Lade Inhalt...

Gewalt- und Sabotageakte gegen die internationale Zivilluftfahrt

Eine völkerrechtliche Betrachtung des Umgangs der Staatengemeinschaft (ICAO) mit Bedrohungen des Zivilluftverkehrs

von Caroline Elisabeth Heil (Autor:in)
©2022 Dissertation 232 Seiten

Zusammenfassung

Das Flugzeug gilt als das sicherste Verkehrsmittel der Welt. Die den meisten noch präsenten Anschläge von 9/11 liegen bereits 20 Jahre zurück und es besteht heute eine höhere Wahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden als einen Flugzeugabsturz mitzuerleben. Wir wiegen uns in Sicherheit. Doch wie kommt es, dass dieser heute vorherrschende hohe Sicherheitsstandard der internationalen Zivilluftfahrt so selbstverständlich für uns ist? Die vorliegende Arbeit soll den auf völkerrechtlicher Ebene beschrittenen Weg hin zur heutigen Sicherheitssituation aufzeigen. Dabei wird ein Überblick über die Entwicklung des internationalen Luftsicherheitsrechts von ihrem Anbeginn bis heute gegeben und der aktuelle Umgang der Staatengemeinschaft mit Bedrohungen der Sicherheit des Luftverkehrs durch staatliche und nichtstaatliche Akteure analysiert. Dabei werden verschiede Bedrohungsszenarien eingehend betrachtet und auf Aktualität untersucht. Denn auch, wenn sich allerorts in Sicherheit gewogen wird, ist die Zivilluftfahrt noch immer favorisiertes Ziel für (terroristische) Anschläge und es stellt sich die Frage: Ist die Zivilluftfahrt wirklich so sicher wie wir meinen oder lässt die gegenwärtige Ruhe nur den nächsten Sturm erwarten?

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einführung
  • I. Einleitung
  • II. Fragestellungen und Methodik
  • III. Aufbau und Gliederung der Arbeit
  • B. Historische Betrachtung
  • I. Die Entwicklung von Luftfahrt und Luftrecht
  • 1. Die Eroberung der Lüfte durch die Menschen
  • 2. Erste Rechtsetzung als Reaktion auf die Luftfahrt
  • II. Das Chicagoer Abkommen von 1944 und seine Bedeutung
  • 1. Das Prinzip der Lufthoheit
  • 2. Anwendungsbereich: Zivilluftfahrt
  • 3. Bilaterale Luftverkehrsabkommen
  • III. Die ICAO - die Internationale Zivilluftfahrt Organisation
  • C. Gewalt und Sabotageakte als Gefahr für die Zivilluftfahrt
  • I. Begriffliche Differenzierung
  • II. Gewaltakte
  • III. Sabotageakte
  • IV. Das internationale Luftsicherheitsrecht
  • D. Sabotageakte gegen die Zivilluftfahrt
  • I. Flugzeugentführungen von 1930 bis 1979
  • 1. Flugzeugentführungen zur Flucht
  • 2. Flugzeugentführungen zu politisch-erpresserischen Zwecken
  • II. Sprengstoffanschläge auf die Zivilluftfahrt bis 1979
  • III. Die Reaktion der Staatengemeinschaft und die Entwicklung internationaler Abkommen zum Schutz der Sicherheit des Zivilluftverkehrs
  • 1. Einleitung
  • 2. Exkurs: Internationales Strafrecht, Völkerstrafrecht und das Prinzip der „Universellen Jurisdiktion“
  • a.) Das Prinzip der „Universellen Jurisdiktion“
  • b.) Die „Piraten-Analogie“ und die Qualifizierung von Flugzeugentführungen als Akt der Piraterie
  • 3. Internationale Zusammenarbeit und völkervertragliche Kodifizierung
  • 4. Das Tokioter Abkommen von 1963
  • a.) Jurisdiktion
  • b.) Regelungen bezüglich Flugzeugentführungen
  • c.) Kompetenzen des Luftfahrtkommandanten
  • d.) Effektivität des Abkommens
  • 5. Das Abkommen von Den Haag
  • a.) Jurisdiktion
  • b.) Verhaltenspflichten der Staaten
  • c.) Effektivität des Abkommens
  • 6. Das Montrealer Abkommen von 1971
  • a.) Jurisdiktion
  • b.) Verhaltenspflichten
  • c.) Effektivität des Abkommens
  • 7. Zusatzprotokoll zum Montrealer Abkommen
  • 8. Annex 17 Chicagoer Abkommen
  • IV. Flugzeugentführungen ab 1980
  • 1. Flugzeugentführungen aus politisch-erpresserischen Gründen
  • 2. Flugzeugentführungen und die Zweckentfremdung des Flugzeugs als Waffe
  • V. Sprengstoffanschläge ab 1980
  • VI. Exkurs: Die Reaktion auf den Anschlag von Lockerbie durch die Staatengemeinschaft - das Montrealer Übereinkommen über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens
  • VII. Sprengstoffanschläge seit 2001
  • VIII. „Insider-Threats“ als von Flughafen- und Airline-Personal ausgehende Bedrohungen
  • 1. Vorsätzlich von der Crew herbeigeführte Flugzeugabstürze
  • 2. Eine nähere Betrachtung des Germanwings Flugs vom 14. März 2014
  • a.) Geschehensablauf
  • b.) Krankheitsgeschichte
  • c.) Zwischenergebnis Suizid-Flüge
  • 3. „Insider-Threats“ - das langfristige Unterlaufen von Airport-und Airline-Mitarbeitern durch Terroristische Vereinigungen
  • IX. MANPADS und Abschüsse vom Boden aus
  • X. Landseitige Anschläge auf Flughäfen/ Flughafenanschläge
  • XI. Cyberanschläge
  • 1. Generelle Bedrohungslage Cyberangriffe
  • 2. Cyberangriffe auf Flugzeuge
  • XII. Anschläge von unbemannten Flugobjekten ausgehend („Drohnen“)
  • XIII. Die aktuelle Bedrohungskulisse und die Anpassung des Annexes 17 Chicagoer Abkommen
  • 1. Der Annex 17 des Chicagoer Abkommens
  • a.) Aufbau Annex 17
  • b.) Inhalt des Annex 17
  • 2. Überarbeitungen des Annexes 17 im Laufe der Zeit
  • a.) Das 10. Amendment vom 7. Dezember 2001 – in Kraft seit 1. Juli 2002
  • b.) Das 11. Amendmentvom 30. November 2005 – in Kraft seit 1. Juli 2006
  • c.) Die 9. Auflage des Annexes 17 vom März 2011
  • d.) Das 12. Amendmentvom 17. November 2010 – in Kraft seit 1. Juli 2011
  • e.) Das 13. Amendment vom 13. November 2012 – in Kraft seit 15. Juli 2013
  • f.) Das 14. Amendmentvom 26. Februar 2014 - in Kraft seit 14. November 2014
  • g.) Das 15. Amendment vom 23. November 2016 – in Kraft seit 3. August 2017
  • h.) Die 10. Auflage des Annexes 17
  • i.) Vergleich der 9. Auflage mit der 10. Auflage des Annexes 17
  • (aa.) 1. Kapitel – Definition
  • (bb.) 2. Kapitel – Grundprinzipien
  • (cc.) Kapitel 3 – Organisation
  • (dd.) Kapitel 4 – Vorsorgliche Sicherheitsvorkehrungen
  • j.) Das 16. Amendment vom 14. März 2018 – in Kraft seit 16 November 2018
  • k.) Die 11. Auflage vom 25. November 2019 – in Kraft seit 30. Juli 2020
  • 4. Der Annex 17 in der 10. und 11. Auflage – Reaktion auf die Bedrohungskulisse
  • a.) Sprengstoffanschläge
  • b.) Insider-Threats
  • c.) Cybersecurity
  • d.) Von UAS und Drohnen ausgehende Gefahren
  • 5. Erfolge und Herausforderungen des Annexes 17
  • XIV. Zwischenergebnis Sabotageakte
  • E. Gewaltakte gegen die Zivilluftfahrt
  • I. Abschüsse als Reaktion auf Luftraumverletzungen
  • II. Beispiele für Abschüsse aufgrund von Luftraumverletzungen
  • III. Abschüsse von Zivilluftfahrzeugen zur Gefahrenabwehr
  • 1. 11. September 1972 – Die Abschlussfeier der Olympischen Spiele in der Bundesrepublik Deutschland
  • 2. Die Terroranschläge von 9/11 in den USA
  • 3. 24. Mai 2001 – Abschuss Cessna 152 in Israel
  • 4. 8. Januar 2020 - Abschuss Passagiermaschine Ukraine International Airlines
  • IV. Nationale Regelungen zum Abschuss von Zivilluftfahrzeugen zur Gefahrenabwehr weltweit
  • 1. Australien
  • 2. USA
  • 3. Deutschland
  • 4. Frankreich
  • 5. Österreich
  • 6. Polen
  • 7. Russland
  • 8. Zwischenergebnis
  • V. Völkerrechtliche Würdigung von Abschüssen von Zivilluftfahrzeugen zur Gefahrenabwehr
  • 1. Abschüsse als Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot
  • a.) Einführung zum völkerrechtlichen Gewaltverbot
  • b.) Der Inhalt des völkerrechtlichen Gewaltverbots
  • (aa.) Der Begriff der Gewalt
  • (bb.) Unterfallen von staatlichen Abschüssen unter den Begriff der Gewalt
  • (cc.) Internationale Beziehungen - Territorialer Geltungsbereich des Gewaltverbots
  • c.) 1. Fallgruppe – Der Abschuss eines Luftfahrzeugs über fremdem Staatsgebiet oder Gemeinschaftsräumen
  • d.) 2. Fallgruppe – Der Abschuss eines Luftfahrzeugs über dem eigenen Staatsgebiet
  • 2. Zwischenergebnis
  • VI. Der Art. 3bis Chicagoer Abkommen
  • 1. Schaffung des Art. 3bis Chicagoer Abkommen
  • 2. Regelungsgehalt des Art. 3bis Chicagoer Abkommen
  • 3. Rechtfertigung von Flugzeugabschüssen nach Art. 51 UN-Charta
  • a.) Natur des Verweises in Art. 3bis (a.) CA – Umfang des Eingreifen des Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 UN-Charta
  • b.) Selbstverteidigungslage – Gegenwärtiger, rechtswidriger bewaffneter Angriff
  • (aa.) Definition des bewaffneten Angriffs
  • (bb.) Angriffshandlung – Zweckentfremdung eines Luftfahrzeugs als Waffe
  • (cc.) Ein von Staaten ausgehender Angriff mittels Zivilluftfahrzeug
  • (dd.) Gegenwärtigkeit des Angriffs - Präventive Gefahrenabwehr nach der Caroline-Formel
  • (ee.) Zu rechtfertigende unzulässige Gewalthandlung
  • c.) Zwischenergebnis
  • d.) Entscheidung: Rechtsnatur des Verweises des Art. 3bis (a.) S. 2 CA
  • e.) Ergebnis
  • VII. Exkurs: Der „Krieg“ gegen Terrorismus
  • VIII. Die praktische Relevanz von Abschüssen zur Gefahrenabwehr
  • IX. Exkurs: Air Policing am Beispiel der NATO
  • X. Zwischenergebnis
  • F. Zusammenfassung, Fazit und Blick in die Zukunft
  • Anlage - Interview ICAO vom 7. November 2017
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

←16 | 17→

Abkürzungsverzeichnis

ACI

=

Airports Council International

AJIL

=

American Journal of International Law

AsMA

=

Aerospace Medical Association

ATA

=

Air Transport Association of America

AVR

=

Archiv des Völkerrechts

AVSEC

=

Aviation Security Panel

BEA

=

Bureau d’enquêtes et d’analyses pour la sécurité de l’aviation civile

bzw.

=

beziehungsweise

CA

=

Chicagoer Abkommen

CANSO

=

Civil Air Navigation Services Organization

DFS

=

Deutsche Flugsicherheit

EASA

=

Europäische Agentur für Luftsicherheit

EU

=

Europäische Union

EuR

=

Europarecht

FAA

=

Federal Aviation Administration

GIA

=

Groupe Islamique Armé

IATA

=

International Air Transport Association

ICAO

=

International Civil Aviation Organisation

ICCAIA

=

International Coordination Council of Aerospace Industries Association

ICT

=

Institute for Counter-Terrorism

IGH

=

Internationaler Gerichtshof

insb.

=

insbesondere

IS

=

Islamischer Staat

JuS

=

Juristische Schulung

Km

=

Kilometer

MANPADS

=

Man-Portable Air Defence Systems

NVwZ

=

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZV

=

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

P.

=

Page

ÖJZ

=

Österreichische Juristen-Zeitung

Res.

=

Resolution←17 | 18→

Rn.

=

Randnummer

S.

=

Seite

sog.

=

sogenannte

SRÜ

=

UN-Seerechtsübereinkommen

TNT

=

Trinitrotoluol

u.a.

=

unter anderem

UAS

=

Unmanned Aircraft System

UdSSR

=

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

UN

=

United Nations

v.

=

vom

vgl.

=

vergleiche

ZaöRV

=

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

zit.

=

zitiert

ZLW

=

Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht

Alle übrigen hier nicht gesondert erwähnten Abkürzungen stammen aus Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Auflage 2015.

←18 | 19→

A. Einführung

I. Einleitung

Seit Anbeginn der Zivilluftfahrt sind Bedrohungen in Form von Sprengstoffanschlägen und Flugzeugentführungen auf Luftfahrzeuge sowie Abschüsse von Luftfahrzeugen weltweit ein stetiger Begleiter. Insbesondere für Terroristen und Kriminelle scheint die Zivilluftfahrt eine besondere Anziehung auszuüben, denn obwohl es zahlreiche und weniger durch Sicherheitskontrollen geschützte Ziele gibt, wenden diese ihr Augenmerk immer wieder aufs Neue auf die Luftfahrt.2 Irgendwie geartete Anschläge auf Flugzeuge, sei es in Form von Flugzeugentführungen oder Bombenanschlägen, bedeuten eine große Zahl an Opfern in der Luft und/oder am Boden, bieten die einfache Möglichkeit nationale Grenzen zu überqueren und ermöglichen unmittelbares Betroffensein verschiedener Staaten zugleich.3 So kann ein französisches Flugzeug in Zeiten der Globalisierung leicht Passagiere zahlreicher verschiedener Nationen – zum Beispiel Deutsche, US-Amerikaner, Brasilianer etc. – an Bord haben und Ziel eines Anschlags werden, während es sich im Luftraum eines weiteren Staates befindet oder dort zur Landung gezwungen wird. Dieses Involvieren verschiedener Nationen ist das klassische Szenario bei Anschlägen auf die Zivilluftfahrt.4 Weltweites persönliches Betroffensein und eine Abdeckung durch umfassende mediale Berichterstattung sind damit garantiert.5 Auch zeichnet sich die Luftfahrt als Angriffsobjekt mit hohem symbolischen Wert aus, welches sie insbesondere für politisch motivierte ←19 | 20→Taten und Terrorismus attraktiv macht: Luftfahrzeuge tragen Flagge und Staatszugehörigkeit eines bestimmten Staates und verkörpern damit diesen Staat international nach Außen.6 Gerade der in der heutigen Zeit erstarkte islamistische Terrorismus als sog. „Home-Grown-Terrorism“ mit kleinteiligen und anonymen Organisationsstrukturen konzentriert sich auf Ziele mit hohem symbolischen Wert, die eine möglichst große Opferzahl bringen, und versucht die Allgemeinheit an infrastrukturell bedeutenden Plätzen wie Flughäfen zu treffen.7 Zeitgleich ist die Luftfahrt weltweit einer der wichtigsten Wirtschaftszweige mit einem Netto-Gewinn der Fluggesellschaften von ca. 30 Milliarden US-Dollar sowie ca. 4,3 Milliarden Fluggästen im Jahr 2018.8 Dies steigert die Attraktivität der Luftfahrt als Anschlagsziel für Terroristen wohl noch einmal weiter.

Aber nicht nur mit Anschlägen durch Terroristen und Kriminelle sieht und sah sich die Zivilluftfahrt seit Anbeginn konfrontiert. Eine Bedrohung der Zivilluftfahrt waren für viele Jahrzehnte auch die von Staaten durchgeführten Abschüsse von Zivilluftfahrzeugen, die Luftraumverletzungen begangen haben.9 Zwar käme es heute wohl kaum noch einem Staat in den Sinn, den Abschuss eines Zivilluftfahrzeuges mit einer Luftraumverletzung rechtfertigen zu wollen, aber staatliche Abschüsse von Zivilluftfahrzeugen sind auch heute noch aktuell und bedürfen daher genauerer Betrachtung. Hierbei handelt es sich insbesondere um die weltweit auftretende Frage der Zulässigkeit des Abschusses von Zivilluftfahrzeugen zur Gefahrenabwehr, also einen Abschuss, um eine von einem Flugzeug ausgehende Gefahr abzuwehren und so Schlimmeres – man denke nur einmal an die Anschläge von 9/1110 – zu verhindern. Die Frage der Zulässigkeit von staatlichen Abschüssen von Flugzeugen zur Gefahrenabwehr ←20 | 21→wird und wurde in den letzten Jahren auf nationalen Ebenen11 diskutiert und nationale Positionen dazu gefasst.12

Da die Zivilluftfahrt von Anbeginn grenzüberschreitend war – dies liegt in der Natur der Sache –, sind Instabilitäten, terroristische Aktivitäten sowie Abschüsse von Zivilluftfahrzeugen durch Staaten ein unmittelbar grenzüberschreitendes Problem verschiedener Nationen. Somit bieten sich insbesondere eine Betrachtung der Luftsicherheit aus völkerrechtlicher Sicht und der Blick über den nationalen Tellerrand hinaus an. Angesichts der Tatsache, dass ein nationaler Alleingang im Bereich der Luftsicherheit wenig effektiv und zielführend wäre, wurde die Sicherheit der Internationalen Zivilluftfahrt frühzeitig auf völkerrechtlicher Ebene zur Diskussion gestellt und gesetzlich reguliert. Federführend war die ICAO.13 Da das Luftsicherheitsrecht stark auf der Ebene des Völkerrechts bestimmt wurde und wird – der frühere US-Präsident Obama hat die Arbeit der ICAO im Bereich der Luftsicherheit beispielsweise während seiner Präsidentschaftszeit als den „Sicherheitsrahmen des 21. Jahrhunderts“ gewürdigt14 – und von einer globalen Zusammenarbeit maßgeblich geprägt ist, ist eine völkerrechtliche Betrachtung äußerst interessant. Dies gilt auch deswegen, weil das Luftsicherheitsrecht wohl wie kaum ein anderes Rechtsgebiet auf völkerrechtlicher Ebene von Anbeginn an international abgestimmt wurde. Die folgende Betrachtung beschränkt sich somit ganz bewusst auf eine völkerrechtliche Betrachtung des Luftsicherheitsrechts. Ein Blick auf die Umsetzung der völkerrechtlichen Vorgaben durch einzelne Staaten oder auch ein Blick auf die USA, die das Luftsicherheitsrecht stets durch US-amerikanische Regeln und Beharren ←21 | 22→auf internationale Einhaltung der eigenen Vorgaben mitgeprägt haben,15 bleibt dabei natürlich teilweise nicht aus, soll aber nur am äußersten Rande erfolgen.

Um alle Gefahren und Handlungen zu beschreiben, die die Sicherheit der Zivilluftfahrt16 bedrohen können, hat die ICAO auf internationaler Ebene den Begriff „Unlawful Interference“ (zu Deutsch: Unrechtmäßiger Eingriff) etabliert.17 Dieser Begriff ist insoweit passend, als er sowohl Flugzeugentführungen und Bombenanschläge durch Terroristen, mögliche Cyberangriffe als auch Abschüsse von Luftfahrzeugen durch Staaten erfasst. Bei einer völkerrechtlichen Betrachtung hat aber eine noch stärkere begriffliche Differenzierung zu erfolgen, da es für das klassische Völkerrecht und nach dem völkerrechtlichen Gewalt- und Interventionsverbot äußerst relevant ist, ob Handlungen von Staaten oder Privatpersonen ausgehen oder Handlungen von Privaten einem Staat irgendwie zugerechnet werden können. Zur besseren Abgrenzung von staatlichem Handeln zu nichtstaatlichem Handeln, wird der Begriff des „Unrechtmäßigen Eingriffs“, wie es sich aus dem Titel dieser Arbeit ergibt, noch einmal unterteilt: Staatliche Eingriffe in die Zivilluftfahrt in der Form von staatlichen Abschüssen werden unter den Begriff des „Gewaltaktes“ subsumiert, während alle von nichtstaatlichen Akteuren ausgehenden Anschläge auf die Zivilluftfahrt unter dem Begriff der „Sabotageakte“ abgehandelt werden.18

II. Fragestellungen und Methodik

Die vorliegende Arbeit befasst sich umfassend mit den Bedrohungen und Gefahren des Zivilluftverkehrs, um in den Worten der ICAO zu sprechen, mit den „unlawful acts of interference“, also den unrechtmäßigen Eingriffen in den ←22 | 23→Zivilluftverkehr aus völkerrechtlicher Sicht. Im Schwerpunkt wird dabei untersucht, mit welchen Bedrohungspotenzialen die Zivilluftfahrt konfrontiert war und ist, wie auf diese auf völkerrechtlicher Ebene reagiert wurde und welchen Bedrohungen die Zivilluftfahrt in Zukunft gegenübersteht.

Dabei soll diese Arbeit zum einen eine historische Betrachtung anstellen und die Geschichte und Veränderung verschiedener Bedrohungspotenziale durch Terroristen und Kriminelle seit Anbeginn der noch jungen Zivilluftfahrt19 untersuchen sowie die völkerrechtlichen Reaktionen im präventiven und im repressiven Bereich aufzeigen. Dies hat im Kern zwei Hintergedanken und soll dazu dienen, die aktuelle Sicherheitssituation überhaupt verstehen zu können: Ein Verständnis für die historisch gewachsene Verdichtung der gesetzlichen Vorgaben im Luftsicherheitsrecht auf internationaler Ebene und der Weg bis hin zum aktuellen Stand des internationalen Luftsicherheitsrechts ist von grundlegender Bedeutung für eine Bewertung des Grads an objektiv erreichter Sicherheit, dem bestehenden Restrisiko und der Reaktionsfähigkeit der Staatengemeinschaft bei Bedrohungen. Außerdem ist gerade für eine Spekulation über die Zukunft der Luftsicherheit ein Blick auf die Vergangenheit der Luftsicherheit und der Kodifizierung des Luftsicherheitsrechts unumgänglich und erlaubt erst Prognosen.20 Neben der historischen soll eine aktuelle Betrachtung der Bedrohungspotenziale und Reaktion auf diese vorgenommen werden und so aufgezeigt bzw. prognostiziert werden, wie die gegenwärtige und zukünftige Sicherheitssituation sich darstellt und darstellen wird.

Die vorliegende Arbeit ist dabei stets in zwei grundlegende Themenfelder untergliedert, nämlich in Fragestellungen um Gewaltakte als das eine und in Fragestellungen um Sabotageakte als das andere Themenfeld.

←23 | 24→

III. Aufbau und Gliederung der Arbeit

Zum besseren Verständnis von Gewalt- und Sabotageakten, die der Zivilluftfahrt heute und in der Vergangenheit begegnen bzw. begegnet sind, und zur Schaffung eines Grundverständnisses des internationalen Luftrechts, beginnt die Arbeit zunächst mit einem Überblick über die Entwicklung der Luftfahrt und dem Luftrecht seit Beginn des 20. Jahrhunderts und zeigt die Kodifizierung des Luftsicherheitsrechts als Internationales Recht auf (Gliederungspunkt B).

Es folgt eine detaillierte Abgrenzung der Gewaltakte einerseits und der Sabotageakte andererseits (Gliederungspunkt C).

Die Arbeit widmet sich sodann detailliert den Sabotageakten (Gliederungspunkt D) und stellt dar, welche Sabotageakte seit Beginn der Zivilluftfahrt bis heute aufgetreten sind und wie auf diese in Form von internationalen Abkommen und der Schaffung des Annexes 17 des Chicagoer Abkommens reagiert wurde. Es wird dabei auch auf neue Bedrohungspotenziale eingegangen, die bis dato zwar noch nicht zu Anschlägen selbst geführt haben, die aber bereits als Bedrohungen erkannt wurden.

Details

Seiten
232
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631877265
ISBN (ePUB)
9783631877272
ISBN (MOBI)
9783631877289
ISBN (Hardcover)
9783631862452
DOI
10.3726/b19661
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Februar)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 232 S.

Biographische Angaben

Caroline Elisabeth Heil (Autor:in)

Caroline E. Heil studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg. Ihr Rechtsreferendariat absolvierte sie am Kammergericht in Berlin. Sie ist seit 2016 in Berlin als Rechtsanwältin zugelassen.

Zurück

Titel: Gewalt- und Sabotageakte gegen die internationale Zivilluftfahrt
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
234 Seiten