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Verdis "Nabucco" und das Alte Testament

von Matthias Augustin (Autor:in)
©2022 Monographie 64 Seiten

Zusammenfassung

Giuseppe Verdi hat mit seiner Oper «Nabucco» 1842 den Durchbruch zu seinem Welterfolg geschaffen. Wie ist dies in seiner Zeit einzuordnen? Ist sie die musikalische und politische Grundlage des Risorgimento – Judäer kämpfen um ihre Freiheit wie jetzt die Italiener – oder wurde sie später dazu stilisiert? In der Gestalt des Nabucco vereinen sich die drei altorientalischen Herrscher Nebukadnezar II, Nabonid und Kyros II.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsangabe
  • Geleitwort: Überlegungen zur Verwendung alttestamentlicher Texte in Opernlibretti
  • „Va, pensiero….“ Verdis „Nabucco“ und das Alte Testament: Für Gerd Uecker
  • Nabucco und das Risorgimento
  • „Nabucco“, als Kurzform des italienischen „Nabucodonosor“, ist der italienische Name für Nebukadnezzar.
  • Nabucco = Nebukadnezzar II.
  • Nabucco = Nabonid
  • Nabucco = Kyros II.
  • Wer ist also Nabucco?
  • Anmerkungen
  • Zusammenfassung
  • Summary

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Geleitwort

Überlegungen zur Verwendung alttestamentlicher Texte in Opernlibretti

Die Verwendung alttestamentlicher Texte und Geschichten für Opern- und Konzertlibretti ist ungefähr so alt wie die Genres selbst. Mit Gioacchino Rossini erreicht dies jedoch eine ganz andere Wertigkeit. Gerade in seiner Beschäftigung mit Moses geht Rossini vollkommen andere Wege. Zu seinen größten Erfolgen gehört „Mosè in Egitto“, deren dritten Akt Rossini nach der Uraufführung vom 5. März 1818 im nächsten Jahr bearbeitete und ergänzte und die er als französische Grand Opéra für Paris 1827 in einer neuen Fassung als „Moïse et Pharaon ou Le Passage de la Mer Rouge“ herausbrachte. Rossini gibt den Figuren eine bis dahin nicht gekannte Ausdruckskraft. Die Israeliten sind ein Volk ohne Angst, das bereit ist, sich mit dem Pharao anzulegen. Mose hat ein Heer junger Männer unter Waffen, die bereit sind, gegen den Pharao zu kämpfen. Moses und Pharao, beide als Bass Sänger in der vollen Wucht dieser Stimmlage komponiert, geraten als Feinde aneinander. Entscheidend ist nicht die eigene militärische Macht, sondern wer auf Jahwe vertraut, der mit seinem Segen auch das Gelingen der militärischen Auseinandersetzung gibt. Der musikdramatische Höhepunkt dieser Oper ist die berühmte Preghiera „Dal tuo stellato soglio“ im dritten Akt. Darüber schrieb Paganini eine eigene Variationenreihe. Kritiker wie Herbert Weinstock sprachen bei der Uraufführung am 26. März 1827 von „hysterischer Begeisterung“, die diese Oper erweckte. Sie erlebte in den folgenden Jahren einen wahren Siegeszug, in ganz Italien, ←9 | 10→aber auch in München und Dresden, in Wien, Barcelona und London und bald darauf auch in New York.

Wegen des biblischen Bezugs wurde „Mosè in Egitto auch konzertant in Kirchen aufgeführt.

Das entscheidende bei Rossini dürfte neben der grandiosen Musik darin liegen, dass er zusammen mit dem Librettisten Luigi Balocchi und Victor-Joseph-Etienne de Jouy mit Mose und dem Pharao zwei so starke Charaktere geschaffen hat, die die Zeiten überdauern. So ist die Nürnberger Inszenierung dieser Oper aus dem Jahre 2010 besonders hervorzuheben, in der der Regisseur David Mouchtar-Samorai Mose mit Theodor Herzl, dem Begründer des modernen Zionismus parallelisiert und teilweise sogar identifiziert, sodass der Zug durch das Rote Meer als Befreiung aus der Diaspora in das Gelobte Land gesehen wird.

Was Giuseppe Verdi getrieben hat, das 1836 von dem damals nicht unbekannten Auguste Anicet-Bourgeois herausgebrachte Drama „Nabucodonosor“ zur Grundlage einer Oper zu nehmen, untersucht diese Schrift. Temistocle Soleras Libretto fußte auf diesem Drama. Aber Verdi und Solera gingen mit diesem Text ganz neue Wege. Ob Risorgimento oder nicht, und wer war Nabucco wirklich? Verdi soll über seine erste Begegnung mit dem „Nabucco“ Libretto selbst gesagt haben: „Ich durchflog die folgenden Verse und wurde umso tiefer von denselben ergriffen, als dieselben fast eine Paraphrase der Bibel bildeten, an der mein Herz stets mit warmer Begeisterung hing.“ Arthur Pougin, Verdi. Sein Leben und seine Werke, Leipzig 1887, S. 56

Ein weiteres gutes Beispiel ist Camille Saint-Saëns mit seiner Oper „Samson et Dalila“, die auf der biblischen Erzählung Ri 13-16 fußt. Das Libretto stammt von Ferdinand Lemaire. Hier zeigt sich, dass ein biblischer Text nicht eo ipso ein Erfolgsgarant ist. Saint-Saëns hat an dieser Oper insgesamt ←10 | 11→10 Jahre, von 1868–1877, gearbeitet, wobei er immer wieder einzelne Teile zur Aufführung in privatem Rahmen präsentierte, die aber meist negativ beurteilt wurden. In Frankreich war man sehr zurückhaltend, vor allem, weil es sich um einen biblischen Text handelte, den man als anstößig empfand. Es war Franz Liszt, der Saint-Saëns immer wieder ermunterte, an dieser Opernkomposition weiterzuarbeiten. So war dann auch die Uraufführung 1877 in Weimar – und zwar in deutscher Sprache, aber bei den nächsten Aufführungen setzte sich dann die französische Originalsprache durch. Es war eine Mischung aus früheren Kompositionen, vor allem Oratorien, mit orientalischer Musik, die er während seines Aufenthalts in Algier 1874 komponierte. Entscheidend für die kontroverse Diskussion dürfte aber der biblische Stoff selbst gewesen sein, die Liebe zu einer Frau mündet für Simson in die Selbstzerstörung, in der er aber auch das Fundament der Philister zerstört. Was die Bibel des Alten Testaments in drastischer Deutlichkeit schildert, ist für das empfindsame Pariser Publikum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wohl eine Zumutung.

Details

Seiten
64
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631866252
ISBN (ePUB)
9783631866269
ISBN (Paperback)
9783631860052
DOI
10.3726/b18981
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (November)
Schlagworte
Bibel Opernkomponist Italien 19. Jahrhundert Alter Orient Gefangenenchor
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 64 S.

Biographische Angaben

Matthias Augustin (Autor:in)

Matthias Augustin ist emeritierter Professor für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock. Er promovierte im Alten Testament und in Klassischer Philosophie und habilitierte sich an der Universität Rostock, wo er zunächst als Privatdozent und später als apl. Professor für Altes Testament unter besonderer Berücksichtigung des Antiken und Modernen Judentums und der sozio-ökonomischen sowie politischen Aspekte des modernen Staates Israel tätig war. Seine Forschungsschwerpunkte sind Konflikt- und Friedensforschung im Nahen und Mittleren Osten sowie Terrorismusforschung.

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