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Zur Entwicklung der Hörverstehenskompetenz der chinesischen DaF-Lerner in deutschen Fachsprachen

von Yu Zheng (Autor:in)
©2022 Dissertation 300 Seiten

Zusammenfassung

In China werden zunehmend Kooperationsprojekte mit deutschen Hochschulen gefördert. Dies bringt die Notwendigkeit eines deutlichen Ausbaus der fachsprachlichen Hörkompetenzen der Studierenden im Deutschen mit sich – die Hörkompetenzen sind entscheidend für den Studienerfolg. Dieses Buch skizziert die Anlage, Durchführung und Ergebnisse einer entsprechenden empirischen Untersuchung: Es galt zu erforschen, wie sich die fachsprachliche Hörkompetenz im Deutschen bei chinesischen Studierenden entwickelt hat und welche Verstehensschwierigkeiten sie haben. Die gewonnenen Erkenntnisse können als Basis für jene Studienbausteine dienen, die der Entwicklung des fachsprachlichen Hörverstehens zugrunde liegen. Ziel ist das Meistern der fachsprachlichen Hürde innerhalb der rezeptiven Fertigkeit und ein Steigern der Studierfähigkeit.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Einleitung
  • 1.1 Hintergrund
  • 1.2 Forschungsstand
  • 1.2.1 Internationale Studien
  • 1. Kognitive Prozesse des Hörverstehens
  • 2. Strategien der Sprachverwendung beim Hörverstehen in der Fremdsprache
  • 3. Überprüfung der Hörverstehenskompetenz
  • 4. Soziale und affektive Faktoren
  • 5. Ansätze zur Hörverstehensschulung
  • 1.2.2 Studien in China
  • 1.3 Fragestellung und Zielsetzung
  • 1.4 Aufbau der Arbeit
  • 2 Theoretische Perspektiven des Hörverstehens
  • 2.1 Hörverstehensprozesse in der Muttersprache
  • 2.1.1 Sprachwahrnehmung
  • 2.1.2 Kognitive Prozesse und ihre Verarbeitung
  • 2.1.3 Psycholinguistische und kognitionspsychologische Modelle der Sprachverarbeitung
  • 2.2 Hörverstehensprozesse in der Fremdsprache
  • 2.2.1 Hörstile
  • 2.2.2 Hörverstehensstrategien
  • 2.2.3 Am fremdsprachlichen Hörprozess beteiligte Faktoren
  • 2.2.3.1 Verstehensabsicht
  • 2.2.3.2 Sprachliches Wissen
  • 2.2.3.3 Außersprachliches Wissen
  • 2.2.3.4 Gedächtnis
  • 2.2.3.5 Einsatz von Verstehensstrategien
  • 2.2.3.6 Affektive Variablen
  • 2.2.4 Besondere Schwierigkeiten fremdsprachlicher Hörer
  • 1. Texteigenschaften als Ursachen für Verstehensprobleme
  • 2. In den Sprachbenutzern begründete Verstehensprobleme
  • 3. Geläufigkeit einer Fremdsprache
  • 4. Automatisierter Verstehensvorgang in der Fremdsprache
  • 5. Geringe Verarbeitungs- und Speicherkapazität in der Fremdsprache
  • 6. Vorwissen
  • 3 Zur Charakterisierung der deutschen Fachsprachen
  • 3.1 Fachsprachen sowie ihre Gliederung und Schichtung
  • 3.2 Konzeptionelle Schriftlichkeit
  • 3.3 Fachtexte und Fachtextsorten
  • 3.4 Funktional-kommunikative und strukturelle Besonderheiten
  • 3.5 Wichtige fachsprachliche Merkmale als Gegenstände der vorliegenden Studie
  • 4 Forschungsdesign
  • 4.1 Forschungsmethode
  • 4.2 Stichprobenauswahl
  • 4.3 Aufbau der Fragebogenbefragung
  • 4.4 Konzeption einer experimentellen quantitativen Forschung zur Messung von fachsprachlichen Hörkompetenzen auf verschiedenen Ebenen
  • 4.4.1 Entwicklung des Hörtests
  • 4.4.2 Aufbereitung der Hörtexte
  • Textsorte und Präsentationsform
  • Art der textuellen Realisierung
  • Schwierigkeitsgrad
  • 4.4.3 Itementwicklung und Antwortformat
  • 4.4.4 Merkmale zur Beschreibung der Testschwierigkeit
  • 4.5 Aufbau des Fragebogens nach dem Hörtest
  • 5 Auswertung und Analyse der Untersuchungsergebnisse
  • 5.1 Auswertung und Analyse der quantitativen Befragungsergebnisse
  • 5.1.1 Stichproben für Fragebogenbefragung
  • 5.1.2 Beschreibung der befragten DaF-Lerner
  • 5.1.3 Selbsteinschätzung der Hörkompetenz und der Schwierigkeiten
  • 5.1.4 Selbsteinschätzung der Hörkompetenz
  • 5.1.5 Textbezogene Schwierigkeiten
  • 5.1.6 Aufgabenbezogene Schwierigkeiten
  • 5.1.7 Bedürfnisse bezüglich der Entwicklung des Hörtrainings
  • 1. Vorlieben hinsichtlich der Themenwahl
  • 2. Vorlieben und Wünsche bezüglich der Höraktivitäten
  • 5.1.8 Resümee und Diskussion der quantitativen Befragungsergebnisse
  • 5.2 Auswertung und Analyse der experimentellen quantitativen Forschungsergebnisse
  • 5.2.1 Voruntersuchung und Überarbeitung des Testentwurfs
  • 5.2.1.1 Stichprobe für die Voruntersuchung
  • 5.2.1.2 Hörtexte und Testaufgaben
  • 5.2.1.3 Testvorgang und Datenerhebung
  • 5.2.1.4 Qualitätskriterien des Hörtests
  • 1. Validität des Hörtests
  • 2. Objektivität des Hörtests
  • 3. Reliabilität des Hörtests
  • 5.2.1.5 Auswertung und Analyse der Ergebnisse von Hörverstehenstests
  • 5.2.1.6 Ergebnisse der begleitenden Befragung
  • 1. Ergebnisse Teil 2
  • 2. Ergebnisse Teil 3
  • 3. Ergebnisse Teil 4
  • 4. Ergebnisse Teil 5
  • 5.2.1.7 Ergebnisse des qualitativen Leitfadeninterviews
  • 1. Merkmale des Hörtextes
  • 2. Merkmale der Items
  • 3. Merkmale der Interaktion zwischen Aufgabe und Hörtext
  • 4. Zusammenfassung der Befunde
  • 5.2.1.8 Resümee und Diskussion der Voruntersuchungsergebnisse
  • 5.2.1.9 Konsequenzen für Veränderungen für die spätere Untersuchung
  • 5.2.2 Auswertung und Analyse der zweiten experimentellen Untersuchungsergebnisse
  • 5.2.2.1 Stichprobe
  • 5.2.2.2 Hörtexte und Testaufgaben
  • 5.2.2.3 Qualitätskriterien des Hörtests
  • 1. Validität des Hörtests
  • 2. Objektivität des Hörtests
  • 3. Reliabilität des Hörtests
  • 5.2.2.4 Überprüfung der Hypothesen
  • 1. Die erste Hypothese
  • 2. Die zweite Hypothese
  • 3. Die dritte Hypothese
  • 4. Die vierte Hypothese
  • 5. Die fünfte Hypothese
  • 5.2.2.5 Resümee der Ergebnisse
  • 5.3 Ergebnisse der Fragebogenbefragung nach dem Hörtest
  • 5.3.1 Allgemeine Beurteilung des Hörtextes
  • 5.3.2 Sprachliche Verständlichkeit des Hörtextes
  • 5.3.3 Inhaltliche Verständlichkeit des Hörtextes
  • 5.3.4 Einschätzung der Schwierigkeiten der Höraufgaben
  • 5.3.5 Verstehensprobleme im mentalen Verarbeitungsprozess
  • 5.3.6 Selbsteinschätzung der Hörkompetenz
  • 5.3.7 Einschätzung der lehrwerkabhängigen Hörmaterialien im Deutschunterricht
  • 5.3.8 Einsatz der lehrwerkunabhängigen Hör- oder Hörsehmaterialien im Deutschunterricht
  • 5.3.9 Schlussfolgerungen
  • 6 Resümee und Diskussion der Untersuchungsergebnisse
  • 7 Hörverstehensschulung im DaF-Unterricht und Anregungen zur Entwicklung des fachsprachlichen Hörverstehens
  • 7.1 Hörverstehensschulung im DaF-Unterricht an der Technischen Universität Shanghai
  • 7.1.1 Stellenwert der Hörverstehensschulung im Unterricht
  • 7.1.2 Hörmaterialien im Unterricht
  • 7.1.3 Überprüfung des Hörverstehens
  • 7.1.4 Fremdeinschätzung der Verstehensschwierigkeiten der chinesischen DaF-Lerner
  • 7.1.5 Vorschläge für die Entwicklung der Hörkompetenz
  • 7.1.6 Zusammenfassung der qualitativen Lehrerbefragung
  • 7.2 Didaktisch-methodische Verfahren zur Förderung fachsprachlicher Hörverstehensschulung im DaF-Unterricht
  • 7.2.1 Zur Förderung des Fachsprachenwissens
  • 7.2.1.1 Curriculare Veränderung im DaF-Unterricht der internationalen Studiengänge
  • 7.2.1.2 Einsatz fachbezogener DaF-Lehrmittel
  • 7.1.2.3 Einführung des Diagnoseinstruments
  • 7.2.2 Didaktisch-methodische Konzeption fachsprachlicher Hörverstehensschulung
  • 7.2.2.1 Erweiterung des Hörverstehenskonstrukts
  • 7.2.2.2 Vermittlung der zur Sprachrezeption notwendigen Arbeitsstrategien
  • 7.2.3 Entwicklung der Übungsmaterialien zur Förderung des fachsprachlichen Hörverstehens
  • 7.2.3.1 Inhalt und Thema
  • 7.2.3.2 Hörtext und Textsorte
  • 7.2.3.3 Aufgabenkonzeption
  • 7.2.3.4 Medieneinsatzmöglichkeit
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang A Fragebogen für chinesische DaF-Lernende
  • Anhang B Höraufgaben für den ersten Hörtest mit Lösung (Voruntersuchung)
  • Anhang C Transkription für die Versuchsgruppe A
  • Anhang D Transkription für die Versuchsgruppe B
  • Anhang E Transkription für die Versuchsgruppe C
  • Anhang F Transkription für die Kontrollgruppe D
  • Anhang G Fragebogen für die Testteilnehmenden nach dem Hörtest
  • Anhang H Interviewleitfaden für die Testteilnehmenden in der Voruntersuchung
  • Anhang I Höraufgaben für den zweiten Hörtest mit Lösung
  • Anhang J Fragebogen für die Testeilnehmenden nach dem zweiten Hörtest
  • Anhang K Fragebogen für die Lehrpersonen
  • Reihenübersicht

←14 | 15→

1 Einleitung

1.1 Hintergrund

Die Rahmenbedingungen der staatlichen Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland veränderten sich in den letzten Jahrzehnten stetig. Das lässt sich nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch in sozialer und bildungspolitischer Hinsicht beobachten. Deutschland ist zu einem attraktiven Studienort für chinesische Studierende geworden: Die Zahl internationaler Studierender in Deutschland beträgt inzwischen mehr als 300.000, unter denen die über 30.000 Studierenden aus China die größte nationale Gruppe bilden. Ihr Interesse an einem Studium in Deutschland soll in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Ferner werden zahlreiche Hochschulkooperationen in China in vielfältigen Projekten unterstützt und gefördert. In diesem Rahmen bieten chinesische Hochschulen Studiengänge an, die nach deutschen Curricula eingerichtet sind und deren Absolventen einen deutsch-chinesischen Abschluss erhalten können (vgl. Länderprofile. Edition China: 11).

Vor diesem Hintergrund müssen chinesische Studierende ihre sprachliche Studierfähigkeit, die sowohl den Zugang zu einem Vollstudium in Deutschland als auch einen erfolgreichen Abschluss der Deutsch-Chinesischen Studiengänge im Inland voraussetzt, unter Beweis stellen. Ein wichtiges Instrument bildet hierbei der TestDaF, ein standardisierter Sprachstandstest, der die Sprachhandlungsfähigkeiten im Hochschulkontext prüft und sich an ausländische Deutschlernende richtet, die im deutschsprachigen Raum studieren wollen. Daher handelt es sich bei dieser Sprachprüfung in erster Linie um Fachsprachen im Deutschen. TestDaF umfasst auf der Skala des Europarats etwa die Niveaustufen B2 bis C1. Die vier Fertigkeiten Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen werden getrennt geprüft und bewertet.

Im Mittelpunkt des Untersuchungsinteresses steht die Entwicklung des fachsprachlichen Hörverstehens der chinesischen DaF-Lerner, das sich auf die spezifische Situation der betroffenen DaF-Lerner stützt. Das Korpus dieser Studie leitet sich von sprachlichen Bedürfnissen der DaF-Lernenden und den Inhalten in den entsprechenden Bachelorprogrammen ab, weil ein Großteil der chinesischen DaF-Lerner große Schwierigkeiten beim Verstehen der deutschen Fachsprachen haben. Statistische Erhebungen belegen die Tatsache, dass die Fertigkeit Hörverstehen eine wesentlich größere Hürde darstellt, als dies beispielsweise bei Leseverstehen oder Schreiben der Fall wäre. Es zeigt sich anhand der Ergebnisse aus den in den Jahren 2005 bis 2014 in China stattfindenden ←15 | 16→TestDaF-Prüfungen, an denen insgesamt 47.183 Kandidaten teilnahmen, dass die Kompetenz im Bereich Hörverstehen bei vielen Lernenden in unzureichendem Maße entwickelt war und für sie als sehr schwer zu erlernende Fertigkeit galt: 76,88 % der Prüflinge schnitten bei diesem Teil mit TDN3 (45,81 %) oder unter TDN3 (31,07 %) ab, während die Durchfallquoten1 beim Leseverstehen, schriftlichen Ausdruck und Sprechen jeweils 49,23 %, 57,32 % und 61,20 % betrugen2.

Ferner wird die Bedeutung des Hörverstehens seit Langem anerkannt. Feyten (1991) weist auf dessen faktische Bedeutsamkeit hin: Im Hinblick auf den Zeitanteil an der Alltagskommunikation gilt Hören mit über 45 % als die wichtigste Einzelfertigkeit im Vergleich zu Sprechen, Lesen und Schreiben. Bei Studierenden ist dieser Anteil noch viel höher. Beim Spracherwerb spielt das Hörverstehen somit eine zentrale Rolle. Eine fehlende Kompetenz im Hörverstehen beeinflusst möglicherweise auch andere Kompetenzbereiche in negativer Weise. Weiterhin gilt es als wissenschaftlich belegt, dass die Hörleistungen eng mit den Studienleistungen zusammenhängen (vgl. Grotjahn 2000: 116) und ein entscheidender Prädiktor für den Studienerfolg darstellen (vgl. Feyten 1991: 174). Die eigene Unterrichtserfahrung sowie die empirischen Belege führten mich zu der Frage, wie ein problemorientiertes Unterrichten in einer angemessenen methodisch-didaktischen Form etabliert und gewährleistet werden kann. Wie bei einem Großteil der chinesisch-deutschen Studiengänge in China bilden am Shanghai-Hamburg College das Fremdsprachenlernen und die deutsche Sprachkompetenz Kernaspekte, ohne die ein Studienabschluss nicht möglich ist. Mit dem Erlernen der deutschen Sprache vollzieht sich parallel die fachliche Ausbildung, welche in einem hohen Maße in der Fremdsprache vermittelt wird. Vor allem müssen sie ihre rezeptiven Fähigkeiten in dieser Sprache ausbauen, um in einem Jahr sehr schwierige fachbezogene Vorlesungen hören und verstehen zu können. Eine dahin gehend fehlende Kompetenz ←16 | 17→beeinflusst somit möglicherweise andere Kompetenzbereiche in negativer Form. Diese Situation setzt einen hohen Ausbau der Hörkompetenzen in Fachsprachen Deutsch voraus. Meine Dissertation soll einen Beitrag dazu leisten, neue funktionelle interaktive Unterrichtskonzepte und -inhalte im Bereich fachsprachliches Hörverstehen in einer problemzentrierten Form zu entwickeln. Die Konzepte sollten der Verbesserung der Hörkompetenz der chinesischen Lernenden in Fachsprachen dienen.

1.2 Forschungsstand

In Vorbereitung auf die Forschung zur Erfassung vom fremdsprachlichen Hörverstehen stellen sich die Fragen, welchen Stellenwert das Hörverstehen als Forschungsgegenstand in der Fremdsprachenforschung und -didaktik einnimmt und womit sich die Studien zum Hörverstehen jeweils im In- und Ausland auseinandersetzen.

1.2.1 Internationale Studien

Das Hörverstehen ist vor allem in der Fremdsprachenforschung ein relativ vernachlässigtes Gebiet. Die Gründe dafür liegen zum Teil in den Schwierigkeiten, mit denen die Erforschung des Lesens und des Hörens verbunden ist. Während die sprachliche Produktion leicht durch Messinstrumente zu untersuchen ist, sind die Prozesse und auch Ergebnisse des Verstehens verdeckt (vgl. Marx 2005: 139).

In den vergangenen Jahren haben unsere Kenntnisse über das Verstehen gesprochener fremdsprachlicher Texte zugenommen. Es ist zur Erkenntnis gekommen, dass Hören kein passiver, sondern ein sehr aktiver Vorgang ist (vgl. Solmecke 1992: 7). Das Forschungsinteresse hat sich von ergebnisorientierten Analysen zu prozessorientierten Experimenten gewandelt (vgl. Vandergrift 2007: 191). Internationale Studien fokussieren sich inhaltlich zusammenfassend auf fünf Schwerpunkte: kognitive Prozesse des Hörverstehens, Strategien der Sprachverwendung beim Hörverstehen in der Fremdsprache, Überprüfung der Hörverstehenskompetenz, soziale und affektive Faktoren sowie Ansätze zur Hörverstehensschulung.

1. Kognitive Prozesse des Hörverstehens

Die früheren Forschungsanstrengungen zum Hörverstehen beschränkten sich auf die Produkte des Hörverstehens, die meistens Testergebnisse waren. Während diese Testergebnisse die Hörverstehenskompetenz nur bedingt belegen ←17 | 18→können, erlauben die prozessorientierten Ansätze zur Erforschung fremdsprachlichen Hörverstehens mithilfe retrospektiver sowie introspektiver Vorgehensweisen Einblicke in die kognitiven Prozesse (vgl. Vandergrift 2007: 192).

Viele Forscher versuchten, den komplexen Verstehensvorgang darzustellen (vgl. Cutler 2001; Graham 2006; Altenberg 2005). Das Verstehen der gesprochenen Sprache wird als aktiver Vorgang bezeichnet (vgl. Rost 2002; Solmecke 1992). Daran ist parallele Interaktion zwischen Sprachkenntnissen und Weltwissen der Zuhörer beteiligt. Der Hörer bildet eine mentale Repräsentation aus dem, was er gehört hat (vgl. Hulstijn 2003). Bei der Informationsverarbeitung unterscheidet man zwei Verarbeitungsprozesse: der absteigende (Top-down-) und aufsteigende (Bottom-up-)Prozess (vgl. Günter 2008; Flowerdew & Miller 2005; Lynch & Mendelsohn 2002; Rost 2002). Diese Prozesse verlaufen interaktiv und sind ständig im Wechselspiel (vgl. Papst-Weinschenk 2011: 60). Bechtel und Abrahamsen (1991) deuteten darauf hin, dass es eng mit den Verstehensabsichten, Eigenschaften, dem Sprachniveau der Hörer sowie dem Hörkontext zusammenhängt, welcher Prozess von den beiden verwendet wird. In einer anderen Studie von Segalowitz (2003) wurde berichtet, dass die Geschwindigkeit und Effektivität dieser Prozesse davon abhängen, in welchem Maße Fremdsprachenlerner effizient verarbeiten, was sie gehört haben. Einige Autoren gingen auf den Echtzeit-Prozess bei der Verarbeitung fremdsprachlicher Hörtexte ein und analysierten die Verstehensprobleme der Hörer. Sie kamen in ihren psycholinguistischen Arbeiten zum Schluss, dass die besonderen Schwierigkeiten zum großen Teil auf den unteren Ebenen der Sprachverarbeitung (der Worterkennung) liegen (vgl. Cutler 2005; Hagtvet 2003 & Goh 2000).

2. Strategien der Sprachverwendung beim Hörverstehen in der Fremdsprache

Als Ausgangspunkt für die Forschungsarbeiten des strategischen Verhaltens galt das Interesse, Merkmale erfolgreicher Sprachlerner und die Strategien, die sie beim fremdsprachlichen Hörverstehen verfolgen, zu ermitteln (vgl. Rossa 2012: 40). Es herrscht ein allgemeiner Konsens darüber, dass erfahrene Hörer häufiger auf Strategien zurückgreifen. Viele Forscher beschäftigten sich in ihren Arbeiten mit den Merkmalen des Begriffs der Strategien. Sie versuchten, Ansätze zur Systematisierung der Bedeutungen zu bieten oder die Definition für unterschiedliche Kontexte zu spezifizieren (vgl. Haudeck 2008; Finkbeiner 2005; Goh 2002b, c; Oxford 1990). In vielen Studien wurde die Bedeutung metakognitiver Strategien für das Gelingen des fremdsprachlichen Hörverstehens nachgewiesen (vgl. Chamot 2005; Vandergrift 2003b; Goh 2002b, c; O’Malley & ←18 | 19→Chamot 1990). Zudem bestätigte eine qualitative Studie von Murphy (1985: 38), die mithilfe vom lauten Denken durchgeführt ist, die entscheidende Rolle der Strategienverwendung und lieferte hierzu Belege, dass die erfahrenen Hörer metakognitive und kognitive Strategien kombinierten und sie effektiver verwendeten.

3. Überprüfung der Hörverstehenskompetenz

In Anlehnung an Ross (1997) und Buck (1991) setzten sich eine Menge von Untersuchungen mit Fragestellungen auseinander, was die Hörer zu einer Antwort motiviert, und inwiefern Variablen wie Aufgabenformen, Textinhalte und Hörvorgänge im Wechselspiel stehen und die Antwort der Hörer beeinflussen (vgl. Carrell, Dunkel & Mollaun 2004; Brindley & Slayter 2002; Wagner 2002; Rupp, Garcia & Jamieson 2001). Neue Faktoren kamen zur Beurteilung der Hörleistung in Betracht. Besonders wurde die Schwierigkeit hervorgehoben, aussagekräftige empirische Belege für die Entwicklung der Hörtests zu finden (vgl. Vandergrift 2007: 203).

Mit der Entwicklung von multimedialen und digitalen Technologien stehen bei vielen Hörtextsorten neben den auditiven visuelle Stimuli zur Verfügung (vgl. Paschke 2000: 26). Somit wird den visuellen Komponenten mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Viele Forscher und Testentwickler gingen in ihren Studien auf die Bedeutung und Funktion visueller Stimuli bei der Beurteilung fremdsprachlichen Hörverstehens ein (vgl. Wagner 2007; Ginther 2001; Coniam 2001).

4. Soziale und affektive Faktoren

In das fremdsprachliche Hörverstehen werden nicht nur sprachlicher Input und verschiedene kognitive Prozesse der Hörer miteinbezogen, sondern auch affektive Faktoren (vgl. Vandergrift 2007: 195). In der Forschung von Garcia (2004) sowie Cook und Liddicoat (2002) wurden Unterschiede in der Fähigkeit zwischen kompetenten und weniger kompetenten Hörern zum Verstehen von kontextabhängigen und sprachlichen Informationen herausgefunden. Die Arbeit von Dipper, Black und Bryan (2005) erklärte, wie Hörer pragmatisches Wissen nutzen, um Verstehen des sprachlichen Inputs zu unterstützen. Sie fanden heraus, dass Hörer in der Verwendungsphase (vgl. Anderson 1995) „Schemata“ (conceptual events) oder Szenarien aus dem Langzeitgedächtnis aktivieren und darauf aufbauend individuelle Repräsentationen der Textbedeutungen konstruieren. Darüber hinaus ist es empirisch gut belegt, dass Motivation und Anwendung metakognitiver Strategien bei der Sprachverarbeitung eine ←19 | 20→wichtige Rolle spielen und entscheidend für den Hörerfolg sind (vgl. Graham 2006; Vandergrift 2005, 2006). Horwitz (2001) berichtete über Angstgefühle, die Sprachlernende oft äußern und lieferte Belege dafür, dass Nervosität eine negative Auswirkung auf die Hörleistungen ausübt. Elkhafaifi (2005) bestätigte diese Auffassung.

5. Ansätze zur Hörverstehensschulung

Die fremdsprachliche Hörverstehensschulung hat sich in der Methodik und Didaktik des Spracherwerbs viel entwickelt. Früher wurden Wiederholungsübungen zur Entwicklung des Hörverstehens eingesetzt, während man heute auf Echtzeit-Zuhören mit Fokus auf Aufgaben eingeht, die die Kommunikation im realen Leben widerspiegeln (vgl. Morley 1999). Darüber hinaus wird eine Reihe von didaktischen Strategien angeboten, die Schüler beim fremdsprachlichen Hörverstehen helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, das Schema vor dem Hören zu aktivieren und Antizipation zu bilden (vgl. Hinkel 2006; Hulstijn 2003). Goh (2002a) und Field (2005) haben auch eine Reihe verschiedener Möglichkeiten vorgeschlagen, die sich aus der Analyse von Textprotokoll und Diktat ergeben (vgl. Goh 2002a: 40 ff). Kiany und Shiramiry (2002) boten empirische Belege für die Verwendung von Diktaten zur Verbesserung fremdsprachlicher Hörleistung. In der Arbeit von Jensen und Vinther (2003) wurden die Auswirkungen von Wiederholung und reduzierter Sprechgeschwindigkeit auf die Hörleistung untersucht.

Die Rolle von Vorkenntnissen bei der Erleichterung fremdsprachlichen Hörverständnisses ist seit Langem anerkannt (vgl. Chiang & Dunkel 1992; Long 1990). Eine interessante Studie von Tyler (2001) veranschaulichte die Bedeutung des Hintergrundwissens zum Freisetzen von Aufmerksamkeitsressourcen für die Verarbeitung sprachlicher Inputs. In ihrer jüngsten systematischen Hörverstehensforschung bemerkten Macaro, Vanderplank und Graham (2005), dass die Vorkenntnisse der Hörer zum fehlerhaften Verständnis führen können, wenn sie nicht durch Beweise im Hörtext unterstützt werden. Fremdsprachliche Hörer müssen lernen, beim Hörverstehen auf die verfügbaren Wissensquellen zurückzugreifen, die sie im alltäglichen Leben gehört und gelernt haben (vgl. Field 2001, 2007, 2008; Wilson 2003; Vandergrift 2002, 2003a; Goh 2002a; Holden 2002).

1.2.2 Studien in China

Während sich internationale Wissenschaftler mit der kognitiven Natur des Hörverstehens und mit den das Hörverständnis beeinflussenden Faktoren ←20 | 21→auseinandersetzten (vgl. Broersma & Cutler 2008; Field 2008; Graham 2008; Vandergrift 2007; Vandergrift 2006; Zydatiß 2005; Kieweg 2003a; Solmecke 2003; Goh 2002a; Wolff 2003; Paschke 2000; Goh 2000; Leupold 2000; Neveling 2000; Solmecke 2000), konzentrieren sich chinesische Sprachwissenschaftler aus objektiven Gründen hauptsächlich auf die Übertragung von Fremdsprachenhörforschung (vgl. Li 2002).

Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde dem fremdsprachlichen Hörverstehen inspiriert von Krashens „verständlichem Konzept“ immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. Li 2013). In China begann fremdsprachliche Hörverständnisforschung im 20. Jahrhundert. In den 70er-Jahren wurden fremdsprachliche Hörverstehensforschungen zum ersten Mal eingeführt. Die Forschungen dieser Periode beschränkten sich hauptsächlich auf qualitative Forschung, deskriptive Erfahrung oder Vermittlung westlicher Hörmethoden und Theorien, beschäftigten sich aber weniger mit quantitativer Forschung (vgl. Fang 2010; Yang 2007; Li 2002; Rubin 1994). Im Jahre 2004 veröffentlichte das Ministerium für Bildung die „College English Curriculum Standards“, die die führenden Lehrziele zum Hörverstehen vorbrachten. Somit kam es zum zweiten Forschungshöhepunkt im Bereich des Hörverstehens. Seitdem haben die quantitativen Forschungen allmählich zugenommen. Allerdings machten empirische Hörverstehensforschungen aus den veröffentlichten Artikelstatistiken, die in den inländischen fremdsprachigen Kernzeitschriften das Thema „Hörverstehen“ betrafen, immer noch nur etwa 0,2 % der Gesamtzahl der veröffentlichten Artikel aus (vgl. Ke & Dong 2014; Fang 2010).

In der Tabelle 1 werden die Forschungsbefunde in Bezug auf das fremdsprachliche Hörverstehen in China zusammengestellt. Wenn man sich die Forschungsbefunde chinesischer Sprachwissenschaftler in den letzten zehn Jahren anschaut, wird es ersichtlich, dass die fremdsprachlichen Hörverstehensforschungen in anderen Sprachen als Englisch sehr selten sind und sich meist auf Englisch als Fremdsprache und diesbezügliche Forschungen konzentrieren.

In China konzentrieren sich die Studien und die Hauptergebnisse vor allem auf fünf Aspekte: den Stellenwert des Hörverständnisses und die kognitiven Faktoren, die das Verständnis beeinflussen, die pragmatischen und emotionalen Faktoren, die Unterrichtsstrategien zur Schulung des Hörverstehens und die Bewertung im multimedialen Umfeld (vgl. Li 2009; Li & Yu 2009; Fang 2008; Ni 2008; Sun & Li 2008; Zhang 2008; Cai & Wu 2007; Lu & Wu 2007; Lin 2006; Xu et al. 2004; Su 2003; Yang 2003; Zhong & Qiu 2003; Su 2002; Yang 2000; Zhou 2000; Wang 1999; Gao 1997; Chen 1997; Zou 1996; Chen 1995; Liu 1994; Rubin 1994; Liu 1993; Du 1992). In der Studie von Wu (2016) wurde „nonverbale Information Pause“ präzise analysiert, um die Unterschiede der kognitiven Prozesse ←21 | 22→der Sprachverarbeitung zwischen den Muttersprachlern und den Fremdsprachenlernenden festzustellen. Er stellte bei der Untersuchung den Probanden (sechs ausländische Lehrer, die Englisch als Muttersprache sprachen, und 32 Studenten im Hauptfach Englisch an einer Universität) eine selbstentwickelte computergestützte Diktieraufgabe. Die Häufigkeit und die Verteilung der Pausen, die während des Diktats von den Teilnehmern erzeugt wurden, und die Länge jedes Abschnitts zwischen zwei Pausen wurden aufgezeichnet und analysiert. Die Statistikergebnisse zeigten, dass die Pausenfrequenz der Lernenden deutlich höher ist, als die der Muttersprachler. Es wird darauf hingewiesen, dass die Merkmale der Pausen im Diktat als Indikatoren für das Problem des Lernenden bei geringer Hörleistung, problematischer phonologischer Wahrnehmung und Parsing herangezogen werden kann. Die experimentelle Studie von Hu (2015) untersuchte die Auswirkungen von drei Verstehensmodellen (die datengeleitete Verarbeitung, der konzeptgeleitete Prozess und das interaktive Modell) auf die Hörleistung und das Arbeitsgedächtnis der chinesischen Lerner im Fach Anglistik. Die Probanden wurden vor der Untersuchung mit einer Schulung in die drei Verstehensmodelle eingeführt. Nach der Bewältigung der Höraufgabe wurden retrospektive Protokolle erhoben. Die Probanden wurden um eine Zusammenfassung des Hörtextes gebeten. Anhand dieser Zusammenfassungen wurde eine Einschätzung des Textverständnisses gegeben. Die Testergebnisse zeigten, dass die Verstehensmodelle, insbesondere das interaktive Modell das Hörverständnis und die Wiedergabe der Informationen signifikant verbesserten.

Tab. 1: Artikel in ausgewählten Fachzeitschriften nach Thema im Zeitraum 2011–2016

Fachzeitschrift

CSSCI Fachzeitschrift

Artikel über Hörverstehen in der Fremdsprache

Details

Seiten
300
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631863626
ISBN (ePUB)
9783631863633
ISBN (Hardcover)
9783631855607
DOI
10.3726/b18788
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Dezember)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 300 S., 15 farb. Abb., 32 s/w Abb., 52 Tab.

Biographische Angaben

Yu Zheng (Autor:in)

Yu Zheng studierte Deutsch als Fremdsprache und Germanistik an der Universität Bielefeld und promovierte an der Tongji Universität in Shanghai. Zurzeit ist sie als Fremdsprachenlehrerin und Fachdidaktikerin am Sino-German College der Technischen Universität Shanghai tätig. Ihre Forschungsschwerpunkt sind Fachsprachen und Testen fremdsprachlicher Kompetenzen.

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