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100 Jahre Niederdeutsche Philologie: Ausgangspunkte, Entwicklungslinien, Herausforderungen

Teil 1: Schlaglichter auf die Fachgeschichte

von Andreas Bieberstedt (Band-Herausgeber:in) Doreen Brandt (Band-Herausgeber:in) Klaas-Hinrich Ehlers (Band-Herausgeber:in) Christoph Schmitt (Band-Herausgeber:in)
©2023 Andere 484 Seiten

Zusammenfassung

Der erste Band des Sammelwerks zum 100-jährigen Jubiläum der Niederdeutschen Philologie in Rostock beleuchtet die Fachgeschichte dieser Disziplin. Die Beiträge behandeln in chronologischer Ordnung Stationen, Institutionen und wichtige Vertreter der Fachgeschichte von den frühen Vorläufern (Nathan Chytraeus) bis in die Gegenwart.
August Lübben und Bruno Claußen stehen am Beginn der systematischen Forschung zum Niederdeutschen. Der Verein für niederdeutsche Sprachforschung, das Mecklenburgische Wörterbuch, Arbeiten zur altsächsischen Lexikographie und nicht zuletzt die Professur Hermann Teucherts markieren die Professionalisierung des Fachs. Der gesellschaftliche Kontext der Fachentwicklung wird in Beiträgen zur Zeit des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkrieges und der DDR thematisiert.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Stationen in der Geschichte der Niederdeutschen Philologie. Ein Überblick aus Rostocker Perspektive
  • Nathan Chytraeusʼ Nomenclator Latinosaxonicus (Rostock 1582) und dessen Lemgoer Bearbeitungen (1585 und 1590)
  • Mit Mittelniederdeutsch auf dem Weg zur ‚Niederdeutschen Philologie‘. August Lübben (1818–1884) und die frühe Forschung zum Niederdeutschen
  • Netzwerke – Die Rostocker Niederdeutsche Philologie und der Verein für niederdeutsche Sprachforschung
  • Die Erforschung des Rostocker Liederbuchs von den Anfängen bei Bruno Claußen bis zur Neuedition im Rahmen einer Medienkulturgeschichte weltlicher Liederbücher
  • Hermann Teucherts Lehre an der Universität Rostock 1920–1954
  • Hermann Teuchert, die Flämingforschung und die niederdeutsche Sprachgeschichte
  • „Wossidlo-Teuchert“ online. Potentiale einer korpusbasierten digitalen Präsentation des Mecklenburgischen Wörterbuchs vor dem Hintergrund seiner Entstehungsgeschichte
  • Die niederdeutsche Dialektologie im Nationalsozialismus – Verbindungen von Wissenschaft und Propaganda in den Arbeiten der Sprachwissenschaftlerin Anneliese Bretschneider (1898–1984)
  • „Aber ich will ‚das Feuer hüten‘“ Zur Situation der niederdeutschen Großlandschaftswörterbücher während des Zweiten Weltkriegs
  • Die Entwicklung der (niederdeutschen) Dialektologie in der DDR – beleuchtet an Planung, Durchführung und Vergessen der „Tonaufnahmen der deutschen Mundarten“
  • Altsächsische Lexikographie von Gallée bis Tiefenbach: Eine vorläufige Übersicht
  • Personenregister
  • Autorenverzeichnis

Andreas Bieberstedt, Doreen Brandt, Klaas-Hinrich Ehlers, Christoph Schmitt

Stationen in der Geschichte der Niederdeutschen PhilologieEin Überblick aus Rostocker Perspektive

Abstract: Instead of an editorial introduction, we editors would like to introduce this first volume on the one hundredth anniversary of Low German philology in Rostock with an overview of the history of the subject. The developments in Rostock are the starting point and constant reference point of our overview, whereby the Mecklenburgisches Wörterbuch (Mecklenburg dictionary) and the dialect lexicography in retrospect prove to be a constant in Rostock’s research and subject history and accordingly run through the following sketch as a red thread. From Rostock, however, the view is repeatedly expanded to include conditions and developments at other locations in the Low German academic landscape. The time span we are considering ranges from the earliest precursors of Low German philology in the second half of the 16th century to essential developments in the recent present.

1 Einführung

Über 100 Jahre ist es her, dass an den Universitäten Rostock (1919) und Hamburg (1919/1926) die ersten Professuren für Niederdeutsch eingerichtet wurden.1 Noch weiter zurück – beinahe 150 Jahre – liegt die Gründung des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 1874 in Hamburg, mit der sich erstmals sichtbar eine wissenschaftliche Gemeinschaft formierte, deren vordergründiges Ziel es war, die niederdeutsche Sprache und Literatur in ihren historischen wie rezenten Erscheinungsformen zu dokumentieren und zu erforschen. Eine Geschichte des Faches Niederdeutsche Philologie ist jedoch auch noch nach 100 bzw. fast 150 Jahren ein Desiderat. Mit chronologisch gereihten Beiträgen als Schlaglichtern auf die Geschichte des Fachs will der vorliegende Sammelband diesem Desiderat ein Stück weit Rechnung tragen.

Allerdings haben Angehörige des Faches in der Vergangenheit durchaus die Gelegenheit für Rückblicke genutzt: 1974 beging der Verein für niederdeutsche Sprachforschung sein 100-jähriges Jubiläum in Hamburg mit einem Kolloquium, das mit Vorträgen zur niederdeutschen Sprachgeschichtsforschung (von Willy Sanders), zur niederdeutschen Literatur des Mittelalters (von Hartmut Beckers), zur Erforschung der niederdeutschen Dialekte (von Jan Goossens), zur neuniederdeutschen Mundartliteratur (von Ulf Bichel) sowie zur niederdeutschen Dialektlexikographie (von Karl Hyldgaard-Jensen) eine Standortbestimmung für die Niederdeutsch-Forschung seit der Vereinsgründung vornahm. Zusammen mit einem einführenden Vortrag von Gerhard Cordes wurden die Vorträge publiziert im Niederdeutschen Jahrbuch von 1974.2 Das Anliegen des Jubiläums-Kolloquiums brachte Beckers darin folgendermaßen prägnant auf den Punkt: „Es gilt, Rechenschaft über das in den einzelnen Disziplinen der niederdeutschen Philologie während der vergangenen 100 Jahre Geleistete abzulegen und die vordringlichsten Zukunftsaufgaben zu umreißen.“3 Deutlich spricht aus diesen Worten und nicht zuletzt auch aus dem Jubiläumsband selbst, wie sehr sich das Fach Niederdeutsche Philologie mit dem Verein für niederdeutsche Sprachforschung identifizierte, worauf am Schluss dieses Überblicks noch einmal zurückzukommen sein wird (Kap. 8). Wenige Jahre später, 1981, zeichnete Dieter Stellmacher die Geschichte der Niederdeutschen Philologie mit Blick auf ihre Verankerung im Veranstaltungsangebot und in der Forschung an den Universitäten nach und widmete sich den Interessen und Methoden der niederdeutschen Sprachwissenschaft wie auch der niederdeutschen Literaturwissenschaft.4

Schon mit diesen Rückblicken und Resümees von 1974 und 1981 wird deutlich, dass sich die Niederdeutsche Philologie als Einheit von Sprach- und Literaturwissenschaft versteht und ihren Gegenstand überdies historisch wie auch gegenwartsorientiert perspektiviert.5 Dieses Verständnis, dem auch der vorliegende Sammelband verpflichtet ist, vermittelt schließlich auch das 1983 von Gerhard Cordes und Dieter Möhn herausgegebene Handbuch zur niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, und zwar nicht nur mit seinem Titel, sondern auch mit den Artikeln, die sich dem einen wie dem anderen Gegenstand widmen, um die Entwicklungen und den damaligen Stand der Wissenschaft vom Niederdeutschen zu beleuchten.6 Selbstverständlich ist diese Auffassung von der Niederdeutschen Philologie freilich nicht, denn die Dominanz der sprachwissenschaftlichen Seite, wie sie etwa auch der Name ‚Verein für niederdeutsche Sprachforschung‘ vermittelt, ist immer wieder einmal herausgestellt worden.7 In den letzten Jahren zeichnet sich im Zusammenhang mit der Etablierung von Niederdeutsch als Unterrichtsfach an allgemeinbildenden Schulen und mit der dafür erforderlichen Lehrkräfteausbildung an den Universitäten ein weiterer Gegenstandsbereich der Niederdeutschen Philologie ab: die Niederdeutschdidaktik. Ausweis hierfür ist der von Birte Arendt und Robert Langhanke kürzlich herausgegebene Band Niederdeutschdidaktik. Grundlagen und Perspektiven zwischen Varianz und Standardisierung.8

Ohne den strikten Anspruch auf einen systematisierenden Handbuchcharakter geben weitere Publikationen umfassende Überblicke über die Vorgeschichte und den erreichten Stand der Forschung zur niederdeutschen Sprache und Literatur. Zu erwähnen ist hier beispielsweise der von Herrmann-Winter 1998 herausgegebene Rückblick auf Facetten der Erforschung und kulturellen Vermittlung des Niederdeutschen in der DDR9 oder die vom Heimatbund für niederdeutsche Kultur 2002 zusammengestellte Übersicht über Niederdeutsch in der universitären Lehre und Forschung.10 Mit dieser und weiteren Publikationen ähnlichen Zuschnitts wird überdies die Tendenz zu einer Standortbestimmung sichtbar, die neben der Forschung zusehends auch die Position und die gesellschaftliche Relevanz der Niederdeutschen Philologie in Forschung, Lehre und Studium an den Universitäten adressiert.11 Auch die sehr umfangreiche Festschrift für Willi Diercks12 mit einer Zusammenschau über aktuelle Forschungsfelder der Niederdeutschen Philologie zeige, so Robert Langhanke im Vorwort, „einmal mehr die Berechtigung des Faches Niederdeutsche Philologie und der zugehörigen Studiengänge und Abschlüsse an norddeutschen Hochschulen“13 auf.

Der vorliegende Beitrag zur Einführung unternimmt keine Bestimmung des status quo in Forschung, Universität und Gesellschaft, sondern anstelle einer klassischen Einleitung zunächst den Versuch, Grundzüge einer Geschichte der Niederdeutschen Philologie zu beleuchten. Aus gegebenem Anlass ist der Blick dabei in besonderer Weise auf Rostock und die Rostocker Universität gerichtet, wobei sich das Mecklenburgische Wörterbuch respektive die großlandschaftliche Dialektlexikographie im Nachhinein als eine Konstante in der Rostocker Forschungs- und Fachgeschichte erweist und entsprechend auch als ein roter Faden die folgende Skizze durchzieht, der immer wieder von neuem aufgenommen wird. Dies betrifft auch die Reihe der Beiträge in diesem Band: Marc Pierce und Collin Brown bieten einen Überblick über die „Altsächsische Lexikographie“; Gerrit Appenzeller beleuchtet die „Situation der niederdeutschen Großlandschaftswörterbücher während des Zweiten Weltkriegs“, während Klaas-Hinrich Ehlers die Dialektlexikographie im Kontext der „Entwicklung der (niederdeutschen) Dialektologie in der DDR“ in den Blick nimmt; Christoph Schmitt schließlich stellt mit dem Projekt „Wossidlo-Teuchert online“ die Digitalisierung und Vernetzung des Mecklenburgischen Wörterbuchs vor. Sein Beitrag geht auch auf Hermann Teucherts lexikographische Arbeit in Rostock ein, während sich Jan Cölln umfassend „Hermann Teucherts Lehre an der Universität Rostock 1920–1954“ widmet und Dieter Stellmacher im Besonderen auf „Hermann Teuchert, die Flämingforschung und die niederdeutsche Sprachgeschichte“ eingeht.

Der rote Faden ‚Lexikographie‘ in der folgenden Darstellung wie auch in den Beiträgen dieses Bandes mag seine Rechtfertigung auch darin finden, dass „die Lexikographie in vielem für eine Linguistik des Nd. Vorreiter und Anreger gewesen [ist]“,14 wie Jürgen Meier und Dieter Möhn es 1983 auf den Punkt gebracht haben. Selbst die Vorgeschichte zur Niederdeutsch-Forschung im Zusammenhang mit der Universität Rostock, die in Kapitel 2 skizziert wird, beginnt mit einem Wörterbuch – nämlich mit dem Nomenclator Latinosaxonicus von Nathan Chytraeus aus dem Jahre 1582. Ferner geht die universitäre Verankerung der Niederdeutschen Philologie im 20. Jahrhundert in vielen Fällen mit Wörterbuch-Unternehmungen einher. Das zeigt ausgehend von Rostock und Hamburg einerseits die Übersicht zu den Professurgründungen in Kapitel 3 und andererseits auch der von der Rostocker Lehrstuhlgründung und dem Rostocker Wörterbucharchiv ausgehende Blick auf die Förderung der lexikographischen Unternehmungen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft in den 1920er und 1930er Jahren (Kap. 4). An diesen schließt sich – wiederum mit dem Mecklenburgischen Wörterbuch als Ausgangspunkt – ein kursorischer Blick auf das Fach im Nationalsozialismus an (Kap. 5). Mit Rostock als Universität in den neuen Bundesländern erklärt sich zudem auch, dass ein größerer Abschnitt des vorliegenden Überblicks die Niederdeutsche Philologie in der DDR ins Auge fasst (Kap. 6) und ein weiterer die Rostocker Verhältnisse nach 1989 bis in die Gegenwart in den Blick nimmt (Kap. 7). Von Rostock und von der Dialektlexikographie hebt und weitet sich der Blick jedoch auch beständig zu Akteuren, Institutionen und Gegenständen sowie zu gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die die Entwicklung des Fachs geprägt haben. Zu einer Perspektive auf die Entwicklung des Fachs und der Fachgemeinschaft insgesamt kehrt schließlich auch das letzte Kapitel (Kap. 8) zurück.

2 Von Nathan Chytraeus bis zu Karl Bartsch – Zur Vorgeschichte der Niederdeutsch-Forschung in Rostock und Mecklenburg

2.1 Nathan Chytraeus (1543–1598) und die Anfänge der Niederdeutsch-Forschung in Rostock

Die Beschäftigung mit der niederdeutschen, speziell der mecklenburgischen Sprache und Literatur von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus begann an der Universität Rostock nicht erst mit der Lehrstuhlgründung im Jahre 1919, sondern kann auf eine lange Vorgeschichte bis in das 16. Jahrhundert zurückschauen, an deren Beginn ebenfalls ein Wörterbuch steht. Ende des 16. Jahrhunderts, im Jahre 1582, veröffentlichte der Rostocker Universitätsprofessor und Lehrer Nathan Chytraeus (1543–1598) ein lateinisch-niederdeutsches Wörterbuch, das für den Unterricht an der Rostocker Großen Stadtschule gedacht war. Der Nomenclator latinosaxonicus ist eine unschätzbare Quelle für die Erschließung des mecklenburgischen Wortschatzes aus der Spätphase der mittelniederdeutschen Epoche. Mit der Entstehungsgeschichte und Rezeption des Nomenclators und seiner Bedeutung für die historische Wortgeographie des Niederdeutschen setzt sich der Beitrag von Robert Peters in diesem Band auseinander.

1597 veröffentlichte Chytraeus zudem eine Ausgabe des berühmten Totentanzdruckes Dodendantz der Lübecker Mohnkopfoffizin aus dem Jahre 1520.15 Bruno Claußen zufolge liegt mit dieser Ausgabe „die wohl älteste philologische Edition eines niederdeutschen Textes“16 vor. Die auf Chytraeus folgenden Editionen der Lübecker Totentänze reichen bis in das ausgehende 18. Jahrhundert. Sie dokumentieren ein frühes kulturhistorisches Interesse an dieser mittelalterlichen Kunstform.17 Im Zuge der Fachetablierung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhr die philologische Beschäftigung mit der Überlieferungsgruppe der Lübecker Totentänze einen ersten Höhepunkt.18 Auch in den nachfolgenden Jahrzehnten blieb das Interesse an der (mittelnieder)deutschen Totentanztradition und den Drucken der Mohnkopfoffizin hoch.19

2.2 Der Sprachdiskurs um das Niederdeutsche im 17. und 18. Jahrhundert

Mit dem Nomenclator latinosaxonicus von Chytraeus erklang auch eine „erste metasprachliche Stimme zum Niederdeutschen“20. Seine Anmerkungen zur niederdeutschen Sprache im Vorwort des Nomenclators, insbesondere ihre Würdigung aufgrund ihres Alters und aufgrund von Eigenschaften wie Ernsthaftigkeit (grave), Männlichkeit (masculum) und Wohlklang (suavitas), ferner der Hinweis auf ihre weite Verbreitung und zugleich die Klage über ihre Vernachlässigung durch die Zeitgenossen, lassen Argumentationsmuster aufscheinen, die im Niederdeutschdiskurs des nachfolgenden 17. wie auch des 18. Jahrhunderts geradezu topisch wurden.21 Mit den Akteuren dieses Diskurses – Johann Lauremberg (1590–1658), Daniel Georg Morhof (1639–1691) und Bernhard Raupach (1682–1745) – wurden Chytraeus’ Zuschreibungen an das Niederdeutsche in der Folge nicht nur zu einer regelrechten Traditionslinie ausgebaut und verfestigt. Gleichzeitig waren die drei Gelehrten wie Chytraeus auch Angehörige der Rostocker Universität.

Lauremberg, gebürtig aus Rostock und von 1618 bis 1623 dort Professor für Poesie, setzte sich in den Veer Schertz Gedichten von 1652 mit den negativen Spracheinstellungen gegenüber dem Niederdeutschen auseinander.22 Das vierte Scherzgedicht steht in der Tradition barocker Sprachkritik und interpretiert die Verachtung der niederdeutschen Sprache als Ausdruck allgemeinen Sittenverfalls. Gegen die Stigmatisierung des Niederdeutschen werden Argumente wie dessen Alter, Beständigkeit, Ehrwürdigkeit, Natürlichkeit und Reinheit ins Feld geführt, die zu den zentralen Topoi zeitgenössischer Sprachbewertung zählten. Diese wurden zwar in der Regel für die „Teutsche Hauptsprache“23, d. h. die neuhochdeutsche Einheitsschriftsprache ostmitteldeutscher Prägung, in Anschlag gebracht, werden hier aber auf das Niederdeutsche umgemünzt.24 Zugleich wird auf die reiche literarische Tradition des Niederdeutschen verwiesen, die sich in Texten wie der niederdeutschen Bibel25 und dem Tierepos Reynke de Vos äußere.26 In der Folgezeit dienten die Schertz Gedichte ihrerseits als viel bemühter Ausweis für die Leistungsfähigkeit des Niederdeutschen als Literatursprache. So lobte bereits Daniel Georg Morhof, 1660 bis 1665 Professor für Poesie in Rostock, in der Poetiklehre Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie von 1682 die literarische Qualität der niederdeutschen Scherzgedichte Laurembergs.27

Am Anfang des 18. Jahrhunderts setzte sich der Theologe und Kirchenhistoriker Bernhard Raupach ebenfalls mit der zeitgenössischen Situation des Niederdeutschen auseinander. In seiner Rostocker Examensschrift Von unbilliger Verachtung der PlatTeutschen Sprache28 aus dem Jahr 1704 verteidigte Raupach das Niederdeutsche gegen seine Verunglimpfung als Sprache der „Bauerntölpel und Mägde“.29 Raupachs Plädoyer für eine Rehabilitierung des Niederdeutschen führte ähnliche sprachästhetische Argumente wie Laurembergs Scherzgedicht ins Feld und zitiert zugleich die Sprachkritik von Nathan Chytraeus.30 Wie bei Lauremberg wird zudem die literarische Tradition des Niederdeutschen als Beleg für dessen Wertigkeit ins Spiel gebracht. Als prominente Beispiele werden erneut wie bei Lauremberg die niederdeutschen Bibelübersetzungen sowie der Reynke de Vos angeführt.31 Zugleich wird nunmehr Lauremberg selbst – unter Berufung wiederum auf Morhofs Lob32 – in diese literarische Traditionslinie integriert33 und dient seinerseits als Beleg für die hohe Qualität niederdeutscher Literatur. Raupachs Verteidigungsschrift „versammelt bereits zentrale Behauptungen, die zur Aufwertung des Niederdeutschen im Sprachnormierungsdiskurs des gesamten 18. Jh. genannt werden.“34 Die Rede von der „unverdienten Verachtung“ bzw. „unverdienten Nichtachtung“ der niederdeutschen Sprache findet sich zudem noch bei Philologen des 19. Jahrhunderts und diente hier als Argument für eine Forschung zur niederdeutschen Sprache und Literatur.35

2.3 Niederdeutsche Lexikographie und Grammatikographie im 18. und 19. Jahrhundert

Im 18. und 19. Jahrhundert rückte die lexikalische und grammatische Beschreibung des Mecklenburgischen wie insgesamt der niederdeutschen Dialekte zunehmend in den Vordergrund. Sie wurde vor allem von bildungsbürgerlichen Privatgelehrten, zumeist Lehrern und Pastoren mit einem gleichermaßen philologischen und sprachaufklärerischen wie volkskundlichen und antiquarisch-dokumentarischen Interesse, geleistet. Traditionsbildend in lexikographischer Hinsicht war das 1743 veröffentlichte Idioticon Hamburgense, mit dem der Hamburger Universalgelehrte, Sprachkritiker, Dichter und Aufklärer Michael Richey (1678–1761)36 einen neuen Wörterbuchtyp begründete und damit zugleich den Grundstein für die moderne Dialektlexikographie insgesamt legte.37 Der von Richey geprägte Begriff ‚Idiotikon‘ bezeichnete ein „Verzeichnis der einer gewissen Landschaft eigenen (und deshalb erklärungsbedürftigen) Ausdrücke“38. In den zahlreichen auf Richey folgenden Idiotika zu den Dialekträumen des Deutschen39 manifestiert sich die „am Ende des 17. Jh. beginnende und sich im 18. Jh. in beträchtlichem Ausmaße fortsetzende Beschäftigung des gebildeten Bürgertums mit der Mundart“,40 weshalb Bremer/Hoffmann mit ihnen die erste Phase „einer Geschichte der Wissenschaftsorganisation der Dialektologie“41 anbrechen lassen.

Für den mecklenburgischen Sprachraum legte der Rostocker Rechtsprofessor Ernst Johann Friedrich Mantzel (1699–1768) eine umfangreiche, ebenfalls als Idiotikon bezeichnete Wörtersammlung vor, die nicht in erster Linie sprachpflegerisch oder dialektologisch gedacht war, sondern den pragmatischen Ansatz verfolgte, „die Mundart, welche auf dem Lande und in fast allen Schichten der städtischen Bevölkerung gesprochen wurde, den Geistlichen, Behörden und Kaufleuten verständlich zu machen.“42 Sein Idioticon Mecklenburgense juridico-pragmaticum erschien ab 1757 in mehreren Teilen.43 Zusammen mit dem Nomenclator latinosaxonicus von Nathan Chytraeus sollte Hermann Teuchert (1880–1972) es später als Vorstufe des Mecklenburgischen Wörterbuches würdigen.44

Erste Forderungen nach einem wissenschaftlichen Dialektwörterbuch des Mecklenburgischen im eigentlichen Sinne gehen bis auf den Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Wohl als Antwort auf entsprechende Ideen von Georg Christian Friedrich Lisch (1801–1883), dem Begründer des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, entwickelte Jacob Grimm (1785–1863) in einem Brief aus dem Jahr 1827 Vorstellungen über die Gestaltung eines solchen Wörterbuches, wobei er insbesondere eine Berücksichtigung der grammatischen Formen, der Wortbildung und der Zusammensetzungen forderte. Als konzeptionelles Vorbild schlug Grimm das Bayerische Wörterbuch von Johann Andreas Schmeller (1785–1852) vor.45

Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts nahm auch die grammatische Beschreibung des Mecklenburgischen ihren Anfang. Einen ersten Versuch einer plattdeutschen Sprachlehre, mit besonderer Berücksichtigung der mecklenburgischen Mundart unternahm 1829 der Lehrer und Pastor Johann Jacob Mussaeus (1789–1839).46 Mussaeus’ Wörterbuch sowie seine Arbeiten zu mecklenburgischen Märchen, Sagen und Sprichwörtern47 und zum regionalen Brauchtum48 lassen erstmalig die zunehmend enge Verknüpfung zwischen der dialektologischen und der volkskundlichen Forschung zum Mecklenburgischen erkennen, die sich später in den ersten Konzeptionen einer Rostocker Niederdeutsch-Professur sowie im Mecklenburgischen Wörterbuch kondensieren sollte (vgl. Kap. 4). Mit den Grammatiken von Johann Ritter (1799–1880) aus dem Jahr 1832, von Julius Wiggers (1811–1901) aus dem Jahr 1857 und schließlich von Karl Nerger (1841–1913) aus dem Jahr 1869 gelang noch im ersten und zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts eine umfassende Beschreibung der mecklenburgischen Basisdialekte. Als historische Grammatik eines Dialekts mit dem Fokus auf die „Lautlehre“ und die „Flexionslehre“ zweier Zeitstufen des Mecklenburgischen steht Nergers Grammatik des meklenburgischen Dialektes älterer und neuerer Zeit in der Tradition der junggrammatischen Sprachwissenschaft. Gewidmet war sie den akademischen Lehrern Nergers in der Deutschen Philologie, Rudolf Raumer (1815–1876) in Erlangen und Karl Bartsch (1832–1888) in Rostock. Als von der Universität Rostock 1865 ausgeschriebene „Preisarbeit“ ist Nergers Grammatik 1866 für den ersten Preis ausgewählt worden.49

In Folge der zunehmenden Relevanz des Hochdeutschen als Mittel auch der mündlichen Kommunikation in Mecklenburg gerieten im 19. Jahrhundert neben den niederdeutschen Basisdialekten ebenso die hochdeutschen regionalen Umgangssprachen in den Blick – interpretiert allerdings als fehlerhafte Sprachmischungen und damit als korrekturbedürftiger Sprachgebrauch. Schon Ende des 18. Jahrhunderts hatte ein anonymer Verfasser in den Jahrgängen 2 und 3 der in Schwerin erscheinenden Monatsschrift von und für Mecklenburg Sprachproben des „mecklenburgschen Hochdeutschs“ geliefert, die als fingierte Gespräche bzw. Briefwechsel mit Korrekturhinweisen versehen waren.50 Auch die 1859 in Schwerin für den Gebrauch am dortigen Gymnasium gedruckte Hochdeutsche Grammatik mit Rücksicht auf die plattdeutsche Mundart des mecklenburgischen Lehrers, Archivars und Historikers Friedrich Wigger (1825–1886) verstand sich als Hilfsmittel zur Heranführung der Schüler an einen korrekten hochdeutschen Sprachgebrauch.51 Sie steht am Beginn einer Traditionslinie kontrastiver Sprachlehren,52 mit denen niederdeutsche Dialektsprecher, insbesondere Schüler, zu einem korrekten Gebrauch des Hochdeutschen gebracht werden sollten und die ihren Schlusspunkt mehr als 100 Jahre später in der Heftreihe Dialekt, Hochsprache – Kontrastiv Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre fand.53 Die von der Sprachwissenschaft bislang wenig beachteten kontrastiven Schulgrammatiken stellen ein viel versprechendes Quellenkorpus für die Erforschung der historischen Mündlichkeit im niederdeutschen Sprachraum und der diachronen Varietätendynamik im Feld zwischen Basisdialekt und Standardsprache dar.

2.4 Niederdeutsch am Rostocker Deutsch-Philologischen Seminar

„Akademische Aufmerksamkeit wurde dem Niederdeutschen zuerst an der ältesten norddeutschen Universität zuteil, in Rostock.“54 So heißt es bei Dieter Stellmacher, der damit insbesondere auf die Germanisten Karl Bartsch und Reinhold Bechstein (1833–1894) rekurriert. Bartsch gründete 1858 in Rostock das erste Deutsch-philologische Seminar.55 In einer Denkschrift zum 25-jährigen Jubiläum betonte Bechstein, seinerzeit Seminardirektor, die über Rostock hinausreichende Bedeutung dieser Seminargründung: „Es ist nicht allein andern ähnlichen Instituten vorangegangen, sondern seine Einrichtungen haben auch anderwärts mehrfach einen Anhalt geboten, ja selbst zum Vorbilde gedient.“56 Vorangegangen war der Seminargründung die bereits im Jahre 1839 von Christian Wilbrandt (1801–1867), Professor der Ästhetik und neueren Literatur, betriebene Einrichtung eines Philosophisch-ästhetischen Seminars. Bemerkenswert an dieser Vorgängerinstitution war ihre „ausdrückliche Ausrichtung auf angehende Lehrer sowie das Vorhaben, die Handhabung der deutschen Sprache in Vorträgen und Hausarbeiten zu fördern.“57 Zu diesem Zweck sollten laut den Seminarstatuten „ausgezeichnete Werke der National-Literatur in ihrem ganzen Umfange, sowohl der ältern als der neuern Zeit“58 behandelt werden.

Nachdem Wilbrandt 1852 aufgrund seines politischen Engagements in der 1848/1849er Revolution aus dem Universitätsdienst entlassen worden war, dauerte es sechs Jahre, bis mit dem Germanisten und Romanisten59 Karl Bartsch ein Nachfolger gefunden wurde. Das von Bartsch in Kooperation mit dem Vizekanzler der Universität, Carl Friedrich von Both (1789–1875), ins Leben gerufene Deutsch-philologische Seminar legte erneut einen starken Fokus auf die Lehrerausbildung, wenngleich sich Bartsch anders als Wilbrandt mehr als Philologe denn als Pädagoge verstand. In einem Vortrag auf der Karlsruher Versammlung Deutscher Philologen und Schulmänner60 im Jahre 1883 charakterisierte er (zu dieser Zeit bereits Professor in Heidelberg) sein Verständnis des Verhältnisses von universitärer philologischer und pädagogischer Ausbildung wie folgt:

Der Staat braucht Lehrer und kann verlangen, dass auf einer von ihm dotierten Anstalt die Studierenden für ihren einstigen Beruf vorbereitet werden. Diese Rücksicht aber zu sehr in den Vordergrund zu stellen, ist einseitig, und ist vor allem verderblich für die philologische Durchbildung. […] Nein! soll eine einseitige Richtung in unseren Seminarien die herrschende sein, dann viel besser die einseitig philologische, die uns künftige Gelehrte, nicht Lehrer ziehen will. Das Richtige liegt auch hier wie so oft in der Mitte […].61

Realisiert werden sollte diese Zielsetzung durch einen verstärkten thematischen Fokus auf „die geschichtliche Entwicklung des Neuhochdeutschen in Lauten, Formen und syntaktischen Erscheinungen, ebenso das Verhältnis von Dialekt und Schriftsprache“, die genügend Stoff gäben, „der dem künftigen Lehrer Gelegenheit bietet, für seine Schüler den deutschen Unterricht anziehend und belehrend zu machen.“62 Die Behandlung dialektaler Varietäten des Deutschen – das Niederdeutsche wird nicht eigens erwähnt – hatte hierbei eher subsidiarische Funktion: „Namentlich wird das Verhältnis von Schriftsprache und Mundart für den Unterricht nützlich sich erweisen, da auch hier das Lautphysiologische vielfach in Betracht kommt.“63

Eine Sichtung der Lektüretexte und Referatsthemen des Deutsch- Philologischen Seminars aus den ersten 25 Jahren seines Bestehens zeigt die praktische Umsetzung von Bartschs Seminarkonzept.64 Behandelt wurden vorrangig mittelhochdeutsche Werke und Autoren65, die literaturwissenschaftlich, linguistisch und kulturhistorisch besprochen wurden. Daneben wurden im weitaus geringeren Maße frühneuhochdeutsche (Hans Sachs) und jüngere Autoren (etwa Goethes Dichtung und Wahrheit) behandelt. Lediglich vereinzelt wurden niederdeutsche Texte historischer Sprachstufen gelesen, 1865 etwa „ausgewählte Stücke aus dem Heliand, mit vorausgehender grammatischer Einleitung“66, 1871/1872 und 1877 das mittelniederdeutsche Redentiner Osterspiel. Dezidiert sprachwissenschaftliche Gegenstände sind nur sehr vereinzelt thematisiert worden, so erfolgte etwa 1881 eine „Kritische Besprechung der preussischen Schul-Orthographie“.67 Eine breitere fachliche Streuung zeigen dagegen die zu den Vorlesungen und Übungen angefertigten Vorträge und Seminararbeiten der Studierenden, in denen auch niederdeutsche Themen behandelt wurden, so über lautgrammatische Phänomene im Heliand, über die Lesarten des Redentiner Osterspiels in verschiedenen Editionen sowie über den niederdeutschen Dialekt im Vergleich zur neuhochdeutschen Schriftsprache.68

Mehr noch als um die Einbeziehung des Niederdeutschen als Gegenstand der universitären Lehre machte sich Karl Bartsch – in der Tradition von Jacob Grimms Bemühen um die ‚deutsche Mythologie‘69 – um die Sammlung und Herausgabe mecklenburgischer ‚Volkspoesie‘ verdient. Ein öffentlicher Aufruf zur Sammlung mecklenburgischer Märchen, Sagen, Redensarten und Gebräuche erging im Jahr 1867.70 Der erste Band der mit Unterstützung von Georg Christian Friedrich Lisch herausgegebenen Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg erschien 1879, der zweite ein Jahr später 1880.71 Die Sammlung bildet unter anderem eine wichtige Quelle für das Mecklenburgische Wörterbuch.

3 Lehrer, Bibliothekare, Archivare und Professoren – Akteure der frühen Fachgeschichte

Das Rostocker Beispiel führt bereits deutlich vor Augen, dass die niederdeutsche Sprache und Literatur nicht erst von Professoren mit einer Niederdeutsch-Denomination zur Angelegenheit der Forschung und Lehre gemacht wurden. Zum einen lag das Niederdeutsche im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert immer auch im Betrachtungs- und Interessenfeld der Deutschen Philologie. Karl Bartsch und Reinhold Bechstein als Professoren für Deutsche Philologie in Rostock, legen darüber beredtes Zeugnis ab,72 aber auch – um einmal im heutigen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zu bleiben – Albert Hoefer (1812–1883), Wolfgang Stammler (1886–1965) und Hans-Friedrich Rosenfeld (1899–1993) an der Universität Greifswald. Welches Verdienst beispielsweise Edward Schröder (1858–1942) und Gustav Roethe (1859–1926) in Göttingen für die Niederdeutsche Philologie zukam, die sich bei der Göttinger Akademie der Wissenschaften für die systematische Erfassung mittelniederdeutscher Handschriften in den Bibliotheken Norddeutschlands, der Niederlande und Skandinaviens durch den späteren Hamburger Ordinarius Conrad Borchling eingesetzt hatten, das hat Karl Stackmann eindrücklich dokumentiert.73 Die Liste ließe sich fraglos erweitern.74

Zu den zahlreichen Akteuren in der frühen niederdeutschen Fachgeschichte sind zum anderen aber auch Gymnasiallehrer, Bibliothekare und Archivare zu rechnen. In Rostock wäre hier neben dem bereits erwähnten Karl Nerger etwa auch Karl Ernst Hermann Krause (1822–1892) zu nennen, der wie Nerger an der Großen Stadtschule unterrichtete, ferner der Hansehistoriker Karl Koppmann (1839–1905), der zunächst in Hamburg, später dann in Rostock als Stadtarchivar tätig war, und nicht zuletzt Adolph Hofmeister (1849–1904),75 Gustav Kohfeldt (1861–1934) und Bruno Claußen (1880–1958), die an der Rostocker Universitätsbibliothek wirkten. Zu den wissenschaftlichen Bibliothekaren, die sich der Erforschung des Niederdeutschen widmeten, zählten, wenn man die Grenzen Rostocks einmal verlässt, auch August Lübben (1818–1884), zunächst Gymnasiallehrer und später Direktor der Öffentlichen Bibliothek zu Oldenburg, Christoph Walther (1841–1914), zeitweise Sekretär an der Hamburger Stadtbibliothek, sowie Wilhelm Seelmann (1849–1940), Oberbibliothekar an der Preußischen Staatsbibliothek (heute Staatsbibliothek Berlin). Überwiegend hatten diese Männer einen akademischen Bildungshintergrund – entweder waren sie Absolventen der Klassischen und/oder Deutschen Philologie oder aber der Geschichtswissenschaften.76 Insgesamt drei Beiträge in diesem Band nehmen diese frühen Akteure der Niederdeutschen Philologie in den Blick: Doreen Brandt untersucht die Rolle August Lübbens für die frühe Niederdeutsch-Forschung und seine Positionierung zur mittelniederdeutschen Literatur und Sprache. Franz-Josef Holznagel würdigt die Forschungsleistung Bruno Claußens mit einem Fokus auf das von Claußen aufgefundene und erstmals herausgegebene Rostocker Liederbuch.77 Ingrid Schröder wiederum widmet sich den Beziehungen zwischen den Rostocker Akteuren in der Niederdeutsch-Forschung und dem Verein für niederdeutsche Sprachforschung und berücksichtigt dabei im Besonderen auch die Lehrer Nerger und Krause wie auch die Bibliothekare Kohfeldt und Claußen.

Unter dem Gesichtspunkt der Errichtung von Professuren mit Niederdeutsch in der Denomination zeichnen sich vier Etappen in der Institutionalisierungsgeschichte der Niederdeutschen Philologie ab. In allen Fällen handelte es sich dabei um Professuren im niederdeutschen Sprachraum und in der Mehrheit der Fälle waren diese personell und/oder institutionell mit Arbeitsstellen großlandschaftlicher Wörterbücher verknüpft. Somit zeichnet sich das Bemühen um eine systematische Dokumentation des dialektalen Wortschatzes als ein wesentlicher Motor für die universitäre Institutionalisierung und die Akademisierung der Niederdeutschen Philologie ab.

In der ersten Etappe wurden 1919 die Professuren in Rostock und in Hamburg geschaffen und mit Hermann Teuchert78 und Conrad Borchling79 besetzt. Borchlings Stelle war als Professur für „Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsche Literatur mit besonderer Berücksichtigung des Niederdeutschen und des Niederländischen“ denominiert. Eine explizite, allerdings außerordentliche Professur für Niederdeutsch wurde in Hamburg 1926 eingerichtet und mit Agathe Lasch (1879–1942) besetzt.80 Schon seit 1917 hatte in Hamburg die von Borchling und Lasch gegründete Arbeitsstelle Hamburgisches Wörterbuch bestanden. In Rostock standen Hermann Teuchert ab 1926 die Mittel zum Aufbau eines Wörterbucharchivs und zur Arbeit am Mecklenburgischen Wörterbuch zur Verfügung.81

In den 1950er Jahren, der zweiten Etappe, erfolgte die Errichtung von drei weiteren ordentlichen Niederdeutsch-Professuren, und zwar in Münster, in Kiel und in Göttingen. So wurde am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Jahr 1940 zunächst ein Extraordinariat für Niederdeutsche Philologie eingerichtet, das ab 1941 vertretungsweise, ab 1944 planmäßig mit William Foerste (1911–1967) besetzt und 1951 in ein Ordinariat umgewandelt wurde.82 1946 übernahm Foerste die Leitung des Westfälischen Wörterbuchs,83 dessen Bearbeitung seit 1928 in der Verantwortung der Volkskundlichen Kommission für die Provinz Westfalen lag.84

In Kiel erhielt Gerhard Cordes (1908–1985), seit 1948 Lektor für Niederdeutsch und Niederländisch, im Jahr 1952 das neu eingerichtete Extraordinariat für Niederdeutsch. Fünf Jahre später, 1957, wurde es zu einer planmäßigen Professur für Deutsche, insbesondere Niederdeutsche Philologie ausgebaut.85 Die Bestrebungen zur Gründung einer Niederdeutsch-Professur an der Universität Kiel reichen jedoch schon bis in die 1920er Jahre zurück und sind eng mit dem Wirken des Germanisten Otto Mensing (1868–1939) verknüpft. Auf seine Initiative war schon 1902 ein erster öffentlicher Aufruf zur Sammlung von Quellenmaterial für ein schleswig-holsteinisches Wörterbuch ergangen. 1917 erhielt er unter anderem aufgrund seiner lexikographischen Leistungen eine Titular-Professur für Deutsche Philologie am Germanischen Seminar der Universität in Kiel, die mit einem Lehrauftrag für Niederdeutsche Sprache, Literatur und Volkskunde verbunden war und die ab 1921 bis zu seinem Tode 1939 zu einer außerordentlichen Professur für Deutsche Philologie aufgewertet wurde.86

In Göttingen wurde 1954 ein Extraordinariat für Niederdeutsche Sprache und Literatur geschaffen, das zuerst mit Heinrich Wesche (1904–1978) besetzt und 1958 schließlich in eine ordentliche Professur umgewandelt wurde. Wesche übernahm 1954 auch die Leitung des Niedersächsischen Wörterbuchs. Bereits seit 1935 bestand am Seminar für deutsche Philologie der Universität Göttingen eine Wörterbuch-Arbeitsstelle.87

In der dritten Etappe sind drei Professuren geschaffen worden: Erstens bestand von 1988 bis 2009 an der Universität Bielefeld die Professur für Germanistische Linguistik, niederdeutsche Sprache und Literatur, die Jan Wirrer (*1944) innehatte, die jedoch – zumindest mit der Niederdeutsch-Denomination – nach seiner Emeritierung nicht fortbestand.88 Zweitens ist 1992 die Niederdeutsch-Professur an der Universität Greifswald eingerichtet und zuerst mit Renate Herrmann-Winter (*1933) besetzt worden. Auch hier steht die Professur mit einem Wörterbuch-Projekt in Zusammenhang. Schon im Jahr 1925 hatte Wolfgang Stammler, Professor für Germanische Philologie am Greifswalder Germanistischen Seminar, das bis zum heutigen Tag in Arbeit befindliche Pommersche Wörterbuch begründet. Herrmann-Winter war von 1967 bis 1969 die Leiterin des Wörterbuchs, nachdem es 1948 zu einer Arbeitsstelle der Ostberliner Akademie der Wissenschaften geworden war und bevor diese Arbeitsstelle 1969 geschlossen wurde. Zeitgleich mit der Einrichtung der Professur wurde schließlich auch die Arbeit am Pommerschen Wörterbuch – jetzt als Arbeitsstelle der Sächsischen Akademie der Wissenschaften – unter der Leitung von Herrmann-Winter wieder aufgenommen.89 Drittens handelt es sich auch bei der gegenwärtigen Rostocker „Professur für niederdeutsche Sprache und Literatur“ letztendlich um eine Neugründung aus dem Jahr 1992, die zuerst mit Irmtraud Rösler (*1942) besetzt wurde. Teucherts Berufung 1919 hatte nämlich – anders als die Professur von Agathe Lasch in Hamburg90 – keine kontinuierliche Linie von Niederdeutsch-Professuren begründet: Ein erster Bruch ist 1946 zu verzeichnen, als an die Stelle der Niederdeutschen und Niederländischen Philologie in der Denomination die „Deutsche Sprache und Ältere deutsche Literatur“ mit dem Zusatz „Niederdeutsche Sprache und Literatur“ trat. Der zweite Bruch erfolgte mit der Berufung von Hans-Friedrich Rosenfeld auf die „Professur für Deutsche Sprache, Ältere Deutsche Literatur und Volkskunde“ (1955–1956), als an die Stelle von Niederdeutsch die Volkskunde trat. Die nachfolgenden Professuren schließlich – von der Besetzung mit Brigitta Schreyer-Mühlpfordt (1956) bis zu Franz-Josef Holznagel (2003) – lauteten (in unterschiedlichen Variationen) auf „Ältere deutsche Sprache und Literatur“.91

In der vierten Etappe schließlich wurde an der Universität Oldenburg in Niedersachsen erst im Jahr 2007 die „Professur für Pragmatik und Soziolinguistik/Niederdeutsch“ eingerichtet und besetzt, nachdem 2005 nach der Emeritierung von Dieter Stellmacher die Professur in Göttingen nicht wieder besetzt worden war.92 2020 folgte in Oldenburg die „Juniorprofessur für niederdeutsche Literatur in historischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive“. Gegenwärtig ist das Fach Niederdeutsch an fünf norddeutschen Universitäten mit mindestens einer ordentlichen Professur vertreten, und zwar in Hamburg, Kiel, Münster, Oldenburg und Rostock.93

4 Lehrstuhlgründung in Rostock und Anfänge der Wörterbucharbeit

Bestrebungen zur Einrichtung einer Niederdeutsch-Professur reichen in Rostock bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zurück. Ein erstes Gesuch der Philosophischen Fakultät in Rostock an das Schweriner Ministerium für Unterricht um Einrichtung einer Professur für „plattdeutsche Volkskunde, Sprache und Literatur“ ist bereits auf das Jahr 1908 datiert. Initiator war der Nachfolger Reinhold Bechsteins als Direktor des Deutsch-Philologischen Seminars, der Germanist, Mythen- und Wagnerforscher Wolfgang Golther (1863–1945).94 Das in dem Gesuch formulierte Aufgabenprofil der Stelle vereint auf augenfällige Weise volkskundliche und philologische Arbeitsfelder, indem nicht allein die Sammlung der mecklenburgischen Volksüberlieferung vorangetrieben werden sollte, sondern auch ein mecklenburgisches Wörterbuch und eine mecklenburgische Grammatik als wünschenswert formuliert wurden. Der Fokus lag zu dieser Zeit allerdings noch primär auf der Volks- und Heimatkunde, argumentativ getragen unter anderem von der zeittypischen Rettungstopik:

Durch Schaffung einer solchen Stelle […] würde die Heimatkunde eine gewiss allgemein freudig begrüsste mächtige Förderung erfahren. Der Inhaber der Professur könnte die so wichtigen Sammlungen im Lande, gestützt auf das Ansehen und die wissenschaftlichen Hilfsmittel der Hochschule, erfolgreich betreiben, zu Ende führen und verarbeiten. Neben der Sammlung der Volksüberlieferungen ist [sic!] eine plattdeutsche Grammatik und ein Wörterbuch sehr wünschenswert. Nach dem Urteil von Sachkundigen ist es hohe Zeit, die immer mehr schwindenden alten Bräuche, Wörter und Wendungen, so lang es überhaupt noch möglich ist, aufzunehmen. Der Hochschullehrer könnte ferner die so nötigen Hilfskräfte heranbilden, unter den Schulamtskandidaten Teilnahme und Verständnis für volkskundliche Bestrebungen erwecken. Seine Tätigkeit würde ihr Hauptgewicht auf praktische Uebungen, Unterweisung über Aufnahme volkstümlicher Ueberlieferung u. dergl. zu verlegen haben.95

Aus dem Gesuch geht ebenso hervor, dass man zunächst Richard Wossidlo (1859–1939), Volkskundler und Gymnasialprofessor in Waren, auf die geplante Professur berufen wollte bzw. dass man Wossidlo bereits bei der Formulierung des Anforderungsprofils explizit im Auge hatte.96 Die Favorisierung des Begründers der Mecklenburgischen Volkskunde hing unmittelbar mit dem lexikographischen Grundanliegen zusammen, das mit dem Gesuch von 1908 dokumentiert ist: der Erarbeitung eines großlandschaftlichen Wörterbuchs der mecklenburgischen Sprache. Aufgrund seiner langjährigen Sammeltätigkeit zur ‚Volkskultur‘ und ‚Volkssprache‘ Mecklenburgs und des von ihm aufgebauten volkskundlichen Archivs schien Richard Wossidlo prädestiniert für diese Aufgabe zu sein. Von 1883 bis 1939 erfasste Wossidlo als Privatgelehrter mecklenburgische ‚Volksüberlieferungen‘ und trug damit zugleich wesentlich zur Entwicklung einer wissenschaftlichen Volkskunde und ihrer zentralen Erhebungsmethode, der Feldforschung, bei.97 Richard Wossidlo

kam von der Mundart her, an deren sprachlichen Reichtum er sich begeisterte, wandte sich zunächst den Kleinformen der sprachlichen Volksüberlieferung, wie Sprichwort, Rätsel, Reim usw., zu, bezog dann das populäre Erzählgut, wie Sagen, Schwänke, Märchen, Legenden usw., in seine Sammeltätigkeit mit ein und erfaßte schließlich in unzähligen Berichten und Erinnerungserzählungen der Land- und Kleinstadtbevölkerung in Mecklenburg so etwas wie die Gesamtheit der geistigen und materiellen Volkskultur dieses Landes.98

Unterstützung bei seiner Sammeltätigkeit fand Wossidlo seit den 1890er Jahren sowohl seitens verschiedener regionalkulturell orientierter Vereinigungen, wie dem Verein für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, als auch einzelner Vertreter des akademischen Wissenschaftsbetriebes. Die systematische Zettelsammlung Wossidlos wuchs schließlich auf knapp 900.000 Einzelbelege an, die nach über 28.000 Kategorien geordnet waren.99 Sein „in Deutschland bisher einmaliges Sammelwerk“100 sollte später den Grundstock für den Wortbestand des Mecklenburgischen Wörterbuchs bilden.101 Auch Richard Wossidlo selbst hatte bei seiner Forschungstätigkeit immer auch das wiederholt geforderte „mecklenburgische Idiotikon“102 im Blick, sah sich allerdings nicht in der Lage, diese Unternehmung selber zu leisten.

Der Erste Weltkrieg beendete zunächst die Bemühungen um die Einrichtung eines Lehrstuhles. 1919 trug die Universität Rostock schließlich Richard Wossidlo „eine Professur für niederdeutsche Sprache und Volkskunde“ an.103 Nachdem dieser jedoch – unter anderem aus Altersgründen und da er sich eher als volkskundlicher Sammler denn als akademischer Philologe verstand104 – den Ruf nach Rostock abgelehnt hatte,105 erfolgte die Neukonzeption des Lehrstuhls mit einer stärkeren philologischen Ausrichtung als Lehrstuhl für Niederdeutsche und Niederländische Sprache und Literatur. Die 500-Jahrfeier der Universität Rostock im Jahr 1919 bildete den offiziellen Anlass für die Einrichtung des Ordinariats und die Berufung Hermann Teucherts. Der Lexikograph und Dialektologe konnte durch seine Arbeit am Rheinischen und am Brandenburgischen Wörterbuch bereits umfangreiche Erfahrungen in der Wörterbuchpraxis vorweisen und galt gleichzeitig als ausgewiesener Spezialist für die niederdeutschen Dialekte.106

Das gegenüber dem ursprünglichen Konzept stärker philologisch geprägte Verständnis vom Aufgabengebiet des neuen Lehrstuhls zeigt sich auch in dessen Denomination, die nunmehr nämlich nicht allein die niederdeutsche, sondern auch die niederländische Sprache und Literatur umfasste. Diese Doppelung hing zum einen mit den persönlichen Forschungsschwerpunkten von Teuchert zusammen, der 1944 seine noch heute bedeutsame Abhandlung zu den Sprachresten der niederländischen Siedlungen im nieder- und mitteldeutschen Sprachraum des 12. Jahrhunderts vorlegte.107

Die Ausrichtung von Teucherts Rostocker Professur verdeutlicht zum andern aber auch die enge Verknüpfung der Niederdeutschen mit der Niederländischen Philologie, die sich aus der räumlichen und strukturellen Nähe beider Sprachen sowie aus der vielgestaltigen historisch-kulturellen Verflechtung beider Sprachräume ergibt. So nimmt es nicht Wunder, dass auch Borchlings Hamburger Lehrstuhl zunächst als Professur für Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsche Literatur mit besonderer Berücksichtigung des Niederdeutschen und des Niederländischen denominiert war.108 Und auch der Schüler Conrad Borchlings und Agathe Laschs, William Foerste, der 1938 bei Borchling Über den Einfluß des Niederländischen auf den Wortschatz der jüngeren niederdeutschen Mundarten Ostfrieslands promovierte, besetzte ab 1941 an der Universität Münster zunächst ein Extraordinariat für niederdeutsche Philologie mit besonderer Berücksichtigung des Niederländischen.109

Die Besetzung der Rostocker Professur mit Hermann Teuchert erfolgte im Jahr nach seiner Berufung zum 1. Oktober 1920. Zu den Hauptaufgaben des neuen Lehrstuhlinhabers gehörte es laut eines Schreibens des Mecklenburg-Schwerinschen Ministeriums für Unterricht an Teuchert vom August 1920,

Details

Seiten
484
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631885703
ISBN (ePUB)
9783631885710
ISBN (Hardcover)
9783631885697
DOI
10.3726/b20675
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Mai)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 484 S., 6 s/w Abb., 35 Tab.

Biographische Angaben

Andreas Bieberstedt (Band-Herausgeber:in) Doreen Brandt (Band-Herausgeber:in) Klaas-Hinrich Ehlers (Band-Herausgeber:in) Christoph Schmitt (Band-Herausgeber:in)

Andreas Bieberstedt ist Professor für Niederdeutsche Sprache und Literatur an der Universität Rostock. Doreen Brandt ist Professorin für niederdeutsche Literatur an der Universität Oldenburg. Klaas-Hinrich Ehlers ist Privatdozent für germanistische Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Christoph Schmitt leitete bis 2022 die Wossidlo-Forschungsstelle für Europäische Ethnologie/Volkskunde der Universität Rostock.

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Titel: 100 Jahre Niederdeutsche Philologie: Ausgangspunkte, Entwicklungslinien, Herausforderungen
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