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Die Haftung für das Verhalten anderer Personen bei der «locatio conductio»

Haftungskonzepte im römischen Miet-, Werk- und Dienstvertragsrecht

von David Tritremmel (Autor:in)
©2023 Dissertation 240 Seiten

Zusammenfassung

Neque enim debet nocere factum alterius ei qui nihil fecit – «denn das Verhalten eines anderen darf niemandem zum Nachteil gereichen, der nichts gemacht hat». Dieser Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit dominiert das Haftungsrecht der römischen Klassik. Die exegetische Analyse klassischer Rechtstexte zur locatio conductio zeigt, dass der Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit jedoch über keine unumstößliche Wirkung verfügt. So gibt es Fragmente, die eine Haftung für das Verhalten anderer Personen vorsehen. Unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Gegebenheiten der römischen Antike rekonstruiert die auf Quellenuntersuchungen basierende Studie unterschiedliche Modelle der Haftung für das Verhalten anderer Personen bei der locatio conductio.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Teil 1
  • 1. Einleitung
  • Problemaufriss
  • Einleitende Fallbeispiele
  • Forschungsgegenstand und Forschungsfragen
  • Quellen und Methoden
  • Forschungsstand
  • Gliederung
  • 2. Römisch-antike Rechtsgrundlagen
  • Die locatio conductio
  • Die locatio conductio als Konsensualvertrag
  • Das Wesen der locatio conductio – Einheitskonzeption oder Trichotomie?
  • Vertragsparteien und Vertragsgegenstand
  • Actio locati und actio conducti als bonae fidei iudicia
  • Locatio conductio rei
  • Städtische Wohnraummiete und Wohnraumpacht
  • Landpacht
  • Speicherraummiete
  • Sklavenmiete
  • Tiermiete und Tierpacht
  • Locatio conductio operis
  • Wäscherei- und Flickschneidereivertrag
  • Transportvertrag
  • Locatio conductio operarum
  • Die Haftung für eigenes Fehlverhalten – Haftungskriterien
  • Dolus
  • Culpa
  • Imperitia und infirmitas
  • Custodia
  • Die Noxalhaftung
  • Die Haftung des dominus insciens
  • Die Haftung des dominus sciens
  • 3. Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit
  • Einleitung
  • Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit im römischen Vermögensprivatrecht?
  • D. 39.1.5.5
  • D. 44.4.11 pr.
  • D. 3.3.27 pr.
  • D. 2.10.2
  • D. 18.6.12
  • D. 28.5.45 (44)
  • D. 10.2.45.1
  • Zwischenergebnis
  • Nachweise zum Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit bei der locatio conductio
  • D. 19.2.60.7
  • D. 19.2.45 pr.
  • D. 19.2.9.4
  • D. 9.2.27.11
  • Ergebnisse
  • Teil 2
  • 4. Modelle der Haftung für das Verhalten anderer Personen bei der locatio conductio
  • Die Noxalhaftung bei der locatio conductio
  • Die Deliktshaftung des conductor mit noxaler Beschränkung (Coll. 12.7.9)
  • Die Vertragshaftung des conductor mit noxaler Beschränkung (D. 9.2.27.11)
  • Die Haftung des locator mit noxaler Beschränkung
  • D. 19.2.45 pr.
  • D. 19.2.45.1
  • Ergebnisse
  • Die Haftung infolge der Verletzung einer Nebenvereinbarung
  • Fälle zur locatio conductio rei
  • D. 19.2.30.4
  • D. 19.2.11.4
  • D. 19.2.12
  • D. 19.2.29
  • D. 19.2.30.2
  • D. 19.2.11 pr.
  • Exkurs: Nebenvereinbarungsverletzung und Zufallshaftung
  • D. 19.2.11.1
  • D. 19.2.9.3
  • Fälle zur locatio conductio operis
  • D. 14.3.5.10
  • D. 19.2.13.3
  • Ergebnisse
  • Die custodia-Haftung
  • Die custodia-Haftung des horrearius
  • D. 19.2.60.9
  • D. 19.2.60.6
  • D. 19.2.55 pr.
  • C. 4.65.1 und Coll. 10.9.1
  • C. 4.65.4 pr.-2
  • Zwischenergebnis
  • Die custodia-Haftung des fullo und sarcinator
  • D. 19.2.9.5
  • D. 19.2.13.6
  • D. 4.9.5 pr.
  • D. 47.2.10 und D. 47.2.12 pr.
  • Gai. Inst. 3.205–206
  • D. 47.2.48.4
  • D. 19.2.25.8
  • D. 9.1.2 pr.
  • D. 12.7.2
  • D. 19.2.60.2
  • D. 47.2.91 pr.
  • D. 47.2.14.12
  • Zwischenergebnis
  • Die custodia-Haftung des nauta (caupo und stabularius)
  • D. 19.5.1.1
  • D. 4.9.5 pr.
  • D. 47.5.1.4
  • D. 4.9.1 pr.
  • D. 4.9.5.1 und D. 4.9.3.1
  • D. 4.9.1.1 und D. 4.9.3.1
  • Zwischenergebnis
  • Ergebnisse
  • Die Haftung wegen culpa in eligendo
  • 5. Forschungsergebnisse
  • 6. Stichwortverzeichnis
  • 7. Quellenverzeichnis
  • 8. Literaturverzeichnis
  • 9. Summary

1. Einleitung

1.1 Problemaufriss

Ulp. (52 ed.) D. 39.1.5.5

[…] neque enim debet nocere factum alterius ei qui nihil fecit.1

Dieses an den Wortlaut von § 1313 ABGB2 erinnernde Ulpian-Zitat bezieht sich auf einen Sachverhalt3 betreffend die – infolge einer operis novi nuntiatio – unrechtmäßig fortgesetzte Bauführung eines Grundstücksmiteigentümers: Nach der Ansicht Ulpians soll das Fehlverhalten des Bauführers seine Miteigentümer, die selbst nichts gemacht haben, nicht belasten.

Wie in Kapitel 3.2 zu zeigen sein wird, weisen die in D. 39.1.5.5 überlieferte Ulpian-Sentenz sowie einige andere Texte auf einen zur Zeit der römischen Klassik bestehenden Grundsatz hin, bloß für eigenes Fehlverhalten haften zu müssen (im Folgenden: „Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit“): Verursacht jemand einen Schaden, so kann sich der Geschädigte demnach „bloß“ an den unmittelbaren Schädiger, nicht aber an eine (möglicherweise) greifbarere und liquidere Person halten, sofern dieser im Zusammenhang mit der Schädigung kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten anzulasten ist.

Eingeschränkt wird der Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit unstrittigerweise durch die Noxalhaftung4, der verschuldensunabhängigen Einstandspflicht eines dominus für Delikte eigener Gewaltunterworfener, die aufgrund ihres status5 nicht erfolgreich in Anspruch genommen werden können.6

Aber auch Quellen zum klassischen römischen Vertragsrecht scheinen den Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit einzuschränken. Insbesondere deuten einige Texte zur locatio conductio7, welche Fälle der Haftung für das Verhalten anderer Personen überliefern, in diese Richtung, wobei die Rechtsansichten der römischen Juristen hinsichtlich Grund und Ausmaß der Haftpflicht divergieren.8 Im folgenden Unterkapitel sollen ausgewählte Fallbeispiele einen ersten Einblick in die zur Zeit der römischen Klassik bestehende differenziert ausgestaltete Haftung für das Verhalten anderer Personen9 bei der locatio conductio geben.

1.2 Einleitende Fallbeispiele

Zunächst lohnt ein Blick auf das Labeo-Fragment D. 19.2.60.710, welches darauf hinweist, dass der Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit auch im Bereich der locatio conductio Anwendung findet:

Lab. (5 post. a Iavol. epit.) D. 19.2.60.7

[…] non ultra me tibi praestaturum, quam dolum malum et culpam meam abesse […].11

Dieses Labeo-Zitat bezieht sich auf einen Sachverhalt, in dem ein dominus seinen Sklaven als Maultiertreiber vermietet und der Sklave in Ausübung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit den Tod eines dem Mieter gehörenden Maultieres nachlässig herbeiführt. Mangels eigenen vorwerfbaren Verhaltens hafte – so Labeo – der Vermieter des Sklaven dem Mieter nicht vertraglich. Sohin kann der locator als dominus des Sklaven ausschließlich im Wege der deliktischen Noxalhaftung belangt werden.

Eine – was das Haftungsmaß betrifft – ähnlich akzentuierte Fallentscheidung findet sich in Coll. 12.7.9.12 Die Collatiostelle thematisiert die Verantwortlichkeit eines schuldlosen Mieters, dessen Sklaven einen Brand des von ihm gemieteten Hauses verursacht haben. Sabinus und Urseius verneinen eine vertragliche Haftpflicht des an der Beschädigung des Hauses unbeteiligten Mieters und verpflichten ihn bloß zur Noxalhaftung:

Ulp. (18 ed.) Coll. 12.7.9

Urseius refert […] dominum noxali iudicio conveniendum: ex locato autem dominum teneri negat […].13

Demgegenüber vertritt Proculus in demselben Fragment für den Fall, dass Sklaven eines Pächters das von ihm gepachtete Landhaus in Brand setzen, (auch) eine vertragliche Haftung des Pächters – wiewohl mit noxaler Beschränkung – als Alternative zur deliktischen Noxalhaftung:

Ulp. (18 ed.) Coll. 12.7.9

Proculus autem respondit, cum coloni servi villam exusserint, colonum vel ex locato vel lege Aquilia teneri, ita ut colonus servos posset noxae dedere […].14

Thematisch verwandt, aber haftungsrechtlich zugespitzt, ist folgender im Ulpian-Fragment D. 9.2.27.915 beschriebene Sachverhalt: Ein als Ofenheizer tätiger Sklave eines Pächters ist beim Ofen eingeschlafen, woraufhin das gepachtete Landhaus abbrennt. Nach der Ansicht von Neraz, welcher Ulpian folgt, müsse der Pächter vertraglich (und zwar ohne Möglichkeit einer noxae deditio) dafür einstehen, wenn er bei der Auswahl seiner Gehilfen nachlässig gewesen ist:

Ulp. (18 ed.) D. 9.2.27.9

Si fornicarius servus coloni ad fornacem obdormisset et villa fuerit exusta, Neratius scribit ex locato conventum praestare debere, si neglegens in eligendis ministeriis fuit […].16

Eine Sonderstellung hinsichtlich der Haftung für das Verhalten anderer Personen nimmt der sogenannte Säulentransportfall, D. 19.2.25.717, ein: Nach der Ansicht von Paulus hafte der Transporteur einer Säule, welche im Zuge des Transports zerstört wird, für eigenes Verschulden wie auch für das (bloße) Verschulden seiner Gehilfen unbeschränkt ex contractu:

Gai. (10 ed. prov.) D. 19.2.25.7

[…] periculum praestat, si qua ipsius eorumque, quorum opera uteretur, culpa acciderit […].18

Die im Gaius-Fragment beschriebene Haftung für das Verschulden eingesetzter Hilfspersonen steht diametral zum Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit und bildet den Endpunkt der Entwicklung eines heterogen konzeptionierten Haftungsregimes für das Verhalten anderer Personen bei der locatio conductio in der römischen Klassik. Diese Entwicklung nachzuzeichnen, steht im Fokus dieser Arbeit.

1.3 Forschungsgegenstand und Forschungsfragen

Die gegenständliche Arbeit fokussiert auf die exegetische Analyse klassischer römischer Quellen, welche die Haftung für das Verhalten anderer Personen bei der locatio conductio thematisieren.19 Konkreter Forschungsgegenstand sind Fälle, in denen eine nicht vom vinculum iuris20 erfasste gewaltunterworfene oder freie Person eine vom Vertragsverhältnis erfasste Sache21 des locator oder conductor beschädigt hat und die zu Rate gezogenen römischen Juristen anschließend zu beurteilen hatten, ob der jeweils Geschädigte seinen Vertragspartner in Anspruch nehmen kann.

Die in den Kapiteln 1.11.2 grob skizzierte Haftungsthematik wirft ua folgende Fragen auf, die in dieser Arbeit geklärt werden sollen: Wie lassen sich die divergierenden Positionen der römischen Juristen zur Haftung für das Verhalten anderer Personen bei der locatio conductio dogmatisch erklären? Lassen sich aus den untersuchten Fragmenten abstrahierungsfähige Haftungsfiguren rekonstruieren? Inwieweit sind die Fallentscheidungen römischer Juristen zur Haftung für das Verhalten anderer Personen bei der locatio conductio als Ausnahmen vom vermeintlichen Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit zu sehen bzw inwieweit profilieren sie den besagten Grundsatz?

1.4 Quellen und Methoden

Die zu analysierenden juristischen Texte entstammen der römischen Klassik, einer rechtsgeschichtlichen Epoche beginnend mit dem Prinzipat (27 v. Chr.) bis etwa 250 n. Chr. Während dieser Epoche erreicht die römische Jurisprudenz ein besonders hohes Niveau an juristischer Systematik und Methodik, auf dem das jahrhundertelange Weiterwirken des römischen Rechts gründet.22 Die einschlägigen Texte finden sich heute in den Editionen des Corpus Iuris Civilis, dem Gesetzgebungswerk Kaiser Justinians aus dem 6. Jh. n. Chr.,23 insbesondere unter dem Digestentitel 19.2 (Locati Conducti) und dem Codextitel 4.65 (De locato et conducto).

Methodologisch fokussiert die Arbeit auf exegetische Quellenuntersuchungen juristisch-dogmatischer Ausrichtung. Diese Analyse der juristischen Texte geschieht zugleich unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Gegebenheiten der römischen Antike und bezieht insofern die historische Dimension der Texte mit ein.24 Eine wesentliche Herausforderung bei der Quellenanalyse ist der Umgang mit Kürzungen und anderen Textänderungen im Quellenmaterial – sogenannten „Interpolationen“.

Unter Interpolationen versteht man in der Romanistik Eingriffe in den klassischen Originaltext eines Fragments. Sie sind insbesondere auf die Tätigkeit Kaiser Justinians Kompilatoren zurückzuführen, die im Rahmen des Kodifizierungsprozesses im 6. Jh. n. Chr. die bestehenden Rechtstexte gesammelt, gekürzt und teilweise adaptiert und dadurch ihr klassischrechtliches Profil verfälscht haben.25 Speziell ab dem späten 19. Jh. bis zur Mitte des 20. Jh. ist die Interpolationskritik in der Romanistik als gängige Methode eingesetzt worden, um Quellentexte zu zerlegen und – nicht selten – die den eigenen Thesen widersprechenden Passagen als verfälscht zu streichen.26 Heute geht die moderne Romanistik grundsätzlich von der Klassizität einer Quelle aus, sofern keine deutlichen Verdachtsmomente für nachklassische Veränderungen vorliegen.27 Der gegenständlichen Arbeit liegt diese moderne Auffassung im Umgang mit antiken römischen Quellen zugrunde.

1.5 Forschungsstand

In den letzten 100 Jahren entwickelte sich die locatio conductio in der Romanistik zu einem viel erörterten Forschungsgebiet. 1915 erschien Costas28 Monografie „La locazione di cose nel diritto romano“, welche sich neben einer intensiven Auseinandersetzung mit dem damals aktuellen Literaturstand, mit dem Ursprung der locatio conductio, ihrer Systematik und den durch Abschluss des Vertrages resultierenden wechselseitigen Pflichten der Vertragsparteien ausführlich beschäftigt, dabei jedoch ganz auf Quellen zur locatio conductio rei fokussiert.

Ein bis heute viel zitiertes wie diskutiertes Werk ist Mayer-Malys29 Monografie „Locatio Conductio: Eine Untersuchung zum klassischen römischen Recht“, welche 1956 erschien und – wie Mitte des 20. Jahrhunderts noch gängig – zum Teil von weitreichenden Interpolationsverdächtigungen geprägt ist. Im Unterschied zu Costa behandelt Mayer-Maly alle drei Unterkategorien der locatio conductio30 und bietet dadurch einen vollständigeren Überblick auch über gewisse Detailfragen des Vertrages. Seine Monografie sei jedoch, wie der Autor selbst im Vorwort anmerkt, nicht als eine – von der romanistischen Lehre31 seiner Zeit geforderte – „Gesamtdarstellung“ der locatio conductio zu verstehen. Dies zeigt sich etwa an der eher knappen Darstellung des Haftungsrechts.

1959 erschien Amirantes32 monografieartiger Artikel „Ricerche in terma die locazione“, welcher sich intensiv mit Mayer-Malys Monografie auseinandersetzt und vor allem dessen Ausführungen zur Struktur der locatio conductio kritisiert. Darauf replizierte Mayer-Maly33 noch im selben Jahr mit dem Artikel „Tipicità e unita della locatio-conductio“.

1964 erschien Kaufmanns34 Monografie „Die altrömische Miete: Ihre Zusammenhänge mit Gesellschaft, Wirtschaft und staatlicher Vermögensverwaltung“, welche sich ausführlich mit dem damals aktuellen Literaturstand auseinandersetzt und sich durch eine intensive Analyse juristischer wie nichtjuristischer Quellen auszeichnet. Inhaltlich fokussiert Kaufmann auf die Ursprünge und Entwicklung der locatio conductio unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Gegebenheiten. Darüber hinaus beschäftigt sich die Monografie ausführlich mit den Klagsformeln35 der locatio conductio. Haftungsrechtliche Aspekte werden von Kaufmann hingegen großteils ausgeklammert.

Eine ausführliche haftungsrechtliche Auseinandersetzung mit Quellen zur locatio conductio bietet Friers36 1978 erschienener Aufsatz „Tenant’s liability for damage to landlord’s property in classical Roman law“. Eine Stärke seines Aufsatzes liegt in der Erarbeitung abstrakter Haftungsmodelle, wiewohl darin ausschließlich auf Quellen zur locatio conductio rei Bezug genommen wird. Eine Schwäche des Aufsatzes liegt in der etwas überstrapazierten Interpolationskritik.

Zwei Jahre später erschien Friers37 Monografie „Landlords and Tenants in Imperial Rome“, welche eine tiefgründige sozialhistorische Auseinandersetzung mit den antiken Quellen zur locatio conductio bietet. Zentrum seiner Auseinandersetzung bildet die exegetische Analyse von Quellen zur städtischen Miete und Pacht. Haftungsrechtlichen Fragen widmet sich Frier bloß punktuell.

Weitere zwei Jahre später folgt Molnárs38 monografieartiger Aufsatz „Verantwortung und Gefahrtragung bei der locatio conductio zur Zeit des Prinzipats“, der sich mit vielen für die gegenständliche Arbeit einschlägigen haftungsrechtlichen Quellen kritisch auseinandersetzt, dabei aber etwas überbordend auf die Methodik der Interpolationskritik zurückgreift.

Durch seinen Umfang und seine Präzision besticht Knütels39 monografieartiger Aufsatz „Die Haftung für Hilfspersonen im römischen Recht“, der sich ganz allgemein mit dogmatischen Konzepten vertraglicher, aber auch deliktischer Haftung für Gehilfen im klassischen römischen Recht auseinandersetzt. Im Vergleich dazu setzt sich die gegenständliche Studie wesentlich detaillierter mit den Haftungsfällen zur locatio conductio auseinander und beschränkt sich dabei nicht auf Fälle der „Gehilfenhaftung“.

1999 erschien Fioris40 Monografie „La definizione della ‚locatio conductio’ – giurisprudenza romana e tradizione romanistica“, welche sich sehr ausführlich mit der Struktur und der romanistischen Wissenschaftsgeschichte der locatio conductio beschäftigt und sich dabei eingehend mit der bis dahin einschlägigen Sekundärliteratur auseinandersetzt. Haftungsfragen klammert Fiori weitgehend aus.

Im darauffolgenden Jahr erschien Wickes41 Monografie „Respondeat Superior: Haftung für Verrichtungsgehilfen im römischen, römisch- holländischen, englischen und südafrikanischen Recht“. Die Monografie bietet einen konzisen Überblick über die wichtigsten römischen Quellen zur Haftung für Gehilfen – so auch über ausgewählte Quellen zur locatio conductio –, überlässt der gegenständlichen Studie aber genügend Raum, um wesentliche haftungsrechtliche Detailfragen im Bereich der locatio conductio zu erörtern.

Zuletzt beschäftigte sich Du Plessis42 sehr intensiv mit Fragen zur locatio conductio. Seine Monografie „Letting and Hiring in Roman Legal Thought 27 BCE284 CE“,43 welche 2012 erschien, bietet einen umfassenden Überblick über den aktuellen Forschungsstand zur locatio conductio. Sie zeichnet sich aus durch eine umsichtige Analyse einer Vielzahl von juristischen und nichtjuristischen Quellen zur locatio conductio unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Verhältnisse der römischen Antike. Du Plessis befasst sich in seiner Monografie auch mit Haftungsfragen. So skizziert er eindrucksvoll die Entwicklung der culpa als Anknüpfungspunkt unterschiedlicher Haftungskonzeptionen bei der locatio conductio. Als Überblickswerk sieht seine Studie von haftungsrechtlichen Detailanalysen einzelner Quellen zur locatio conductio jedoch ab.

Einen im Vergleich zu seiner Monografie noch stärkeren haftungsrechtlichen Fokus verfolgt Du Plessis44 Artikel „‚Liability’, ‚Risk’ and locatio conductio“, der sich anhand ausgewählter Quellen zur locatio conductio mit der Entwicklung der Haftungsmaßstäbe culpa und dolus auseinandersetzt und diesen anschließend die Konzeption der Gefahrtragung bei der locatio conductio gegenüberstellt. Eine detaillierte Analyse vieler für die gegenständliche Studie relevanter Quellen bleibt dem Artikel allerdings vorenthalten.

Eine rezente Arbeit, die sich (auch) mit Haftungsfragen zur locatio conductio auseinandersetzt, ist Klausbergers45 Habilitationsschrift „Objektive und subjektive Zurechnungsgründe im klassischen römischen Haftungsrecht“. Dabei handelt es sich um eine umfassende Analyse des klassischen römischen Vertrags- und Deliktsrechts zur Frage, inwieweit unterschiedliche Schadenersatzansprüche auf ein subjektiv-vorwerfbares oder objekt- normwidriges Verhalten abstellen. In diesem Rahmen untersucht Klausberger in einem Unterkapitel auch haftungsrechtliche Quellen zur locatio conductio, jedoch mit anderer Akzentuierung und aus Platzgründen bewusst weniger ausführlich als die gegenständliche Studie.

Details

Seiten
240
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631901113
ISBN (ePUB)
9783631901120
ISBN (Hardcover)
9783631899731
DOI
10.3726/b21204
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Oktober)
Schlagworte
eigenen Verantwortlichkeit Haftungsrecht der römischen Klassik locatio conductio Haftungsmodelle Custodia-Haftung Gehilfenhaftung Römische Klassik Maultiertreiber Culpa-Haftung Regula iuris Rechtsregeln Säulentransport Maultier
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 240 S.

Biographische Angaben

David Tritremmel (Autor:in)

David Tritremmel studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien, University of Edinburgh und University of California (UCLA). Er war Universitätsassistent am Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte der Universität Wien, wo er auch promovierte. Aktuell ist er als Rechtsanwaltsanwärter in Wien tätig.

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Titel: Die Haftung für das Verhalten anderer Personen bei der «locatio conductio»