Regionalität in Johann Jakob Bodmers Übersetzungen von Miltons «Paradise Lost»
Von der diatopischen zur diastratischen Profilierung
Summary
Excerpt
Table Of Contents
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- 1. Thematik und Zielsetzungen der Arbeit
- 2. Mehrdimensionalität von Bodmers sprachtheoretischen Konzeptionen
- 2.1 Die Sprachsituation im 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum
- 2.2 Bodmers Sprachtheorie
- 2.2.1 Bodmers Sicht auf die diachrone Dimension: Mittelhochdeutsch
- 2.2.2 Bodmers Sicht auf die diatopische Dimension: Schweizerdeutsch
- 2.3 Bodmers übersetzungstheoretische Position und Praxis
- 2.3.1 „Wesentliche Schönheiten“ der Sprache
- 2.3.2 Zur Rolle der „Machtwörter“
- 2.3.3 Bodmers stilistische Kommentare zu den Milton-Übersetzungen
- 2.3.4 Gründe für die Überarbeitungen der Milton-Übersetzungen
- 2.3.5 Überarbeitungstendenzen in den Milton- Übersetzungen
- 3. Bodmers Übersetzungen von Miltons Paradise Lost
- 3.1 Stichprobenanalyse von Bodmers Übersetzungen
- 3.1.1 Konstanz in der editorischen Ausgestaltung des Werks
- 3.1.2 Modifikationsquantum in den Übersetzungen
- 3.1.3 Sprachbereiche der Überarbeitungen
- 3.1.3.1 Morphologie
- 3.1.3.2 Syntax
- 3.1.3.3 Lexik
- 3.1.3.4 Zwischenbilanz – Intensitätswandel der Modifikation auf verschiedenen Sprachebenen
- 3.1.4 Auswahl der Sprachebenen sowie der Ausgaben für die weitere Analyse
- 3.2 Vergleichsanalyse der Übersetzungen von 1732, 1742 und 1769
- 3.2.1 Analysemethode
- 3.2.2 Das Modifikationsquantum in Bodmers drei Ausgaben
- 4. Stilistische Analyse von Bodmers Lexemen
- 4.1 Zur Methodik der stilistischen Identifizierung der Lexik
- 4.1.1 Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart
- 4.1.2 Deutsches Wörterbuch
- 4.1.3 Schweizerisches Idiotikon
- 4.2 Vergleich mit zeitgenössischen deutschen Übersetzungen
- 4.2.1 Räumlicher Einfluss auf die Wortwahl
- 4.2.2 Chronologische Lokalisierung der Übersetzungen
- 4.2.3 Lexikalische Übereinstimmungen oder Abweichungen im Abgleich mit den anderen zeitgenössischen Übersetzungen
- 4.3 Diatopische Bestimmung von Bodmers Lexik
- 4.3.1 Diatopische Bestimmung der Lexik mithilfe von Adelung
- 4.3.1.1 Regionalismenbestimmung mithilfe von Adelung
- 4.3.1.2 Regionalismen in der Ausgabe von 1732
- 4.3.1.3 Regionalismen in der Ausgabe von 1742
- 4.3.1.4 Regionalismen in der Ausgabe von 1769
- 4.3.2 Ergänzende Regionalismenbestimmung mithilfe des DWB/Id
- 4.3.2.1 Ergänzende Regionalismenbestimmung mithilfe des DWB
- 4.3.2.2 Ergänzende Regionalismenbestimmung mithilfe des Id
- 4.3.2.3 Die in den drei Wörterbüchern nicht eingetragenen Lexeme
- 4.3.3 Regionalismen in der Übereinstimmungslexik im Abgleich mit den anderen deutschen Übersetzungen
- 4.3.4 Diskussion ausgewählter Regionalismen
- 4.3.4.1 Die Lexeme nur mit Regionalitätsvermerk
- 4.3.4.2 Die Lexeme mit Regionalitäts- sowie Archaismusvermerk
- 4.3.4.3 Das Lexem mit Regionalitäts- sowie Poetizitätsvermerk
- 4.3.5 Zwischenbilanz – Abgeschwächte Regionalität in Bodmers Lexik
- 4.4 Diachrone Bestimmung von Bodmers Lexik
- 4.4.1 Archaismenbestimmung mithilfe von Adelung
- 4.4.2 Ergänzende Archaismenbestimmung mithilfe des DWB
- 4.4.3 Diskussion ausgewählter Archaismen
- 4.4.4 Archaismen in der Übereinstimmungslexik im Abgleich mit den anderen deutschen Übersetzungen
- 4.4.5 Zwischenbilanz – Archaismenrückgang in Bodmers Lexik
- 4.5 Diastratisch-diaphasische Bestimmung von Bodmers Lexik
- 4.5.1 Poetizismenbestimmung mithilfe von Adelung
- 4.5.2 Ergänzende Poetizismenbestimmung mithilfe des DWB
- 4.5.3 Diskussion ausgewählter Poetizismen
- 4.5.4 Poetizismen in der Übereinstimmungslexik im Abgleich mit den anderen deutschen Übersetzungen
- 4.5.5 Zwischenbilanz – Vorrangstellung der Poetizismen in Bodmers Lexik
- 5. Fazit – Verschiebung der gewichteten Stildimension und Leipziger Einfluss auf diese Überarbeitungstendenz
- Bibliographie
1. Thematik und Zielsetzungen der Arbeit
Der Schweizer Historiker, Literat und Literaturkritiker Johann Jakob Bodmer1 (1698–1783) befasste sich fünf Jahrzehnte lang mit der Verbesserung seiner Übersetzung des epischen Gedichtes Paradise Lost (1667) von John Milton (1608–1674). Im Herbst 1723 begann er mit der Übersetzung des Epos2 mithilfe eines englisch-lateinischen Wörterbuchs.3 Obwohl er seinem Freund Johann Jakob Breitinger (1701–1776) einen baldigen Abschluss seiner Arbeit im Januar 1724 in Aussicht gestellt hatte, konnte sie wegen des Vorbehalts der geistlichen Zensurbehörde nicht kurzerhand veröffentlicht werden.4 Sie erschien erst 1732 in Zürich unter dem Titel Verlust des Paradieses. Ein Helden-Gedicht.5 Zehn Jahre später folgte ihre zweite Edition unter dem Titel Episches Gedichte von dem verlohrnen Paradiese (1742).6 Der Titel der dritten Edition, Verlohrnes Paradies. Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen (1754),7 wird von der vierten (1759)8 über die fünfte (1769)9 bis zur sechsten, letzten Ausgabe (1780),10 beibehalten. Das in reimlosen fünfhebigen Jamben verfasste Gedicht übersetzte er in Prosa, obwohl er im Vorwort der dritten Ausgabe von 1754 erwähnte, dass das Gedicht in Hexameter übersetzt werden sollte.11
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welche Bearbeitungen Bodmer von Ausgabe zu Ausgabe an seinen Übersetzungen vornahm, wobei sie sich auf den Aspekt konzentriert, den die Linguisten ‚Regionalität‘ nennen. Die erste Ausgabe sei ‚schweizerisch‘, die zweite ‚deutsch‘ und die dritte ‚poetisch‘ verfasst, so teilte der Verfasser beim Erscheinen der dritten Edition von 1754 in einem Brief an Laurenz Zellweger (1692–1764) mit.12 Diese Auffassung Bodmers soll anhand ausgewählter Lexeme überprüft werden. Konkret lautet die Frage, inwiefern Bodmer seine sprachtheoretischen Konzeptionen in den verschiedenen Überarbeitungen in die Praxis umsetzt, ob etwa seine Wertschätzung des Mittelhochdeutschen wie des Schweizerdeutschen ihre Spuren hinterlässt. Unter anderem wird Bodmers Lexik in seiner ‚poetischen‘ Ausgabe mit der Frage einer Analyse unterzogen, welche Modifikationen sich mit seinen sprachtheoretischen Schriften in Zusammenhang bringen lassen. Seine poetisch-literarische Stilistik steht unter dem Einfluss des Literaturstreites mit Johann Christoph Gottsched (1700–1766),13 wenn Bodmers sprachliche Auffassung die alte Deutschschweizer Schriftsprachtradition sowie deren Dialektprestiges unterstreicht.14
Vor dem Hintergrund der allgemeinen Auseinandersetzung mit den deutschen Schriftsprachen im 18. Jahrhundert, die mit einer Diskussion über die ‚Provinzialismen‘ einhergeht, setzt sich diese Arbeit mit der Lexik in Bodmers Übersetzungen im Abgleich mit verschiedenen Wörterbüchern auseinander. Das Ziel ist, anhand von Bodmers Werk zu belegen, in welcher Weise und in welchem Umfang die im Entstehen begriffene Gemeinsprache sowie Provinzialismen in seine Textproduktion eingeflossen sind.
Zur Überprüfung der etwaigen ‚Regionalität‘ von Bodmers Übersetzung dienen zunächst drei andere zeitgenössische Übersetzungen von Miltons Paradise Lost als Kontrollwerke: die Edition von Ernst Gottlieb von Berge (1682)15, erschienen in Zerbst, die zweibändige Ausgabe von Justus Friedrich Wilhelm Zachariä (1760 / 1763)16, publiziert in Altona, und schließlich die in Berlin von Samuel Gottlieb Bürde (1793) veröffentlichte Auflage17. Zur Feststellung der Regionalität werden das Grammatisch-kritische Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (1811)18 von Johann Christoph Adelung (1732–1806), das Deutsche Wörterbuch (1854–1960)19 von Jacob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) und das Schweizerische Idiotikon (1881 ff.)20 herangezogen.
Darüber hinaus bezieht diese Untersuchung auch die Kritiken anderer zeitgenössischer Gelehrter wie Gottsched oder Johann Gottfried Herder (1744–1803) an Bodmers Übersetzung ein. Von besonderem Interesse ist dabei, wie sie Bodmers Texte, vor allem ihre Regionalität, beurteilen.
Im Zuge der intensivierten deutsch-englischen Sprachkontakte seit dem Ende des 17. Jahrhunderts durch Übersetzungen aus dem Englischen gehört Bodmers Übertragung von Milton in der mittleren Aufklärungszeit zu einer der wichtigsten Pionierarbeiten.21 Aus der Perspektive der Übersetzungstheorie widmet sich meine Arbeit zwei Fragen: Welche Aspekte seiner Sprachauffassung berücksichtigt Bodmer bei der Übersetzung? Was ist das Ziel seiner Überarbeitungen? In den Titeln der Ausgaben von 1759, 1769 und 1780 erscheint freilich der Ausdruck „verbessert“, wobei noch offenbleibt, welchen sprachlichen Verbesserungen er seine Übersetzungen unterzog. Der Regionalität wird im 18. Jahrhundert – im positiven wie negativen Sinne – ein wichtiger Stellenwert zukommen.
1 In dieser Arbeit wird der Name „Johann Jakob Bodmer“ einheitlich nach der allgemeinen Schreibweise in den meisten Literaturgeschichten und Monographien wiedergegeben, beim Vornamen wird also der Form „Jakob“ gegenüber „Jacob“ der Vorzug gegeben.
2 Wolfgang Bender (1973): Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger. Stuttgart: J. B. Metzler, S. 45.
3 Johann Jakob Bodmer: „Mein poetisches Leben“. In Bodmer’s Persönliche Anekdoten. Hrsg. von Theodor Vetter (1892), S. 91–131. In: Gesellschaft zürcherischer Geschichtsfreunde (Hrsg.): Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1892. Zürich: S. Höhr, S. 123–131, hier S. 126. Bodmers Manuskript ist in der Zentralbibliothek Zürich als Ms Bodmer 38.2 aufbewahrt. Dort sind Bücher aus Bodmers Bibliothek in einem Verzeichnis – teilweise digitalisiert – aufgelistet.
4 Bender (1973), S. 45.
5 Johann Jakob Bodmer (1732): Johann Miltons Verlust des Paradieses: Ein Helden-Gedicht. In ungebundener Rede übersetzet. 2 Bde., Zürich: Marcus Rordorf.
6 Johann Jakob Bodmer (1742): Johann Miltons Episches Gedichte von dem Verlohrnen Paradiese. Zürich: Conrad Orell und Comp. / Leipzig: Joh. Friederich Gleditsch.
7 Johann Jakob Bodmer (1754): Johann Miltons verlohrnes Paradies. Ein Episches Gedicht in zwölf Gesängen. 2 Bde., Zürich: Conrad Orell und Comp.
8 Johann Jakob Bodmer (1759): Johann Miltons verlohrnes Paradies. Ein Episches Gedicht in zwölf Gesängen. 2 Bde., Zürich: Conrad Orell und Comp.
9 Johann Jakob Bodmer (1769): Johann Miltons verlohrnes Paradies. Verbesserte Uebersetzung. Zürich: Orell, Geßner, u. Comp.
10 Johann Jakob Bodmer (1780): Johann Miltons verlohrnes Paradies. Verbesserte Uebersetzung. Zürich: Orell, Geßner, u. Comp.
Details
- Pages
- 314
- Publication Year
- 2025
- ISBN (PDF)
- 9783631912515
- ISBN (ePUB)
- 9783631912522
- ISBN (Hardcover)
- 9783631912508
- DOI
- 10.3726/b21425
- Language
- German
- Publication date
- 2024 (December)
- Keywords
- Adelungs Wörterbuch Helvetismen Dialektologie 18. Jahrhundert Sprachgeschichte Stildimension Regionalismen Archaismen Poetizismen Übersetzungstheorie
- Published
- Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford. 2024. 314 S., 58 S/W Abb., 32 Tab.
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