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Der Mensch und seine Welt

Die philosophische Anthropologie in der Systematischen Theologie Paul Tillichs

von Josef Torggler (Autor:in)
©2015 Dissertation 152 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch beschäftigt sich mit der philosophischen Anthropologie in der Systematischen Theologie Paul Tillichs, nach der der Mensch wie alles Seiende in sich eine essenzielle polare Struktur trägt und den Bedingungen der Endlichkeit untersteht. Auf der einen Seite vereint der Mensch in sich alle Dimensionen des Lebens (die anorganische, organische, psychische, geistige und geschichtliche Dimension) und kann durch seinen Geist mit allem, was ist, in Beziehung treten. Bewusstsein und Freiheit zeichnen ihn aus. Andererseits ist sein Dasein durch die polaren Gegensätze und den Zustand der Endlichkeit bestimmt und auch gefährdet. Es bedarf daher steter Bemühung um Ausgewogenheit der Polaritäten und um Besinnung auf das allem Relativen zugrunde liegende Absolute, in welchem das Seiende gründet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort zur Drucklegung
  • Einleitung
  • a) Die Bedeutung der Philosophie in der Systematischen Theologie P. Tillichs
  • b) Die Bedeutung der Anthropologie in der Systematischen Theologie P. Tillichs
  • c) Der Aufbau der vorliegenden Arbeit
  • I. Ontologische Voraussetzung
  • 1. Notwendigkeit der ontologischen Fragestellung
  • 2. Die ontologische Grundstruktur: Selbst-Welt
  • 3. Die ontologischen Strukturelemente
  • a) Individualisation und Partizipation
  • b) Dynamik und Form
  • c) Freiheit und Schicksal
  • 4. Seiendes in Endlichkeit und die ontologischen Kategorien
  • a) Seiendes in Endlichkeit
  • b) Die Kategorien der Endlichkeit
  • 5. Seiendes als Essenz in Existenz
  • 6. Sein-Selbst als Grund des Seins
  • II. Die Lehre vom Menschen
  • 1. Das Leben als vieldimensionale Einheit
  • a) Dimensionen des Lebens und ihre gegenseitigen Beziehungen
  • b) Die geistige Dimension des Lebens
  • 2. Der Mensch als vernünftiges Wesen
  • 3. Der Lebensvollzug des Menschen
  • a) Die Selbst-Integration des menschlichen Lebens als M o r a l i t ä t
  • b) Das Sich-Schaffen des menschlichen Lebens als K u l t u r
  • c) Die Selbst-Transzendierung des menschlichen Lebens als R e l i g i o n
  • 4. Der Mensch in der Geschichte
  • a) Das Wesen menschlicher Geschichte
  • b) Der Vollzug menschlicher Geschichte
  • c) Deutungen der Geschichte
  • 5. Der Mensch in der Entfremdung
  • a) Entfremdung als Destruktion essentieller Struktur
  • b) Das menschliche Leben in der Entfremdung
  • c) Überwindung von Entfremdung
  • 6. Das Wesen des Menschen
  • III. Kritische Stellungnahme
  • 1. Stellungnahme zur Philosophie P. Tillichs
  • A) Zur philosophiegeschichtlichen Prägung
  • B) Zur Beziehung von Philosophie und Theologie
  • C) Grundprobleme in der Philosophie P. Tillichs
  • 2. Stellungnahme zur philosophischen Anthropologie P. Tillichs
  • A) Philosophiegeschichtliche Entwicklung der Anthropologie und das Werk P. Tillichs
  • B) Kriterien einer philosophischen Anthropologie und die Anthropologie P. Tillichs
  • C) Schwerpunkte und Bedeutung der philosophischen Anthropologie P. Tillichs
  • Bibliographie
  • 1. Die Werke Paul Tillichs
  • a) Systematische Theologie
  • b) Gesammelte Werke (Hg. R. Albrecht)
  • c) Ergänzungs- und Nachlassbände zu den Gesammelten Werken. (Hg. I.C. Henel)
  • d) Religiöse Reden. (3 Folgen)
  • 2. In der vorliegenden Arbeit verwendete Literatur zu P. Tillich
  • 3. Weitere verwendete Literatur aus Philosophie und Theologie
  • Abkürzungen

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Vorwort zur Drucklegung

Die vorliegende Arbeit entwickelt die philosophische Anthropologie, wie sie dem theologischen Gesamtwerk Paul Tillichs zugrunde liegt.

Paul Tillich (1886–1965) lehrte zunächst an verschiedenen Hochschulen bzw. Universitäten in Deutschland (Berlin, Marburg, Dresden, Frankfurt). Unter dem Druck des Nationalsozialismus emigrierte er 1933 in die Vereinigten Staaten, wo er mit „fakultätsübergreifendem Lehrrecht“ Lehrstühle an der Harvard Universität und an der Universität von Chicago innehatte. Er hinterließ ein umfangreiches philosophisch-theologisches Werk und zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Philosophie und Theologie des 20. Jahrhunderts.

P. Tillich gilt als „Denker an der Grenze“ zwischen Philosophie und Theologie, zwischen katholischer und evangelischer Theologie, zwischen Christentum und den anderen Religionen, zwischen Religion und Kultur, zwischen Theologie und Humanwissenschaften, zwischen Theorie und Praxis.

Die hier aufgezeigte ontologisch begründete Anthropologie P. Tillichs stellt ein differenziertes und fundamentales Verständnis des Menschen dar. Sie zeigt grundlegende Strukturen auf, die den verschiedenen philosophischen und humanwissenschaftlichen Theoriebildungen über den Menschen zugrunde liegen. Diese Tatsache wie auch die philosophie- und theologiegeschichtliche Bedeutung P. Tillichs mag die späte Drucklegung dieser Arbeit rechtfertigen. Sie kann ein Beitrag dazu sein, P. Tillichs bedeutende Denkansätze wertschätzend zu würdigen.

Die Arbeit wurde bereits 1986 von Univ. Prof. Dr. Dr. Emerich Coreth (1919–2006) an der Philosophischen Abteilung der Theologischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck als Diplomarbeit angenommen und wird hier mit geringfügigen Änderungen publiziert. Sie bewegt sich auf dem Stand der damaligen Kenntnisse über P. Tillich und der bis dorthin erfolgten Auseinandersetzungen mit seinem Werk. Das Werk P. Tillichs ist in der von ihm selbst autorisierten Übersetzung in deutscher Sprache erschienen.

Josef Torggler

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Einleitung

a) Die Bedeutung der Philosophie in der Systematischen Theologie P. Tillichs

Einleitend soll die Frage gestellt werden, ob es berechtigt ist, im theologischen Werk eines Autors nach dessen Philosophie zu fragen. Macht ein Autor in einem Werk, das er als theologisches versteht, nicht immer schon Voraussetzungen, die eine reine Philosophie überschreiten und deshalb eine Darstellung seiner Philosophie von vornherein als unmöglich erscheinen lassen? Zur Beantwortung dieser Frage muss die spezielle Methode erörtert werden, die Tillich für seine theologische Arbeit gewählt und vor allem in seiner „Systematischen Theologie“ konsequent angewendet hat, nämlich die „Methode der Korrelation“1. Zugleich muss zur Beantwortung obiger Frage Wesen und Verhältnis von Philosophie und Theologie im Sinne Tillichs zur Sprache kommen.

Theologie versteht Tillich als „die methodische Auslegung der Inhalte des christlichen Glaubens“2, d.h. als die Auslegung der für den Menschen entscheidenden heilsvermittelnden Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Was die Methode dieser Auslegung angeht, richtet sich Tillich kritisch gegen eine von ihm „supranaturalistisch“ genannte Methode, „denn sie betrachtet die christliche Botschaft als eine Summe geoffenbarter Wahrheiten, die wie Fremdkörper aus einer fremden Welt in die menschliche Situation hineingefallen sind“3. Antworten aber auf Fragen, die der Mensch ← 9 | 10 → nicht in sich erfahren und gestellt hat, kann er auch nicht wirklich als Antworten erfahren und annehmen. Sie treffen ihn nicht in seiner konkreten und realen Situation. Offenbarung aber will gerade „Antwort“ sein für den konkreten Menschen in seiner entfremdeten und heilsbedürftigen Situation. Das Ernstnehmen sowohl der konkreten Situation des Menschen in seiner Wirklichkeit wie der Offenbarung Gottes in Jesus Christus veranlasst Tillich, sich in seiner Theologie für die „Methode der Korrelation“ zu entscheiden, die seiner Meinung nach so alt ist wie die Theologie selbst und in der Bezogenheit des Endlichen auf das Unendliche, des Seienden auf das Sein-Selbst, des Geschöpfes auf den Schöpfer, ihren eigentlichen Grund hat.

„Methode der Korrelation“ bedeutet, dass der Theologe in seiner Arbeit zunächst philosophisch den Menschen und die Wirklichkeit in ihrer inneren Struktur und in ihrem Sein analysiert und beschreibt und dabei zugleich auf jene offenen Fragen4 aufmerksam macht, die den Menschen in seiner Existenz bedrängen und ihn in sich selbst (in Sein und Sinn) als bedroht, gespalten und ausweglos entfremdet erscheinen lassen. Erst nach dieser philosophisch erhobenen Analyse der Situation des Menschen kann der Theologe, wieder nur unter Zuhilfenahme der Philosophie, in seiner Arbeit die Inhalte des christlichen Glaubens und die Bedeutung der Offenbarung in Jesus Christus dem Menschen als dasjenige ausdeuten, was allein seine Bedrohtheit und Entfremdung konkret zu überwinden vermag.5

Die nach der „Methode der Korrelation“ geforderte philosophische Analyse darf, auch wenn sie von einem Theologen durchgeführt wird, nur unter Anwendung der autonomen Prinzipien der Philosophie erfolgen. „Der ← 10 | 11 → Unterschied zwischen einem Philosophen, der kein Theologe ist, und einem Theologen, der bei der Existenzanalyse als Philosoph arbeitet, besteht nur darin, daß der erste eine Analyse zu geben versucht, die Teil einer größeren philosophischen Arbeit sein soll, während der zweite die Ergebnisse seiner Analyse mit den aus dem christlichen Glauben abgeleiteten theologischen Begriffen in Beziehung zu setzen versucht. Dadurch wird aber die philosophische Arbeit des Theologen keineswegs heteronom. Als Theologe entscheidet er nicht, was philosophische Wahrheit ist, und als Philosoph enthält er sich der Meinung über die theologische Wahrheit.“6

Der Philosoph wie der Theologe beschäftigen sich mit dem Menschen und der Wirklichkeit als ganzer, doch tun sie es unter verschiedener Rücksicht und Erkenntnishaltung7: Während der Philosoph in distanzierter Erkenntnishaltung, allein dem allgemeinen Logos der Vernunft verpflichtet, die Wirklichkeit nach ihrer allgemeinen Struktur befragt und dabei letztlich zur ontologischen Strukturanalyse vorstößt (wovon in dieser Arbeit später die Rede sein wird), stellt der Theologe die Frage nach dem „Sinn des Seins für uns“8 oder die Frage nach dem, „was uns unbedingt angeht“9 und letztgültig „über unser Sein oder Nichtsein entscheidet“10. Im Unterschied zur distanzierten Erkenntnishaltung des Philosophen weiß der Theologe sich existentiell betroffen von dem, worauf sich seine Erkenntnis bezieht („Theologischer Zirkel“11). Der Theologe weiß sich verpflichtet sowohl dem universalen Logos, dem der Philosoph allein zu folgen hat, wie auch dem in der Geschichte manifest gewordenen Logos in Jesus Christus. Er ist überzeugt, dass „der in Jesus als dem Christus konkret gewordene logos zugleich der universale logos ist“12. Hier liegt erkenntnistheoretisch der Angelpunkt im Verhältnis zwischen Philosophie und Theologie in der Anwendung der „Methode der Korrelation“. ← 11 | 12 →

Das Verhältnis von Philosophie und Theologie ist dergestalt, dass zwischen ihnen im Grunde „weder ein Konflikt nötig, noch eine Synthese möglich“13 ist, denn beide betrachten den Menschen und die Wirklichkeit unter grundsätzlich anderer Fragestellung: Die Philosophie fragt nach der „Struktur des Seins an sich“14, während die Theologie nach dem „Sinn des Seins für uns“ fragt. Das schließt natürlich keinesfalls aus, dass ein Philosoph seine philosophische Fragestellung überschreitet und heimlich oder offen zum Theologen wird und dass der Theologe eine eigenständige philosophische Darstellung entfaltet.15 Sowohl Philosophie wie Theologie bleiben aber in ihrer Fragestellung ihrem eigenen formalen Kriterium unterworfen: „Struktur des Seins an sich“ für die Philosophie und „Sinn des Seins für uns“ oder „Was uns unbedingt angeht“ für die Theologie.

Was die gegenseitige Beziehung von Philosophie und Theologie weiter betrifft, muss gesagt werden: Dasjenige, „was uns unbedingt angeht“ und „über unser Sein oder Nichtsein entscheidet“, muss zur Wirklichkeit des Seins als solcher gehören, sonst könnten wir ihm nicht begegnen und es könnte uns nicht angehen. „Es kann (aber) natürlich nicht ein Ding neben anderen Dingen sein, denn dann würde es uns nicht unbedingt angehen. Es muß der Grund unseres Seins sein, das, was über unser Sein oder Nichtsein entscheidet, die letzte und unbedingte Macht des Seins. Aber die Macht des Seins, sein unendlicher Grund oder das Sein-Selbst drückt sich in der Struktur des Seins aus … Wenn die Theologie sich mit dem beschäftigt, was uns unbedingt angeht, dann setzt sie in jedem Satz die Struktur des Seins, seine Kategorien, Gesetze und Begriffe voraus“16. Dies besagt also, dass die Theologie die Philosophie voraussetzt, weil die theologische Fragestellung den Menschen in seinem Sein voraussetzt. Dies „besagt aber auch, dass die Philosophie über ihre spezifische Fragestellung notwendig hinausgetrieben wird zu jener Frage, die theologisch ist. Philosophie und Theologie bleiben so eigenständige Disziplinen, sind aber doch aufeinander verwiesen. Die Tatsache dieser Verwiesenheit bei gleichzeitiger Eigenständigkeit wird zur Grundlage jener theologischen Arbeitsmethode, eben der „Methode der ← 12 | 13 → Korrelation“. Sie besteht im Zueinander von philosophischer Analyse und theologischer Deutung der Offenbarung als konkrete und „Neues Sein“ vermittelnde Antwort.

In der „Systematischen Theologie“ verfolgt Tillich nun streng diese Methode17, indem er jeden der fünf großen Teile seines Hauptwerkes18 in einen ersten rein philosophischen und in einen zweiten theologischen Abschnitt unterteilt.19 Die durchgehende methodisch und inhaltlich strenge Trennung von Philosophie und Theologie in der Arbeitsweise Tillichs ergibt die Möglichkeit und Legitimität, im theologischen Werk des Autors speziell nach seiner Philosophie zu fragen.

b) Die Bedeutung der Anthropologie in der Systematischen Theologie P. Tillichs

Details

Seiten
152
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653049626
ISBN (ePUB)
9783653976663
ISBN (MOBI)
9783653976656
ISBN (Paperback)
9783631657034
DOI
10.3726/978-3-653-04962-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Ontologie Polaritäten Entfremdung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 152 S.

Biographische Angaben

Josef Torggler (Autor:in)

Josef Torggler studierte Philosophie und Theologie in Innsbruck, Bonn und Tübingen. Er ist Gymnasiallehrer im Ruhestand und arbeitete lange Jahre als Studentenseelsorger und Psychotherapeut.

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Titel: Der Mensch und seine Welt
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