Lade Inhalt...

Die kalte Zwangsverwaltung

Freihändige Verwaltung massezugehöriger Grundstücke durch den Insolvenzverwalter aufgrund einer Verwertungsvereinbarung mit absonderungsberechtigten Gläubigern

von Viviane Körner (Autor:in)
©2017 Dissertation XLI, 211 Seiten

Zusammenfassung

Das Rechtsinstitut der kalten Zwangsverwaltung wurde von der Rechtspraxis als Alternative zur gerichtlichen Zwangsverwaltung entwickelt. Gegenstand ist eine Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und den absonderungsberechtigten Gläubigern über deren Befriedigung aus den Mietforderungen ohne Durchführung eines gerichtlichen Zwangsverwaltungsverfahrens. Die Autorin untersucht zunächst die Grundlagen und Voraussetzungen der kalten Zwangsverwaltung und beschäftigt sich sodann umfassend mit dem Inhalt derartiger Verwertungsvereinbarungen. Abschließend stellt sie die wesentlichen Vor- und Nachteile der kalten Zwangsverwaltung gegenüber der gerichtlichen Zwangsverwaltung vergleichend dar.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Ausgangslage
  • B. Anlass dieser Arbeit
  • C. Ziele und Gang dieser Arbeit
  • Kapitel 1 Gesetzlich geregelte und anerkannte Befriedigungs- und Verwertungsmöglichkeiten
  • A. Gesetzlich geregelte Befriedigungsmöglichkeiten des Grundpfandrechtsgläubigers
  • I. Ausgangsnorm des § 49 InsO
  • 1. Recht auf Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen
  • 2. Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung „zusteht“
  • 3. Rechtsfolge: Recht zur abgesonderten Befriedigung
  • II. Einzelne Befriedigungsmöglichkeiten
  • 1. Zwangsversteigerung
  • a) Begriff, Umfang und Zweck
  • b) Fazit
  • 2. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • a) Begriff und Zweck
  • b) Wirkungen der Anordnung der gerichtlichen Zwangsverwaltung
  • aa) Beschlagnahme des Grundstücks
  • bb) Wirksamwerden der Beschlagnahme
  • cc) Nebeneinander von Insolvenz- und Zwangsverwalter
  • (1) Grundkonstellation
  • (2) Einstweilige Einstellung der gerichtlichen Zwangsverwaltung
  • (3) Zwischenfazit
  • c) Gegenstand der Beschlagnahme
  • aa) Mietforderungen als Bestandteil des Haftungsverbandes
  • (1) Begründung für Zugriffsmöglichkeit auf Mietforderungen
  • (2) Absonderungsrecht an Mietforderungen
  • bb) Erfasste Mietforderungen
  • (1) Im Voraus zu entrichtende Miete
  • (2) Rückständige Mietforderungen
  • (3) Eingezogene Mieten
  • (4) Vorausverfügung über Mietforderungen
  • (5) Gepfändete Mietforderungen
  • d) Fazit
  • 3. Pfändung von Mietforderungen
  • a) Begriff und Zweck
  • b) Zulässigkeit der Forderungspfändung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens?
  • aa) Für die Zulässigkeit einer Forderungspfändung
  • bb) Gegen die Zulässigkeit einer Forderungspfändung
  • (1) Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO
  • (2) Verhältnis von Mobiliar- und Immobiliarvollstreckung nach § 865 Abs. 2 Satz 2 ZPO
  • (3) Wortlaut des § 49 InsO
  • (4) Begründung mit § 110 Abs. 1, 2 InsO
  • (5) Interessenausgleich
  • cc) Zwischenfazit
  • c) Fazit
  • B. Gesetzlich geregelte und anerkannte Verwertungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters
  • I. Zwangsversteigerung
  • II. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • III. Freihändige Veräußerung
  • IV. Freigabe des Grundstücks
  • C. Zusammenfassung
  • Kapitel 2 Grundlagen und Voraussetzungen für die kalte Zwangsverwaltung
  • A. Bedeutung und Begriff
  • I. Bedeutung
  • II. Ursprung des Begriffs
  • III. Begriff ausgehend von der verwaltenden Person
  • 1. Kalte Zwangsverwaltung durch Insolvenzverwalter
  • 2. Kalte Zwangsverwaltung durch Insolvenzverwalter oder Grundpfandrechtsgläubiger
  • 3. Kalte Zwangsverwaltung durch Insolvenzverwalter oder Mitarbeiter des Insolvenzschuldners
  • 4. Stellungnahme
  • IV. Begriff der stillen Zwangsverwaltung
  • V. Stellungnahme
  • B. Verfolgte Zwecke
  • C. Zulässigkeit der kalten Zwangsverwaltung
  • I. Literatur
  • II. Rechtsprechung
  • 1. BGH
  • 2. RG
  • 3. OLG
  • III. Stellungnahme
  • 1. Verwertungsvereinbarung anstelle zwangsweiser Durchsetzung
  • 2. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters
  • a) Handlungsbefugnisse des Insolvenzverwalters
  • b) Grenze: Evidente Insolvenzzweckwidrigkeit
  • D. Rechtscharakter der Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung
  • E. Mitwirkungserfordernisse bei der Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung?
  • I. Mitwirkungserfordernis der Gläubigerorgane?
  • 1. Gläubigerversammlung
  • a) Zustimmungserfordernis bei besonders bedeutsamen Rechtshandlungen, § 160 InsO
  • b) Zustimmungserfordernis aufgrund „ungeschriebener“ Kompetenzen?
  • 2. Gläubigerausschuss
  • a) Zustimmungserfordernis bei besonders bedeutsamen Rechtshandlungen, § 160 InsO
  • b) Zustimmungserfordernis aufgrund der Unterstützungs- und Überwachungspflicht, § 69 InsO?
  • 3. Fazit
  • II. Mitwirkungserfordernis des zuständigen Gerichts?
  • 1. Vollstreckungsgericht
  • 2. Insolvenzgericht
  • 3. Fazit
  • Kapitel 3 Inhaltliche Ausgestaltung der Verwertungsvereinbarung
  • A. Parteien der Verwertungsvereinbarung
  • I. Auf Gläubigerseite
  • 1. Einzelne Gläubigergruppen
  • a) Absonderungsberechtigte Gläubiger
  • b) Massegläubiger
  • c) Insolvenzgläubiger
  • 2. Art der „Beteiligung“
  • a) Einbeziehung in die Verwertungsvereinbarung als Partei
  • aa) Massegläubiger
  • bb) Erstrangiger Grundpfandrechtsgläubiger
  • cc) Nachrangige Grundpfandrechtsgläubiger
  • dd) Sonstige absonderungsberechtigten Gläubiger
  • b) Abschluss von separaten vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarungen
  • aa) Massegläubiger
  • bb) Nachrangige Grundpfandrechtsgläubiger
  • cc) Sonstige absonderungsberechtigten Gläubiger
  • c) Fortlaufende Befriedigung der Massegläubiger
  • 3. Fazit
  • II. Insolvenzverwalter als Verwalter der Insolvenzmasse
  • 1. Handeln „wie ein gerichtlich bestellter Zwangsverwalter“
  • 2. Unabhängige Stellung des Insolvenzverwalters
  • a) Unabhängigkeitserfordernis
  • b) Vermeidung von Interessenkollisionen
  • c) Interessenkollision durch die Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung?
  • 3. Fazit
  • B. Gesetzliche Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung
  • C. Gegenstand der Vereinbarung
  • D. Verwaltungszeitraum
  • I. Beginn
  • 1. Keine Beschlagnahme nach ZVG
  • 2. Beschlagnahme durch privatrechtliche Vereinbarung?
  • 3. Bestimmung eines „fiktiven Beschlagnahmezeitpunktes“?
  • a) Entzug der Verwaltungs- und Benutzungsbefugnis
  • b) Relatives Verfügungsverbot
  • c) Aktualisierung der potentiellen Haftung der Mietforderungen
  • d) Stellungnahme
  • II. Ende
  • III. Fazit
  • E. Einzug und Verwendung der Mietforderungen
  • I. Einzug der Mietforderungen
  • 1. Durch Insolvenzverwalter
  • 2. Bildung einer Sondermasse
  • a) Begriff der Sondermasse allgemein
  • b) Zwangsverwaltungsmasse als Sondermasse bei gerichtlich angeordneter Zwangsverwaltung
  • c) Sondermasse im Rahmen der kalten Zwangsverwaltung
  • aa) Insolvenzrechtliche Qualifizierung der Gläubigeransprüche
  • (1) Kein Absonderungsrecht an den Mietforderungen
  • (2) Kategorisierung als sonstige Masseverbindlichkeiten
  • (3) Lösungsvorschlag von Bork
  • (4) Abgrenzung zur Insolvenzmasse durch Bildung einer Sondermasse
  • bb) Zwischenfazit
  • d) Umfang der Sondermasse
  • II. Ausgaben im Rahmen der kalten Zwangsverwaltung
  • 1. Haftungsmasse
  • 2. Ersatz- und Freistellungsansprüche gegen die absonderungsberechtigten Gläubiger
  • a) Gesetzliche Ersatz- und Freistellungsansprüche
  • b) Vertragliche Ersatz- und Freistellungsansprüche
  • 3. Vorschusspflicht der absonderungsberechtigten Gläubiger
  • 4. Weitere Vereinbarungen
  • III. Ausgleich für die Durchführung der kalten Zwangsverwaltung
  • 1. Ausgleichsbetrag zugunsten der Insolvenzmasse oder als Vergütung des Insolvenzverwalters?
  • 2. Höhe des Ausgleichsbetrages zugunsten der Insolvenzmasse
  • a) Orientierung an den Regelungen des ZwVwV?
  • b) Orientierung an den Regelungen der InsVV?
  • c) Pauschale Einmalzahlung
  • d) Prozentuale Beteiligung
  • e) Fazit
  • 3. Vergütung des Insolvenzverwalters durch Vereinbarung einer Sondervergütung mit den absonderungsberechtigten Gläubigern?
  • a) Grundsatz: Verbot der Vergütungsvereinbarung
  • aa) Keine Sondervergütung durch die absonderungsberechtigten Gläubiger
  • bb) Gesetzgebungshistorie
  • cc) Festsetzung durch das Insolvenzgericht
  • b) Ausnahme vom Verbot der Vergütungsvereinbarung?
  • c) Fazit
  • 4. Exkurs: Vergütung des Insolvenzverwalters nach den gesetzlichen Vorschriften
  • a) Vergütung nach den Vorschriften der ZwVwV?
  • b) Gesonderte Vergütung nach § 5 InsVV?
  • c) Vergütung des Insolvenzverwalters im Rahmen seiner Insolvenzverwaltervergütung
  • aa) Bestimmung der Berechnungsgrundlage nach § 1 InsVV
  • (1) Ausgangspunkt
  • (2) Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Massegegenständen durch den Insolvenzverwalter, § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV
  • (3) Auswirkungen der Masseverbindlichkeiten auf die Berechnungsgrundlage, § 1 Abs. 2 Nr. 4 InsVV
  • (4) Zwischenfazit
  • bb) Zuschlag gemäß § 3 Abs. 1 InsVV
  • (1) Bearbeitung von Absonderungsrechten gemäß § 3 Abs. 1 lit. a) InsVV
  • (2) Häuserverwaltung gemäß § 3 Abs. 1 lit. b) Var. 2 InsVV
  • (3) Höhe des Zuschlags
  • cc) Kontrollüberlegungen
  • d) Fazit
  • IV. Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger
  • 1. Verteilungsverfahren nach den Regelungen des ZVG?
  • 2. Vertragliche Festlegung der Tilgungsreihenfolge
  • a) Zulässigkeit der Tilgungsbestimmung
  • b) Umfang der Tilgungsbestimmung
  • aa) Tilgung der laufenden dinglichen Zinsen
  • bb) Tilgung der Kapitalbeträge und rückständigen Zinsen
  • cc) Keine Tilgung der gesicherten Forderung
  • dd) Zwischenfazit
  • c) Auswirkungen von Kapitalzahlungen im Hinblick auf die Grundschuld
  • 3. Weitere Vereinbarungen
  • V. Verteilungsreihenfolge
  • 1. Ausgaben und Ausgleichsbetrag vor Gläubigerbefriedigung
  • 2. Verhältnis von Ausgleichsbetrag und Ausgaben
  • 3. Fazit
  • F. Weitere Vereinbarungen
  • I. Pflicht zur Rechnungslegung
  • II. Regelungen zur Verwaltung
  • III. Regelung zur Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
  • G. Vereinbarung von Beendigungsmöglichkeiten
  • I. Für die kalte Zwangsverwaltung spezifische Beendigungsgründe
  • 1. Verlust der Verwaltungs- und Benutzungsbefugnis
  • a) Anordnung einer gerichtlichen Zwangsverwaltung
  • b) Ausscheiden des verwalteten Grundstücks aus der Insolvenzmasse
  • 2. Wesentliche Vertragsverletzungen
  • 3. Fehlende Wirtschaftlichkeit der kalten Zwangsverwaltung
  • II. Möglichkeiten der vertraglichen Umsetzung
  • 1. Sonderkündigungsrecht
  • 2. Auflösende Bedingung
  • III. Fazit
  • Kapitel 4 Anfängliche Gründe gegen die Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung
  • A. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • B. Zwangsversteigerung
  • C. Fehlende Bereitschaft sämtlicher absonderungsberechtigter Gläubiger
  • D. Fehlende Bereitschaft des Insolvenzverwalters
  • E. Zugriff auf Mietforderungen
  • I. Vorausverfügungen
  • II. Gepfändete Mietforderungen
  • F. Fazit
  • Kapitel 5 Vergleich der kalten Zwangsverwaltung mit der gerichtlichen Zwangsverwaltung
  • A. Kompetenzstreitigkeiten, Abstimmungsschwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten
  • I. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • II. Kalte Zwangsverwaltung
  • III. Fazit
  • B. Handlungsoptionen der Verwalter
  • I. Möglichkeit der Nutzungsänderung und Umgestaltung der verwalteten Immobilie
  • 1. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • 2. Kalte Zwangsverwaltung
  • 3. Fazit
  • II. Möglichkeit der freihändigen Veräußerung des Grundstücks
  • 1. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • 2. Kalte Zwangsverwaltung
  • 3. Fazit
  • III. Möglichkeit der Freigabe des Grundstücks
  • 1. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • 2. Kalte Zwangsverwaltung
  • 3. Fazit
  • IV. Einwirkungsmöglichkeiten der absonderungsberechtigten Gläubiger auf das Handeln des Verwalters allgemein
  • 1. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • 2. Kalte Zwangsverwaltung
  • 3. Fazit
  • C. Einzelne Verwaltungsaufgaben
  • I. Herausgabe einer in bar an den Insolvenzschuldner geleisteten Mietsicherheit
  • 1. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • 2. Kalte Zwangsverwaltung
  • 3. Fazit
  • II. Abrechnung über Nebenkostenvorauszahlungen und Befriedigung eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs des Mieters
  • 1. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • 2. Kalte Zwangsverwaltung
  • 3. Fazit
  • D. Beschlagnahme und deren Wirkungen
  • I. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • II. Kalte Zwangsverwaltung
  • III. Fazit
  • E. Zeitraum bis zum Beginn der Verwertungsmaßnahme
  • I. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • II. Kalte Zwangsverwaltung
  • III. Fazit
  • F. Kosten
  • I. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • 1. Gerichtskosten
  • 2. Zwangsverwaltervergütung
  • 3. Ergebnis
  • II. Kalte Zwangsverwaltung
  • 1. Ausgleichsbetrag
  • 2. Insolvenzverfahren
  • 3. Insolvenzverwalter
  • 4. Ergebnis
  • III. Fazit
  • G. Auswirkungen auf die Insolvenzmasse
  • I. Ausgaben der gerichtlichen Zwangsverwaltung bzw. der kalten Zwangsverwaltung
  • II. Verwertungserlös durch eine freihändige Veräußerung
  • III. Beteiligung der Insolvenzmasse an den Einnahmen der Verwaltung
  • 1. Gerichtliche Zwangsverwaltung
  • 2. Kalte Zwangsverwaltung
  • 3. Fazit
  • H. Gesamtfazit
  • Kapitel 6 Zusammenfassung und Ausblick
  • A. Zusammenfassung
  • I. Grundlagen und Voraussetzungen für eine kalte Zwangsverwaltung
  • II. Inhaltliche Ausgestaltung der Verwertungsvereinbarung
  • III. Anfängliche Gründe gegen die Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung
  • IV. Vergleich der kalten Zwangsverwaltung mit der gerichtlichen Zwangsverwaltung
  • B. Ausblick
  • I. Vorteile einer Kodifikation
  • II. Stellungnahme
  • Literaturverzeichnis
  • Materialienverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis

← XVIII | 1 →

Einleitung

A.  Ausgangslage

Grundstücke einschließlich der darauf errichteten Bauwerke gelten aufgrund ihrer nur begrenzten Verfügbarkeit als besonders werthaltig und wertbeständig.1 Insbesondere Deutschland gilt wegen des traditionell langfristig ausgerichteten Finanzierungssystems mit Festzinsprodukten und hohen Eigenkapitalanteilen als ein risikoarmer und stabiler Immobilienstandort.2 Rechte an Grundstücken sind aus diesem Grund besonders tauglich, langfristige Kreditvergaben abzusichern,3 sei es, dass Privatpersonen einen Grundstückskauf oder ein (Um-) Bauvorhaben finanzieren möchten, sei es, dass Unternehmenstransaktionen oder sonstige Unternehmensinvestitionen getätigt werden sollen. In der Kreditpraxis kommt daher der Kreditsicherung durch Grundpfandrechte, insbesondere in Form der Sicherungsgrundschuld (vgl. Legaldefinition in § 1192 Abs. 1a Satz 1 Hs. 1 BGB),4 eine erhebliche Bedeutung zu.5 ← 1 | 2 →

Wird über das Vermögen des Kreditnehmers (Insolvenzschuldner) das Insolvenzverfahren6 eröffnet, tritt also der Sicherungsfall ein, so ist – gerade im gewerblichen Bereich – folgende Situation häufig anzutreffen:

In der Insolvenzmasse befindet sich (mindestens) ein Grundstück, welches an einen Dritten bzw. an Dritte vermietet oder verpachtet7 ist. Dieses Grundstück ist mit mindestens einem Grundpfandrecht (wertausschöpfend) belastet. Wurden Vollstreckungsmaßnahmen in das Grundstück seitens eines Gläubigers bislang noch nicht beantragt, so stellt sich für den Grundpfandrechtsgläubiger nun die Frage, wie er seine Kreditsicherheit bestmöglich verwerten kann, um seinen eigenen Ausfall trotz Insolvenz des Kreditnehmers möglichst gering zu halten.8 Für eine zumindest teilweise Befriedigung kann es insbesondere bei Gewerbeimmobilien für den Grundpfandrechtsgläubiger attraktiv sein, auf die oft sehr lukrativen, fortlaufenden Mieten mittels gerichtlich angeordneter Zwangsverwaltung9 zuzugreifen.10 Eine gerichtlich angeordnete Zwangsverwaltung kann für den Grundpfandrechtsgläubiger auch einen Weg darstellen, um die Zeit bis zu einer etwaigen Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks zu überbrücken.11 Aufgrund der häufig hohen Arbeitsbelastung der Vollstreckungsgerichte kann es jedoch bis zur ← 2 | 3 → Anordnung einer beantragten gerichtlichen Zwangsverwaltung und damit dem Zugriff auf die Mietforderungen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.12 Auch ist die Durchführung einer gerichtlichen Zwangsverwaltung für den absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubiger mit hohen Kosten verbunden.13

Gleichzeitig hat der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellte Insolvenzverwalter ein Interesse daran, das massezugehörige Grundstück bestmöglich zur Befriedigung aller Gläubiger zu verwerten.14 Bei einer parallel angeordneten gerichtlichen Zwangsverwaltung muss sich der Insolvenzverwalter mit dem bestellten Zwangsverwalter arrangieren. Auch kann ein gerichtliches Zwangsverwaltungsverfahren den Insolvenzverwalter in seinen Verwertungsmaßnahmen behindern.15

In solchen Situationen treffen Insolvenzverwalter und Grundpfandrechtsgläubiger häufig16 als Alternative zu den gesetzlich geregelten und mittlerweile anerkannten Befriedigungs- und Verwertungsmöglichkeiten eine Vereinbarung über die Gläubigerbefriedigung aus den Mietforderungen ohne formelle Durchführung eines gerichtlich angeordneten Zwangsverwaltungsverfahrens. Diese Vorgehensweise wird als kalte Zwangsverwaltung bezeichnet. ← 3 | 4 →

B.  Anlass dieser Arbeit

Das Rechtsinstitut der kalten Zwangsverwaltung hat sich in der Rechtspraxis entwickelt und ist bislang gesetzlich nicht geregelt.

Trotz der praktischen Bedeutung der kalten Zwangsverwaltung gibt es nur sehr wenige Gerichtsentscheidungen, die sich mit diesem Rechtsinstitut auseinandersetzen. Darüber hinaus wird die kalte Zwangsverwaltung in einzelnen Entscheidungen lediglich am Rande erwähnt.

Auch von der Literatur wurde das Rechtsinstitut der kalten Zwangsverwaltung bislang noch nicht umfassend aufgearbeitet. Lediglich Bork17 und Keller18 haben sich jeweils in einem zentralen Aufsatz dieser Thematik gewidmet. Daneben existieren einige wenige detaillierte Abhandlungen zu Einzelproblemen, die bei Durchführung einer kalten Zwangsverwaltung auftreten können. Zu oft finden sich in der Literatur jedoch lediglich pauschale Feststellungen ohne nähere Begründung und tiefergehende Analyse. Auch werden Fragen teilweise nur aufgeworfen, ohne sie einer Lösung zuzuführen.

Die fehlende Kodifikation sowie die fehlende umfassende Aufarbeitung und Ausgestaltung des Rechtsinstituts der kalten Zwangsverwaltung durch Rechtsprechung und Literatur führen nach Johann19 zu einer gewissen Unsicherheit der beteiligten Personen bei der Vereinbarung und Durchführung einer kalten Zwangsverwaltung. Die vorgenannten Gründe gaben Anlass für diese Arbeit.

C.  Ziele und Gang dieser Arbeit

Mit dieser Arbeit werden zwei Hauptziele verfolgt:

Das erste Hauptziel besteht darin, einen Rahmen für die Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung zu erarbeiten. Zum einen ist zu untersuchen, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine derartige Vereinbarung treffen zu können. Zum anderen sind auch etwaige Grenzen aufzuzeigen, bei deren Vorliegen die Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung nicht (mehr) möglich oder zweckmäßig ist.

Als zweites Hauptziel dieser Arbeit ist zu ermitteln, welche (Mindest-) An-forderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung zu stellen sind. Trotz grundsätzlicher Vertragsfreiheit und fehlender gesetzlicher Regelungen zur kalten Zwangsverwaltung sind nämlich ← 4 | 5 → bestimmte gesetzliche Vorgaben für eine zulässige Verwertungsvereinbarung zu beachten, wie noch zu zeigen sein wird.

Nicht Gegenstand dieser Arbeit sind hingegen steuerrechtliche Fragen.20 Des Weiteren behandelt diese Arbeit nicht die Frage, ob eine kalte Zwangsverwaltung bereits mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter möglich ist.21 Darüber hinaus werden etwaige Besonderheiten im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens nicht erörtert. Die vorliegende Arbeit geht vielmehr davon aus, dass die kalte Zwangsverwaltung im Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens vereinbart wird.

Für eine umfassende Analyse und Bewertung der kalten Zwangsverwaltung ist es zunächst erforderlich, die Gründe dafür zu verstehen, weshalb sich das Rechtsinstitut der kalten Zwangsverwaltung in der Rechtspraxis überhaupt entwickelt hat. Kapitel 1 setzt sich daher mit der bestehenden Gesetzes- und Rechtslage im Hinblick auf Befriedigungs- und Verwertungsmöglichkeiten auseinander. Zunächst werden die gesetzlich geregelten Befriedigungsmöglichkeiten eines Grundpfandrechtsgläubigers dargestellt. Hierbei ist insbesondere auf die Möglichkeit einer gerichtlich angeordneten Zwangsverwaltung einzugehen, da sich die kalte Zwangsverwaltung als Alternative hierzu entwickelt hat. Auch ist die Frage zu klären, ob Grundpfandrechtsgläubiger auch noch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf die Mietforderungen im Wege der Forderungspfändung zugreifen können. Sodann werden die gesetzlich geregelten und mittlerweile anerkannten Verwertungsmöglichkeiten eines Insolvenzverwalters in der gebotenen Kürze dargestellt.

In Kapitel 2 geht diese Arbeit zunächst auf die Grundlagen und Voraussetzungen einer kalten Zwangsverwaltung ein. Es ist zu klären, was genau unter einer kalten Zwangsverwaltung zu verstehen ist und warum diese Situation überhaupt als kalte Zwangsverwaltung bezeichnet wird. Des Weiteren ist zu untersuchen, ob und falls ja, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Verwertungsvereinbarung rechtlich zulässig ist und welche Mitwirkungserfordernisse gegebenenfalls bestehen.

Kapitel 3 widmet sich sodann ausführlich der inhaltlichen Ausgestaltung einer derartigen Verwertungsvereinbarung. Neben der Frage, wer überhaupt an ← 5 | 6 → einer kalten Zwangsverwaltung zu beteiligen ist, ist zu klären, welche Regelungen zwingend in die Verwertungsvereinbarung aufzunehmen sind und welche hingegen von den Parteien nicht vertraglich vereinbart werden können. Besonderes Augenmerk legt die vorliegende Arbeit hierbei auf den Einzug und die Verwendung von Mietforderungen im Rahmen der kalten Zwangsverwaltung.

In Kapitel 4 werden sodann Gründe aufgezeigt, die von vornherein gegen den Abschluss einer derartigen Verwertungsvereinbarung sprechen.

Mittels einer Gegenüberstellung von gerichtlicher Zwangsverwaltung einerseits und kalter Zwangsverwaltung andererseits werden in Kapitel 5 schließlich die wesentlichen Vor- und Nachteile des jeweiligen Rechtsinstituts beleuchtet und gegeneinander abgewogen.

Abschließend wird in Kapitel 6 ein kurzes Gesamtfazit dieser Arbeit gezogen und ein Ausblick auf etwaige gesetzliche Regelungserfordernisse gegeben.


1 Baur/ Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl., 2009, § 36 Rdnr. 8; Eickmann, ZfIR 1999, 81 (81); Federlin, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, 12. Teil Rdnr. 12.321; Josten, Kreditvertragsrecht, 2012, 5. Teil § 30 Rdnr. 646; Keller, ZfIR 2002, 861 (862); Lausberg, Das Immobilienmarktrisiko deutscher Banken, 2001, S. 59; von Heymann/ Merz, in: Schimansky/ Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011, § 86 Rdnr. 3. Kritisch zur Immobilie als Sicherheit hingegen Pape, AnwBl 2008, 494 (495 f.).

2 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Wohnungs- und Immobilienmärkte in Deutschland 2011, Kurzfassung, S. 5 f. (abrufbar unter http://www.bbr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/AnalysenKompakt/2012/DL_1_2012.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Abruf v. 14.05.2016); Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt entwicklung, Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland, 1. Aufl., 2013, S. 16 f. (abrufbar unter www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/wohnungs_immobilienwirtschaft_d_broschuere_bf.pdf, Abruf v. 14.05.2016).

3 Bundesministerium der Justiz, Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Vorb. zu den Leitsätzen unter 3.5, S. 333; Josten, Kreditvertragsrecht, 2012, 5. Teil § 30 Rdnr. 646; Weber, Grundstücksrecht, 4. Aufl., 2015, § 13 Rdnr. 1, § 15 Rdnr. 1.

4 Baur/ Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl., 2009, § 45 Rdnr. 4; Federlin, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, 12. Teil Rdnr. 12.334; Ganter, in: Schimansky/ Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band 2, 4. Aufl., 2011, § 94 Rdnr. 1 f.; Josten, Kreditvertragsrecht, 2012, 5. Teil § 30 Rdnr. 645.

5 Eickmann, ZfIR 1999, 81 (81); Josten, Kreditvertragsrecht, 2012, 5. Teil § 30 Rdnr. 646; Keller, ZfIR 2002, 861 (862); Lausberg, Das Immobilienmarktrisiko deutscher Banken, 2001, S. 62; Tetzlaff, ZInsO 2004, 521 (521); Vieweg/ Werner, Sachenrecht, 7. Aufl., 2015, § 15 Rdnr. 2; Weber, Grundstücksrecht, 4. Aufl., 2015, § 13 Rdnr. 1, § 15 Rdnr. 1; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Buch 3, 2015, Einl. zu § 1113 ff. Rdnr. 15. Siehe hierzu auch die Statistik der Deutschen Bundesbank, Stand 15.02.2016 (abrufbar unter www.bundesbank.de -> Statistiken -> Banken und andere finanzielle Institute -> Banken -> Kreditnehmerstatistik -> Tabellen -> Nr. 06 Kredite der Banken (MFIs) in Deutschland an inländische Unternehmen und Privatpersonen, Wohnungsbaukredite, Wirtschaftsbereiche, Abruf v. 14.05.2016). Kritisch zur Grundschuld als Sicherungsmittel aufgrund der zunehmenden Praxis des Verkaufs von Krediten und Sicherheiten an private Aufkäufer hingegen Grziwotz, AnwBl 2008, 501 (503).

6 Diese Arbeit verwendet einheitlich die Terminologie der InsO, auch wenn die Entscheidungen noch zur KO ergangen sind. Hiervon ausgenommen sind Angaben nach der KO sowie wörtliche Zitate.

7 Für eine bessere Lesbarkeit verwendet diese Arbeit im Folgenden einheitlich nur die mietrechtliche Terminologie. Nach § 581 Abs. 2 BGB sind auf Pachtverträge ohnehin die mietrechtlichen Vorschriften der §§ 535 ff. BGB entsprechend anzuwenden, soweit die §§ 582–584b BGB keine hiervon abweichenden Regelungen enthalten.

8 Janca, InsbürO 2004, 377 (377).

9 Zur eindeutigen Abgrenzung vom Rechtsinstitut der kalten Zwangsverwaltung wird das gesetzlich geregelte Institut der Zwangsverwaltung in dieser Arbeit als „gerichtlich angeordnete Zwangsverwaltung“ bzw. als „gerichtliche Zwangsverwaltung“ bezeichnet.

10 Dörndorfer, in: Münchener Kommentar, ZPO, Band 2, 5. Aufl., 2016, § 866 Rdnr. 5.

11 Riedel, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Band 8, 21. Edition, 2016, § 866 Rdnr. 3.

12 Bork, ZIP 2013, 2129 (2132); Janca, InsbürO 2004, 377 (377); Keller, NZI 2013, 265 (267); Tetzlaff, ZfIR 2005, 179 (180); Wipperfürth, Das Grundstück in der Insolvenz, 1. Aufl., 2014, C. Rdnr. 663.

13 BGH, Beschl. v. 14.07.2016 – IX ZB 31/14 = WM 2016, 1543 (1544); Bork, ZIP 2013, 2129 (2132); Tetzlaff, ZInsO 2004, 521 (527).

14 BT-Drucks. 12/2443, S. 108 (zu § 1 InsO-E); Frege/ Keller/ Riedel, Insolvenzrecht, 8. Aufl., 2015, Teil 1 Kap. 1 Rdnr. 1; Ganter/ Lohmann, in: Münchener Kommentar, InsO, Band 1, 3. Aufl., 2013, § 1 Rdnr. 20; Janca, InsbürO 2004, 377 (377); Pape, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., 2015, § 1 Rdnr. 1; Ries, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., 2016, § 56 Rdnr. 23; Tetzlaff, ZfIR 2005, 179 (179); Wipperfürth, Das Grundstück in der Insolvenz, 1. Aufl., 2014, A. Rdnr. 38.

Details

Seiten
XLI, 211
Erscheinungsjahr
2017
ISBN (PDF)
9783631717202
ISBN (ePUB)
9783631717219
ISBN (MOBI)
9783631717226
ISBN (Hardcover)
9783631717196
DOI
10.3726/b10796
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Februar)
Schlagworte
freihändige Veräußerung Grundpfandrecht Absprachen
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. XLI, 211 S.

Biographische Angaben

Viviane Körner (Autor:in)

Viviane Körner studierte Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit einem insolvenzrechtlichen Schwerpunkt und wurde an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg promoviert.

Zurück

Titel: Die kalte Zwangsverwaltung