Die Bedeutung der Rezeptionsliteratur für Bildung und Kultur der Frühen Neuzeit (1400–1750), Bd. II
Beiträge zur zweiten Arbeitstagung in Haldensleben (Mai 2013)
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Edited By Alfred Noe and Hans-Gert Roloff
Die Rezeption der antiken Mythologie in Brulovius’ Andromede: Winfried Woesler
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Die griechische Götterwelt wurzelt in der Volksüberlieferung, wir verdanken ihre Ausgestaltung aber Homer und Hesiod. Neben anderen verwarf schon der Vorsokratiker Xenophanes diese Göttermythen, denn er wollte seinen reinen Gottesbegriff nicht mit Göttern verbinden, denen „die schändlichsten Dinge angedichtet“ wurden.1 Seneca tragicus,2 dessen Tragödien den Dichtern der Renaissance als Vorbild dienten, kritisierte in seiner Tragödie „Phaedra“ (V. 195f.) den antiken Mythenglauben scharf: „Deum esse Amorem turpis et vitio favens | finxit libido…“ Diese Spannung zwischen Mythos, Philosophie und Religiosität gab es bis in die Spätantike hinein, zumal die alten Mythen nicht nur im Kult fortlebten, sondern auch in der Kunst präsent waren und in der Erziehung benutzt wurden.3
Eine mögliche rationale Akzeptanz des Mythos lag später darin, dass man ihn „historisch“ zu erklären versuchte, z.B. in den Herrscherfamilien einen göttlichen Ursprung vermutete – Cassiopeia etwa und Perseus betonen in Brulovius’ „Andromede“ ihre göttliche Abstammung – bzw. dass die Götter eigentlich sterbliche Menschen gewesen seien, die sich in der Frühzeit um die Menschheit verdient gemacht hatten.
Für die Menschen um 1600 war auch ein „naturwissenschaftlicher“ Bezug der Mythen noch lebendig, die Götter lebten in den Gestirnen fort.4 Andromeda und Perseus, ja auch andere Figuren dieses Mythenkreises wie Cassiopeia, Cepheus und Cetus, waren als Sternbilder an den Himmel versetzt worden und stehen immer noch dort. Den Einfluss der Sterne, besonders der Planeten, auf die Menschen bezweifelte damals wohl niemand, die Astrologie...
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