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Freiheit und Rechtsgut

Zur neuen Legitimierung der personalen Rechtsgutslehre im Rahmen der negativen Freiheit

von Eunhee Kim (Autor:in)
©2024 Dissertation 222 Seiten

Zusammenfassung

Das akademische Potenzial des Rechtsgüterbegriffs, der sich seit dem Aufkommen der Risikogesellschaft in einer Krise befindet, mag im digitalen Zeitalter gänzlich verloren gegangen sein. Doch die angloamerikanische politische Freiheitsphilosophie hat sich als unerwarteter Verbündeter zur Unterstützung seiner These erwiesen. So wie die personale Rechtsgutslehre in den 1990er Jahren als Reaktion auf Joel Feinbergs Neuinterpretation des Schadensprinzips, einer getreuen Wiederherstellung des klassischen Liberalismus von John Stuart Mill, wieder an Bedeutung gewann, könnte die frische Definition der negativen Freiheit, die aus dem neo-römischen Republikanismus von Philip Pettit stammt, einen Durchbruch für die heutige Krise der Rechtsgutslehre bedeuten. So wie das Konzept der negativen Freiheit ein ewiges Licht in der politischen Philosophie ist, so ist der Wert des liberalen Strafrechts, auch wenn es sich nicht auf die utilitaristische Tradition stützt, hinter dem Schutzschild des personalen Rechtsgutsbegriffs immer für eine neue Debatte bereit.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhalt
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Teil: Freiheitsgedanken in der Rechtsgutslehre
  • A. Historischer Überblick der Rechtsgutstheorie – im Rahmen des liberalen Gehalts
  • I. Entstehung des Zweckgedankens der Strafe
  • 1. Sozialvertragslehre der Aufklärung und ihre Folgen
  • 2. Kant und Feuerbach: Rechtsverletzungslehre
  • II. Entwicklung des Rechtsgüterschutzgedankens
  • 1. Birnbaum: Erstes Gutsverletzungskonzept
  • a) Gemäßigt-positivistische Schule
  • b) Birnbaum
  • 2. Binding: Normlogisches Rechtsgutskonzept
  • a) Hegel und Positivismus
  • b) Bindings normlogisches Rechtsgutskonzept
  • 3. Liszt: Soziologisches Rechtsgutskonzept
  • III. Wiederbelebung des Rechtsgüterschutzgedankens
  • 1. Entstehung des personalen Rechtsgutskonzepts
  • 2. Normative Begründung
  • B. Personale Rechtsgutslehre über Herausforderungen hinaus
  • I. Alternative Modelle
  • 1. Normverletzungsmodell von Jakobs
  • 2. Verhaltensdelikte von Stratenwerth
  • II. Verfassung gegen systemkritisches Rechtsgutskonzept
  • 1. BVerfG über Rechtsgutskonzept
  • 2. Verhältnismäßigkeitsprüfung statt Rechtgutslehre
  • a) Systemkritische Rechtsgutslehre als Legitimierung des Straftatbestands
  • b) Notwendigkeit der systemkritischen Rechtsgutslehre in demokratischer Hinsicht
  • 3. Rechtsgutskonzept unter dem Verhältnismäßigkeitsprinzip
  • a) Rechtgutskonzept als Argumentationsmuster
  • b) Systemimmanentes Rechtsgutskonzept
  • III. Kritik am personenbezogenen Rechtsgüterbegriff
  • 1. Problematik der Universalrechtsgüter
  • 2. Straflegitimierung jenseits des personalen Rechtsgutskonzepts
  • a) Abstrakte Gefährdungsdelikte
  • b) Neue Debatten um abstrakte Gefährdungsdelikte
  • c) Verfassungsrechtliche Legitimierung
  • 3. Negative Freiheit und Personale Rechtsgutslehre
  • a) Kernbereich der Freiheit
  • b) Delikte gegen die bloßen Gefühle oder Vorstellungen
  • 1 Teil: Zwischenergebnis
  • 2. Teil: Freiheitstheorien in der politischen Philosophie
  • A. Negative Freiheit vor dem Liberalismus
  • I. Antike und Machiavelli
  • 1. Aristoteles und antike römische Republik: Beginn des Republikanismus
  • 2. Machiavelli: neo-römischer Republikanismus
  • a) Römische Republik
  • b) virtù und Gesetze
  • 3. Einfluss von Machiavelli auf den weiteren Republikanismus in Europa
  • II. England: Commonwealth versus hobbessche Kritik
  • 1. Commonwealth of England: englischer Republikanismus
  • a) Freiheit als Abwesenheit der Sklaverei
  • b) Cato’s Letter
  • 2. Hobbes: Proto-Liberalismus
  • a) Leviathan
  • b) Freiheit und Gesetze
  • B. Negative Freiheit nach dem Liberalismus
  • I. Liberalismus als neue Hegemonie
  • 1. Aufkommen des Liberalismus
  • a) Ausgangspunkt des Liberalismus
  • b) Synthetisierung von Republikanismus und Liberalismus im 19. Jahrhundert
  • 2. Mill: Freiheit als Abwesenheit äußerer Hindernisse
  • a) Utilitarismus
  • b) Mills Liberalismus
  • 3. Berlin: Negative Freiheit gegen positive Freiheit
  • a) Problem des rationalistischen Determinismus
  • b) Ideal der positiven Freiheit
  • c) Negative Freiheit im Pluralismus
  • II. Krise des klassischen Liberalismus
  • 1. Über Marktversagen
  • a) Kommunismus
  • b) Neoliberalismus
  • 2. Ideal der Gleichheit
  • a) Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit
  • b) Kommunitarismus: neo-athenische Schule
  • c) Egalitärer Liberalismus
  • III. Restauration der republikanischen Freiheit
  • 1. Neo-Republikanismus
  • a) Konzept des Neo-Republikanismus
  • b) Rechtsrepublikanismus und republikanisches Strafrecht
  • 2. Pettit: Freiheit als Nichtbeherrschung
  • a) Ausgangspunkt der modernen Neo-Römer
  • b) Skinner: Freiheit als Unabhängigkeit
  • c) Pettit: Ideal der Nichtbeherrschung
  • 3. Konzeptionelle Einschränkungen: Gegenkritik vom Liberalismus
  • a) Republikanische Stellungnahme zu den Grenzen des Liberalismus
  • b) Einspruch des Liberalismus: Wahrscheinlichkeit der Einmischung
  • 2. Teil: Zwischenergebnis
  • 3. Teil: Rechtsgut als Freiheitsschutz
  • A. Argumentationshilfe für personale Rechtsgutslehre – mit Ideal der negativen Freiheit
  • I. Begriff der Einmischung
  • 1. Konzeptionelle Fragen zur Einmischung
  • a) Krude Auffassung von Hobbes
  • b) Negative Freiheit gegen Selbstverwirklichung
  • c) Anwendungsfälle
  • 2. Freiheit und Gesetze
  • a) Rechtsstaatlichkeit und deontologischer Ansatz
  • b) Verstärkte Kontrolle
  • c) Republikanische Idee in der Verfassung
  • II. Strafrechtlich schützenswerte Interessen
  • 1. Schädigungs- und Belästigungsprinzip
  • a) Theorie von Feinberg
  • b) Ergänzung von v. Hirsch
  • 2. Interesse aus Menschenwürde
  • a) Sicherheitsinteressen von Papageorgiou
  • b) Menschenwürde als Vermeidung von Demütigung
  • B. Themen der Hassrede
  • I. Gegensätzliche Denkansätze zur Kriminalisierung
  • 1. Problemstellung
  • a) Gesetzgeberische Lage in Deutschland
  • b) Definition von „hate speech“
  • 2. Legitimierungsversuche in rechtsphilosophischer Hinsicht
  • a) Als personales Rechtsgut
  • b) Debatte zwischen Dworkin und Waldron
  • 3. Verfassungsrechtliche Diskussion mit Meinungsfreiheit
  • a) Pro- und Kontraargumente zur staatlichen Regulierung
  • b) Verfassungsrechtliche Grundlage
  • II. Überblick zur Volksverhetzung nach § 130 StGB
  • 1. § 130 Abs. 1. Nr. 2 StGB (Volksverhetzung)
  • a) Gesetzgebungshintergrund
  • b) Zum Rechtsgut
  • c) Tatbestandsmerkmale
  • 2. § 130 Abs. 3 StGB (Auschwitzlüge)
  • a) Gesetzgebungshintergrund
  • b) Zum Rechtsgut
  • Resümee
  • Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a.a.O.

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

AE

Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches

AKG

Archiv für Kulturgeschichte

Anm.

Anmerkung

AöR

Archiv für öffentliches Recht

ARSP

Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie

Aufl.

Auflage

AT

Allgemeiner Teil

Bd.

Band

bes.

besonders

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

bspw.

beispielsweise

BT

Besonderer Teil

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

Ed.

Edition

et al.

et alii (und andere)

etc.

et cetera (und so weiter)

f./ff.

folgende

FG

Festgabe

Fn

Fußnote

ggf.

gegebenfalls

GA

Goltdammerʼs Archiv für Strafrecht

GG

Grundgesetz

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

HZ

Historische Zeitschrift

i.d.R.

in der Regel

insb.

insbesondere

JA

Juristische Arbeitsblätter

JR

Juristische Rundschau

JuS

Juristische Schulung

JZ

JuristenZeitung

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

LK

Leipziger Kommentar

m.E.

meines Erachtens

NetzDG

Netzwerkdurchsetzungsgesetz

n.F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NK

Nomos-Kommentar

Nr.

Nummer

NWB

Neue wissenschaftliche Bibliothek

OLG

Oberlandesgericht

resp.

respektive

Rn.

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

RStGB

Reichsstrafgesetzbuch

s.

siehe

S.

Seite

s.o.

siehe oben

sog.

sogenannte

StGB

Strafgesetzbuch

TierSchG

Tierschutzgesetz

u.a.

unter anderem

Urt.

Urteil

usw.

und so weiter

v.

vom

vgl.

vergleiche

vol.

volume

z.B.

zum Beispiel

z.F.

Zum Folgenden

ZIS

Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik

ZPTh

Zeitschrift für Politische Theorie

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZRph

Zeitschrift für Rechtsphilosophie

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung

Die Befürworter des funktionalistischen Strafrechts fordern, dass diejenigen, die sich an der Diskussion um die Legitimation des Strafrechts beteiligen, sich zwischen dem traditionellen Verständnis des Strafrechts und dem strafrechtlichen Funktionalismus als ideologischem Hintergrund entscheiden sollten.1 Allerdings geht es hierbei nicht um eine Entweder-oder-Entscheidung, denn zumindest ein Strafrechtswissenschaftler in einem Land, dessen Verfassung auf einem freiheitsschützenden politischen Ideal beruht, wird den klassischen Strafgedanken, der den Zweck der Bestrafung auf den Rechtsgüterschutz beschränkt, nicht vollständig ablehnen können. In liberalen Demokratien stellt nämlich Strafe ein Mittel zur Einmischung in bürgerliche Freiheiten dar. Der Verzicht auf das gesetzgebungskritische Rechtsgüterkonzept erscheint deshalb wie Staatsterror, so behauptet Hassemer.2 Die funktionalistischen Anregungen mögen zwar aus heutiger kriminalpolitischer Sicht zweckmäßiger erscheinen, aber, wie Neumann zu Recht anmerkt, gäbe es zu diesem traditionellen Rechtsgüterprinzip des Strafrechts keine Alternative.3

Dies ist für die Vertreter der personalen Rechtsgutslehre eine einfache, längst automatisierte Schlussfolgerung. Im Zuge der Argumentation tritt jedoch ein Komplex von straf- und verfassungsrechtlichen Fragen auf. So lassen sich beispielsweise die weitreichenden Diskussionen über das Rechtsgutsprinzip, ggf. über das personale Rechtsgutsprinzip, hinsichtlich ihrer begrifflichen Problematik wie folgt unterteilen: die Diskussion darüber, ob das Rechtsgutskonzept völlig aufgegeben werden kann, die Diskussion über die nur beschränkte systematische Funktion des Rechtsgutskonzepts und die Diskussion über die Leistungsfähigkeit der systemkritischen Rechtsgutslehre. Ordnet man diese wieder den Unterthemen zu, so werden Konflikte zwischen dem systemkritischen Rechtsgutsgedanken und der Verfassung sowie Probleme der praktischen Kompetenz im Zusammenhang mit der Strafrechtsdogmatik der personalen Rechtsgutstheorie erhoben, des Weiteren Probleme der Vorfeldkriminalisierung wie abstrakte Gefährdungsdelikte oder Kumulationsdelikte und der Kriminalisierung von kollektiven bzw. universellen Rechtsgütern usw.4 Der Themenbereich der Rechtsgutsdebatte ist sehr breit und umfasst diverse Aspekte, die je einer intensiven Untersuchung bedürfen. Auch wenn es auf die Position der personalen Rechtsgutstheorie ankommt, die selbst diesen kritischen Vorschlägen gegenüber verteidigt werden sollte, muss der Schwerpunkt deshalb für jede Studie unterschiedlich sein, je nachdem, auf welche Frage Gewicht gelegt wird.

Details

Seiten
222
Jahr
2024
ISBN (PDF)
9783631916421
ISBN (ePUB)
9783631916438
ISBN (Hardcover)
9783631916193
DOI
10.3726/b21667
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (März)
Schlagworte
Ausschwitzlüge Hate Speech Republikanismus Römische Republik Liberalismus Rechtsgutsdebatte Personale Rechtsgutslehre Risikogesellschaft Negative Freiheit Harm Principle
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024. 222 S.

Biographische Angaben

Eunhee Kim (Autor:in)

Eunhee Kim wurde in Seoul, Südkorea, geboren, machte ihren Abschluss an der Seoul National University School of Law, erwarb an derselben Universität einen Master in Rechtsphilosophie und promovierte an der Universität Frankfurt bei Prof. Dr. Dres. h.c. Neumann.

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Titel: Freiheit und Rechtsgut