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Lukanische Theologie der Ehelosigkeit nach Lk 20,34-36

Ein Vergleich mit 1 Kor 7 und Mt 19

by Valentina Sudić (Author)
©2022 Thesis 276 Pages

Summary

Das Buch befasst sich mit der Frage, welche Bedeutung einem ehelosen Leben zukommt und vertritt die These, dass die Ehelosigkeit in den synoptischen Evange-lien immer eng mit der Nachfolge Jesu verbunden sei. Die Autorin untersucht diese Frage anhand neutestamentlicher Zeugnisse. Als Ausgangspunkt dient die lukanische Fassung des Gesprächs Jesu mit den Sadduzäern (Lk 20,27-40). Die Autorin analysiert, unter welchem Einfluss und aus welchem Grund das Lukasevangelium eine veränderte Fassung des ersten Teils der Antwort Jesu im Gespräch mit den Sadduzäern schildert, was diese Änderung bedeutet und wie diese interpretiert werden soll.

Table Of Contents

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • i. Thema
  • ii. Forschungstand
  • iii. These
  • Teil I: „Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn“, 1 Kor 7,32
  • 1. Ehelosigkeit im Ersten Brief an die Korinther
  • 2. Gliederung und Kontext von 1 Kor 7
  • 2.1. Gliederung des Kapitels
  • 2.2. Der Kontext von 1 Kor 7
  • 2.2.1. Die Grenze des Kontextes
  • 2.2.2. Kontextualisierung von 1 Kor 7
  • Zwischenfazit
  • 3. Auslegung von 1 Kor 7
  • 3.1. Die Verse 1–5
  • 3.2. Die Verse 6–7
  • 3.3. Die Verse 8–9
  • 3.4. Die Verse 25–28
  • 3.5. Die Verse 29–31
  • 3.6. Die Verse 32–35
  • 3.7. Die Verse 36–38
  • Exkurs: Wem widmet sich Paulus in den Versen 36–38?
  • 3.8. Die Verse 39–40
  • 4. Formkritik
  • 5. Inhaltliche Merkmale von 1 Kor 7
  • 5.1. „Ich möchte aber, alle Menschen wären wie ich“ (1 Kor 7,7)
  • 5.2. Die geschlechtliche Enthaltsamkeit als eine individuelle Gnadengabe
  • 5.3. „Kein Gebot des Herrn“ (1 Kor 7,25)
  • 5.4. Sowohl der Unverheiratete als auch die Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn (1 Kor 7,32-34)
  • 6. Der „Sitz im Leben“ von 1 Kor 7
  • 6.1. Die Ehelosigkeit in der korinthischen Gemeinde
  • Zusammenfassung
  • Teil II: „Und es gibt Eunuchen“, Mt 19,12
  • 1. Ehelosigkeit im Matthäusevangelium
  • 2. Gliederung und Kontext des Eunuchenworts in Mt 19,10-12
  • 2.2. Gliederung des Eunuchenworts in Mt 19,10-12
  • 2.2. Der Kontext des Eunuchenworts in Mt 19,10-12
  • 3. Auslegung
  • 3.1. Mt 19,10-12
  • 4. Formkritik
  • 4.1. Das Lehrgespräch über das ἀκολουθέω bei Matthäus
  • 4.2. Die Rede über die βασιλείᾳ τω̑ν οὐρανω̑ν bei Matthäus
  • 5. Inhaltliche Charakteristika von Mt 19,10-12
  • 5.1. „Nicht alle verstehen dieses Wort“ (Mt 19,11)
  • 5.2. „Und es gibt Eunuchen“ (Mt 19,12)
  • 6. Der „Sitz im Leben“ von Mt 19
  • 6.1. Die Motivation zu einem ehelosen Leben gemäß Mt
  • Zusammenfassung
  • Teil III: „Nicht heiraten und nicht verheiratet werden“, Lk 20,35
  • 1. Die Ehelosigkeit im Lukasevangelium
  • 2. Gliederung und Kontext des Gesprächs Jesu mit den Sadduzäern in Lk 20,27-40
  • 2.1. Gliederung des Gesprächs Jesu mit den Sadduzäern in Lk 20,27-40
  • 2.2. Der Kontext des Gesprächs mit den Sadduzäern in Lk 20,27-40
  • 3. Auslegung von Lk 20,27-40
  • 3.1. Die Verse 27-33.37-40
  • 3.2. Die Verse 27-33.37-40 verglichen mit Mk 12,18-23.26-27 und Mt 22,23-28.31-33
  • 3.3. Die Verse 34–36
  • 3.4. Ein synoptischer Vergleich zum ersten Teil der Antwort Jesu (Lk 20,34-36; Mk 12,24-25; Mt 22,29-30)
  • 4. Formkritik
  • 4.1. Die Sadduzäer als Gesprächspartner Jesu in Lk 20,27-40
  • 4.2. Lk 20,27-40 – ein Streit- oder ein Lehrgespräch?
  • 5. Inhaltliche Merkmale von Lk 20,34-36
  • 5.1. „Dieser Welt“ und „jener Welt“ in Lk 20,34.35
  • 5.2. „Die Gewürdigten“ in Lk 20,35
  • 5.3. „Die Söhne dieser Welt“, „Söhne Gottes“ und „Söhne der Auferstehung“ in Lk 20,34-36
  • 5.4. „Nicht heiraten und nicht verheiratet werden“ in Lk 20,35
  • 5.5. „Engelgleich“ in Lk 20,36
  • 6. Der „Sitz im Leben“ von Lk 20,27-40
  • 6.1. Lk 20,34-36 und seine Quellen
  • 6.2. Die Ehelosigkeit in der lukanischen Gemeinde
  • Zusammenfassung
  • Schlussbemerkungen
  • 1. 1 Kor 7 und Lk 20,34-36
  • 2. 1 Kor 7; Mt 19 und Lk 20,34-36
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

i.  Thema

Bereits mein Lizenziatsstudium widmete sich der Thematik der Ehelosigkeit, näherhin der lukanischen Fassung der Sadduzäerfrage in Lk 20,27-40 (par. Mk 12,18-27; Mt 22,23-33), welche den jesuanischen Auferstehungsglauben mit dem Verweis auf das Gebot der Leviratsehe zunichtemachen sollte. In dieser meiner ersten Arbeit zur lukanischen Theologie der Ehelosigkeit konzentriere ich mich auf die Besonderheiten der Antwort Jesu gemäß Lk 20,34-36:

οἱ υἱοὶ του̑ αἰω̑νος τούτου γαμου̑σιν καὶ γαμίσκονται, οἱ δὲ καταξιωθέντες του̑ αἰω̑νος ἐκείνου τυχει̑ν καὶ τη̑ς ἀναστάσεως τη̑ς ἐκ νεκρω̑ν οὔτε γαμου̑σιν οὔτε γαμίζονται· οὐδὲ γὰρ ἀποθανει̑ν ἔτι δνανται, ἰσάγγελοι γάρ εἰσιν καὶ υἱοί εἰσιν θεου̑ τη̑ς ἀναστάσεως υἱοὶ ὄντες̀

Es ist eine interessante Tatsache, dass Lukas auf die markinische Fassung zurückgreift, wenn er die Gespräche Jesu mit seinen Gegnern in Lk 20,1-44 schildert. Gegenüber Mk bearbeitet und erweitert Lk seine Schilderung jedoch stilistisch wie auch sprachlich. Das trifft auch auf das Gespräch zwischen Jesus und den Sadduzäern (Lk 20,27-40) zu. Dort weicht er nur an einer einzigen Stelle dezidiert von Mk ab, nämlich in Lk 20,34-36, wo er den ersten Teil der Antwort Jesu auf die Frage der Sadduzäer schildert. Der Beginn dieses Gespräches ist in allen drei synoptischen Evangelien in gleicher Weise umschrieben: Die Sadduzäer, die nicht an eine Auferstehung von den Toten glauben, treten vor Jesus und konstruieren unter der Berufung auf das Gesetz des Mose (Dtn 25,5-6) den wenig wahrscheinlichen Fall einer siebenfach verwitweten Frau, deren Männer – allesamt Brüder – starben, ohne dass sie Nachkommen mit dieser Frau zeugen konnten (Lk 22,28-33). Angelehnt an diese Schilderung stellen die Sadduzäer Jesus folgende Frage: „Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt“ (Lk 20,33). Sowohl Mk als auch Mt dokumentieren zunächst Jesu Feststellung über die Schriftunkenntnis der Sadduzäer, bevor Jesus auf die Frage nach einem Leben nach der Auferstehung eingeht:

ὅταν γὰρ ἐκ νεκρω̑ν ἀναστω̑σιν οὔτε γαμου̑σιν οὔτε γαμίζονται, ἀλλ’ εἰσὶν ὡς ἄγγελοι ἐν τοι̑ς οὐρανοι̑ς (zu dt.: „Wenn nämlich die Menschen von den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch lassen sie sich heiraten, sondern sind wie Engel im Himmel“, Mk 12,25).

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Auffällig ist nun, dass die Antwort Jesu im Lukasevangelium, ungeachtet der Tatsache, dass sie z.T. wortgleich zur markinischen Vorlage ist, einen völlig anderen Stil und eine andere Bedeutung als diese hat: So kritisiert Jesus die Sadduzäer bei Lk nicht ausdrücklich, sondern beginnt seine Antwort mit einer recht allgemein anmutenden Aussage: οἱ υἱοὶ του̑ αἰω̑νος τούτου γαμου̑σιν καὶ γαμίσκονται (dt.: „Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten“ Lk 20,34). Und er fügt hinzu:

οἱ δὲ καταξιωθέντες του̑ αἰω̑νος ἐκείνου τυχει̑ν καὶ τη̑ς ἀναστάσεως τη̑ς ἐκ νεκρω̑ν οὔτε γαμου̑σιν οὔτε γαμίζονται· οὐδὲ γὰρ ἀποθανει̑ν ἔτι δύνανται, ἰσάγγελοι γάρ εἰσιν καὶ υἱοί εἰσιν θεου̑ τη̑ς ἀναστάσεως υἱοὶ ὄντες (zu dt.: „Die aber, die gewürdigt werden, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, heiraten nicht, noch lassen sie sich heiraten. Denn sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und als Kinder der Auferstehung zu Kinder Gottes geworden sind“, Lk 20,35-35).

Der zweite Teil der Antwort Jesu, in dem er für eine Auferstehung von den Toten argumentiert, wobei er auf die Erzählung vom Dornbusch sowie auf den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs rekurriert (Lk 20,37), ist im Vergleich zu Markus hingegen nur in stilistischer Hinsicht verbessert. Ähnlich verhält es sich mit dem Abschluss des Gesprächs Jesu mit den Sadduzäern im Lukasevangelium (VV. 39–40), der ebenfalls aus Mk 12,28.34 stammt.

Die Fragen, die sich vor diesem Hintergrund stellen, lauten: Unter welchem Einfluss und aus welchem Grund unternahm Lk eine Änderung des ersten Teils der Antwort Jesu im Gespräch mit den Sadduzäern? Was bedeutet diese Änderung und wie ist diese zu interpretieren? Dies sind nur einige der Fragen, die diese Dissertation zu beantworten sucht, wenn die lukanische Theologie der Ehelosigkeit untersucht werden wird.

Zu den ersten Exeget*innen, die eine Erklärung für die explizite Änderung des ersten Teils der Antwort Jesu im Lukasevangelium lieferten, gehörte der deutsche Theologe Otto Schwankl, dessen Dissertation den Titel „Die Sadduzäerfrage. (Mk 12,18-27 par.) Eine exegetische-theologische Studie zur Auferstehungserwartung“ trägt.

Einen weiteren bedeutenden Beitrag zu eben dieser Fragestellung lieferte neun Jahre später, also im Jahr 1996, der nordamerikanische Theologe David E. Aune, der einen Artikel mit dem Titel „Luke 20:34-36: A ‚Gnosticized‘ Logion of Jesus?“ in „Geschichte – Tradition – Reflexion, Festschrift für Marin Hengel zum 70. Geburtstag“ (hrsg. von Hubert Cancik, J. C. B. Mohr, Tübingen, 1996) veröffentlicht hat.←14 | 15→

Bezeichnend ist – und hier setzt die Fragestellung meiner Dissertation an –, dass es außer den beiden genannten Werken keine weiteren Quellen gibt, die die Abweichung von Lk 20,34-36 in Bezug auf Mk12,24-25 zu erklären versuchen. Natürlich finden sich in der exegetischen Literatur Ansätze, doch diese bleiben fragmentarisch, verfolgen meist andere Fragestellungen oder sind nur verstreut in den Kommentaren zu den einzelnen synoptischen Evangelien zu finden (besonders in Kommentaren zu Lk 20,27-40). Meine Dissertation befasst sich mit eben dieser „Leerstelle“ in der exegetischen Literatur und stützt sich dabei auf die Beiträge von Otto Schwankl und David E. Aune.

ii.  Forschungstand

Der Schwerpunkt der Dissertation von Otto Schwankl liegt auf der Thematik der Auferstehung und der Frage, wie diese zu denken sei. Ansatzpunkt seiner Untersuchung bildet dabei das Gespräch Jesu mit den Sadduzäern, wobei er sich v.a. auf die markinische Fassung (Mk 12,18-27) konzentriert. Erst nach gut 400 Seiten kommt Schwankl in seiner Arbeit unter der Überschrift „Das Gespräch in der Redaktion des Matthäus und Lukas“1 schließlich auch auf die beiden späteren Fassungen (also Mt und Lk) dieser Perikope zu sprechen, wobei er auf nur 20 Seiten die Abweichungen der lukanischen Variante von Markus durch die Brille der Auferstehungsthematik hindurch behandelt.

Bereits an früherer Stelle hatte Otto Schwankl den Begriff der Auferstehung, wie er etwa in Mk 12,18-27 vorgestellt wird, mit alttestamentlichen Zeugnissen über einen Auferstehungsglauben in Beziehung gesetzt. So überrascht es auch nicht, dass er Lk 20,34–36 in ähnlicher Art und Weise mittels des Rückgriffs auf alttestamentliche Texte deutet, wobei er zu dem Schluss kommt,

„dass Lukas nicht eine Traditionsvariante aufnimmt, sondern die Mk-Vorlage unter Rückgriff auf die LXX, näher-hin auf die griechisch verfassten Makkabäerbücher, im Blick auf seine hellenistischen Adressaten kommentierend umgestaltet und erweitert“2.

Ich schließe mich Schwankls Interpretation von Lk 20,34-36 an, wenn er in der genannten Perikope „eine kommentierende Übernahme aus der Mk-Vorlage“3 ←15 | 16→erkennt (vgl. Kap. III dieser Arbeit). Während Otto Schwankl Lk 20,34-36 jedoch im Hinblick auf die lukanische Auferstehungstheologie untersucht, fokussiert die vorliegende Arbeit die lukanische Theologie der Ehelosigkeit, die sich eben dadurch auszeichnet, dass sie sich erst im Kontext der Nachfolge erschließt.

Eine andere, von Schwankl abweichende Erklärung liefert David E. Aune, der davon ausgeht, dass die Besonderheit der Antwort Jesu im Lukasevangelium in ihrer ursprünglich mündlich tradierten Fassung aus der Tradition früher syrisch-enkratitischer Kreise stammt. Der Autor hält damit die Hypothese, dass Lk 20,34-36 aus einer anderen Quelle stamme, für plausibler als die Annahme, dass der erwähnte Text einer redaktionellen Intervention des Markustextes entspreche. Um seine These zu untermauern, unternimmt Aune eine sprachliche sowie eine stilistische Analyse von Lk 20,34-36 und formuliert schließlich drei Argumente, die seine Auffassung bündeln:

(1) Jesu Gespräch mit den Sadduzäern findet sich in seiner frühesten schriftlichen Form in Mk 12,18-27. Von diesem Text wird in der mündlichen Überlieferung jedoch nur ein Vers herausgegriffen und von seinem narrativen Kontext, den er im Markusevangelium hatte, getrennt überliefert.4 Gemäß Aune ist dies V. 25: „Wenn nämlich die Menschen von den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch lassen sie sich heiraten, sondern sind wie Engel im Himmel“.5

(2) Dieser eine Vers (Mk 12,25) wurde dann im Kontext der Tauftheologie der syrischen Christen in der zweiten Hälfte des ersten Jh. n. Chr. grundlegend verändert, als eine ehelose Lebensweise sich zum identifizierenden Merkmal der Getauften und zum Zeichen ihrer Auferstehungshoffnung herausbildete.6

(3) In einer letzten Phase wird dieser Vers dann in einer modifizierten Form als „‚gnosticized‘ logion of Jesus“7 in das Lukasevangelium eingefügt, wo er den ersten Teil der Antwort Jesu im Gespräch mit den Sadduzäern (vgl. Lk 20,27-40) bildet.8

←16 | 17→

Als zentral in Aunes Abhandlung erscheint mir folgende Aussage:

„The motivation for this insertion [die Einfügung des gnostischen Logions in das Lukasevangelium, Anm. d.Verf.] can be understood in light of the Lukan interest in asceticism generally and celibacy in particular“.9

Folgerichtig greift er mit Mk 10,29, Mt 19,29 und Lk 18,29 sodann drei Perikopen auf, in denen Jesus die Anforderungen an die Nachfolge seiner Person formuliert. Diese umfassen die Aufgabe von Häusern und Grundstücken sowie das Zurücklassen sämtlicher Familienmitglieder (wörtlich: Häuser, Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder und Felder). Entscheidend für mich ist dabei: Nur Lukas erwähnt ausdrücklich den Verzicht auf eine Frau, während dieser bei Mk und Mt – folgt man Aune – im Begriff der „Häuser“ subsumiert ist. Demnach würden „Häuser“ und „Frauen“ synonym verwendet. Berücksichtigt man, dass sich der Verfasser des dritten Evangeliums sowohl im Dialog zwischen Jesus und den Sadduzäern in Lk 20,27-40 als auch in anderen Gesprächen Jesu mit seinen Gegnern (vgl. Lk 19-20) auf die markinische Vorlage stützt, ergibt sich ein weiteres starkes Argument dafür, dass die Verse 34–36 einer Lk-Redaktion entsprechen, gemäß derer die Ehelosigkeit eines der Elemente der Nachfolge ist.

Die Ehelosigkeit wurde bereits in Lk 18,28-30 (ebenso in Lk 14,25-27) im Zusammenhang mit der Rede über die Nachfolge Jesu thematisiert, womit Lukas von den Darstellungen der beiden anderen Synoptiker abweicht. Damit ergibt sich im Lukasevangelium folgende Konstellation: Der Verzicht auf einen Ehepartner und damit die Ehelosigkeit gehört zur Nachfolge Jesu dazu. Daraus resultiert folgende Frage: Zeigt sich in Lk 20,34-36 einmal mehr die Intention des Verfassers, die Nachfolge Jesu mit der Ehelosigkeit in Verbindung zu bringen?

Aufgrund dieser Beobachtung scheint es mir berechtigte Gründe gegen David E. Aunes Auffassung zu geben, wonach Lk 20,34-36 auf den Einfluss einer gnostischen Tradition zurückgehe, der zufolge die Ehelosigkeit prinzipiell ein Merkmal der Auferstehung sei. Meine These wird noch plausibler, wenn berücksichtigt wird, dass Aune sich in seinem Artikel im Hinblick auf die von ihm genannten syrischen Kreise, die er als Urheber des Logions ausmacht, das später in Lk 20,34-36 eingefügt worden sein soll, nicht auf antike Zeugnisse berufen hat. Im oben genannten Artikel hat sich Aune zur Stützung seiner Hypothese vielmehr ausschließlich auf Zeugnisse aus dem 2. Jh. n. Chr. ←17 | 18→berufen, namentlich etwa auf die Acta Pauli, Clemens von Alexandrien, Stromateis, den Pseudo-Titus-Brief, Tatian und Justin.10 Wenn Aunes These plausibel sein soll, müssten sich aber auch im NT vorlukanische Zeugnisse finden (etwa in 1 Kor), die die Ehelosigkeit von einem präsentischen Verständnis der Auferstehung her erklären. Dafür käme etwa 1 Kor 7 als ein frühes Zeugnis über die Ehelosigkeit infrage.

iii.  These

In der vorliegenden Arbeit wird die These vertreten, dass die Ehelosigkeit in den synoptischen Evangelien immer eng mit der Nachfolge Jesu verbunden ist, oder – um es mit der Terminologie aus dem 1. Korintherbrief zu fassen – mit der Sorge um die Dinge des Herrn (1 Kor 7,32-34).

Details

Pages
276
Year
2022
ISBN (PDF)
9783631870303
ISBN (ePUB)
9783631870310
ISBN (Hardcover)
9783631870181
DOI
10.3726/b19303
Language
German
Publication date
2022 (February)
Keywords
Ehelosigkeit Nachahmung Jesu sexuelle Askese Verzicht Eunuchen
Published
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 276 S.

Biographical notes

Valentina Sudić (Author)

Valentina Sudic´ studierte Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Đakovo, Kroatien und war dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Ihre Promotion erfolgte im Bereich Exegese des Neuen Testaments an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main.

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