Räume der Passion
Raumvisionen, Erinnerungsorte und Topographien des Leidens Christi in Mittelalter und Früher Neuzeit
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Edited By Hans Aurenhammer and Daniela Bohde
Theatralität und Bild im spätmittelalterlichen Passionsspiel. Zum Verhältnis von Gewaltdarstellung und compassio
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Die mittelalterlichen Passionsspiele stellen für die Forschung bis heute eine nicht geringe Irritation dar. Sie bringen bekanntlich in der städtischen Öffentlichkeit Leben und Passion Christi bis zum Osterereignis auf die Bühne. Irritierend wirken – gerade angesichts der religiösen Funktion der Spiele – die exzessiven Gewaltdarstellungen, die – vor allem in den Texten aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert – über weite Strecken von der Perspektive der Folterer bestimmt sind. Diese spezifische Perspektivierung der Gewaltdarstellungen unterscheidet die Passionsspiele sowohl von der Passionsikonographie als auch von der Traktatliteratur, mit denen sie ansonsten in engem Austausch stehen. Die spannungsvolle Vielschichtigkeit vor allem der späteren Spiele, deren zunehmender Umfang und Aufwand die steigende Bedeutung des Genres anzeigt, spiegelt sich in einer Polarisierung der Forschungsdiskussion. Dieser Vielschichtigkeit werde ich im Folgenden nachgehen; es interessiert mich dabei zweierlei: zum einen die Formen der Darstellung von Gewalt und Leiden – hier wird es auch um Berührungen mit der Passionsikonographie gehen – und zum anderen Aspekte des Theatralen und Performativen. Meine Textgrundlage bilden deutschsprachige Spiele aus der Zeit von etwa 1480 bis 1515.1 ← 181 | 182 →
Meine Thesen lauten: 1. Für die Passionsspiele ist das Spannungsverhältnis zwischen zwei unterschiedlichen Darstellungsdimensionen konstitutiv: der Inszenierung der Täter-Opfer-Interaktion und der statisch-bildhaften Ausstellung des Leidens. 2. Den divergierenden Darstellungslogiken entsprechen unterschiedliche Modelle von Performativität und damit auch unterschiedliche Relationierungen von Akteuren und Zuschauern in einem gemeinsamen Kommunikationsraum: einerseits die Performativität der theatralen Mimesis; andererseits eine ‚innere Performativität‘ im Sinne des Mitvollzugs...
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