Die Enteignung von «Nazi- und Kriegsverbrechern» im Land Brandenburg
Eine verwaltungsgeschichtliche Studie zu den SMAD-Befehlen Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 bzw. Nr. 64 vom 17. April 1948
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- I. Einleitung
- II. Politische und wirtschaftliche Situation in der Provinz Mark Brandenburg 1945
- III. Enteignung der Vermögen der “Nazi- und Kriegsverbrecher”
- 1. Beschlagnahme von Vermögenswerten in der Provinz Mark Brandenburg
- 2. Übergabe des sequestrierten Vermögens an deutsche Selbstverwaltungsorgane
- 2.1. Zentrale Deutsche Kommission für Sequestrierung und Beschlagnahme
- 2.2. SMAD-Befehl Nr. 154/181 vom 21. Mai 1946
- 2.3. SMA-Befehl Nr. 177/183 vom 5. August 1946
- 2.4. Provinzialkommission für Seqestrierung und Beschlagnahme Brandenburg
- 3. Abschluß der Sequestration und Beschlagnahme/Beschluß der Enteignung bzw. Rückgabe der Vermögen
- IV. Überführung der enteigneten Vermögenswerte in Volkseigentum
- 1. Bildung des Amtes zum Schutze des Volkseigentums bei der DWK
- 2. Amt zum Schutze des Volkseigentums des Landes Brandenburg
- 2.1. Struktur und Aufgaben des Amtes zum Schutze des Volkseigentums
- 2.2. Tätigkeit des Amtes zum Schutze des Volkseigentums
- 2.2.1. Verwertung des betrieblichen Vermögens
- 2.2.2. Verwertung des sonstigen Vermögens
- V. Zusammenfassung
- VI. Edition ausgewählter Quellen
- VII. Anhang
- 1. Struktur-und Geschäftsverteilungspläne
- 2. Quellen-und Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- Reihenübersicht
Vorwort
Die alliierte Kriegskoalition, die sich 1941 gegen den Expansionismus Hitlers gebildet hatte, wurde jahrelang durch das wichtigste Kriegsziel, die vollständige militärische Niederwerfung des nationalsozialistischen Deutschlands, zusammengehalten. Die Vorstellungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens einerseits, der Sowjetunion andererseits über die politische Behandlung Deutschlands nach seiner bedingungslosen Kapitulation gingen freilich von Anfang an auseinander. Die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vom Sommer 1945 schienen zwar noch einmal ihr Einvernehmen zu dokumentieren, aber dem scharfen Beobachter entging schon damals nicht, daß Westalliierte und Sowjets dieselbe Begrifflichkeit unterschiedlich auslegten und mit “Demokratie” und “Demokratisierung” einander konträr entgegenstehende Inhalte verbanden. Letztlich bauten beide Seiten in ihren jeweiligen Besatzungszonen die politische und gesellschaftliche Ordnung nach den Prinzipien auf, nach denen sie sich in ihren eigenen Heimatländern richteten. Die Westmächte führten unter Aufrechterhaltung des privatwirtschaftlichen Kapitalismus eine parlamentarische Demokratie ein, die 1949 ihre verfassungspolitische Formulierung im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fand. Die Sowjets lenkten die Entwicklung nach dem staats- und gesellschaftspolitischen Muster der Sowjetunion, so daß schließlich die Deutsche Demokratische Republik durch die Einparteienherrschaft der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands sowie durch die Zurückdrängung und Beseitigung des Privateigentums und der Privatwirtschaft zugunsten des “Volkseigentums” und der Staatswirtschaft gekennzeichnet war.
Der gesellschaftliche Umbruch, der sich in der SBZ und in der DDR nach 1945 vollzogen hat, verdient die größte Aufmerksamkeit der historischen Wissenschaften. Denn mit einer Radikalität, wie sie Deutschland vorher nicht gekannt hatte, wurde der Vorgefundenen Ordnung ein Gesellschaftsmodell, das kommunistische in seiner sowjetischen Ausprägung, durch die Befehlsgewalt der Besatzungsmacht und der mit ihr verbündeten Partei übergestülpt. Das politische, soziale, wirtschaftliche und geistige Leben wurde in einer revolutionär zu wertenden Umwälzung schrittweise, nicht ohne Krisen und Erschütterungen, der Alleinherrschaft der SED und ihren Vorstellungen von einer “sozialistischen Gesellschaft” unterworfen. Die seit 1990 geöffneten Bestände in den Archiven der ehemaligen DDR haben die Forschungen, die vorher diesen Vorgängen nachgegangen, aber in ihren Erkenntnismöglichkeiten auf öffentlich zugängliche Dokumente spürbar eingeengt waren, auf eine ganz neue Grundlage gestellt.
In diesen skizzenhaft angedeuteten Rahmen fügt sich die Arbeit von Torsten Hartisch ein, indem sie einen kleinen, aber bedeutsamen Ausschnitt aus dem ←7 | 8→Umwälzungsprozeß behandelt. Unter intensiver Auswertung der Quellen, vor allem im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam, daneben im Bundesarchiv in Berlin, schildert sie für einen Einzelbereich die Umgestaltung der Eigentums- und Vermögensverhältnisse im Land Brandenburg, beschreibt sie einen der Besitzkomplexe, aus denen “Volkseigentum” entstand. Ihr Ausgangspunkt ist der Befehl Nr. 124 der Sowjetischen Mihtäradministration in Deutschland vom 30. Oktober 1945, der die Beschlagnahme des Eigentums von “Nazi- und Kriegsverbrechern” anordnete, einer der maßgeblichen Befehle, durch die die Änderung der Rechts- und Sozialordnung in die Wege geleitet wurde.
Der Verfasser hat seine Untersuchung als verwaltungsgeschichtliche Studie angelegt. Ihn bewegt vorrangig, wie die deutschen Selbstverwaltungsorgane auf den verschiedenen Verwaltungsebenen, insbesondere im Bereich der Landesregierung Brandenburg mit dem dort geschaffenen “Amt zum Schutze des Volkseigentums des Landes Brandenburg”, die Vorgaben des SMAD-Befehls bürokratisch umsetzten. Ausführlich beleuchtet er die grundsätzlichen Debatten in der brandenburgischen Regierung, die sich um die Überführung der enteigneten Vermögenswerte in “Volkseigentum” drehten, und die dabei aufgetretenen Konflikte. Der quantitative Umfang der derartigen Enteignungen wird präzise herausgearbeitet, ebenso wie manche Fragwürdigkeiten in der Entscheidungsfindung. Zur Ergänzung der hier vorgelegten Forschungsergebnisse wäre für die Zukunft eine Untersuchung wünschenswert, die systematisch und umfassend die Vielzahl der überlieferten Einzelfalle auswertet. Aus ihnen wird näher ersichtlich, wie mit dem zentralen Terminus der “Nazi- und Kriegsverbrecher” zweckbestimmt operiert wurde.
Die Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone nach 1945 sind seit der Wiedervereinigung Deutschlands nicht nur ein herausragendes geschichtswissenschaftliches, sondern auch ein brennendes politisches Thema, da der Einigungsvertrag und die ihm nachfolgenden Gesetze und Verordnungen die Überprüfüng und Neuregelung der damaligen Festlegungen vorgeschrieben haben. Es ist zu hoffen, daß die Untersuchung von Torsten Hartisch mit ihren Erkenntnissen zu einem tieferen Verständnis der Verwaltungsabläufe der Nachkriegszeit beiträgt und damit sowohl der historischen Forschung dient als auch der sachgerechten Bearbeitung der “offenen Vermögensfragen” und der Urteilsbildung der interessierten und zuständigen Personen und Instanzen eine geeignete Hilfestellung leistet.
Potsdam, im Juli 1998
Dr. Klaus Neitmann
Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs
I. Einleitung
Die Verabschiedung des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 23. September 19901 brachte den Archiven und da vor allem den Staats-, Landeshaupt- bzw. Hauptstaatsarchiven in den neuen Bundesländern eine Anfragenflut mit Ersuchen nach Bereitstellung von Unterlagen zur Klärung der Eigentumsfragen.2 Aufgrund von § 27 des Gesetzes sind alle Behörden und somit auch die Archive zur unentgeltlichen Amts- und Rechtshilfe verpflichtet. Obwohl sich der Geltungsbereich des Gesetzes nicht auf Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage3 erstreckt, werden von den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen4 die Dokumente über die Enteignungen angefordert, um einen Positiv- bzw. Negativbescheid für die Antragsteller anfertigen zu können. Außerdem werden die Unterlagen für eventuelle Entschädigungszahlungen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz5 benötigt. Dieses billigt den Antragsberechtigten eine Entschädigungszahlung zu, die abhängig vom Wert des enteigneten Vermögens erfolgt. Da viele Berechtigte über keine Papiere mehr verfügen, z.T. die Erben der ehemals Enteigneten die heutigen Antragsteller sind und die wenigsten Kenntnisse über die Abläufe des Enteignungsprozesses besitzen, müssen von den Archivaren vor allem bei Privatpersonen, aber auch bei den anfragenden Ämtern häufig Erläuterungen zu den vorliegenden Unterlagen gegeben und die Auslegung der damaligen Befehle der Besatzungsmacht bzw. der Gesetze und Verordnungen der deutschen Behörden erläutert werden.
Die für den Nachweis der Enteignung einschlägigen Unterlagen spielten bis 1990 für die Arbeit in den Archiven kaum eine Rolle. Dies hatte zur Folge, daß sich nach der Wende die Archivare mit den SMAD-Befehlen, Gesetzen und Durchführungsbestimmungen und nicht zuletzt mit dem Aufbau und der Arbeit der Behörden, die entscheidend bei der Durchführung der Enteignungen mitgewirkt haben, ←9 | 10→wie z.B. das Amt zum Schutze des Volkseigentums im Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, beschäftigen mußten.
Bei der Recherche nach Literatur über die Arbeit dieser Behörden bzw. Literatur über den Ablauf der Enteignungen mußte der Verfasser feststellen, daß großer Nachholebedarf auf diesem Gebiet herrscht. Neben der ideologischen Überfrachtung einiger Ausarbeitungen6 zu den Enteignungen ist zu bemerken, daß kaum tiefgreifend in die Verwaltungsabläufe mit all ihren Widersprüchen und Unzulänglichkeiten eingegangen wurde. Eine Ausnahme bildet eine Untersuchung über das Amt zum Schutze des Volkseigentums des Landes Brandenburg aus dem Jahre 1966, die dessen Arbeit von seiner Gründung 1948 bis zu seiner Auflösung 1952 erläutert.7 Die Autorin stellte in ihrem Vorwort fest, daß ihr aus Zeitgründen die Heranziehung aller einschlägiger Bestände, z.B. auf zentraler Ebene der Bestand der Zentralen Deutschen Kommission für Sequestrierung und Beschlagnahme, nicht möglich war. Sie räumt ein, daß die Darstellung nicht lückenlos ist. Außerdem wird der Zeitraum 1945-1948 sehr kurz abgehandelt. Andere Studien zu den Enteignungen behandeln die übrigen Länder und Provinzen der SBZ bzw. die Stadt Berlin.8 In ihnen wird zuweilen auf die Problematik in Brandenburg eingegangen, v.a. wenn Unterschiede in den Verfahrenswegen aufgezeigt werden sollen, aber sie geben natürlich kein geschlossenes Bild über die Abläufe in Brandenburg.
Die vorliegende Arbeit möchte den Verlauf der Enteignungen nach dem SMAD- Befehl Nr. 124 im Land Brandenburg bis zur Überführung der Vermögenswerte in Volkseigentum in den Jahren 1949-1950 darlegen. Dabei wird vor allem auf die verwaltungsmäßigen Abläufe in den brandenburgischen Behörden eingegangen, die mit dieser Aufgabe von der sowjetischen Besatzungsmacht beauftragt wurden. Es soll versucht werden, folgende Fragen zu klären: Auf welchen gesetzlichen Grundlagen wurden die Enteignungen durchgeführt? Warum brauchte es von der Beschlagnahme in den Jahren 1945-1946 bis zur endgültigen Feststellung der Enteignung fast drei Jahre? Welche Behörden waren mit der Durchführung dieser ←10 | 11→Arbeiten beauftragt? Wie arbeiteten diese Behörden, und hatten sie, da von Anfang an in die Durchführung der Befehle eingebunden, Spielräume gegenüber der Besatzungsmacht? Nutzten sie diese? Wie sahen die Ergebnisse ihrer Arbeit aus?
Details
- Seiten
- 136
- Erscheinungsjahr
- 1999
- ISBN (PDF)
- 9783631872499
- ISBN (ePUB)
- 9783631872574
- ISBN (Paperback)
- 9783631330623
- DOI
- 10.3726/b19385
- DOI
- 10.3726/b19232
- Open Access
- CC-BY-NC-ND
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2021 (November)
- Erschienen
- Frankfurt/M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien, 1998. 136 S.