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PLATEFORM 10

Ein Blick durch die Linse der Szenografie

von Bianca Matzek (Autor:in)
©2022 Dissertation 88 Seiten

Zusammenfassung

Am Beispiel von PLATEFORME 10, dem neuen Kunstbezirk von Lausanne, wurde die Rolle der Szenografie exemplarisch im Blick auf analoge und virtuelle Umsetzungspraktiken untersucht. Ziel der Studie ist es, anhand des Fallbeispiels PLATEFORME 10 Möglichkeiten für eine aktuelle, virtuell erweiterte Ausstellungsarchitektur aufzuzeigen. Dabei wird ein erster Ansatz einer Antwort auf die Frage gefunden, wie das virtuelle Museum der Zukunft aussehen kann. Es werden neue Wege und Werkzeuge in der Vernetzung der einzelnen Gestaltungsdisziplinen sowie die Umsetzung szenografischer Konzepte anhand der Parameter Inhalt, Objekt, Raum, Rezipient und Dramaturgie aufgezeigt. Indem die Dinge selbst zum Sprechen gebracht werden, wird ein Prozess in Gang gesetzt, der das Nicht-Ausstellbare ausstellt und das Nicht-Sichtbare sichtbar macht. Dabei verdichten sich zukünftig die architektonischen Dimensionen Objekt und Raum immer stärker. Sie werden vor dem Hintergrund der Manipulation der Zeit neu von (aktiven) Rezipienten erlebbar.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Gliederung
  • Glossar
  • Prolog
  • Einleitung
  • Thema
  • Fragestellung & These
  • Forschungsstand & Korpus
  • Methode & Gliederung
  • Ziel & Motivation
  • 1 Szenografie Rückblick & Ausblick
  • 1.1 Ursprünge der Szenografie im Theater
  • 1.2 Weltausstellungen, Themenparks, Erlebniswelten
  • 1.3 Trends: Szenografie und Design
  • 2 Analoge Szenografie & Sammlung
  • 2.1 Geschichte des mudac & Stellenwert der ‹extraordinären› Sammlung
  • 2.2 Die Sammlung im Lockdown – von Zimmer zu Zimmer
  • 2.3 Das Konzept der Ausstellung «Extraordinaire!»
  • 3 Mediale szenografische Strategien: Projekt Mapping – Crossmedia – Interaktion
  • 3.1 Mediale szenografische Strategien
  • 3.1.1 Project Mapping
  • 3.1.2 Interaktion
  • 3.1.3 Crossmedia
  • 3.2 Drei Pilotprojekte auf PLATEFORME
  • 3.2.1 Projekt 1: Lumina, Chrom, Daten
  • 3.2.2 Projekt 2: Interaktive Repliken
  • 3.2.3 Projekt 3: «Arche Vandoise»
  • 4 Ausblick & Reflexion
  • 4.1 Virtuelle Sammlungen zwischen Experiment & Standardisierung
  • 4.1.1 Digitaler Content & Digitales Exponat
  • 4.1.2 Virtueller Raum & Denkraum
  • 4.1.3 Teilhabe & Kommunikation
  • 4.2 Schlussfolgerungen
  • Annex
  • Literaturverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • GesprächspartnerInnen
  • Danksagung

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Glossar

Diese kleine Sammlung von Begrifflichkeiten hat sich während meiner Forschungsund Schreibphase als heuristisch besonders wertvoll herausgebildet und steckt mein persönliches Spielfeld ab. Die Begriffe treten immer wieder untereinander ins Gespräch und beleuchten sich und die infrage stehenden Sachverhalte wechselseitig.

Die ausführlichen Quellenangaben der verwendeten Literatur finden sich im Literaturverzeichnis.

Aktiver Rezipient Dieser Begriff von Paul Felix Lazarsfeld stammt ursprünglich aus der Medienwirkungsforschung. Der «aktive Rezipient» ist den Medieninhalten nicht ohnmächtig ausgeliefert, sondern wählt aus, was er rezipiert, und bestimmt selbst, welchen Nutzen es für ihn hat und wie er das Wahrgenommene in sein Selbstund Weltverständnis integriert. Über sein aktives Handeln, individuelle Sichtweisen und Eindrücke schafft er somit veränderte Rezeptionsbedingungen.1
Collection Die Sammlungen «realer» Museen bestehen aus Dingen, physisch den Raum beanspruchenden Artefakten. Dinge können jedoch zugleich als Zeichen «gelesen» werden, sie können Träger von Informationen in allgemein verständlicher Kodierung sein. Fokussiert man auf diese Informationsdimension, so entzieht sich zwar die physische Dimension der Virtualisierung, die Informationsdimension ist jedoch digitalisierbar und in den virtuellen Raum des Internets übertragbar.2
Content «Inhalt» – hier das Narrativ der Sammlung, welches durch seine Erzählund Kommunikationstechnik (Storytelling) den Rezipienten aktiv, interaktiv oder reaktiv in die Geschichte der Sammlung einbinden kann.3
Digitalifakte Mit diesem Begriff bezeichnet Werner Schweibenz die digitalen Objekte des Museums.4 Digitalen Objekten kann man eine eigene Wirkkraft auf die Erfahrungen des virtuellen Museumspublikums zuschreiben, wobei der erste Eindruck aus der Begegnung mit dem digitalen Objekt prägend sein kann. Die ständig zunehmende Verfügbarkeit und Verbreitung digitaler Museumsinformationen über das Internet hat Auswirkungen auf die Rezeption der Exponate.
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Dramaturgie gr. dramatourgia ist die Lehre von der äusseren Bauform und den Gesetzmässigkeiten der inneren Struktur des Dramas. Im inszenierten Raum geht es um die Kunst, Geschichten zu erzählen. Die entsprechende Dramaturgie «formt den räumlichen und zeitlichen Ablauf der Geschichte, die der Besucher selbstbestimmt abgehen und erleben kann, als seine eigene Version der Geschichte».5
Gesamtkunstwerk Ein in seiner Gesamtheit wie ein Kunstwerk wirkendes Ensemble, das verschiedene künstlerische Ausdrucksformen (Musik, Dichtung, Tanz, Architektur usw.) vereint und in dieser ästhetischen Einheit alle Sinne ansprechen möchte. Laut Odo Marquard hat das Gesamtkunstwerk eine «Tendenz zur Tilgung der Grenze zwischen ästhetischem Gebilde und der Realität».6 In neuerer Zeit überschneidet sich der Begriff Gesamtkunstwerk mit dem der (synthetischen) Intermedialität, worunter man das Verschmelzen verschiedener Mediengattungen zu einem «Intermedium» versteht.
Heteropie (aus gr. hetero, «anders», und topos, «Ort») ist ein von Michel Foucault geprägter Begriff für Räume beziehungsweise Orte, die übliche Normen nur ansatzweise befolgen oder aber ganz nach eigenen Vorgaben funktionieren. Es sind «wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten, und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können.».7
Immersion «Immersion beschreibt den durch eine Umgebung der Virtuellen Realität hervorgerufenen Effekt, der das Bewusstsein des Nutzers, illusorischen Stimuli ausgesetzt zu sein, so weit in den Hintergrund treten lässt, dass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird.»8.
Museum Die aktuelle Museumsdefinition des ICOM lautet: «Ein Museum ist eine gemeinnützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zum Zwecke des Studiums, der Bildung und des Erlebens materielle und immaterielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt.».9
Museum, virtuelles Digitales Museum: Online-Museum: Hypermedia-Museum: Web-Museum: Cyberspace-Museum. Eine eindeutige, international anerkannte Definition des Informationsangebotes «virtuelles Museum» gibt es bislang nicht, da es noch schwer von digitalen Bibliotheken oder virtuellen Archiven abzugrenzen ist.10 Die Funktion des virtuellen Museums im Internet wird dominiert vom Erweiterungsmodell, das sich an André Malrauxs Idee vom «Museum ohne Wände» anlehnt (ders. 1949). Die Grundlage bilden die Digitalisate der Musealien.
Objekt Ding: Deponat: Exponat. Dinge sind Zeitzeugen, Vermittler zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, zwischen der Materialität des Anschaubaren und der Immaterialität des Erinnerbaren.11
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Raum «Der inszenierte Raum meint die Transformation von Content und Narration in Atmosphäre und Emotionen und die Verwandlung von Raum in Abhängigkeit von Zeit.»12 Dabei kann er unterschiedlichste Dimensionen anneh- men – architektonische, mediale, skulpturale, performative. Der Raum wird zum «Denk-Raum», «Assoziations-Raum», «Zeit-Raum», «Bewegungs-Raum», «Kunst-Raum», «Imaginations-Raum», «Explorations-Raum», «NarrationsRaum» und vielem mehr.
Der inszenierte Raum als realer, formbarer Raum kann ein virtueller oder virtuell erweiterbarer Raum sein. Alle inszenierten Räume teilen nach Brückner13 die folgenden vier Parameter: 1. das Physisch-Substantivistische, 2. das AtmosphärischSubstantivistische, 3. das Narrativ-Verbische und 4. das Dramatisiert-Syntaktische. Ihre Aufgabe besteht darin, einen für die Rezeption adäquaten Rahmen für Inhalt, Objekte und tendierte Botschaften zu schaffen.
Staunen Aristoteles und Platon bezeichnen das Staunen (gr. thaumazein) als den Anfang der Philosophie, als Impuls zum Nachdenken über die Welt. Dabei geht es primär um ein Staunen über das gemeinhin Selbstverständliche und Alltägliche. Auf die museale Szenografie bezogen, stiftet das Staunen einerseits eine persönliche Verbindung zwischen Kunstwerk und Betrachter, andererseits eine Verbindung zwischen Ästhetik und Kognition. Nach Nicola Gess ist das Staunen etwas Individuelles und stellt den Impuls dafür dar, dass man sich mit der Kunst näher beschäftigt und sie hinterfragt14
Synästhesie Das Wort Synästhesie ist abgeleitet von den altgriechischen Wörtern syn, «zusammen», und aisthesis, «Empfindung». Es beschreibt das Phänomen der Doppelbelegung von Sinnen.
Szenografie lässt sich mit Poulieri (1990, IX) als Kunst im dreidimensionalen Raum verstehen, als die Kunst, Inhalte und Formen zu Bildwelten miteinander zu verbinden. Szenografie baut auf dem «Staunen(machen)» auf mit dem Ziel, das Publikum zu faszinieren, zu überraschen und in den Zustand der Bebeziehungsweise Verwunderung zu versetzen. Dabei geht es weniger um eine ‹sinnliche Überrumpelung› als darum, im Publikum einen Impuls zum Nachfragen und Weiterdenken anzustossen.
Szenografie, mediale ist Botschaft und Medium zugleich, ein Medium, das Botschaften verändern kann. Mediale Szenografie als die visuelle Beschreibung und Ausgestaltung des Raumes oder Ortes unter Verwendung elektronischer und digitaler Medien überschreitet genrespezifische Grenzziehungen. Sie versteht sich als erweiterte Raumkunst auch im Sinne einer Komposition, die eigene narrative und poetische Formen, Gesetzmässigkeiten und Dramaturgien hervorbringt. Licht, Klang, Farbe, Kinetik und Energie stehen gleichberechtigt neben konkreten Ausdrucksweisen wie Sprache, Musik, Darstellung und Material. Erzählformen werden aufgebrochen, Räume werden verdichtet oder gehen in Hybride zwischen physischem und virtuellem Raum über. Der Körper interagiert mit dem künstlerischen Umfeld.
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1 vgl. Burs 2015, S. 111.

2 vgl. Schweibenz 2008, S. 80–81.

3 vgl. Brückner 2010, S. 192.

4 vgl. ders. 2012

Details

Seiten
88
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783034344869
ISBN (ePUB)
9783034344876
ISBN (Paperback)
9783034344845
DOI
10.3726/b19411
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Dezember)
Schlagworte
Raum Objekt Rezipient Virtuelle Ausstellungsarchitektur Gesamtkunstwerk
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 88 S., 21 farb. Abb., 13 s/w Abb.

Biographische Angaben

Bianca Matzek (Autor:in)

Bianca Matzek ist studierte Architektin (Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Bonn-Alfter/ETH Zürich). Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Verbindung von Kunst, Szenografie und Architektur. Zudem ist die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Professorin für Medienmanagement leitend im internationalen Wissenschaftsverlag Peter Lang in Lausanne tätig.

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