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Der Kampf gegen den Klerus

Die staatliche Strafverfolgung des rheinischen Pfarrklerus im Kulturkampf wegen unbefugter Vornahme geistlicher Amtshandlungen – BAND 1

von Volker Speth (Autor:in)
©2020 Monographie X, 464 Seiten

Zusammenfassung

Das vorliegende Werk analysiert die staatliche Strafverfolgung des Pfarrklerus, vornehmlich des Bistums Trier, im Kulturkampf zwischen 1873 und 1880, und zwar wegen unbefugter Vornahme geistlicher Amtshandlungen wie Gottesdienstzelebrierungen, Sakramentspendungen, Trauungen und Beerdigungen. Näherhin geht es um die genaue Bestimmung der strafbaren Amtshandlungen und strafbedrohten Priester, um die polizeilichen Exekutivmethoden, -probleme, -erfolge und -defizite, um die fortgesetzten Verbotsübertretungen trotz Gefängnisstrafen, um die staatlichen Versuche zur Widerstandsbrechung mittels Amtsenthebung, Ausweisung, Internierung und Ausbürgerung und um die Solidarität der Gemeinden mit ihren Geistlichen. Diese äußerte sich in Beherbergung, Beschützung, Versorgung, Versteck- und Fluchthilfe, Verhaftungsbehinderung und feierlichem Empfang bei der Rückkehr aus dem Gefängnis.

Band 1 beinhaltet die Kapitel I bis VIII.
Band 2 beinhaltet die Kapitel IX bis XI, Statistik- und Quellenanhänge sowie das Quellen- und Literaturverzeichnis.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Band 1
  • I. Einleitung: Thema, Fragestellungen, Vorbemerkungen
  • II. Das Bild von Kirche und Klerus in kulturkämpferischen Parlamentsreden
  • 1. Die kulturkämpferische Meistererzählung
  • a) Es droht akut Gefahr
  • b) Die geschichtliche Herausbildung der Bedrohungssituation
  • c) Der schurkische Feind und dessen finstere Absichten
  • d) Der finale Entscheidungskampf hat begonnen
  • 2. Die verschwörungstheoretischen Elemente der kulturkämpferischen Meistererzählung
  • III. Begriffsklärungen
  • 1. Das geistliche Amt
  • 2. Die Übertragung eines geistlichen Amts
  • 3. Die geistliche Amtshandlung
  • IV. Die Frage der Erlaubtheit von geistlichen Amtshandlungen gesetzmäßig angestellter Pfarrgeistlicher
  • 1. Amtshandlungen von gesetzmäßig angestellten Geistlichen in vakanten fremden Pfarreien
  • 2. Amtshandlungen von gesetzmäßig angestellten Geistlichen in ordnungsgemäß besetzten fremden Pfarreien
  • 3. Amtshandlungen von gesetzmäßig angestellten Geistlichen in der eigenen Pfarrei für fremde Pfarrangehörige
  • 4. Amtshandlungen von gesetzmäßig angestellten Hilfsgeistlichen bei vakanter Pfarrstelle
  • V. Das Amtierungsverbot für Sukkursalpfarrer
  • 1. Die Problematik, die diesbezüglichen maigesetzlichen Bestimmungen und die Auseinandersetzung mit dem Bischof von Trier
  • 2. Die Einspruchserhebung und die Benachrichtigung
  • VI. Das Amtierungsverbot für Kapläne bei vakanter oder provisorisch besetzter Pfarrstelle
  • VII. Das Amtierungsverbot für maigesetzwidrig angestellte Pfarrgeistliche und die Folgen
  • 1. Die Amtsübertragung, der Amtsantritt und die behördliche Belehrung von Priester und Gemeinde
  • 2. Das Verbot des Pfarrhausbezugs
  • 3. Das Verbot der Kirchenbuchführung
  • 4. Das Verbot des Unterrichts an öffentlichen Schulen
  • 5. Das Dienstleistungsverbot für als Küster und Organist tätige Lehrer
  • VIII. Die Strafverfolgung
  • 1. Die Einleitung der Strafverfolgung
  • 2. Das Gerichtsverfahren
  • 3. Die Amtsenthebung
  • 4. Das Reichsgesetz vom 4. Mai 1874
  • 5. Die Aufenthaltsversagung
  • 6. Die Aufenthaltszuweisung
  • 7. Die Landesverweisung
  • 8. Zwischenfazit I: Das Ausmaß der staatlichen Durchsetzungs- und Implementierungsfähigkeit

cover

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Gedruckt mit finanzieller Unterstützung des Landschaftsverbandes
Rheinland, des Erzbistums Köln und des Bistums Trier.

Autorenangaben

Der Autor
Volker Speth ist Bibliothekar und promovierter Historiker.

Über das Buch

Volker Speth

Der Kampf gegen den Klerus

Das vorliegende Werk analysiert die staatliche Strafverfolgung des Pfarrklerus, vornehmlich des Bistums Trier, im Kulturkampf zwischen 1873 und 1880, und zwar wegen unbefugter Vornahme geistlicher Amtshandlungen wie Gottesdienstzelebrierungen, Sakramentspendungen, Trauungen und Beerdigungen. Näherhin geht es um die genaue Bestimmung der strafbaren Amtshandlungen und strafbedrohten Priester, um die polizeilichen Exekutivmethoden, -probleme, -erfolge und -defizite, um die fortgesetzten Verbotsübertretungen trotz Gefängnisstrafen, um die staatlichen Versuche zur Widerstandsbrechung mittels Amtsenthebung, Ausweisung, Internierung und Ausbürgerung und um die Solidarität der Gemeinden mit ihren Geistlichen. Diese äußerte sich in Beherbergung, Beschützung, Versorgung, Versteck- und Fluchthilfe, Verhaftungsbehinderung und feierlichem Empfang bei der Rückkehr aus dem Gefängnis.

Band 1 enthält die Kapitel I bis VIII.

Zitierfähigkeit des eBooks

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Inhaltsverzeichnis

Band 1

I. Einleitung: Thema, Fragestellungen, Vorbemerkungen

II. Das Bild von Kirche und Klerus in kulturkämpferischen Parlamentsreden      

1. Die kulturkämpferische Meistererzählung

a) Es droht akut Gefahr

b) Die geschichtliche Herausbildung der Bedrohungssituation

c) Der schurkische Feind und dessen finstere Absichten

d) Der finale Entscheidungskampf hat begonnen

2. Die verschwörungstheoretischen Elemente der kulturkämpferischen Meistererzählung

III. Begriffsklärungen

1. Das geistliche Amt

2. Die Übertragung eines geistlichen Amts

3. Die geistliche Amtshandlung

IV. Die Frage der Erlaubtheit von geistlichen Amtshandlungen gesetzmäßig angestellter Pfarrgeistlicher

1. Amtshandlungen von gesetzmäßig angestellten Geistlichen in vakanten fremden Pfarreien

2. Amtshandlungen von gesetzmäßig angestellten Geistlichen in ordnungsgemäß besetzten fremden Pfarreien

3. Amtshandlungen von gesetzmäßig angestellten Geistlichen in der eigenen Pfarrei für fremde Pfarrangehörige

4. Amtshandlungen von gesetzmäßig angestellten Hilfsgeistlichen bei vakanter Pfarrstelle

V. Das Amtierungsverbot für Sukkursalpfarrer

1. Die Problematik, die diesbezüglichen maigesetzlichen Bestimmungen und die Auseinandersetzung mit dem Bischof von Trier

2. Die Einspruchserhebung und die Benachrichtigung

VI. Das Amtierungsverbot für Kapläne bei vakanter oder provisorisch besetzter Pfarrstelle

VII. Das Amtierungsverbot für maigesetzwidrig angestellte Pfarrgeistliche und die Folgen

1. Die Amtsübertragung, der Amtsantritt und die behördliche Belehrung von Priester und Gemeinde

2. Das Verbot des Pfarrhausbezugs

3. Das Verbot der Kirchenbuchführung

4. Das Verbot des Unterrichts an öffentlichen Schulen

5. Das Dienstleistungsverbot für als Küster und Organist tätige Lehrer

VIII. Die Strafverfolgung

1. Die Einleitung der Strafverfolgung

2. Das Gerichtsverfahren

3. Die Amtsenthebung

4. Das Reichsgesetz vom 4. Mai 1874

5. Die Aufenthaltsversagung

6. Die Aufenthaltszuweisung

7. Die Landesverweisung

8. Zwischenfazit I: Das Ausmaß der staatlichen Durchsetzungs- und Implementierungsfähigkeit

Band 2

IX. Die staatliche Exekution und die Reaktion von Klerus und Bevölkerung

1. Die Amtierungsermittlung

2. Die Fahndung

3. Die Verhaftung und Ab- bzw. Wegführung

a) Die Verhaftung und Abführung von verurteilten Geistlichen

b) Die Verhaftung und Wegführung von ausgewiesenen Geistlichen

4. Der Gefängnisaufenthalt

5. Die Rückkehr aus dem Gefängnis

6. Das Exil

7. Der Privatfriede mit dem Staat

8. Die seelsorgliche Betreuung trotz Amtierungsverbot und Stellenvakanz

9. Pfarrerwahlen

10. Innergemeindliche Konflikte

11. Innerbehördliche Widerstände

12. Zwischenfazit II: Die kulturkampfbedingte Klerusverfolgung als Motor für eine Milieuverfestigung und -abschließung, für eine Verschmelzung von Volks- und Elitenfrömmigkeit und für eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen Pfarrklerus und Laienschaft

← | X→

X. Die Auswirkungen der Klerusverfolgung auf die Seelsorge

XI. Schlussüberlegungen

Statistikanhang

Quellenanhang I: Dienstinstruktionen, Rundverfügungen und allgemeine Erlasse

Quellenanhang II: Die Amtsenthebung des Trierer Pfarrers C. Classen

Quellenanhang III: Die Verhaftung und Ab- bzw. Wegführung von Pfarrgeistlichen

Quellenanhang IV: Der öffentliche Empfang von Pfarrgeistlichen anlässlich ihrer Rückkehr aus dem Gefängnis

Quellenanhang V: Bittgesuche und Eingaben

Quellenanhang VI: Gerichtsurteile

Quellenanhang VII: Erlebnisberichte von Pfarrgeistlichen des Bistums Trier

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

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I. Einleitung: Thema, Fragestellungen, Vorbemerkungen

„Über das Verhalten des Klerus und der katholischen Gläubigen im Bistum Trier in den Kulturkampfauseinandersetzungen kann hier keine befriedigende Darstellung gegeben werden, da es dazu noch vieler Detailuntersuchungen bedarf.“1 Eine solche Detailuntersuchung, wie sie J. Steinruck in seiner Handbuchdarstellung des Kulturkampfes im Bistum Trier vermisst und angemahnt hat, will das vorliegende Werk leisten. Es ist im Kern der staatlichen (Straf-)Verfolgung des rheinischen Pfarrklerus wegen unbefugter Vornahme geistlicher Amtshandlungen während des Kulturkampfes gewidmet. Es geht also um das kulturkampfbedingte Vorgehen des Staates gegen die rheinischen Pfarrgeistlichen in deren Eigenschaft als Priester, Gemeindeleiter, Seelsorger und Kultvollzieher, nicht in ihrer Funktion als Zentrumsunterstützer, Vereinsorganisator, Redakteur oder Publizist; kurzum um die staatliche Repression des Pfarrklerus wegen dessen Aktivitäten auf dem Kerngebiet seiner Kompetenzen und seiner Berufstätigkeit, nicht auf dem Feld seiner diversen ‚Nebentätigkeiten‘. Unberücksichtigt bleiben Ordensgeistliche, die seelsorgerliche Funktionen ausüben, beispielsweise in einer Kloster- oder Wallfahrtskirche. Ebensowenig wird das staatliche Vorgehen gegen die Priesterausbildungsstätten (Priesterseminare, Konvikte) und gegen die Bistumsleitungen (Bischöfe, Weihbischöfe, Generalvikare) wegen unbefugter Anstellung von Pfarrgeistlichen explizit thematisiert, auch wenn vor allem Letzteres am Rande natürlich Erwähnung findet. Bei den staatlichen Sanktionen bleiben die Vermögensbeschlagnahmungen und Gehaltseinbehaltungen, überhaupt der fiskalisch-finanzielle Aspekt der Klerusverfolgung weitgehend außer Acht. Vielmehr liegt der Fokus auf der Interaktion zwischen den Behörden, dem Pfarrklerus und den Gemeinden, auf der staatlichen Exekutivmaschinerie und auf der Reaktion der Geistlichkeit und ihrer Gemeinden auf die staatliche Strafverfolgung wegen illegaler Verrichtung geistlicher Amtshandlungen. Zentrale Bedeutung hat dabei die Eruierung der Zugriffsreichweite und Exekutivfähigkeit der Staatsgewalt, in diesem Fall des staatlichen Vermögens, die antiklerikalen Kulturkampfgesetze angesichts der klerikalen und gemeindlichen Renitenz durchzusetzen und zu implementieren. Konkret geht es um die Beantwortung der Frage: Mit welchen Mitteln versuchte und mit welchem Erfolg vermochte die Staatsmacht die einem partiellen oder prinzipiellen Amtierungsverbot unterliegenden Pfarrgeistlichen zur tatsächlichen Amtierungsunterlassung zu zwingen? Bei den Priestern steht weniger das individuelle Einzelschicksal im Mittelpunkt; es soll keine für das Gesamtbild wenig ertragreiche und bald ermüdende Aneinanderreihung von Mitgefühl erheischenden und erweckenden ←3 | 4→Verfolgtenbiographien geboten werden, sondern die Repressionsstrukturen und Widerstandsmethoden, die Aktions-, Interaktions- und Reaktionsmuster, also das Typische, Überindividuelle, Charakteristische der gesetzbasierten staatlichen Repression eines Berufsstandes wegen seiner Berufsausübung herausgearbeitet werden. Insgesamt soll damit ein weiterer Beitrag geleistet werden zur Erforschung einer untergegangenen Kulturformation, nämlich des ‚klassischen‘ ultramontanen Katholizismus, seines Innenlebens, seiner Gedanken- und Wertewelt, seiner Kohäsionskräfte, seines Beziehungsgeflechts, seiner Herrschaftsstrukturen und seiner Konstitutionsbedingungen.

Der geographische Fokus dieser Studie liegt auf dem Südteil der Rheinprovinz, d.h. auf kirchlicher Seite auf dem Bistum Trier und auf staatlicher Seite auf den Regierungsbezirken Trier und Koblenz. Dies liegt hauptsächlich darin begründet, dass, gemessen an der Zahl der strafverfolgten und vertriebenen Priester, der Klerus im Bistum Trier, insbesondere im Regierungsbezirk Trier, einem größeren Verfolgungsdruck ausgesetzt war als in den Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf und Köln. So wurde nach einer im Innenministerium Anfang 1879 erstellten Statistik zwischen 1874 und 1878 im Regierungsbezirk Trier gegen 32 Geistliche und im Regierungsbezirk Koblenz gegen 19 Geistliche eine Aufenthaltsversagung verfügt, in den anderen drei rheinischen Regierungsbezirken zusammengenommen aber nur gegen 24 Geistliche und von den 19 Geistlichen der Rheinprovinz, die nach der Entziehung der Staatsangehörigkeit aus dem Deutschen Reich verbannt wurden, stammten 18 aus den Regierungsbezirken Koblenz und Trier.2 Außerdem bietet die Quellenlage für das Bistum Trier den Vorzug, dass Pfarrgeistliche des Bistums Trier – teilweise in Reaktion auf eine Aufforderung des Bischofs Korum – eine größere Anzahl von handschriftlichen, zwischen 1888 und 1907 verfassten Erlebnisberichten hinterlassen haben, die im Bistumsarchiv Trier aufbewahrt sind. Dieser aufschlussreiche und wichtige, weil die Perspektive der betroffenen Opfer aufzeigende Quellenbestand ist – zusammen mit zwei schon während des Kulturkampfes publizierten Berichten – im Quellenanhang VII abgedruckt.3 Andererseits leidet die kulturkampfbezügliche Quellenlage für den Südteil der preußischen Rheinprovinz an der weitgehenden Vernichtung der Landratsamtsakten während des Zweiten Weltkriegs.

←4 | 5→

Zeitlich konzentriert sich die Studie auf die Zeit zwischen der Verabschiedung der Maigesetze von 1873 und dem ersten Milderungsgesetz vom 14. Juli 1880. Ungeachtet einiger Hinweise und Seitenblicke wird also nicht versucht, die einzelnen Stadien des Nachlassens und Abflauens der Klerusrepression systematisch nachzuzeichnen, was aufgrund des hochgradig arbiträren, stark von behördlichem Gutdünken bestimmten Charakters der langsamen Kulturkampfbeilegung eine eigene Untersuchung erfordern würde.

In dieser Studie geht es stark um Rechtsfragen, was die Tatsache widerspiegelt, dass der Kulturkampf in den Formen und mit den Mitteln des Rechtsstaats geführt wurde, d.h. aufgrund von parlamentarisch verabschiedeten Gesetzen, über deren Übertretung und Bestrafung letztlich die Justiz zu befinden hatte.4 Gleichwohl ist diese Studie nicht primär rechtshistorisch angelegt und nicht auf die Justiz und auf die Erörterung der teils diffizilen Rechtsfragen um ihrer selbst willen fokussiert. Sie versucht nicht, die Entwicklung der Rechtsprechung, insbesondere der höchstrichterlichen des Obertribunals, zu Einzelfragen systematisch in allen Facetten und mit allen Wendungen und Widersprüchen nachzuzeichnen. Stattdessen konzentriert sie sich bezüglich des Staatshandelns auf die Exekutive, also auf die rheinische Provinzialverwaltung mit dem Oberpräsidenten an der Spitze und auf das Kultusministerium, das eine starke Steuerungsfunktion ausübte und mit dem sich der Oberpräsident selbst in Detailfragen absprach, und die Rechtsprechung kommt nur soweit in den Blick, als sie das Handeln der Verwaltungsbehörden bestimmte, eine Voraussetzung für dieses bildete oder im innerbehördlichen Schriftverkehr beispielsweise zwecks Entscheidungsbegründung thematisiert wurde.

Während die staatliche Verfolgung der Bischöfe während des Kulturkampfes in der Historiographie breite Aufmerksamkeit erhalten hat,5 ist die staatliche Strafverfolgung des Pfarrklerus und dessen Verhalten als ein Berufsstand, der ein zentrales Angriffsobjekt eines antikatholisch und antiklerikal motivierten Einschüchterungs-, Bestrafungs-, Vertreibungs-, Verbannungs- und Säuberungsfeldzugs bildete, zumindest bezüglich des Rheinlandes, vielleicht mit Ausnahme des Regierungsbezirks Aachen, noch wenig systematisch, d.h. über die Beschreibung ←5 | 6→von Einzelschicksalen hinausgehend, untersucht worden,6 obwohl er doch numerisch unter den verurteilten hauptamtlichen Angehörigen der katholischen Kirche dominierte, wie bereits R. Ross konstatiert hat.7

Vier Gesetze, deren Publikationsorte hier in kleiner Auswahl – diese wichtigen Kulturkampfgesetze sind ja vielfach abgedruckt worden – ein für alle Mal nachgewiesen werden sollen, spielen in der vorliegenden Arbeit eine prominente Rolle. Es handelt sich um das preußische Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen vom 11. Mai 18738, das preußische Gesetz über die kirchliche Disziplinargewalt und die Errichtung des Königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten vom 12. Mai 18739, das Reichsgesetz betreffend die Verhinderung ←6 | 7→der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern (Verbannungs- oder Expatriierungsgesetz) vom 4. Mai 187410 und das preußische Gesetz wegen Deklaration und Ergänzung des Gesetzes vom 11. Mai 1873 über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen (Deklarationsgesetz) vom 21. Mai 187411.

Wenn vom Oberpräsidenten die Rede ist, ist in dieser Studie, sofern kein anderer ausdrücklich genannt ist, immer der in Koblenz residierende Oberpräsident der Rheinprovinz gemeint, der im Untersuchungszeitraum durchgängig der Protestant und promovierte Jurist Heinrich v. Bardeleben war. Als unentbehrliche Nachschlagewerke zum Personal der rheinischen Provinzialverwaltung und zum Klerus des Bistums Trier seien ein für alle Mal das von H. Romeyk verfasste Werk ‚Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816 – 1945‘ und das vom Trierer Diözesanarchiv 1941 herausgegebene Werk ‚Der Weltklerus der Diözese Trier seit 1800‘ genannt.

Zur Fußnotenentlastung wurden einige Quellengattungen und die Quellen zu einigen Themen in die insgesamt sieben Quellenanhänge ‚ausgelagert‘. Beim Nachweis der in den Akten überlieferten Quellen, die für den Untersuchungszeitraum durchgängig noch handschriftlich vorliegen, wurde wegen der Inpraktikabilität nicht zwischen Original und Abschrift unterschieden; nur ein Entwurf wurde als solcher gekennzeichnet. Wenn neben dem Druckort einer Quelle noch eine Aktenfundstelle nachgewiesen ist, so beruhen eventuelle Quellenzitate auf der eigenen Transkription. Bei der Transkription der Quellen wurde im Allgemeinen, von offenkundigen sinnentstellenden (Recht-)Schreibfehlern abgesehen, der Buchstabenbestand beibehalten, also nicht modernisiert; lediglich die Groß- und Kleinschreibung, die Getrennt- und Zusammenschreibung und die Zeichensetzung wurde, allerdings nicht konsequent, zwecks besserer Lesbarkeit heutigen Standards angepasst.

Ein von Herzen kommender Dank ist an die besuchten Archive abzustatten, in erster Linie an das Landeshauptarchiv Koblenz; von den dort Arbeitenden an Frau Schmidt-Schäfer und vor allem an Herrn Neupert. Dieser verkörpert in ←7 | 8→herausragender Weise den hoffentlich nicht aussterbenden Typus des Archivars, der sich in einer jahrzehntelangen Dienstzeit ein stupendes landesgeschichtliches und archivisches Fachwissen angeeignet hat und die Nutzer freigebig davon profitieren lässt. Herrn Prof. B. Schneider von der Theologischen Fakultät Trier sei für die Übernahme der vom Verlag initiierten Begutachtung gedankt. Der Hauptdank freilich gebührt wie immer meiner Frau, die dieses Werk ebenso wie die vorhergehenden erst ermöglicht hat.


1 J. Steinruck: Das Bistum Trier im Kulturkampf, S. 622.

2 Dem Kultusminister von Innenminister Eulenburg mit Begleitschreiben vom 14. Januar 1879 zugeschickte undatierte Nachweisung der auf Grund des Reichsgesetzes vom 4. Mai 1874 gegen Geistliche und andere Religionsdiener verfügten Aufenthaltsversagungen, Aufenthaltsanweisungen, Entziehungen der Staatsangehörigkeit und Ausweisungen aus dem Bundesgebiete (GStA PK, I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1 Abt. IX Nr. 24 Bd. 5. Teilabdruck im Statistikanhang).

3 Auf den Aktenfundort bzw. Publikationsort der Erlebnisberichte und auf die Tatsache des Abdrucks mit Herkunftsnachweis im Quellenanhang VII wird zur Vermeidung ständiger Wiederholungen in der folgenden Darstellung nicht mehr eigens hingewiesen.

4 Zur Justiz und Rechtsprechung im Kulturkampf vgl. U. Wilhelm: Das deutsche Kaiserreich und seine Justiz, S. 181–195; M. Scholle: Die preußische Strafjustiz im Kulturkampf; A. Stein: Justiz zwischen staatlicher Kirchenpolitik und kirchlicher Selbstbehauptung. – Kulturkampfbezügliche Urteile des Obertribunals enthalten die Zeitschriften: Die Rechtsprechung des Königlichen Obertribunals (bis 1874: und des Königlichen Oberappellationsgerichts) in Strafsachen, Bd. 15 (1874) – Bd. 20 (1879); Entscheidungen des Königlichen Obertribunals, Bd. 71 (1874) – Bd. 83 (1879); Archiv für gemeines deutsches und für preußisches Strafrecht, Bd. 22 (1874) – Bd. 27 (1879).

5 So widmet M. Scholle (Die preußische Strafjustiz im Kulturkampf) der Strafverfolgung der preußischen Bischöfe 180 Seiten, derjenigen des Pfarrklerus ca. 30 Seiten. Zur Strafverfolgung des Bischofs von Trier vgl. M. Scholle: Die preußische Strafjustiz im Kulturkampf, S. 197–212; A. Ditscheid: Matthias Eberhard, Bischof von Trier, im Kulturkampf. 2. Aufl.; J. Kraft: Matthias Eberhard, Bischof von Trier, S. 189ff.

6 Vgl. allgemein R. Ross: The failure of Bismarck’s Kulturkampf, S. 61–74; E. Gatz: Der Weltklerus in den Kulturkämpfen; W. Becker: Katholische Kleriker im deutschen und bayerischen Kulturkampf; M. Scholle: Die preußische Strafjustiz im Kulturkampf, S. 235–267; J. Kißling: Geschichte des Kulturkampfes im Deutschen Reiche, Bd. 3, S. 106–136. Für das Rheinland vgl. K. Kammer: Trierer Kulturkampfpriester; E. Schwer: Der Kulturkampf am Rande des Hochwaldes, passim; H. Lepper: Die kirchenpolitische Gesetzgebung der Jahre 1872 bis 1875, S. 224–243; H. Schiffers: Der Kulturkampf in Stadt und Regierungsbezirk Aachen, S. 80–118; E. Föhles: Kulturkampf und katholisches Milieu, S. 247–267; W. Dietz: Die Auswirkungen des Kulturkampfes im Regierungsbezirk Koblenz, S. 110–179. Die bereits an anderer Stelle (V. Speth: Der Kampf um den öffentlichen Raum, S. 15–18) gemachten Literaturangaben zum Kulturkampf allgemein sollen hier nicht wiederholt werden. Die im ‚Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte‘, Bd. 71 von 2019, veröffentlichten Aufsätze von Hannah-Marie Hilsamer (Zwischen passivem Widerstand und offener Aggression. Die Darstellung des Kulturkampfes im Trierer ‚Eucharius‘, ebd. S. 299–339) und von Frederik Simon (Der preußische Kulturkampf im Selbstzeugnis eines Hunsrück-Pfarrers. Anstöße zu neuen Forschungsfragen, ebd. S. 341–370) sowie der dort von Letzterem publizierte Erlebnisbericht des Schöneberger Pfarrers Christian Müller (ebd. S. 493–530) sind erst nach Abschluss des Manuskripts zur Kenntnis des Autors der vorliegenden Studie gekommen und wohl auch erschienen.

7 „The bishops and lower clergy were the most conspicuous victims of governmental persecution. […] But if the bishops were the Kulturkampf’s most obvious victims, it was in fact the common clergy who overwhelmingly dominated the ranks of those arrested und jailed“ (R. Ross: The Kulturkampf, S. 175).

8 Text: E. Huber/W. Huber [Hrsg.]: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2, S. 594–599; R. Lill [Hrsg.]: Der Kulturkampf, S. 86–90; J. Kißling: Geschichte des Kulturkampfes, Bd. 2, S. 462–467; N. Siegfried [Hrsg.]: Actenstücke betreffend den preußischen Culturkampf, S. 177–181; P. Hinschius: Die preußischen Kirchengesetze des Jahres 1873, S. 99–161 (mit Kommentar); G. Herrfurth: Die preußische und deutsche Gesetzgebung vom Mai 1873 und 1874, 2. Aufl., S. 38–64 (mit Kommentar); R. Höinghaus: Die neuen Kirchengesetze in Preußen, S. 123–164 (mit Kommentar).

9 Text: E. Huber/W. Huber [Hrsg.]: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2, S. 602–607; R. Lill [Hrsg.]: Der Kulturkampf, S. 90–94; J. Kißling: Geschichte des Kulturkampfes, Bd. 2, S. 467–473; N. Siegfried [Hrsg.]: Actenstücke betreffend den preußischen Culturkampf, S. 181–185; P. Hinschius: Die preußischen Kirchengesetze des Jahres 1873, S. 37–94 (mit Kommentar); G. Herrfurth: Die preußische und deutsche Gesetzgebung vom Mai 1873 und 1874, 2. Aufl., S. 92–110 (mit Kommentar).

10 Text: E. Huber/W. Huber [Hrsg.]: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2, S. 632f; R. Lill [Hrsg.]: Der Kulturkampf, S. 98f; J. Kißling: Geschichte des Kulturkampfes, Bd. 2, S. 475–477; N. Siegfried [Hrsg.]: Actenstücke betreffend den preußischen Culturkampf, S. 216f; P. Hinschius: Die preußischen Kirchengesetze der Jahre 1874 und 1875, S. 1–16 (mit Kommentar); G. Herrfurth: Die preußische und deutsche Gesetzgebung vom Mai 1873 und 1874, 2. Aufl., S. 181–184 (mit Kommentar).

11 Text: E. Huber/W. Huber [Hrsg.]: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2, S. 639f; R. Lill [Hrsg.]: Der Kulturkampf, S. 102f; J. Kißling: Geschichte des Kulturkampfes, Bd. 2, S. 481–483; N. Siegfried [Hrsg.]: Actenstücke betreffend den preußischen Culturkampf, S. 243–245; P. Hinschius: Die preußischen Kirchengesetze der Jahre 1874 und 1875, S. 17–35 (mit Kommentar); G. Herrfurth: Die preußische und deutsche Gesetzgebung vom Mai 1873 und 1874, 2. Aufl., S. 71–77 (mit Kommentar).

Details

Seiten
X, 464
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631825877
ISBN (ePUB)
9783631825884
ISBN (MOBI)
9783631825891
ISBN (Hardcover)
9783631824528
DOI
10.3726/b17115
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (November)
Schlagworte
Geistliche Amtshandlungen Bistum Trier Rheinland Internierung Ausbürgerung Verbannung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. X, 464 S.

Biographische Angaben

Volker Speth (Autor:in)

Volker Speth ist Bibliothekar und promovierter Historiker.

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Titel: Der Kampf gegen den Klerus
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