Drachen und Rad
Gesammelte Beiträge zur mährischen Geschichte
Edited By Hellmuth Kiowsky
Auf dem Krautmarkt
Extract
Der erste Schnee. Noch flockt es weiß und federleicht durch die unbewegte Luft, um im nächsten Augenblick in moordunkler Pfütze rettungslos zu ertrinken. Von den steilen Dächern alter Paläste und den aufgespannten Schirmen der Marktleute rieseln endlose Perlenschnüre grauweißen Tauwassers. Bleiches frostiges Dezemberlicht taucht den Tag in halbe Dämmerung.
Mit weißem Hermelin reich verbrämt ragt der monumentale Brunnen. Vor ihm drängt sich zwischen Blumen, Obst-und Gemüseständen eine Gruppe Fremder um einen Führer, der mit weithin vernehmbarer Stimme das eigenartige Kunstwerk „Parnass“ genannt, von Fischer von Erlach dem Älteren des 17. Jahrhunderts erbaut, seinen aufmerksamen Zuhörern vorstellt.
„Das also ist der Parnass!“ murmelt ein Kunstverständiger entzückt und tritt einige Schritte zurück, um die richtige Sehweite zu gewinnen.
Da stößt ihn eine kräftige Hand zurück. „Sie, passens auf! Seins verruckt?“ zetert eine grobe Stimme. „Sie zatret’n ma ja meine Blumen mit ihre schmattleten Fiß…!“
„Pardon, liebe Frau, pardon!“ Der Herr befreit erschrocken seine Galoschen aus den Umschlingungen endloser Zweige, die sich stachelbewehrt an seine Beinkleider heften und tritt in seiner Verwirrung ein Bündel Astern vollends tot.
„Die Bluman da sein hin, die müssens ma bezahl’n! Zwa Kronen kostens.“
Während der Herr seufzend bezahlt, fährt der Führer in seiner Erklärung fort: „Die Spitze krönt eine weibliche Figur mit Zepter und Schwert. Der...
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