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Die Hadith-Analyse bei Shuʿayb al-ʾArnaʾūṭ

Eine vergleichende Studie zur Methodologie zeitgenössischer Gelehrter

von Ranya Jamil (Autor:in)
©2021 Dissertation 230 Seiten

Zusammenfassung

Shuʿayb al-ʾArnaʾūṭ war ein zeitgenössischer Hadith-Gelehrter, der einen großen Teil des Hadith-Kanons und darüber hinaus klassifiziert hat. In diesem Band wird zum ersten Mal seine Methodologie vorgestellt. Anhand einer komparativen Analyse wird ein exemplarischer Korpus von Hadithen untersucht, um die Charakteristika der Methodologie von al-ʾArnaʾūṭ feststellen zu können. Zudem werden seine Beurteilungen von Hadithen mit denen von al-Tahānawi und al-ʾAlbānī verglichen. Die Autorin zeigt in diesem Buch auf, wie zeitgenössische Hadith-Gelehrte mit den Erkenntnissen früherer Gelehrter umgehen, welche Herausforderungen und neuen Entwicklungen dabei entstanden sind.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Einleitung
  • 1.1 Forschungsstand
  • 1.2 Forschungslücke
  • 1.3 Forschungsfrage
  • 1.4 Forschungsmethode
  • 1.5 Aufbau
  • 1.6 Formalien
  • 1.7 Transliterationstabelle
  • 2 Die Disziplinen der Hadith-Kunde
  • 2.1 Einleitung und Begriffserklärung
  • 2.2 Entstehung und Entwicklung der Disziplinen der Hadith-Kunde
  • 2.2.1 Das Entstehen der ʿulūm ul-Hadith
  • 2.2.2 Das Ausreifen der ʿulūm ul-Hadith und deren Niederschreiben
  • 2.2.3 Die erweiterte Auseinandersetzung mit ʿulūm ul-Hadith
  • 2.2.4 Die weitere Entwicklung – oder der Stillstand
  • 2.2.5 Hadith-Kunde ab dem 20. Jahrhundert
  • 2.3 Die Disziplinen der Hadith-Kunde aus islamwissenschaftlicher Perspektive
  • 3 Shuʿayb al-ʾArnaʾūṭ und seine Methodologie in der Hadith-Kunde
  • 3.1 Leben und Studium von al-ʾArnaʾūṭ
  • 3.2 Veröffentlichungen von al-ʾArnaʾūṭ
  • 3.3 Die Methodologie al-ʾArnaʾūṭs und ihre Charakteristika
  • 3.3.1 Einführung in die Methodologie alʾArnaʾūṭs
  • 3.3.2 Tradentenkritik
  • 3.3.3 Bestätigung/Untermauerung von Hadithen
  • 3.3.4 Matn-Kritik
  • 3.3.5 Ziyādat al-thiqa
  • 3.3.6 Tadlīs
  • 3.3.7 Die Klassifizierung von Hadithen
  • 3.3.7.1 Der authentische Hadith (ṣaḥīḥ)
  • 3.3.7.2 Der gute Hadith (ḥasan)
  • 3.3.7.3 Der schwache Hadith (ḍaʿīf)
  • 3.3.8 Ein Vergleich zwischen ṣaḥīḥ Ibn Ḥibbān und späteren Veröffentlichungen
  • 3.3.9 Zusammenfassung der Methodologie al-ʾArnaʾūṭs
  • 4 Die Methodologie anderer zeitgenössischer Autoren in der Hadith-Kunde
  • 4.1 Ẓafar Ahmad al-Tahānawī
  • 4.1.1 Leben und Werk
  • 4.1.2 Methodologie
  • 4.2 Muhammad Nāṣir al-Dīn al-ʾAlbānī
  • 4.2.1 Leben und Werk
  • 4.2.2 Methodologie
  • 5 Vergleich und Analyse
  • 5.1 Vergleich zwischen al-ʾArnaʾūṭ und früheren Gelehrten
  • 5.1.1 Al-Ḥākim al-Naysabūrī
  • 5.1.2 Ibn Ḥajar al-ʿAsqalānī
  • 5.2 Vergleich zwischen al-ʾArnaʾūṭ und zeitgenössischen Gelehrten
  • 5.2.1 Al-ʾArnaʾūṭ und al-Tahānawī
  • 5.2.2 Al-ʾArnaʾūṭ und al-ʾAlbānī
  • 6 Schlusswort
  • Anhang
  • Bibliographie
  • Reihenübersicht

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1Einleitung

1.1Forschungsstand

Während al-ʾAlbānī große Aufmerksamkeit in Publikationen geschenkt wird (al-Shaybānī: 1987; al-ʿAyzrī: 2006; al-Saqqāf: 2005), in denen sowohl seiner Biographie als auch seiner Methodologie in der Klassifizierung von Hadithen nachgegangen wird, gibt es nur wenige Werke, die sich mit Shuʿayb al-ʾArnaʾūṭ (al-Zibiq: 2012; al-Jawrānī: 2012) befassen.

Die erste Publikation zur Person von al-ʾArnaʾūṭ erschien im Jahre 2002. Bei ihr handelt es sich um eine prägnante Biographie und die Darstellung seiner Arbeit bei der Herausgabe von Manuskripten aus dem Bereich der islamischen Theologie und der Scharia: Al-Muḥaddith Shuʿayb al-ʾArnaʾūṭ: Ibrāhīm al-Kūfaḥī, 2002, Dar Albashir.

2012 erschien eine Biographie über al-ʾArnaʾūṭ, die sich nur mit seinem wissenschaftlichen Werdegang auseinandersetzt, nicht aber seine Methodologie analysiert: Shuʿayb al-ʾArnaʾūṭ: Ibrāhīm al-Zabīq, 2012, Beirut.

Zur gleichen Zeit kam eine weitere Publikation über al-ʾArnaʾūṭ heraus. Dieses Werk beinhaltet neben einer Biographie über ihn den Bericht über eine Reise nach Kuweit sowie seine persönlichen Erläuterungen zu einigen Themen der Hadith-Kunde. Auf dieser Reise im Jahr 2010 fanden Treffen zwischen ihm und Studierenden wie auch Professoren und Professorinnen statt; die Inhalte dieser Gespräche wurden in diesem Buch festgehalten. Es gibt Interessierten die Möglichkeit, sich ein Bild über die Persönlichkeit von al-ʾArnaʾūṭ zu machen. Auch in dieser Publikation wird der Methodologie al-ʾArnaʾūṭs aber keine Aufmerksamkeit geschenkt: Riḥlat al-shaykh Shuʿayb al-ʾArnaʾūṭ ʾilā al-diyār al-kuwaytiya: Muhammad al-Jawrānī, 2012, Kuwait.

Was al-Tahānawī betrifft, so hat er selbst ein Buch über die Disziplinen der Hadith-Kunde verfasst, in welchem er diese zusammenfasst, die verschiedenen Meinungen über einzelne Fragen verdeutlicht und jeweils auf die hanafitischen Ansichten, die er auch selbst vertritt, hinweist. In der Ausgabe von al-Bashaer (2007) werden zusätzlich die Bemerkungen von ʿAbd al-Fattāḥ ʾAbū Ghuddah (gest. 1997) angegeben. Sein Buch wurde auch ins Englische übersetzt (At-Tahānawī 2014).

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1.2Forschungslücke

Wie zuvor dargestellt wurde, gibt es keine Publikationen, die sich mit al-ʾArnaʾūṭs Methodologie beschäftigen; dies, obwohl er einer von wenigen Gelehrten in den Disziplinen der Hadith-Kunde in diesem Jahrhundert ist und Gelehrte aus anderen Bereichen der Scharia ihre Urteile auf seine Beurteilungen stützen (z. B. al-Kīlānī in: al-quyūd al-wārida ʿalā sulṭāt al-dawla 2008). Somit ist nicht bekannt, inwieweit sich seine Methodologie von der seiner Vorgänger in den Disziplinen der Hadith-Kunde unterscheidet, ob sie dies überhaupt tut, und ob er neue methodische Ansätze verfolgt hat oder nicht.

Betrachtet man die Debatten in der muslimischen Welt in Bezug auf muslimische Hadith-Gelehrte, so stellt man fest, dass diese oft sehr heroisch dargestellt werden. Sowohl am Beispiel al-ʾAlbānīs als auch al-Tahānawīs ist zu erkennen, dass es nur wenige substantielle Debatten zu dieser Thematik gibt, wie im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigt werden wird.

Zudem wird der traditionellen Hadith-Kunde seitens der Islamwissenschaft nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.3 Die Islamwissenschaftler konzentrieren sich mehr auf die Entwicklung eigener Methoden zur Authentifizierung von Hadithen, setzen sich aber nur selten mit den Methoden muslimischer Gelehrter auseinander (vgl. Motzki 2012: li). Das zweite Kapitel dieser Arbeit geht näher darauf ein.

Nicht Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage der Authentizität von Hadithen, da dies eindeutig den Rahmen dieser Forschung sprengen würde. Zudem muss zuerst einmal festgehalten werden, nach welchem Schema al-ʾArnaʾūṭ vorgegangen ist, um dann in einem weiteren Schritt seine Methodik hinterfragen zu können.

1.3Forschungsfrage

Al-ʾArnaʾūṭ hat sich mit der Klassifizierung von Hadithen beschäftigt. Inwieweit sich seine Methodologie von der seiner Vorgänger wie auch seiner Zeitgenossen unterscheidet, soll unter Beantwortung folgender Schlüsselfragen erforscht werden:

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Welche Bedingungen stellt al-ʾArnaʾūṭ für die Klassifizierung eines Hadith als ṣaḥīḥ beziehungsweise als ḍaʻīf?

Welche sind die Bedingungen von al-ʾArnaʾūṭ für eine positive und eine negative Tradentenkritik (tarjīḥ und taʿdīl)?

Inwieweit hat al-ʾArnaʾūṭ neue Ansätze verfolgt? Was sind die Gründe für vorhandene Unterschiede zu seinen Vorgängern und/oder Zeitgenossen?

In welchen Hadith-Klassifizierungen unterscheiden sich al-ʾArnaʾūṭ, al-ʾAlbānī und al-Tahānawī und warum?

Das Ziel ist es, dadurch weiter zu erforschen, welche neuen Ansätze al-ʾArnaʾūṭ in die Hadith-Kunde eingeführt hat.

1.4Forschungsmethode

Al-ʾArnaʾūṭ gab eine Vielzahl von klassischen Hadith-Werken in überarbeiteter Form heraus. Da, wie später gezeigt werden wird, al-ʾArnaʾūṭ viele der Hadith-Kompilationen in Zusammenarbeit mit anderen Kollegen herausgegeben hat, wurde für die Analyse der Methodologie al-ʾArnaʾūṭs an erster Stelle das Werk ṣaḥīḥ Ibn Ḥibbān – welches seine alleinige Autorenschaft trägt – herangezogen. Dabei handelt es sich um ein Werk, das in der neuesten Ausgabe von Al-Resalah Al-A’lamiah (2011) aus 18 Bänden besteht und eine Sammlung von 7491 Hadithen aus verschiedenen Bereichen der Scharia, die von Ibn Balbān geordnet und herausgegeben wurden, enthält. Dennoch wurden zusätzlich auch andere Veröffentlichungen al-ʾArnaʾūṭs zum Vergleich herangezogen, um feststellen zu können, ob und inwieweit sich seine Beurteilungen oder seine Methodologie verändert haben. Während die Edition von ṣaḥīḥ Ibn Ḥibbān schon 1987 erfolgte, erschienen bis kurz vor seinem Ableben immer wieder weitere Hadith-Sammlungen, zu deren Herausgeber auch er zählte. Da in einer so großen Zeitspanne eine Veränderung in Theorie und Methode sehr wohl denkbar ist, wurden weitere Werke herangezogen, darunter vor allem der musnad4 von Ahmad und die sunan von al-Tirmidhī, weil beide Werke sehr umfangreich von al-ʾArnaʾūṭ und seinen Kollegen kommentiert worden sind. Ein weiteres wichtiges Buch al-ʾArnaʾūṭs, das im Rahmen dieser Forschung verwendet wurde, ist taḥrīṛ al-taqrīb, da hierin al-ʾArnaʾūṭ (mit seinem Coautor Maʿrūf) eigene Meinungen zur Tradentenkritik äußert, was einer der wichtigsten Aspekte in der ←13 | 14→Beurteilung von Hadithen ist. Diese Werke bilden den Korpus an Texten, aus denen ein Teil entnommen wurde.

Als Methode wurde die komparative Analyse angewandt, da Vergleiche dazu dienen, „Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen“ (Lauth/Pickel/Pickel 2009: 17). So soll dadurch erkannt werden, wie sich die Klassifizierung bei al-ʾArnaʾūṭ von der seiner Vorgänger wie auch seiner Zeitgenossen unterscheidet. Da al-ʾArnaʾūṭ keine komplett neue Methodologie entwickelte, sondern sich grundsätzlich an den Methoden der Protagonisten der Hadith-Kunde orientierte, ist es notwendig, Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen, um daraufhin die Charakteristika seiner Methodologie erkennen zu können. Durch die komparative Analyse kann einerseits festgestellt werden, ob al-ʾArnaʾūṭ neue Ansätze in der Methodologie der Klassifizierung von Hadithen gefunden hat, andererseits wird dadurch zudem erkennbar, ob und inwieweit er sich an der Methodologie anderer Gelehrter orientiert oder sich davon abgegrenzt hat.

Wie bereits erwähnt, wurde exemplarisch ein Korpus an Hadithen für die Analyse herangezogen. Da es sich bei der Kompilation Ibn Ḥibbāns um ein sehr umfangreiches Werk handelt, würde es den Rahmen dieser Arbeit sprengen, jede einzelne Überlieferung zu überprüfen; zudem wiederholen sich viele Überlieferungsketten. Außerdem fallen einige Hadithe grundsätzlich weg, weil sie zum Beispiel in den Sammlungen von al-Bukhārī und Muslim vorkommen und damit für al-ʾArnaʾūṭ nicht zur Diskussion standen, wie später noch gezeigt werden wird. Ein weiterer Grund liegt darin, dass manche Überlieferungen keinen Diskussionsanlass bieten, da ihre Überlieferungsketten Tradenten aus den ersten Stufen aufweisen und deren Inhalte nicht widersprüchlich sind. Somit stehen jene Traditionen ebenfalls nicht zur Diskussion. Bei dem bearbeiteten Hadith-Korpus wurde darauf geachtet, dass er umfangreich ist, um eine aussagekräftige Analyse zu ermöglichen. Dabei wurden einerseits die Kommentare al-ʾArnaʾūṭs studiert, bei denen es wichtig war zu sehen, wie er seine Beurteilungen argumentativ untermauert und auf welche Gelehrte er sich in seiner Arbeit beruft. Ferner wurde untersucht, ob er bei der Beurteilung der Hadithe einheitlich vorging, indem seine Beurteilungen von Hadithen mit ähnlichen Überlieferungsketten oder Tradenten und mit späteren Veröffentlichungen verglichen wurden. Des Weiteren wurde ein Vergleich zwischen der Methodologie al-ʾArnaʾūṭs und der mancher früherer wie auch zeitgenössischer Gelehrten vorgenommen.

Im Rahmen der Analyse der Methodologie al-ʾArnaʾūṭs wurden insgesamt 265 Hadithe aus ṣaḥīḥ Ibn Ḥibbān studiert und miteinander verglichen. Auf die Hälfte davon wurde näher eingegangen, während auf den Rest in den Fußnoten verwiesen wurde. Zudem wurde auf die Beurteilung von rund 20 Tradenten näher eingegangen und auf rund 20 weitere in den Fußnoten hingewiesen.

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Zum Vergleich der früheren und späteren Kategorisierungen al-ʾArnaʾūṭs wurden 25 Hadithe aus ṣaḥīḥ Ibn Ḥibbān herangezogen und mit späteren Veröffentlichungen verglichen. Zum Vergleich der Methodologie al-ʾArnaʾūṭs und der Protagonisten der Hadith-Kunde wurden rund 70 Hadithe verwendet. Für einen weiteren Vergleich zwischen der Methodologie al-ʾArnaʾūṭs und jener der beiden zeitgenössischen Kollegen, Ẓafar Ahmad al-Tahānawī und Muhammad Nāṣir al-Dīn al-ʾAlbānī wurden 34 Hadithe herangezogen.

Je nach der Notwendigkeit des jeweiligen Abschnitts wurden teilweise nur die Überlieferungsketten oder die Texte oder beides zitiert. Um den Lesefluss zu erleichtern, wurden die Überlieferungsketten transkribiert und die Hadith-Texte ins Deutsche übersetzt. Im Anhang ist der gesamte Hadith-Korpus im arabischen Original aufgelistet.

1.5Aufbau

Die vorliegende Arbeit ist in sechs Abschnitte gegliedert: Nachdem im einleitenden Kapitel die Ziele und Methoden dieser Arbeit dargelegt wurden, werden im zweiten Kapitel zunächst wichtige Begriffe erläutert, um danach näher auf die Entstehung und Entwicklung der Disziplinen der Hadith-Kunde einzugehen. Darin werden zuerst die Protagonisten in der Hadith-Kunde, deren Veröffentlichungen sowie deren Nachfolger bis ins heutige Jahrhundert genannt und beschrieben.

Das dritte Kapitel befasst sich mit Shuʿayb al-ʾArnaʾūṭ. Darin werden sowohl seine Biographie als auch seine wichtigsten Veröffentlichungen näher beschrieben. Als Nächstes wird seine Methodologie zusammengefasst. Es werden die Kriterien und Regeln, die al-ʾArnaʾūṭ im Klassifizieren der Hadithe angewandt und berücksichtigt hat, näher erklärt und mit Beispielen aus seinen Werken versehen. In diesem Kapitel wird vorrangig mit al-ʾArnaʾūṭs Beurteilungen in ṣaḥīḥ Ibn Ḥībbān gearbeitet. Am Ende wird auch ein Vergleich mit später veröffentlichten Werken durchgeführt. Abgerundet wird dieser Abschnitt von einer Zusammenfassung zur Methodologie al-ʾArnaʾūṭs.

Im Kapitel 4 werden zwei seiner zeitgenössischen Kollegen, al-Tahānawī und al-ʾAlbānī, sowie deren Methodologie vorgestellt und zusammengefasst.

Das abschließende fünfte Kapitel setzt sich mit dem Vergleich der Methodologie al-ʾArnaʾūṭs und zweier seiner Vorgänger – al-Ḥākim und Ibn Ḥajar – sowie seinen eben genannten Kollegen auseinander. Anhand von Beispielen werden deren Klassifizierungen von Hadithen verglichen, um dadurch ein noch klareres Bild über die Methodologie al-ʾArnaʾūṭs zu vermitteln. Beendet wird diese Dissertation mit einem Schlusswort.

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Im Anschluss an den Textteil findet sich ein Anhang mit dem Hadith-Korpus, der für diese Studie verwendet worden ist.

1.6Formalien

Die Jahresangaben erfolgen in islamischer/christlicher Zeitrechnung. Übersetzungen aus dem Koran und von Hadithen stammen, wenn nicht anders angegeben, aus eigener Übersetzung. Bei Hadithen, die im ersten Kapitel zitiert werden, werden im Text der Autor der Hadith-Sammlung und die Seitenzahl aus dem verwendeten Buch angegeben; die Hadith-Nummer wird in den Fußnoten angeben. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, in welchem Kapitel (kitāb) und Unterkapitel (bāb) diese Hadithe jeweils zu finden sind, um ihr Wiederfinden zu erleichtern. Bei Hadithen, die aus den Werken von al-Tahānawī, al-ʾAlbānī und al-ʾArnaʾūṭ zitiert werden, werden nur die Bandnummer und die Seitenzahl ihrer Bücher angegeben.

Die Zitate al-ʾArnaʾūṭs und anderer Gelehrte werden nur in deutscher Übersetzung angegeben, um den Lesefluss zu erleichtern.

Die Prophetenworte innerhalb von Überlieferungen werden kursiv zur Hervorhebung angegeben.

Es wurde nach der IJMES-Transkriptionsweise gearbeitet. Sehr geläufige Wörter und Namen wurden nicht transkribiert, sondern eingedeutscht und gemäß der deutschen Grammatik verwendet, wie zum Beispiel Fiqh, Hadith, Scharia oder Muhammad.

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1.7Transliterationstabelle

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3Nennenswerte Beispiele sind eine Analyse Kamaruddins von al-ʾAlbānīs Methodologie (Kamaruddin 2004), sowie verschiedene Forschungen Browns, in denen er sich mit unterschiedlichen Methoden muslimischer Gelehrter in der Hadith-Kunde auseinandersetzt (vgl. Brown 2007a).

4Auf eine genaue Beschreibung dieses und aller weiteren Bücher, die in diesem Abschnitt angesprochen werden, wird an dieser Stelle verzichtet, da sie später noch nähere Erwähnung finden werden.

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2Die Disziplinen der Hadith-Kunde

2.1Einleitung und Begriffserklärung

Aus sunnitisch-muslimischer Sicht gilt die Sunna des Propheten Muhammad als die zweite Quelle zur Urteilsfindung nach dem Koran und stellt damit eine der wichtigsten Grundlagen im sunnitischen Islam dar. Die Mehrheit der sunnitischen Gelehrten betrachtet außerdem die Verwendung der Sunna zur Urteilsfindung als Pflicht, weil dies sowohl der Koran in verschiedenen Versen als auch der Prophet selbst so vorgeschrieben haben. So ruft der Koran die Gläubigen dazu auf, Muhammad zu gehorchen5 und weist darauf hin, dass es dessen Aufgabe war, den Koran zu erläutern.6 Diese Erläuterung des Propheten ist nach muslimischem Verständnis notwendig, da der Koran zum großen Teil lediglich Prinzipien und allgemeine Grundlagen und Ordnungen beinhaltet. In ihm werden vergleichsweise wenige detaillierte praxisbezogene Normen dargelegt, wie etwa das Erbrecht und das Ehe- und Scheidungsrecht, während die detaillierten Regelungen des Gebetes, der Hadsch und vieler alltagsbezogener Handlungen im Koran nicht genannt werden, sondern nur in der prophetischen Sunna zu finden sind, weshalb diese „im Alltag der Muslime oft bedeutsamer ist“ (Schöller 2007: 265). Schöller erläutert:

In praktischer Hinsicht ist deshalb die Beschäftigung mit den Hadithen der wichtigste und umfassendste Bereich der islamischen Gelehrsamkeit, weil die meisten Fragen, die sich hinsichtlich der rechten Lebensweise und Gesellschaftsordnung ergeben, nur mit Rückgriff auf die Hadithe geklärt werden können. (Schöller 2007: 271 f.)

Um somit ihrer Aufgabe gerecht zu werden und als khulafāʾ7, als Statthalter, auf der Erde zu walten8 und die Maxime der Scharia durch das Einhalten der Gebote Gottes zu verwirklichen, sahen die frühen Gelehrten der Muslime in der Bewahrung der Sunna eine Notwendigkeit. Aus diesem Belangen heraus entwickelten sie mehrere Disziplinen, die ʿulūm ul-Hadith, die Disziplinen der Hadith-Kunde, deren chronologische Entwicklung noch genauer betrachtet wird.

Die Vertreter dieser Kunde werden muḥaddithūn9 genannt. Ihr Ziel war und ist es auch heute noch, die Hadithe Muhammads zu bewahren, den Grad ←19 | 20→ihrer Authentizität festzustellen und sie auch inhaltlich zu erläutern. Dementsprechend behandeln die verschiedenen Disziplinen der Hadith-Kunde sowohl die Methoden der Überlieferung und der Klassifizierung als auch der Interpretation der Hadithe. Ein muḥaddith beherrscht gewöhnlich alle Disziplinen der Hadith-Kunde, da sie nur zusammen angewandt zu einem Ergebnis – der Klassifizierung und dem Verständnis der Hadithe – führen können. Lediglich das praktische Tradieren von Hadithen ist eine Disziplin, die heute nicht mehr von vielen muḥaddithūn weitergeführt wird, da deren Notwendigkeit durch das Niederschreiben und geordnete Sammeln der Hadithe nicht mehr besteht. Auch die Interpretation von Hadithen ist eine Disziplin, die von den zeitgenössischen muḥaddithūn selbst nicht oder nur nebenbei10 ausgeübt und teilweise auf andere Gelehrte ausgelagert wird. Diese Arbeit setzt sich mit jenen Disziplinen der Hadith-Kunde auseinander, die direkt mit der Klassifizierung der Hadithe in Zusammenhang stehen und in diesem Kontext von den muḥaddithūn studiert wurden.

Vorweg sollten einige Begriffe erklärt werden, die für diese Arbeit essenziell sind und sich häufig wiederholen werden. Dabei ist anzumerken, dass jeweils jene Definitionen verwendet werden, die unter den muḥaddithūn in Gebrauch sind und nicht wie sie beispielsweise von uṣūl-Gelehrten oder fuqahāʾ verstanden werden. Da es das Ziel dieser Arbeit ist, die Methodologie eines muḥaddith zu analysieren, wird es nicht als zielführend betrachtet, die Definitionen anderer Disziplinen der Scharia miteinzubeziehen. Weiter ist zu beachten, dass die Fachbegriffe der ʿulūm ul-Hadith Veränderungen unterzogen und jeweils von den muḥaddithūn auch unterschiedlich angewandt und verstanden wurden, bis sie feststehende Bedeutungen angenommen haben. In diesem Kapitel werden jeweils die Definitionen verwendet, die unter den zeitgenössischen muḥaddithūn verwendet werden; in den weiteren Kapiteln wird nur dann auf Meinungsverschiedenheiten eingegangen, wenn dies für die Methodologie bestimmter muḥaddithūn ausschlaggebend ist. Die Unterschiede, die unter den zeitgenössischen muḥaddithūn bezüglich der Begriffserklärungen bestehen, sind meistens feiner Natur. Es werden jeweils jene ausgewählt, die nach eigenem Ermessen am zutreffendsten sind.

Sunna: Sie enthält alle Überlieferungen, die von Muhammad stammen oder über ihn berichten. Somit enthalten sie auch seine körperlichen sowie seine ←20 | 21→charakterlichen Eigenschaften und auch die Überlieferungen, die auf die Zeit vor der Prophezeiung zurückgehen.

Sīra oder al-sīra al-nabawiyya: Dies ist Muhammads Biographie von seiner Geburt bis zu seinem Tod. Diese wurde in gesonderten Werken und nicht mit den anderen Hadithen gemeinsam gesammelt.

Hadith: Was Muhammad an Aussagen, Handlungen oder Billigungen zugeschrieben wurde, sowie die Überlieferungen, mit denen er beschrieben wurde (Al Judai 2010a: 1/17).11

Ein Hadith besteht aus zwei Teilen: dem matn, welcher den Inhalt eines Hadith, also den Text, der überliefert wird, darstellt, und dem sanad, welcher die Überlieferungskette, also die Kette der Tradenten, die den matn überliefern, bezeichnet.

2.2Entstehung und Entwicklung der Disziplinen der Hadith-Kunde

Da der Prophet Muhammad nach islamischem Glauben der letzte von Gott geschickte Gesandte war, das Siegel der Propheten, sollte seine Scharia im Gegensatz zu der seiner Vorgänger ewig gültig sein. Dementsprechend müssen nach muslimischem Glauben alle Normen und Regelungen, die ihm offenbart wurden, bewahrt und weiter übermittelt werden, da sonst deren Umsetzung nicht möglich ist. Als göttliche Offenbarung, waḥy, sind nach den muslimischen Gelehrten sowohl der Koran als auch die Sunna anzusehen, mit dem Unterschied, dass der Koran in Wort und Bedeutung von Gott stammt, während die Sunna nur in der Bedeutung von Gott kommt, während deren Worte die des Propheten sind – mit der Ausnahme des Hadith al-qudsī (ling.: der reine Hadith), der die Rede Gottes darstellt. Dies belegen einige Gelehrte unter anderem mit folgenden Versen aus dem Koran: „Nicht unwissentlich in der Irre ist euer Gefährte und auch nicht wissentlich einem Irrtum erlegen, und er spricht nicht aus eigener Neigung. Es ist wahrlich gewiss eine Offenbarung (waḥy), die eingegeben wird.“ (Koran 53:2–4). Gemäß al-Qurṭubī12, Ibn ←21 | 22→Kathīr13 und al-Baghawī14 ist hier die Rede von Muhammad, der von der göttlichen Offenbarung geleitet wird, wodurch seine Worte selbst waḥy sind – sowohl im Koran als auch in der Sunna (Ibn Kathīr 2010: 7/448; al-Baghawī 2000: 4/301). Obwohl sich die Exegesen darüber einig sind, dass mit diesen Versen Muhammad gemeint ist, meinen manche, dass hier nur auf die Offenbarung des Korans Bezug genommen wird (al-Baghdādī 2010: 26/108 f.). Dies ändert aber nichts daran, dass die Gelehrten dahingehend übereinstimmen, dass auch die prophetische Sunna ein Teil des waḥy ist.

Details

Seiten
230
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631847732
ISBN (ePUB)
9783631847749
ISBN (MOBI)
9783631847756
ISBN (Hardcover)
9783631824498
DOI
10.3726/b18058
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
Hadith-Kanon Ibn Ḥajar al-ʾAlbānī Al-Tahānawī ʿulūm ul-Hadith Hadith-Kunde
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 230 S. 1 Tab.

Biographische Angaben

Ranya Jamil (Autor:in)

Ranya Jamil promovierte im Bereich Islamwissenschaften an der Universität Wien. Die Autorin ist an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen tätig. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin der AIWG Longterm-Forschungsgruppe „Die Normativität des Korans im Zeichen gesellschaftlichen Wandels".

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