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Die Erreichbarkeit des Arbeitnehmers während des Erholungsurlaubs

von Anna Sophie Merkel (Autor:in)
©2022 Dissertation 272 Seiten

Zusammenfassung

Der Urlaub ist die Zeit, in der Arbeitnehmer Abstand von ihrer Arbeitstätigkeit gewinnen sollen. Gleichwohl kommt es vor, dass Arbeitnehmer für ihren Arbeitgeber während dieser Zeit erreichbar sind. Die Autorin geht den Rechtsfragen nach, ob Arbeitnehmer zu einem Erreichbarkeitsverhalten verpflichtet sein können und welche Auswirkungen dieses auf die Erfüllbarkeit ihres Urlaubsanspruchs mit den entsprechenden Rechtsfolgen hat. Ferner untersucht die Autorin, welche Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich des vertraglichen Urlaubsanspruchs bestehen. Zudem wird auf die rechtlichen Unterschiede, die sich aus der Erreichbarkeit eines Arbeitnehmers in seiner Position als Betriebsratsmitglied ergeben, eingegangen. Abschließend werden konkrete Regelungsvorschläge aufgezeigt

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einführung
  • Gegenstand der Untersuchung
  • Forschungsstand
  • Gang der Untersuchung
  • Erstes Kapitel: Der Urlaubsanspruch
  • § 1 Rechtsgrundlage und Zweck des Urlaubsanspruchs
  • I. Das Bundesurlaubsgesetz
  • 1. Historische Entwicklung
  • 2. Erwägungen des Gesetzgebers
  • II. Unionsrechtliche Urlaubsregelungen
  • 1. Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG
  • 2. Art. 31 Abs. 2 GRCh
  • a) EuGH: Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 31 Abs. 2 GRCh
  • b) Lehre: Kritik an der unmittelbaren Anwendung
  • c) Stellungnahme
  • III. IAO-Übereinkommen Nr. 132
  • IV. Der Urlaubszweck
  • 1. Erholung
  • 2. Selbstbestimmung
  • 3. Wirkung und Zusammenspiel zu einem einheitlichen Urlaubszweck
  • V. Verständnis und Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs
  • 1. Einheitsanspruch oder Freistellungsanspruch?
  • 2. Privatrechtlicher Anspruch
  • 3. Der Urlaubsanspruch als Bestandteil des Arbeitss- chutzrechts
  • VI. Zusammenfassung
  • § 2 Der Urlaubsanspruch und seine Erfüllung
  • I. Anspruchsvoraussetzungen
  • II. Die Zweigliedrigkeit des Erfüllungstatbestandes
  • 1. Die Erfüllung nach § 362 BGB
  • 2. Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs
  • a) Leistungshandlung
  • aa) Freistellungserklärung als Willenserklärung
  • bb) Konkretisierung des Urlaubsanspruchs durch die Freistellungserklärung
  • b) Leistungserfolg
  • aa) Bedeutung und Zeitpunkt seines Eintritts
  • bb) Die Entscheidungsmacht als Bestandteil des Leistungserfolgs
  • 3. Zusammenfassung
  • Zweites Kapitel: Auswirkungen der Erreichbarkeit im Urlaub auf die Erfüllung des Urlaubsanspruchs
  • § 3 Bedeutung und Einordnung der Erreichbarkeit
  • I. Begriffserörterung
  • 1. Ansätze zur Begriffsbestimmung
  • 2. Kriterien
  • a) „Ständige“ Erreichbarkeit
  • b) Kommunikation
  • c) Fremdnützigkeit
  • d) Herstellung und Gewährung der Erreichbarkeit
  • e) Zweistufigkeit des Erreichbarkeitsbegriffs?
  • f) Einordnung der Erreichbarkeit
  • 3. Eigene Begriffsbestimmung
  • II. Entwicklung und Folgen der Erreichbarkeit in tatsächlicher Hinsicht
  • 1. Technische Möglichkeiten
  • 2. Ursachen und gesundheitliche Folgen der Erreichbarkeit
  • III. Erreichbarkeitspflicht
  • 1. Unabhängigkeit von Folgefragen zur Anspruchserfüllung
  • 2. Nebenpflicht zur Erreichbarkeit im Urlaub?
  • a) Reaktionspflicht
  • b) Ablehnung einer (generellen) Erreichbarkeitspflicht
  • c) Stellungnahme
  • 3. Erreichbarkeitspflicht in besonderen Konstellationen
  • a) Betrieblicher Notfall
  • aa) Einordnung des betrieblichen Notfalls in Rechtsprechung und Schrifttum
  • bb) Stellungnahme
  • b) Ausnahme für Arbeitnehmer-Führungskräfte
  • c) Ausnahme für Arbeitnehmer mit Spezialwissen
  • 4. Zusammenfassung
  • IV. Recht auf Nichterreichbarkeit?
  • 1. Inhaltliche Bedeutung eines Rechts auf Nichter- reichbarkeit
  • 2. Das Recht auf Nichterreichbarkeit im Unionsrecht – zum Richtlinienvorhaben des Europäischen Parlaments
  • 3. Das Recht auf Nichterreichbarkeit als konstitutives Element des Urlaubsrechts nach dem BUrlG?
  • 4. Reichweite und Bedeutung für die Folgeuntersuchung
  • V. Zusammenfassung
  • § 4 Die tatsächliche Erreichbarkeit als Erfüllungshindernis
  • I. Die Herstellung der Erreichbarkeit auf Veranlassung des Arbeitgebers
  • Fallbeispiel 1
  • Fallbeispiel 2
  • Fallbeispiel 3
  • 1. Lösungsvorschläge in der Lehre
  • a) Ausschluss jeglicher Kommunikation- „Kontaktsperre“
  • aa) Darstellung
  • bb) Stellungnahme
  • cc) Lösung der Fallbeispiele nach dem „Kontaktsperre“-Modell
  • b) Erheblichkeit nach zeitlichem Umfang
  • aa) Darstellung
  • bb) Stellungnahme
  • cc) Lösung der Fallbeispiele nach dem „Zeit“-Modell
  • c) Erheblichkeitsschwelle nach mehreren Umständen
  • aa) Darstellung
  • bb) Stellungnahme
  • cc) Lösung der Fallbeispiele über das Modell der Erheblichkeitsschwelle
  • 2. Eigener Ansatz: Dogmatisch begründete Erheblichkeitsschwelle mit typisierten Erheblichkeitskriterien
  • a) Dogmatische Herleitung und Begründung der Erheblichkeitsschwelle
  • b) Die Zusammensetzung der Erheblichkeitsschwelle
  • aa) Anforderungen an die Erheblichkeitskriterien
  • bb) Zusammensetzung der Erheblichkeitsschwelle - Bestimmungsfaktoren
  • cc) Zusammenfassung
  • c) Umfang der Nichterfüllung des konkretisierten Urlaubsanspruchs
  • 3. Ergebnis
  • II. Eigeninitiierte Erreichbarkeit des Arbeitnehmers
  • 1. Ausschluss des Leistungshindernisses durch die Eigeninitiative?
  • 2. Stellungnahme
  • a) Bedeutung der Freiwilligkeit
  • b) Bedeutung der Veranlassung bei der tatsächlichen Erreichbarkeit
  • 3. Ergebnis
  • III. Zusammenfassung
  • § 5 Die konkludent veranlasste potenzielle Erreichbarkeit
  • I. Die Veranlassung zur potenziellen Erreichbarkeit
  • 1. Notwendigkeit der Veranlassung
  • 2. Die Erwartungshaltung als Veranlassungselement
  • a) Begriff
  • b) Rechtswirkung der Erwartungshaltung
  • c) Anforderungen
  • 3. Einseitige Anordnung oder Angebot für eine konkludente Vereinbarung?
  • a) Meinungen im Schrifttum
  • b) Stellungnahme
  • II. Korrespondierendes Verhalten des Arbeitnehmers
  • III. Ergebnis
  • § 6 Die ausdrücklich veranlasste potenzielle Erreichbarkeit – zur Vereinbarungsfähigkeit der Erreichbarkeit
  • I. Vertragsfreiheit
  • II. Das Urlaubsrecht als Schranke
  • 1. Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts bezüglich Vereinbarungen zum Urlaubszeitraum - BAG, Urteil vom 20.06.2000 – 9 AZR 405/99
  • 2. Beurteilung von Erreichbarkeitsvereinbarungen in der Lehre
  • 3. Stellungnahme zur rechtlichen Wirksamkeit von Erreichbarkeitsvereinbarungen
  • a) Die Erreichbarkeit als Störfaktor der Selbstbestimmung
  • b) Unwirksamkeit von Erreichbarkeitsvereinbarungen
  • c) Ausnahme: Erreichbarkeitsvereinbarung mit Führungskräften?
  • d) Öffnungsmöglichkeit bei günstiger Erreichbarkeitsgestaltung?
  • 4. Unwirksamkeit einer Erreichbarkeitsanordnung
  • III. Zusammenfassung
  • § 7 Folgen der Erreichbarkeitsvereinbarung und -anordnung für die Erfüllung
  • I. Die Erreichbarkeitsbestimmung als erfüllungshindernder Freistellungsvorbehalt?
  • II. Andere Ansicht: Vereinbarung/ Anordnung ohne Auswirkungen auf die Erfüllungswirkung der Freistellungserklärung
  • III. Stellungnahme
  • IV. Konkrete Folgen für die Erfüllung
  • 1. Erreichbarkeitsvereinbarung / -anordnung mit Freistellungserklärung
  • 2. Erreichbarkeitsvereinbarung nach Freistellungserklärung
  • 3. Erreichbarkeitsanordnung nach Freistellungserklärung
  • V. Zusammenfassung
  • § 8 Anspruchsuntergang
  • I. Die potenzielle Erreichbarkeit – Erhalt des originären Urlaubsanspruchs
  • II. Die tatsächliche erfüllungserhebliche Erreichbarkeit
  • 1. Anspruchsuntergang wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB?
  • 2. Ausnahme nach § 9 BUrlG analog?
  • a) Wirkung des § 9 BUrlG - Entkonkretisierung
  • b) Die Analogiefähigkeit des § 9 BUrlG
  • aa) Eine Ansicht: § 9 BUrlG – kein allgemeiner Rechtsgedanke
  • bb) Gegenansicht: Verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke
  • cc) Stellungnahme
  • c) Analogievoraussetzungen im Einzelnen
  • aa) Planwidrige Regelungslücke
  • bb) Vergleichbare Interessenlage
  • 3. Ergebnis
  • § 9 Der Mehrurlaub als Gestaltungsobjekt einer „zulässigen“ Erreichbarkeit
  • I. Der vertragliche Mehrurlaub
  • II. Gleichlauf und Gestaltbarkeit des Mehrurlaubes
  • 1. Zulässigkeit von Abweichungen zum gesetzlichen Urlaubsanspruch
  • a) Gesetzesbezeichnung
  • b) Wettbewerbsfaktor Mehrurlaub
  • c) Freiwilligkeit des Mehrurlaubes, Privatautonomie und Vertragsfreiheit
  • 2. Vorgaben zur Aufhebung des Gleichlaufs
  • III. Konkrete Gestaltungsmöglichkeiten zur Erreichbarkeit im Urlaub
  • 1. Erreichbarkeitsklausel im (Formular-) Arbeitsvertrag
  • a) Anwendbarkeit des AGB-Rechts
  • b) AGB-Kontrolle bezüglich der Mehrurlaubsklausel
  • c) Erreichbarkeitsklauseln
  • aa) Erste Beispielklausel
  • bb) Zweite Beispielklausel
  • d) Wirksamkeit der formularmäßigen Erreichbarkeitsklauseln
  • aa) Angemessenheit der Erreichbarkeitsklausel
  • bb) Wirkung der Kompensationsregelung
  • e) Zusammenfassung – Unterschiede zur Individualvereinbarung
  • 2. Tarifvertragliche Erreichbarkeitsklausel
  • 3. Unterschiedliche Regelungsregime – Tilgungs- bestimmung
  • 4. Zusammenfassung
  • Drittes Kapitel: Ansprüche infolge der Erreichbarkeit
  • § 10 Originärer Urlaubsanspruch gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG
  • I. Art und Weise der Urlaubsgewährung
  • II. Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers
  • III. Durchsetzbarkeit
  • § 11 Ersatzurlaubsanspruch
  • I. Anknüpfungspunkt: Zu vertretende Pflichtverletzung
  • 1. Erreichbarkeitsverhalten des Arbeitnehmers
  • 2. Herstellung der Erreichbarkeit durch andere Arbeitnehmer (Kollegen)
  • a) Zurechnung über § 278 BGB
  • b) Unterschiedliche Erreichbarkeitsursachen
  • 3. Herstellung der Erreichbarkeit durch Dritte
  • II. Schaden
  • 1. Schadensumfang: Beachtung des Bereicherungsverbotes
  • 2. Stellungnahme
  • III. Mitverschulden
  • IV. Zusammenfassung
  • § 12 Unterlassungsansprüche
  • I. Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber
  • II. Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer
  • Viertes Kapitel: Die Erreichbarkeit von Betriebsratsmitgliedern während des Erholungsurlaubes
  • § 13 Besonderheiten in der Betriebsratsarbeit und bei der Urlaubserteilung
  • I. Die Erreichbarkeit als Inhalt des Betriebsratsamtes
  • II. Rechtsposition der Betriebsratsmitglieder
  • 1. Rolle als Betriebspartner und als Mitarbeiter
  • 2. Besonderheiten bei freigestellten Betrieb- sratsmitgliedern
  • III. Zusammenfassung
  • § 14 Die Erreichbarkeit als Leistungshindernis
  • I. Die positive Anzeige der Bereitschaft zur Erreichbarkeit
  • 1. Erreichbarkeit für das Gremium
  • 2. Erreichbarkeit für die Belegschaft
  • 3. Erreichbarkeit für den Arbeitgeber
  • II. Objektive Verhinderung wegen Unzumutbarkeit – Auswirkungen der Erreichbarkeit
  • 1. Erreichbarkeit für das Gremium / die Belegschaft
  • a) Erfüllung des Urlaubsanspruchs
  • b) Rechtsfolge Ersatzurlaubsanspruch?
  • 2. Erreichbarkeit für den Arbeitgeber
  • III. Strategien zur Vermeidung von Erreichbarkeitskonflikten
  • IV. Zusammenfassung
  • Fünftes Kapitel: Regelungsbedarf
  • § 15 Vorstellung und Beurteilung betrieblicher Maßnahmen
  • I. Daimler-Modell
  • II. Weitere Modelle
  • III. Stellungnahme
  • § 16 Kontrolle der Nichterreichbarkeit
  • I. Staatliche Kontrollstelle
  • II. Betriebliche Kontrollstelle
  • § 17 Vorschläge im Schrifttum – Regelungsvorschlag
  • I. Bisherige Ansätze
  • 1. Keine gesetzlichen Anpassungen
  • 2. Regelung analog zu § 9 BUrlG
  • 3. Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG?
  • II. Regelungsvorschlag
  • 1. Inhalt
  • 2. Formulierungsvorschlag: Einfügung § 8a BUrlG
  • Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

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Einführung

Gegenstand der Untersuchung

Viele Arbeitnehmer sind in beruflichen Angelegenheiten längst nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch in ihrer Freizeit erreichbar. Diese Entwicklung betrifft auch die Urlaubszeit und damit den Erholungsurlaub. Umso überraschender mag es zunächst scheinen, dass sich die Rechtsprechung mit den Rechtsfragen zur Erreichbarkeit des Arbeitnehmers im Urlaub noch nicht befassen musste. Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt betont jedoch, dass niemand in beruflichen Angelegenheiten ständig erreichbar sein müsse.1 Inwieweit diese Einschätzung rechtlich begründet und tragfähig sein kann, ist ebenso interessant wie die Auswirkungen, die sich aus der Erreichbarkeit für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ergeben.

Das Urlaubsrecht ist in seiner Auslegung durch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs geprägt, wodurch sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den letzten Jahren erheblich verändert hat.2 Manch einer im Schrifttum stellt schlicht fest, dass das Urlaubsrecht europäisch geworden sei.3 Mitunter heißt es, der Europäische Gerichtshof entwickele eine bis ins Detail ausdifferenzierte Dogmatik des Urlaubsrechts und lasse dabei eine ausgeprägte Entscheidungsfreude erkennen.4 Andere betonen, dass sich mit Art. 7 der „regelungsarmen“ Richtlinie 2003/88/EG und dem recht kurzen Bundesurlaubsgesetz zwei Rechtsquellen derart ineinander verkeilt haben, weshalb im Urlaubsrecht weiterhin mit Kontroversen zu rechnen sei.5 Daraus resultiert der Wunsch nach mehr Zurückhaltung des Europäischen Gerichtshofs in Detailfragen des Urlaubsrechts.6 Indes bleibe es spannend im Urlaubsrecht.7

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Dass es im Urlaubsrecht spannend bleibt, zeigt sich auf unionsrechtlicher Ebene nicht nur mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Vielmehr ist dies bezüglich der Erreichbarkeitsthematik auf Ebene anderer Organe der Europäischen Union derzeit erkennbar. Das Europäische Parlament hat sich entschlossen, der Europäischen Kommission, die für Gesetzesvorhaben initiativberechtigt ist, einen Richtlinienvorschlag zum Recht auf Nichterreichbarkeit vorzulegen. Der Vorschlag bezieht sich ausdrücklich auch auf den unionsrechtlich geschützten Jahresurlaub.8 Inwieweit dieses Vorhaben verwirklicht werden wird, ist noch offen. Gleichwohl lässt das Vorhaben aufhorchen und verdeutlicht den Einfluss der Europäischen Union auf das Urlaubsrecht.

Der Urlaubssenat des Bundesarbeitsgerichts – dies ist der Neunte Senat -9 wirkt im Hinblick auf neu aufkommende Rechtsfragen im Urlaubsrecht eher zurückhaltend und tendiert dazu, zunächst den Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen.10 Dies lässt die wachsende Unsicherheit im Umgang mit urlaubsrechtlichen Fragen in Anbetracht des europäischen Einflusses erkennen. Die Bedeutung des Unionsrechts ist bei der Auslegung und Anwendung des nationalen Urlaubsrechts keinesfalls zu verkennen. Feststeht, dass das normenmäßig eigentlich kleine Rechtsgebiet Urlaubsrecht auch durch die unionsrechtlichen Vorgaben und aufgrund des wirtschaftlichen Wertes des Urlaubsanspruchs, ein Rechtsgebiet mit komplexen und praxisrelevanten Rechtsfragen ist.11 Praxisrelevante Rechtsfragen zum Urlaubsrecht ergeben sich schließlich auch im Zusammenhang mit der Erreichbarkeit im Urlaub.

Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres. In einer repräsentativen Umfrage des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) gaben im Sommer 2020 gleichwohl 70 Prozent der berufstätigen Deutschen an, im Urlaub beruflich erreichbar zu sein.12 Für den Weihnachtsurlaub ←26 | 27→2020 gaben dies 61 Prozent der Umfrageteilnehmer an.13 Der Grund hierfür ist ebenfalls mit 61 Prozent die (scheinbare) Erwartungshaltung des Vorgesetzten zum Erreichbarkeitsverhalten.14 Den BITKOM- Hauptgeschäftsführer Rohleder veranlassten diese Zahlen dazu, von einem „Wandel der Arbeitskultur“ zu sprechen.15 In einer repräsentativen Umfrage des Instituts YouGov in Kooperation mit der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) aus dem Juli 2018 berichteten 37 Prozent der befragten Beschäftigten von Erfahrungen mit der Kontaktaufnahme durch den Arbeitgeber oder durch Kollegen im Urlaub.16

Während die Erreichbarkeit in diesem Ausmaß lange Zeit bereits mangels ausreichender technischer Kommunikationsmöglichkeiten zur Überwindung der oftmals räumlichen Distanz im Urlaub zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern keine Problematik darstellte, hat sich dies durch die rasche Fortentwicklung mobiler Kommunikationsformen grundlegend geändert. Mittlerweile wird von einer Erreichbarkeitskultur gesprochen.17 Die Grenzen zwischen dem Privatleben und der Arbeit sind durchlässiger geworden.18 Die zunehmende Digitalisierung hat insgesamt einen erheblichen Einfluss auf das Arbeitsrecht wie ein Blick in die einschlägige Literatur zeigt.19

Die „Immer-und-Überall-Erreichbarkeit“20 macht im Urlaub keine Pause, obgleich sie mit dem Grundgedanken des Urlaubes als arbeitsfreier Zeit nicht vereinbar zu sein scheint. Mit dem Erreichbarkeitsbegriff lässt sich das Herstellen einer gewissen Nähe verbinden, nach allgemeinem Sprachverständnis ←27 | 28→betrifft sie den Fall, dass versucht wird, mit jemanden in Verbindung zu treten.21 Die Nähe besteht jedenfalls gedanklich und kommunikativ. Der Arbeitnehmer hält nach diesem Verständnis daher selbst im Urlaub die Verbindung zur betrieblichen Sphäre aufrecht. Vorstellbar sind unterschiedliche Konstellationen der Erreichbarkeit. Sie kann wegen organisatorischer Fragen, etwa nach einem benötigten Passwort, bis hin zur Zuschaltung in eine Telefonkonferenz vom Urlaubsort aus entstehen.22 Der Erholungsurlaub ist indes kein Luxusgut, wie er bisweilen wohl von einigen Arbeitnehmern wahrgenommen wird.23 Er ist notwendiger Bestandteil eines Stressmanagements, das insbesondere für die psychische Gesundheit bedeutsam ist und entscheidend zum Erhalt der Leistungsfähigkeit beiträgt.24 Solange der Erholungsurlaub als Luxusgut empfunden wird, besteht die Gefahr der Fehleinschätzung, dass eine gewisse Gegenleistung, etwa in Form der Erreichbarkeit schlichtweg dazugehört oder erwartet werde. Die berufliche Erreichbarkeit während des Erholungsurlaubes ist keine Randerscheinung, sondern, wie dies die Umfragezahlen verdeutlichen, ein Thema aus der Arbeitspraxis. Gerade während des Urlaubes empfinden Arbeitnehmer die Erreichbarkeit als unangemessen und mitunter als belastend.25 Die Erreichbarkeit kann somit den Urlaub stören.

Das Bundesurlaubsgesetz enthält keine ausdrückliche Regelung zum Umgang mit der Erreichbarkeit im Urlaub. Eine rechtliche Einordnung kann folglich allein anhand einer Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes, insbesondere unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks sowie unter Beachtung der Einbettung des Anspruchs in die schuldrechtliche Dogmatik erfolgen. Beide Arbeitsvertragsparteien benötigen im Umgang mit den Rechtsfragen Gewissheit, an der es derzeit fehlt. Diese kann Arbeitnehmern hilfreich sein, um ihre Rechte und Pflichten im Umgang mit der Erreichbarkeit im Urlaub zu kennen und in der Folge wahrzunehmen.

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Forschungsstand

Im Schrifttum gibt es bereits einige Überlegungen zur rechtlichen Beurteilung der Erreichbarkeit des Arbeitnehmers während des Urlaubes. Hervorzuheben ist eine ausführlichere Darstellung, die sich mit mehreren Aspekten in diesem rechtlichen Zusammenhang befasst, gleichzeitig aber weiterführende Fragen oft nur andeutet oder, da sich zudem mit dem Arbeitszeitrecht beschäftigt wird, nicht behandelt.26 Viele der weiteren Darstellungen zur Erreichbarkeit sind nicht derart vertiefend, als dass sie der Komplexität der aufkommenden Rechtsfragen entsprechen können.27 Beachtung findet die Thematik vor allem hinsichtlich der Auswirkungen einer tatsächlichen Anfrage an den Arbeitnehmer für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs. Die Meinungen im Schrifttum reichen von der Annahme der generellen Rechtsfolge der Nichterfüllung bis hin zur Differenzierung anhand eines Merkmals, das über den Eintritt der Erfüllungswirkung entscheiden soll oder einer im Einzelfall anhand mehrerer Faktoren vorzunehmenden Prüfung bezüglich der Erfüllung des Urlaubsanspruchs. Manche Autoren widmen sich zusätzlich den Rechtsfolgen der Erreichbarkeit auf sekundärer Ebene.

Ähnlich viel Beachtung findet die Frage, ob es den Arbeitsvertragsparteien möglich ist, wirksam die Erreichbarkeit während des Urlaubes zu vereinbaren. Die Lehre orientiert sich an einer Entscheidung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu einem anderen, jedoch in gewisser Hinsicht vergleichbaren Sachverhalt, nämlich zum Rückruf des Arbeitnehmers aus dessen Urlaub.28 Im Hinblick auf diese beiden Fragestellungen sind die Ansätze und Überlegungen bereits recht ausdifferenziert. Gleichwohl sind diese Ansätze einer genaueren Betrachtung zugänglich, denn eine dogmatische Begründung der Ergebnisse ist unentbehrlich und in weiten Teilen bislang nur unzureichend erfolgt. Sie ist indes für einen rechtssicheren Umgang mit den Fragestellungen unabdingbar.

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Zudem wird das Bestehen einer zumindest auf gewisse Situationen beschränkten Erreichbarkeitspflicht des Arbeitnehmers im Urlaub diskutiert. Das Schrifttum geht nahezu einstimmig vom generellen Ausschluss einer Erreichbarkeitspflicht im Regelfall aus, bejaht eine besondere Pflicht aber in betrieblichen Notsituationen. Einige Überlegungen erfolgen parallel zu den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen des Widerrufs der Urlaubserteilung und des Rückrufs aus dem Urlaub. Manche Stimmen im Schrifttum lehnen nicht nur eine Erreichbarkeitspflicht des Arbeitnehmers im Urlaub ab, sondern erkennen darüber hinaus ein positives Recht des Arbeitnehmers auf seine Nichterreichbarkeit an.

Kurzum sind einige Fragestellungen im Zusammenhang mit der Erreichbarkeit im Urlaub bekannt und Lösungsansätze hierzu entwickelt worden. Dagegen sind andere Rechtsfragen bisweilen weitgehend unbeachtet geblieben oder noch gar nicht gestellt worden. Um eine gewisse Rechtssicherheit im Umgang mit den Rechtsfragen zu erlangen und etwaigen Unsicherheiten vorzubeugen, bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit bekannten Ansätzen, einer ausführlichen Darstellung, welche die vorhandenen Lücken schließt und neue, bisher nicht bedachte Rechtsfragen aufwirft und auf diese Antworten findet. Dies bildet den Anlass, die sich stellenden Rechtsfragen zur Erreichbarkeit des Arbeitnehmers im Urlaub umfassend zu untersuchen und dabei zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, die zu einem rechtlich nachvollziehbaren Umgang mit der Thematik beitragen.

Gang der Untersuchung

Die Arbeit soll sich der Erreichbarkeitsthematik im Wesentlichen auf drei Rechtsebenen widmen. Zum einen soll es generell um Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien im Umgang mit der Erreichbarkeit im Urlaub gehen. Die zweite Ebene betrifft die konkreten Auswirkungen der Erreichbarkeit auf die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs. Daran anschließend sind auf dritter Ebene Folgeansprüche zu erläutern. Die gefundenen Ergebnisse sollen Anlass dazu sein, aufzuzeigen, ob Änderungen erforderlich sind und von welcher Stelle aus sie vorzugsweise erfolgen könnten.

Zu Beginn der Arbeit sind die Rechtsquellen zum Erholungsurlaub darzustellen, um sodann eine normative Einordnung des Urlaubsanspruchs vornehmen zu können. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung des europäischen Rechts, ist ein Augenmerk auf das unionsrechtliche Urlaubsrecht mit seinen normativen Grundlagen und seiner Fortentwicklung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu richten. Angesichts der späteren Einordnung ←30 | 31→der Erreichbarkeitsproblematik sind der Vorgang der Urlaubserteilung sowie die Rechtsfolgen der Urlaubsgewährung zu erläutern. Besonderes Augenmerk gilt ferner dem Urlaubszweck, dem im Bereich der Urlaubsstörungen besondere Bedeutung zukommt. Dieser ist präzise herauszuarbeiten und seine Bedeutung für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ist aufzuzeigen.

Maßgeblich ist dabei der Erfüllungstatbestand, der die Grundlage für die Beurteilung der Erreichbarkeit als Erfüllungshindernis im Laufe der weiteren Untersuchung bildet. Als schuldrechtlicher Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis folgt der Erfüllungstatbestand der schuldrechtlichen Dogmatik. Vor diesem Hintergrund ist es für die Entwicklung rechtlich nachvollziehbarer Lösungsansätze unerlässlich, diese dogmatischen Ansatzpunkte im Zusammenhang mit den Besonderheiten des Urlaubsrechts zu beleuchten.29

Am Anfang des zweiten Kapitels ist die Erreichbarkeit begrifflich einzuordnen, um klarzustellen, auf welche Situationen sich die rechtliche Betrachtung bezieht. Ferner ist zu untersuchen, ob der Arbeitnehmer verpflichtet sein kann, dem Arbeitgeber seine Erreichbarkeit aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses im Urlaub zu gewähren und sofern dem so sein sollte, in welchem Ausmaß diese Pflicht besteht. Diese Frage ist schließlich im Hinblick auf mögliche arbeitsrechtliche Folgen der Erreichbarkeitsverweigerung bedeutsam. Sofern eine Erreichbarkeitspflicht (teilweise) abgelehnt wird, könnte dem Arbeitnehmer im Gegenteil vielmehr ein Recht auf seine Nichterreichbarkeit zustehen.

Im Anschluss daran sind die Auswirkungen der beruflichen Erreichbarkeit während des Urlaubes zu erörtern, wobei sich die Untersuchung vorerst auf den gesetzlich geschuldeten Urlaubsanspruch beschränkt, bevor in der weiteren Darstellung die Unterschiede zum vertraglich geschuldeten Mehrurlaub gesondert aufzuzeigen sind. Die Folgen der Erreichbarkeit für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs bilden den Schwerpunkt der Arbeit. Interessant sind die verschiedenen Umstände der Erreichbarkeitssituationen, die sich in verschiedener Weise auf die Erfüllung sowie auf das Erlöschen des Urlaubsanspruchs auswirken. Diese Besonderheiten sind jeweils zu erarbeiten. Die bereits angedeuteten kontrovers diskutierten bisherigen Ansätze zu den Folgen einer tatsächlich auftretenden Erreichbarkeitssituation sind darzustellen und jeweils einer kritischen Stellungnahme zu unterziehen. Entscheidend ist hierbei in erster Linie, ob sie sich dogmatisch auf den Erfüllungstatbestand, der bei der Frage des Erlöschens ←31 | 32→des Urlaubsanspruchs in Folge der Erfüllung trotz Erreichbarkeit maßgeblich ist, beziehen lassen, mithin, ob sie im Gesetz, das heißt im Bundesurlaubsgesetz und dem allgemeinen Schuldrecht, namentlich im Leistungsstörungsrecht, fundiert sind. Auf dieser Grundlage ist ein eigener stimmiger Ansatz unter der Fortführung bisheriger Lösungsansätze auf einer dogmatischen Grundlage zu entwickeln, der rechtlich belastbar ist.

Zu beachten ist in der Folge, wie sich die Erfüllungsproblematik auf den Anspruch auswirkt, namentlich ob und wie der Urlaubsanspruch erlischt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 9 BUrlG, dessen rechtliche Wirkung für das Bestehen des Urlaubsanspruchs zunächst aufzuzeigen ist. Sodann ist zu erwägen, ob eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG als besondere, außerhalb des allgemeinen Leistungsstörungsrechts stehende urlaubsrechtliche Norm überhaupt zulässig ist oder ob sie als reine Ausnahmevorschrift nicht auf andere Urlaubsstörungen, insbesondere auf die Situation der Erreichbarkeit im Urlaub übertragbar ist. Die analoge Anwendung des § 9 BUrlG auf die Erreichbarkeitssituation wird in der Literatur bislang nur angedeutet, ohne dass näher auf diese Möglichkeit eingegangen und ihre Bedeutung im Vergleich zur schuldrechtlichen Rechtsfolge hervorgehoben wird. Dies mag in Anbetracht einer scheinbar vorhandenen urlaubsrechtlichen Lösung überraschen und verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit.

Ferner soll auf der Grundlage der gefundenen Ergebnisse zum gesetzlichen Urlaubsanspruch eine Gegenüberstellung zum vertraglich geschuldeten Mehrurlaub erfolgen. Zu beleuchten sind die Gestaltungsoptionen ebenso wie die Gestaltungsgrenzen, um herauszufinden, welchen konkreten Mehrwert der übergesetzliche Urlaubsanspruch den Parteien als Gestaltungsobjekt bietet. Im Ergebnis ist festzuhalten, durch welche Parteien, in welcher Form und Weise, die Erreichbarkeit geregelt werden kann.

Das dritte Kapitel widmet sich der Darstellung der dem Arbeitnehmer infolge der Erreichbarkeit entstandenen oder fortbestehenden Ansprüche. Besonderes Augenmerk gilt zum einen der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers bei der Urlaubsgewährung und dabei den Besonderheiten nach einer Erreichbarkeitssituation. Ebenso ist zu untersuchen, welche Besonderheiten aus dem schuldrechtlichen Schadensersatzrecht zu beachten sind und zudem, inwieweit einerseits dem Arbeitnehmer und andererseits dem Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch bezüglich der Erreichbarkeit entsteht.

Ziel des vierten Kapitels ist es, eine bislang unbesehene Konstellation mit einigen rechtlichen Besonderheiten zu skizzieren. Namentlich betrifft dies die Erreichbarkeit des Betriebsratsmitgliedes während des Urlaubes als ←32 | 33→Sonderkonstellation. Bei näherer Betrachtung ergeben sich in diesem Bereich viele Rechtsfragen, die ebenso wie ihre Beantwortung nicht zuletzt auf das allgemeine Verständnis des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zurückzuführen sind, da sie den Zustand des Ehrenamtes während des dem Betriebsratsmitglied in seiner Rolle als Arbeitnehmer zustehenden Urlaubes betreffen. Das Urlaubsrecht ist auf diese Weise mit dem Betriebsverfassungsrecht verknüpft. Bei der Betrachtung dieser Rechtsfragen ist mithin zum einen das Grundverhältnis von Arbeitgeber und Betriebsrat relevant und zudem, was dieses Ehrenamt auszeichnet. Zugleich ist bedeutend, inwieweit die Erreichbarkeit überhaupt Bestandteil der Betriebsratsarbeit ist. Näher zu erörtern ist sodann in Bezug auf die Betriebsratsarbeit, wie sich die Erreichbarkeit im Urlaub auf die Erfüllbarkeit auswirkt und ob dem Betriebsratsmitglied Ansprüche gegen den Arbeitgeber entstehen können. Die Konstellation ist nicht schon ohne Weiteres parallel zur üblichen vorstehenden berufsbezogenen Erreichbarkeit des Arbeitnehmers zu beurteilen.

Vor dem Hintergrund der in den vorherigen Kapiteln gewonnen Erkenntnisse, ist im fünften Kapitel der Regelungsbedarf zu erörtern. Jedenfalls auf den ersten Blick vermag es in Anbetracht der Umfrageergebnisse zur geschäftlichen Erreichbarkeit verwundern, dass die Rechtsprechung bislang zu den aufgeworfenen Rechtsfragen keine Stellung nehmen musste. Einige Unternehmen bieten ihren Arbeitnehmern Modelle zum Umgang mit der Erreichbarkeit an, aus denen Rückschlüsse auf betriebliche und gegebenenfalls auf gesetzliche Regelungsmöglichkeiten folgen können. Bedeutsam ist, auf welche Weise Rechtsklarheit in diesen Fragen entstehen kann und ob dazu ein legislatives Handeln oder Lösungen auf betrieblicher Ebene vorzugswürdig sind. Gegebenenfalls ist eine Kombination dieser Ansätze erfolgsversprechend. Nicht zuletzt kommt es darauf an, dass entsprechende Bestimmungen in der Praxis effektiv umsetzbar sind.

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1 So die Präsidentin des BAG Ingrid Schmidt 2013 im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, verfügbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/stress-am-arbeitsplatz-niemand-muss-staendig-erreichbar-sein-12059337.html, - eingesehen am 18.08.2021.

2 Als besonders bedeutsam ist die Entscheidung in Sachen Schultz-Hoff hervorzuheben: EuGH v. 20.01.2009 - C-350/06, NZA 2009, 135.

3 Rudkowski, NJW 2019, 476, 480.

4 Mehrens/Witschen, EuZA 2019, 326

5 Arnold/Zeh, NZA 2019, 1, 6.

6 Arnold/Zeh, NZA 2019, 1, 6.

7 Mehrens/Witschen, EuZA 2019, 326, 349.

Details

Seiten
272
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631874165
ISBN (ePUB)
9783631874172
ISBN (MOBI)
9783631874189
ISBN (Hardcover)
9783631871768
DOI
10.3726/b19465
DOI
10.3726/b19556
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Februar)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 272 S.

Biographische Angaben

Anna Sophie Merkel (Autor:in)

Anna Merkel studierte Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg.

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Titel: Die Erreichbarkeit des Arbeitnehmers während des Erholungsurlaubs
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