederum die Betätigungsgrenze bilden, nicht aber den Zweck selbst markieren.66 Daraus ergibt sich, dass die Selbstverwaltungsgarantie den Gemeinden nicht das Recht gewährt, ihre wirtschaftliche Betätigung unabhängig von einem öffentlichen Zweck ausschließlich auf Gewinnerzielung auszurichten.67 Das Bundesverfassungsgericht führte hierzu aus, dass das kommunale Unternehmen unmittelbar durch seine Leistung dem Wohl der Bürger einer Gemeinde dienen müsse. Eine mittelbare Förderung durch eine Erwirtschaftung von Gewinnen und Erträgen sei dazu nicht ausreichend. Eine rein erwerbswirtschaftliche Betätigung sei den Gemeinden daher untersagt.68

Die Gewinnmitnahme ist demgegenüber solange zulässig, wie das erwerbswirtschaftliche Gewinnstreben den öffentlichen Zweck nicht beeinträchtigt und sie aus sozialwirtschaftlichen Gründen erfolgt.69 Ferner ist sie dann legitim, wenn sie lediglich Nebenzweck ist und einer nichtwirtschaftlichen Haupttätigkeit der Gemeinde als Unterstützung dient.70 Die Kommunalverfassungen bestimmen zum Teil ausdrücklich, dass die kommunalen Unternehmen einen Ertrag für den Gemeindehaushalt abwerfen sollen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zweckes nicht beeinträchtigt wird.71 Im Vordergrund steht also bei kommunalen Unternehmen das aus dem öffentlichen Auftrag abgeleitete Sachziel.72

b) Wirtschaftliche Tätigkeit außerhalb des Gemeindegebietes

Bei der Frage der Grenzen kommunaler wirtschaftlicher Betätigung ist darüber hinaus problematisch, ob Art. 28 Abs. 2 GG eine Teilnahme am wirtschaftlichen ←35 | 36→Wettbewerb außerhalb des Gemeindegebietes zulässt. Während teilweise73 vertreten wird, dass lediglich hoheitliches, nichtwirtschaftliches Handeln der öffentlichen Hand einer Bindung an das bundesstaatliche Kompetenzgefüge der Artt. 30, 83 ff. GG unterliege und daher die Gemeindegrenzen die Wirtschaftsbetätigung der Gemeinde nicht einzugrenzen vermögen, ist dem mit der Gegenauffassung entgegenzutreten. Die Gemeinde büßt ihren Charakter als Verwaltungsträgerin nicht etwa deshalb ein, weil sie sich wirtschaftlich betätigt.74 Sie stellt im Grundsatz kein privatnützig handelndes Wirtschaftssubjekt dar, sondern ist als „Funktionär der vollziehenden Gewalt“75 anzusehen. Aufgrund dessen ist eine Konzentration auf die örtliche Gemeinschaft erforderlich.76 Insoweit ist ausreichend, dass die kommunale Wirtschaftstätigkeit den Gebietsangehörigen oder den Personen, die sich auf dem Gemeindegebiet aufhalten, zugutekommt.77 Darüber hinaus schützt Art. 28 Abs. 2 GG nicht nur vor horizontalen Eingriffen des Staates, sondern vermittelt auch vertikalen Schutz vor Übergriffen benachbarter Gemeinden.78

Soweit einzelne Gemeindeordnungen79 eine wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes zulassen, ist dies keine Ausprägung einer in Art. 28 Abs. 2 GG konstituierten Rechtsposition. Dem Gesetzgeber ist es vielmehr aufgrund des Gesetzesvorbehaltes in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG („im Rahmen der Gesetze“) unbenommen, der Gemeinde eine Betätigung ohne Örtlichkeitsbezug aufzutragen und zu ermöglichen, wobei es jedoch einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung am Maßstab des Selbstverwaltungsrechts der betroffenen Nachbargemeinde bedarf.80

Details

Seiten
304
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631831847
ISBN (ePUB)
9783631831854
ISBN (MOBI)
9783631831861
ISBN (Hardcover)
9783631813157
DOI
10.3726/b17392
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (September)
Schlagworte
Weisungsbindung Weisungsfreiheit Verschwiegenheitspflicht Berichtspflicht Aktienrechtsnovelle 2016 §§ 394, 395 AktG Kommunales Aufsichtsratsmitglied
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 304 S., 1 s/w Abb.

Biographische Angaben

Christopher Pape (Autor:in)

Christopher Pape studierte Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er war als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (öffentlich-rechtliche Abteilung) tätig. Er arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf.

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Titel: Das kommunale Aufsichtsratsmandat
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