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Kurze Geschichte der Gegenwart

von Bertrand Michael Buchmann (Autor:in)
©2021 Monographie 202 Seiten

Zusammenfassung

Unsere Gegenwart ist eingebettet in Vergangenheit und Zukunft. Dem Leser wird hier eine Zusammenschau auf die sich ständig verändernden globalen Strukturen und Ereignisse geboten, jeweils mit einem Blick zurück auf die vergangenen Jahre und mit einem Blick nach vorne auf mögliche künftige Entwicklungen. Neben der Untersuchung von allgemeinen Weltproblemen wie Bevölkerungsexplosion, Klimawandel und Globalisierung wird der Fokus insbesondere auf die regionalen und überregionalen Machtzentren bzw. Krisenzentren gelegt und diese nach den Kriterien Politik,Wirtschaft und Gesellschaft untersucht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1 Die Drei Zeiten
  • 1.1 Die Gegenwart des Vergangenen
  • 1.2 Die Gegenwart des Gegenwärtigen
  • 1.3 Die Gegenwart des Zukünftigen
  • 2 Bevölkerung
  • 3 Migration
  • 4 Tragfähigkeit der Erde
  • 5 Naturkatastrophen
  • 6 Seuchen, Epidemien, Pandemien
  • 7 Menschenrechte
  • 8 Machtzentren – Krisenzentren
  • 8.1 USA
  • 8.1.1 Innere Angelegenheiten
  • 8.1.2 Der Nordatlantik-Pakt
  • 8.1.3 Die transatlantischen Beziehungen
  • 8.1.4 Terror und Kriege
  • 8.2 Volksrepublik China
  • 8.2.1 Ein Land, zwei Systeme
  • 8.2.2 Staatskapitalismus und Minderheitenrechte
  • 8.2.3 Machtwechsel – Kurswechsel
  • 8.3 Russische Föderation unter Präsident Putin
  • 8.3.1 Innere Stabilisierung
  • 8.3.2 Aggressive Außenpolitik
  • 8.4 Japan
  • 9 Regionale Player
  • 9.1 Indien
  • 9.2 Türkei
  • 9.2.1 Unruhige Innenpolitik
  • 9.2.2 Erdoğans Machtantritt
  • 9.2.3 Ein neues Osmanisches Reich?
  • 9.3 Saudi-Arabien
  • 9.4 Iran
  • 10 Arabien
  • 10.1 Der gestohlene Arabische Frühling
  • 10.2 Tunesien
  • 10.3 Ägypten
  • 10.4 Libyen
  • 10.5 Irak
  • 10.6 Syrien
  • 10.7 Libanon
  • 10.8 Vereinigte Arabische Emirate (VAE)
  • 10.9 Katar
  • 10.10 Der sogenannte Islamische Staat (IS)
  • 11 Afrika
  • 11.1 Afrikanische Friedensbringer – afrikanische Kriegstreiber
  • 11.1.1 Afrikanische Nobelpreisträger
  • 11.1.2 Afrikanische Kriegsverbrecher
  • 12 Krisenzonen in Lateinamerika
  • 12.1 Brasilien
  • 12.2 Argentinien
  • 12.3 Venezuela
  • 12.4 Bolivien
  • 12.5 Kolumbien
  • 12.6 Kuba
  • 13 Im Osten Nichts Neues: Asien
  • 13.1 Bangladesh
  • 13.2 Myanmar
  • 13.3 Thailand
  • 13.4 Vietnam
  • 13.5 Kambodscha
  • 13.6 Philippinen
  • 13.7 Indonesien
  • 14 Globalisierung
  • 15 Europäische Union
  • 16 Das Ende einer Epoche: Die Corona-Pandemie des Jahres 2020
  • 16.1 Pandemie 1. Welle
  • 16.2 Corona-Pandemie 2. Welle
  • Nachwort
  • Abkürzungen

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Vorwort

Geschichte und Gegenwart schließen einander nur scheinbar aus. Denn in Wahrheit sind wir unmittelbare Zeitzeugen von dem, was später einmal als Vergangenheit gedacht werden wird. Wenn jedes „Vorher“ zugleich ein „Nachher“ ist, so stehen wir genau dazwischen, wir erleben das Aktuelle, erinnern uns an das kurz Vorangegangene und erwarten angstvoll, gleichmütig oder hoffnungsfroh das Zukünftige. Wir stehen also in der Mitte, wir, die Zeitgenossen des Jahres 2020. Wir sehen, dass mit der Corona-Pandemie ein Zeitalter zu Ende geht und vermuten, dass danach nichts mehr so sein wird wie zuvor.

Zeiten dramatischer Umbrüche gab es immer, auch die Gegenwart bleibt von ihnen nicht verschont. Wir verfolgen gespannt, wie autoritäre Staatschefs in China und Russland oder, eine Ebene tiefer, in der Türkei und anderswo versuchen, auf aggressive Weise in ihrem Umkreis eine antiliberale Weltordnung zu verwirklichen. Wir leiden darunter, dass die Europäische Union durch den Brexit geschwächt wurde und sind entsetzt, dass das Abendland durch eine beispiellose Gewaltwelle des islamistischen Terrors in seinen Grundfesten erschüttert wird. Ungläubig müssen wir erkennen, dass zwischen China und den USA ein neuer Kalter Krieg ausgebrochen ist und dass zwischen den USA und Europa das transatlantische Einvernehmen empfindlich gestört wurde. Zuletzt sahen wir voll bangen Interesses auf die Neuwahlen in den Vereinigten Staaten und stellen uns die Frage, welche Weichenstellungen der künftige Präsident vornehmen wird.

Die vorliegende Abhandlung soll wichtige Ereignisse, Strömungen und Tendenzen der letzten Jahre bis zum Ende des Jahres 2020 einfangen. Sie bietet in den ersten Abschnitten die Zusammenschau von allgemeinen Themen, soweit sie in der heutigen Zeit aktuell sind; dazu gehören Anmerkungen zur Bevölkerungsentwicklung, zur Klimaveränderung, zu den Naturkatastrophen oder auch zu den Menschenrechten. In den folgenden Kapiteln werden Supermächte, Regionalmächte sowie groß- und kleinräumige Probleme vom gegenwärtigen Standpunkt aus beleuchtet. Dies bedeutet keine allumfassende, sämtliche Länder der Erde berücksichtigende Schau der Dinge, sondern eine kleine Auswahl jener Staaten und Zonen, deren Entwicklung in jüngster Zeit schlagzeilenverdächtig war und die – nach Meinung des Autors – zum Verständnis des heutigen Geschehens relevant sind. Die letzten Abschnitte beschreiben die Phänomene Globalisierung, Europäische Union und, zum Abschluss, die ←9 | 10→Corona-Pandemie. Bei ihr ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn mit Ende des Jahres 2020 bricht diese Untersuchung ab.

Genauere Informationen über Staaten und Räume, welche in die weiter zurückliegende Vergangenheit reichen, erhält der Leser im 2014 erschienenen Buch des gleichnamigen Autors: „Weltpolitik seit 1945“. Da sich die unmittelbar erfolgten Ereignisse noch nicht in der einschlägigen Literatur wiederfinden, war der Verfasser auf Medienberichte aus Rundfunk und Tageszeitungen angewiesen. Daneben waren sehr hilfreich die von 1962 bis 2019 jährlich erschienenen Bände des „Fischer Weltalmanach“. Seine Fortsetzung übernahm „Der neue Kosmos Welt-Almanach & Atlas 2021“. Ebenso informativ sind die seit 1970 in Meyers Lexikonverlag herausgegebenen Jahresübersichten „Harenberg Aktuell“. Jahresinformationen für die Zeit von 1962 bis 2000 kann man dem „Meyers Jahreslexikon. Was war wichtig?“ entnehmen. Ab 2001 kann man auch das vom „Spiegel“ herausgegebene „dtv Jahrbuch“ benützen. Andere Informationen, die nicht diesen angegebenen Quellen entnommenen worden sind, werden in Fußnoten angeführt.

Die Weltsicht des Verfassers entspricht jener eines Mitteleuropäers, der in Freiheit und Demokratie aufgewachsen ist und den alle Entwicklungen, die von diesen abendländischen Werten abweichen, mit tiefem Unbehagen erfüllen. Aber er will keinesfalls richten, sondern lediglich informieren und zeigen, wie Politiker in anderen Regionen handeln und was die Menschen in anderen Regionen erleben und erleiden. Aus dem Blickwinkel der EU-Wohlstandszone erscheint vieles unverständlich, unlogisch und bisweilen menschenverachtend; aber wir müssen eben hinnehmen, dass der Mensch nicht immer „edel, hilfreich und gut“ ist.

Bertrand Michael Buchmann Wien, 31. Dezember 2020.

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1 Die Drei Zeiten

Es gibt drei Zeiten: Gegenwart des Vergangenen, Gegenwart des Gegenwärtigen und Gegenwart des Zukünftigen.

Diese durchaus modern anmutende Einteilung prägte der Kirchenvater Aurelius Augustinus (354–430), Bischof von Hippo Regius (heute Tunesien). Seine bischöfliche Wirksamkeit erstreckte sich nicht allein auf die nordafrikanische, sondern letztlich auf die gesamte abendländische Kirche. In seinem Werk: „De civitate Dei“ (Vom Gottesstaat, 426–431 verfasst)1 verteidigt er das Christentum gegen den Vorwurf, dass der Niedergang des Römischen Reiches eine Rache der heidnischen Götter wäre. Dagegen wies er nach, dass es häufig dem Schicksal großer Staaten entspräche, sich von kleinem Ursprung zur Großmacht hinaufzuarbeiten und dann nach quälendem Abstieg und Verfall im Nichts zu enden. Beispiele dazu gibt es tatsächlich eine ganze Reihe aus der Antike, aus dem Mittelalter und aus der Neuzeit. Des Kirchenvaters geschichtsphilosophischer Ansatz sieht den Ablauf der Menschheitsentwicklung als einen sich zunehmend verschärfenden Kampf zwischen den beiden ineinander verflochtenen Reichen „civitas Dei“ (Gemeinschaft der Erwählten) und „civitas terrena“ (irdische Bürgerschaft der Selbstliebe) vor. Das Endziel der Geschichte wäre die Trennung der beiden Reiche im Jüngsten Gericht Gottes. Hier irrt Augustinus allerdings, ebenso wie alle nachfolgenden Geschichtsphilosophen bis hin zu Georg Friedrich Hegel (1770–1831)2 und Karl Marx (1818–1883)3: Denn es gibt kein Endziel der Geschichte, die Geschichte ist nach oben zu offen, und wir können deren künftigen Ablauf nicht vorhersehen. Solches bleibt den Astrologen vorbehalten.

Das Geschichtsverständnis Augustinus’ entspricht durchaus auch heutigen Vorstellungen, da er die Annahme ablehnt, dass sich Geschichte wiederhole. Er wandte sich dabei gegen die von Polybios aus Megalopolis (ca. 200 – ca. 120 v. Chr.) tradierte Auffassung vom zyklischen Ablauf der Verfassungen und meinte wörtlich: „Vom rechten Glauben weit entfernt wäre es, wenn wir […] ←11 | 12→an Kreisläufe dächten, in denen sich angeblich der gleiche Inhalt der Zeiten und der zeitlichen Geschehnisse wiederhole. […] Denn nur einmal ist Christus gestorben für unsere Sünden; auferstanden von den Toten aber stirbt er nicht noch einmal, und der Tod wird nicht mehr über ihn herrschen.“ Zwar lesen wir oft, dass sich die Geschichte wiederholt, aber das behaupten nur Nichthistoriker.4 Denn Geschichte wiederholt sich nicht, lediglich bestimmte Erscheinungen wie Staatsgründung, Krieg, Handel, Wirtschaftsaufschwung usw. tauchen immer wieder auf, aber jedes Mal unter gänzlich anderen Voraussetzungen, Begleiterscheinungen und individuellen Erlebnissen. Selbst tatsächlich als Zyklen festzumachende Begebenheiten wie das Auf und Ab von wirtschaftlichen Konjunkturen oder die 14 russisch-türkischen Kriege im 18. und 19. Jahrhundert verlaufen bei genauerer Betrachtung völlig unterschiedlich. Und sie sind keinesfalls gesetzmäßig. Gemäß dem austro-britischen Wissenschaftstheoretiker und Philosophen Sir Karl Popper (1902–1994) müssen Gesetze oder Theorien durch mehrere Widerlegungsversuche „falsifiziert“ werden, um Bestand zu haben;5 aber dies ist für die Geschichte unmöglich, denn es lassen sich keine Experimente mit Akteuren der Vergangenheit durchführen. Wir können also nicht von gesetzlichen Abläufen, sondern bestenfalls von analogen Entwicklungen sprechen, aber auch das nur mit Vorsicht. Gewiss sind Vergleiche als historische Methode notwendig und angebracht, aber sie dienen vor allem der Herausarbeitung von Kontrasten und Widersprüchen. Wenn beispielsweise Napoleons Scheitern vor Moskau 1812 mit Hitlers Scheitern vor Moskau 1941 verglichen werden soll, so lassen sich nur sehr oberflächliche Gemeinsamkeiten wie Ort des Geschehens und Winterkälte herausfinden, während bei näherer Betrachtung ganz andere Umstände und Ergebnisse offenbar werden. Geschichte wiederholt sich nicht. Man kann auch nicht vom Untergang des Römischen Reiches auf einen nahe bevorstehenden „Untergang des Abendlandes“ schließen, wie dies der Kulturphilosoph Oswald Spengler (1880–1936) nachzuweisen versuchte6 – und dabei grandios irrte. Hoffentlich jedenfalls.

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1.1 Die Gegenwart des Vergangenen

Die Vergangenheit macht ihren Einfluss auf uns geltend. Vordergründig durch Zeugnisse aus früheren Tagen wie Bauten, Schriften, Ortsbilder, Münzen, Gräber etc., aus denen der Historiker sein Geschichtsbild konstruiert – konstruiert, nicht rekonstruiert, denn rekonstruieren lässt sich die Vergangenheit nicht, sie lässt sich nur so erzählen, wie sie der Geschichtsforscher meint, erzählen zu dürfen. Denn er hat keinen Zugang zur objektiven Wahrheit, die es zwar gibt, die aber nur aus der Gesamtheit aller Erscheinungen besteht. Schon Hegel hat erkannt, dass das Wahre das Ganze ist.7 Aber das Ganze ist für einen Menschen niemals erfassbar. In diesem Sinne hat Heinz von Foerster (1911–2002) sein Buch betitelt: „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“.8

Details

Seiten
202
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631861172
ISBN (ePUB)
9783631861189
ISBN (Paperback)
9783631861165
DOI
10.3726/b19081
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (September)
Schlagworte
Europäische Union Afrikanische Union Transatlantische Beziehungen Südasien Ostasien Lateinamerika Weltbevölkerung Arabische Union Klimawandel Naturkatastrophen COVID-19
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 202 S.

Biographische Angaben

Bertrand Michael Buchmann (Autor:in)

Bertrand Michael Buchmann studierte Geschichte und Geographie. Anschließend war er als Gymnasiallehrer tätig und habilitierte an der Universität Wien. Seither ist er daselbst am Institut für Geschichte in Forschung und Lehre tätig. Er gewann den Hauptpreis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und veröffentlichte zahlreiche Werke zur österreichischen und europäischen Geschichte. Er ist selbst Herausgeber der im Peter Lang-Verlag erscheinenden Buchreihe «Beiträge zur Neueren Geschichte Österreichs».

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