Janusz Korczak: „Wie sich aus der bescheidenen Energie vieler schwacher Einzelner die große Kraft der Gemeinschaft entwickeln kann“1
10 Seiten
Open Access
Journal:
Pädagogische Rundschau
Band 79
Ausgabe 3
Erscheinungsjahr 2025
pp. 283 - 292
Zusammenfassung
In ihrem jüngst erschienenen Buch „Gemeinsinn. Der sechste, soziale Sinn“2 (2024) untersuchen Aleida & Jan Assmann angesichts der zunehmenden Gefährdung selbst „etablierter“ demokratischer Gesellschaften die Grundlagen und Prinzipien für gemeinschaftliches, nicht zuletzt demokratisches Zusammenleben. Für dieses Projekt gehen sie von dem Diktum des Staatsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde aus: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Als freiheitlicher Staat kann er […] nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. […] Vom Staat her gedacht, braucht die freiheitliche Ordnung ein verbindendes Ethos, eine Art ‚Gemeinsinn‘ bei denen, die in diesem Staat leben“3. Ein solcher Gemeinsinn erwächst aus individuellen und gemeinsamen Emotionen und Haltungen, aus sozialen Beziehungspraktiken und aus Menschenbildern. Zu fragen ist auch nach den „normativen Ressourcen oder Dispositionen, die in den Akteuren bereits angelegt sind, bzw. nach den Rahmenbedingungen einer Gesellschaft, die solche Dispositionen unterdrücken und marginalisieren oder schätzen und begünstigen können“4. Es waren nicht zuletzt die Probleme um die Ermöglichung und Stabilisierung von „Gemeinsinn“, die uns veranlassten, einen „Brückenschlag“ zum sozialpädagogischen Denken und Handeln Janusz Korczaks (1878–1942) zu wagen. Dieser polnisch-jüdische Schriftsteller, Kinderarzt, Pädagoge und Kindheitsforscher hat in den Jahre 1912–1942 in zwei Internaten, dem „Dom Sierot“ (für jüdische) und dem „Nasz Dom“ (für polnische Sozialwaisenkinder) – ein bis dahin unbekanntes Modell des Zusammenlebens von Kindern und Erwachsenen erdacht und erprobt. Dieses inzwischen zunehmend reflektierte Projekt basiert auf der Gleichberechtigung von Kindern und Erwachsenen sowie auf einer radikalen Selbstverwaltung der Kinder. Der Fokus unseres Essays ist speziell auf die Entwicklung und Stabilisierung von „Gemeinsinn“ und „Gemeinwohl“ in einer Erziehungsgemeinschaft gerichtet. Korczak strebte all dies durch „konstitutionelle Einrichtungen“ an: durch Dienste, ein Kollegialgericht, ein Plebiszit, ein Parlament und durch Zeitungen der Kinder.
Details
- Seiten
- 10
- DOI
- 10.3726/PR032025.0029
- Erscheinungsdatum
- 2025 (August)
- Schlagworte
- janusz korczak energie einzelner kraft gemeinschaft
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG