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Beinahe beste Freunde. Alexander von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe

von Dieter Strauss (Autor:in)
©2021 Monographie 146 Seiten

Zusammenfassung

Der Band berichtet über reale Reisen, Ansichten und Anekdoten von Alexander von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe, denen der Erzähler eine literarische Form gibt, die zugleich informiert und unterhält. In fiktiven Dialogen, inneren Monologen, Briefen oder Berichten diskutieren die beiden Protagonisten vor dem Hintergrund ihrer Expeditions- bzw. Reiseerfahrungen über die großen Probleme der Welt. Zu den angeschnittenen Themen gehören der menschengemachte Klimawandel, die Komplementarität der Alten und Neuen Welt, Kolonialismus und Sklaverei, interkulturelle Grenzüberschreitungen, Bau des Panamakanals sowie Evolutionstheorie und Christentum. Dabei entspricht die Chronologie der Ereignisse der Realität und das jeweils angesprochene Problem wurde von den beiden Protagonisten zu dem angegebenen Zeitpunkt auch so wahrgenommen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort: Das Buch soll „anmutig und unterhaltsam sein und etwas denken machen“
  • Die „kleine Akademie“ Goethes, Schillers und der Humboldt-Brüder in Jena 1794–1797: „Alexander nötigt uns zur Naturwissenschaft“
  • Goethes eigene Reisen: „Zum Erstaunen bin ich da“
  • Goethes Gedankenreisen: „Man wird nicht müde Biografien und Reisebeschreibungen zu lesen“
  • Humboldts Aufbruch ins Ungewisse: Lateinamerika 1799–1804: „Die Tropen sind mein Element“
  • Paris – ein Fest für die Wissenschaft: „Humboldt réunit toute une académie en lui“
  • Goethes Kontakte zu berühmten Reiseforschern:: „In ferne Regionen versetzen uns die Zeichnungen des Prinzen Wied zu Neuwied“
  • Das vorletzte Treffen Alexander von Humboldts mit Goethe im Dezember1826 in Weimar: „Der Himmel ist leer“
  • Alexander von Humboldts Rückkehr nach Berlin 1827: „Ich habe hier ein höllisches Leben“
  • Letzter Besuch Alexander von Humboldts im Januar 1831 in Weimar: „Das wildgrässliche Gepolter der Vulkanisten beeinflusst Goethe nicht“
  • Der letzte Brief Goethes an Wilhelm von Humboldt vom 17. März 1832: „Ist denn kein Mann mehr im Himmel? Wo bleibt Gott?“
  • Goethes letzte Stunden am 22. März 1832: „Mehr Licht“
  • Alexander von Humboldts letzter Tag am 6. Mai 1859: „Sonnenstrahlen rufen zum Himmel“
  • Literaturangaben und Lesetipps
  • Abbildungsverzeichnis

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Vorwort
Das Buch soll „anmutig und unterhaltsam sein und etwas denken machen“

Ein Zitat, mit dem Goethe seinen „Faust I und II“ beschrieb. Ob er das geschafft hat, zu informieren und zu amüsieren? Eine Frage, bei der die Mehrzahl von uns ihre Schulerfahrungen ganz sicher vergessen muss!

Die Protagonisten dieser Arbeit Johann Wolfgang von Goethe und Alexander von Humboldt haben wirklich die Reisen, auch die erwähnten Gedanken-Reisen, gemacht, über die berichtet wird. Ihre beschriebenen Meinungen zu allen angeschnittenen Themen wie der Evolutionstheorie und dem Christentum, dem Vulkanismus-Neptunismus-Streit, der Rolle der Kunst in der Wissenschaft, dem menschengemachten Klimawandel, dem Kolonialismus und der Sklaverei, der Demokratie und der Monarchie oder der Beeinflussung von Goethes Werken durch sein Südamerika-Fieber entsprechen ebenfalls ihren tatsächlichen Auffassungen. Die geschilderten belustigenden Anekdoten haben Beide tatsächlich so erlebt.

Das „was“ ist also wahr, nur das „wie“, die literarische Form, stammt vom Autor. Ob das angeschnittene Thema in einen Dialog, in einen inneren Monolog, in einen Brief oder in einen Bericht gegossen wird, hängt vom Erzähler ab. Dabei entspricht selbst die Chronologie der Ereignisse der Realität. Das jeweils angesprochene Problem wurde von den Protagonisten zu dem angegebenen Zeitpunkt wirklich so gesehen.

Es handelt sich also um Humboldt und nicht um „Humbug“, um Goethe und nicht um „Autorennöte“! Es geht weniger um „Dichtung und Wahrheit“, als um „Wahrheit und Dichtung“. Dabei stecken nur Tatsachen in der gewählten fiktiven Form. Ein Buch zwischen den Stühlen also, das nicht nach vorgegebenen literarischen Genres schielt.

Ein „Halbroman“, so würde Goethe diesen Versuch nennen. Aber es ist keine halbe Sache, sondern eine Erzählform, die informieren und unterhalten will. Auch darin weiß ich mich mit den beiden Protagonisten einig. Goethe war der schmalbrüstige Professorenstil ebenso verhasst wie Alexander von Humboldt, der die professorale Schreibweise treffend als „Stockprügel“ ←7 | 8→bezeichnete, die er unbedingt vermeiden wolle. Deshalb auch die „lyrischen Passagen“ in seinen Werken.

Dieser „biografische Roman“ ist kein von der Fußnotenpolizei kontrolliertes wissenschaftliches Werk, aber doch ein wahres und hoffentlich verständliches und amüsantes Buch, das den Blick schärft.

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Die „kleine Akademie“ Goethes, Schillers und der Humboldt-Brüder in Jena 1794–1797
„Alexander nötigt uns zur Naturwissenschaft“

„Oh Weimar! Dir fiel ein besonder Los:

Wie Bethlehem in Juda, klein und groß!

Bald wegen Geist und Witz beruft dich weit

Europäens Mund, bald wegen Albernheit“

So lauten die für Weimar wichtigsten Zeilen aus Goethes Eloge, die er 1782 seinem Bühnenbildner am Hoftheater Martin Mieding bei dessen Tod widmete. Eine Huldigung an Weimar, eine Stadt der Gegensätze:

„Der stille Weise schaut und sieht geschwind,

Wie zwei Extreme nah verschwistert sind“.

Ein englischer Goethe-Biograf brachte die beiden Pole damals bei seinem Weimar-Besuch in einem Brief an seine Familie auf den Punkt: das „Ilm-Athen“, das den Engländern vorschwebe, der Sitz bedeutender Dichter, Gelehrter und Künstler, sei ein seltsamer verschlafener Ort ohne Droschken, nur mit einigen Kutschen und Lastkarren. Auf den engen Straßen mit sparsamer Beleuchtung tummelten sich Schweine und Hühner und die Bewohner hätten bis zu dem Verbot im Jahre 1793 ihre Nachttöpfe auf den Gassen ausgeleert. Der übel riechende Kanal „Lotte“ führe mitten durch die Stadt. Die meisten Fachwerk-Häuser aus Weidegeflecht und Lehm seien klein und einstöckig und die wenigen Bürgerhäuser wie Goethes „Frauenplan“ der Hofgesellschaft und hohen Beamten vorbehalten. Die „Stadt“ sei so klein, dass man zwangsläufig aufeinander pralle und die Gassen so eng, dass man sich buchstäblich in die Fenster sehen könne. Jeder fühle sich von den Nachbarn kontrolliert und die „Chronique Scandaleuse“ blühe.

Für Madame de Stael war Weimar dagegen die literarische Hauptstadt, die Heimat der Denker, der Sammelplatz der Koryphäen, eben die ←9 | 10→„République des Lettres“. Eine ideale Gemeinschaft der Gelehrten fern der großen Städte und der politischen und kapriziösen Veränderungen des Alltags. Wie die Petrarcas in Arqua, Erasmus’ in Basel oder Voltaires in Feerney.

Trotz Herders Warnung, dass sich Paris auf dem Gipfel des Luxus und der Perfektion befinde und wie im alten Rom bald der Niedergang beginne, übte die Weltstadt doch Faszination aus und die Hofgesellschaft verschlang Bertuchs Zeitschriften, das „Journal des Luxus und der Moden“ und „London und Paris“, die die jüngsten frivolen Neuheiten in Kleidung und Inneneinrichtung aus den beiden Metropolen nach Weimar brachten. Aber mit der Abbildung eines gepolsterten attraktiven Liegestuhls mit aufmontiertem Lesepult, das bei halbliegender Stellung bequemes Schmökern versprach, setzten sich die Journale auch für Lesekultur ein. Ein Impetus, sich gegen Oberflächlichkeiten und Dilettantismus für eine eigene Nationalkultur einzusetzen.

Im Gegensatz zu dem zwischen seiner „Residenzlerei“ vieler kleinlicher Hofräte und seinen Dichtern und Denkern hin und her gerissenen Weimar war Jena für Goethe eine „Stapelstadt des Wissens“, in gewisser Weise eine Lichtstadt. Die Universität erlebte damals am Ende des 18. Jahrhunderts ihre zweite Blüte, sie war Hauptort der idealistischen Philosophie und der literarischen Romantik, schließlich lehrten dort Schiller, Fichte und Schelling, ganz abgesehen von den Gebrüdern Schlegel und ihrem illustren Kreis junger Autoren, die sich den Idealen der französischen Revolution verpflichtet fühlten. Einige Jahre später entwickelte sich diese im mittleren Saaletal zwischen Muschelkalk- und Bundsandsteinhügeln gelegene Stadt zum Zentrum des antinapoleonischen Befreiungskampfes.

Jena hatte also auch zwei Gesichter, die attraktive Universität und die bedrohlich revolutionären Tendenzen, zu denen Weimar mit seiner Einstellung gegen die Moderne, gegen den Nationalstaat, das Romantische und die Industriealisierung den Gegenpol bildete. Weimar war eher auf die Antike ausgerichtet und auf Italien, nicht aber auf die tagespolitischen Konflikte, für Goethe die „Gärungen des augenblicklichen Tages“.

Trotzdem empfand er den Ereignisraum Weimar und Jena als „zwei Enden einer großen Stadt“, die ohne einander nicht bestehen könnten. Es handele sich um ein Geben und Nehmen, um ein Wechselspiel zwischen ←10 | 11→dem literarischen und konservativen Weimar und dem wissenschaftlichen und liberal-nationalen Jena.

Wenn Weimar in diesem Miteinander zu sehr bedroht wurde, kamen Sanktionen ins Spiel: der die monarchische Ordnung in Frage stellende Fichte wurde zum Beispiel 1799 nach Veröffentlichung seiner Streitschrift zum Atheismus entlassen. Übrigens mit Zustimmung Goethes, für den Denkfreiheit wie für seinen Herzog Carl August streng auf Wissenschaft und Forschung beschränkt war.

Details

Seiten
146
Erscheinungsjahr
2021
ISBN (PDF)
9783631837429
ISBN (ePUB)
9783631837436
ISBN (MOBI)
9783631837443
ISBN (Hardcover)
9783631834268
DOI
10.3726/b17672
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Februar)
Schlagworte
Klimawandel Evolutionstheorie Kolonialismus Vulkanismus Anthropozentrische Weltsicht Expeditionen
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 146 S., 4 s/w Abb.

Biographische Angaben

Dieter Strauss (Autor:in)

Dieter Strauss ist Germanist und Historiker. Er unterrichtete an den Universitäten Bonn und Nimwegen, bevor er zum Goethe-Institut wechselte. Er war Leiter der Institute in Santiago de Chile, Sao Paulo, Paris und Rabat/Casablanca sowie stv. Generalsekretär. Heute arbeitet er als freier Referent, Ausstellungorganisator und Autor.

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