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Mehrsprachigkeit und Zugänge zur Vermittlung von interkultureller und intersprachlicher Sensibilität

Plurilinguisme et sensibilité interculturelle et interlangue : de nouvelles approches

von Demeter Michael Ikonomu (Band-Herausgeber:in) Andrea Kyi-Drago (Band-Herausgeber:in) Gérald Schlemminger (Band-Herausgeber:in) Barbara delli Castelli (Band-Herausgeber:in)
©2021 Sammelband 220 Seiten

Zusammenfassung

Worum geht es, wenn wir eine Fremdsprache lernen? Menschen aus einem jeweils anderen, ‹fremden› Land, die eine andere ‹fremde› Sprache sprechen, sollen die Fähigkeit erlangen, miteinander zu reden. Das klingt banal, und diese scheinbare Banalität stützte bislang Homogenitätsannahmen beim Spracherwerb und Sprachenlernen. Sprache ist jedoch mehr als die Summe von Vokabeln. Sprache verkörpert die Menschen in ihrem Denken, Handeln und Empfinden. Gebraucht wird eine Sensibilisierung für die Unterschiede zwischen dem Eigenen und dem Fremden, die es gilt, in eine interkulturelle, intersprachliche Kompetenz umzuwandeln. Dieses Buch fokussiert die Perspektive der Mehrsprachigkeit, aus der sich vielfältige Zugänge auftun, über die aus Fremdem Eigenes werden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Perspektiven zur Vermittlung von interkultureller und intersprachlicher Sensibilität (Gérald Schlemminger)
  • Barbara Dyrschka – ein Leben für Sprachgefühl und verbindende Nähe (27.02.1947 – 02.03.2018) (Demeter Michael Ikonomu)
  • Schreibschule und Schreibkunst: Sprachunterricht an der Schnittstelle zwischen europäischem Referenzrahmen und Motivation (Demeter Michael Ikonomu)
  • L’hypnose peut-elle soutenir l’apprentissage des langues ? (Farid Boulouh – Gérald Schlemminger)
  • Apprentissage plurilingue et théâtre : le chemin fructueux de la pluridisciplinarité (Arianna Berenice De Sanctis)
  • Das Unsagbare übersetzen: Von Tabus und ihren Herausforderungen an Translatoren (Andrea Kyi-Drago)
  • Lieder und Musik im DaF-Unterricht zum Erwerb von Sprach- und Übersetzungskompetenzen (Barbara Delli Castelli)
  • Werbetexte im Sprachunterricht zur Vermittlung interkultureller und intersprachlicher Sensibilität (Mariapia D’angelo)
  • Interkulturelle Verständnisprobleme beim Dolmetschen (Ottavio Ricci)
  • Stellung, Wahrnehmung und berufliche Identität des Übersetzers. Warum wir selbstbewusste Übersetzer brauchen (Andrea Kyi-Drago)
  • Kulturelle Schlüsselwörter im Kontext der Fremdsprachenvermittlung. Ihre emischen und etischen Dimensionen (Ernst Kretschmer)
  • Eine Analyse aggressiver Sprachhandlungen italienischer Fußball-Ultras (Patrizia Ursula Ferrarese)
  • Nähe und Distanz und ihre kontextgebundene Wandelbarkeit (Nachwort) (Andrea Kyi-Drago)
  • Autorenverzeichnis
  • Reihenübersicht

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GÉRALD SCHLEMMINGER

Perspektiven zur Vermittlung von interkultureller und intersprachlicher Sensibilität

Das vorliegende zweisprachig angelegte Buch hat es sich zum Anspruch gestellt, das Phänomen der Mehrsprachigkeit unter den besonderen Aspekten der interkulturellen und intersprachlichen Sensibilität darzustellen, zu untersuchen und zu diskutieren. Es will Zugänge und Wege zur Vermittlung einer interkulturellen und intersprachlichen Sensibilität aufzeigen. In der Sprachwissenschaft und in der Sprachdidaktik ist mit dem Paradigma der Mehrsprachigkeit ein Perspektivenwechsel eingetreten. Homogenitätsannahmen in Bezug auf Spracherwerb und Sprachenlernen werden von einer erhöhten Wahrnehmung der Diversität der Zugänge zu einer anderen Sprache abgelöst. Ziel der Beiträge ist es:

die Spezifizität und vor allem das Potenzial von Mehrsprachigkeit zu erschließen und zu erfassen,

den Aufbau und die Sensibilisierung des Sprachbewusstseins für die verschiedenen Sprachen, die die Sprechenden benutzen, zu fördern,

die Sensibilisierung für das Phänomen des Auftretens von intersprachlichen Bedeutungsfeldern und -änderungen zu erhöhen,

den Aufbau mehrsprachigkeitssensibler professioneller Wahrnehmungs- und Handlungskompetenzen der Sprechhandelnden zu unterstützen.

Mit seinem Artikel „Schreibschule und Schreibkunst: Sprachunterricht an der Schnittstelle zwischen europäischem Referenzrahmen und Motivation“ stellt sich Demeter Michael Ikonomu zu Beginn des Textes in die Traditionslinie einer kritischen Rezeption u. a. von Maurer (2011), Prieur / Volle (2016), Bärenfänger et al. (2018), indem er auf die besondere Situation der Sprachenstudiengänge an der Universität und ←9 | 10→ihr Verhältnis zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) setzt. Ikonomu weist kritisch darauf hin, dass sich der GER im universitären Studium zu sehr am Sprachkompetenzerwerb orientiert und die besonderen Gegebenheiten des wissenschaftlichen Arbeitens und die spezifischen Lehr- und Lernmethoden an der Hochschule geringere Berücksichtigung finden. Des Weiteren entwickelt er den pädagogischen Ansatz einer Schreibschule, die im Vergleich zum GER einen erweiterten Sprachlehr- und Lernansatz aufweist. Er beschreibt und diskutiert umsichtig seine Seminarerfahrungen mit diesem Konzept und erweitert damit die Tradition der Schreibateliers, der Schreibwerkstätten, die immer häufiger an Hochschulen angeboten werden (siehe auch Vopel 1991; Boulouh / Schlemminger 2019). Wie alle Verfasser der Beiträge in diesem Buch legt Ikonomu in seinem Artikel auf die intersprachliche Sensibilität besonderen Wert, indem er den Begriff der ‚emotionalen Bildbeschreibung‘ entwickelt.

Arianna Berenice De Sanctis steht mit ihrem Text „Apprentissage plurilingue et théâtre : le chemin fructueux de la pluridisciplinarité“ dem Ansatz des Sprachcoachings, wie ihn Barbara Dyrschka vertritt, der dieses Buch gewidmet ist, sehr nahe. Der Regisseurin, die eine eigene Theatergruppe leitet, und der Dozentin, die lange Erfahrung im Fremdsprachenunterricht Italienisch und Französisch nachweist, gelingt es, Elemente des Improvisationstheaters mit körperbetonten Sprachlernstrategien zu verbinden. Sie stellt in ihrem Beitrag verschiedene Improvisationstechniken vor und beschreibt die Erfahrungen, die sie damit in ihren Theaterateliers gesammelt hat. De Scantis übt den Umgang mit Situationen, die in einer anderen, ‚fremden‘ Sprache bewältigt werden, ein, in denen eine sehr große Sensibilität in der Wahrnehmung von Körpersprache und non-verbalen Kommunikationsebenen benötigt werden. Durch eine solche Arbeit an der intersprachlichen Sensibilität lassen sich subjektive Interpretationsfallen und Fehlinterpretationen vorbeugen. Die Beispiele sind so gut beschrieben, dass sie sich auf offene Unterrichtssituationen an der Hochschule und Schule übertragen lassen.

Farid Boulouh und Gérald Schlemminger beschreiben, wie die vorbewussten Prozesse des Sprachenlernens stärker gefördert werden können. Sie greifen hier auf die Techniken der Hypnose zurück. Diese sollen den Lehrpersonen helfen, eine höhere intersprachliche Sensibilität in der Sprachvermittlung zu entwickeln. Boulouh & Schlemminger ←10 | 11→übertragen Konzepte der Hypnose auf das Fremdsprachenlehren und -lernen. Es werden keine Trance-Zustände eingesetzt; Sprachlernen bleibt für die Beteiligten ein bewusster Prozess. Es handelt sich dabei um folgende Verfahren:

Das aktive und strategisch eingesetzte Dissoziieren von Inhalt und Form: Die Fokalisierung auf die anspruchsvollen Inhalte und die (scheinbare) Loslösung von den formalen Aspekten des Spracherwerbs führt zu einem entspannteren Lernen der Sprache.

Die Verankerungstechnik: Der Sprachlernprozess der Lexik wird als holistischer Lernvorgang verstanden und mit einer Handlung, einer visuellen Erinnerung, einer Bewegung usw. verbunden, die ggf. an ein Gefühl oder ein Erlebnis erinnern, die dann aus dem Arbeitsgedächtnis leichter abrufbar werden. Die Autoren stellen hierzu u. a. das Lehrverfahren der //Vornamen nicht trennen//Visualisierung pikturografisch, lexikalisch, syntaktisch, simultan‘ (VPLS) vor.

Das Compounding: Es handelt um die nachdrückliche, emphatisch eindringliche Wiederholung von Satz- und Erzählstrukturen, die suggestiven Charakter haben, die das Intake (verständliche Sprachangebot) erhöhen und damit den Behaltensprozess steigern helfen.

Suggestive Induktionstechniken wie das Yes-Set: Es handelt sich um lehrerinitiierte, empathische Ratifizierungsstrategien.

Diese Stimuli liegen vielfach unter der bewussten Wahrnehmungsschwelle der Sinne der Lernenden. Sie werden regelmäßig in der Werbung zur Manipulation der Verbraucher eingesetzt. Sie lassen sich auch, wie dieser Text an konkreten Beispielen aus dem Unterricht zeigt, zur positiven Unterstützung des Sprachlernprozesses einsetzen.

Andrea Kyi-Drago stellt mit ihrem Artikel „Das Unsagbare übersetzen. Von Tabus und ihren Herausforderungen an Translatoren“ sehr anschaulich dar, wie wichtig es für den Beruf des Übersetzers und Dolmetschers ist, einen hohen Grad translationswissenschaftlicher Kompetenz in interkultureller und intersprachlicher Sensibilität entwickelt zu haben. Diese Sensibilität ist unabdinglich, um nicht vollständig in die Fallstricke der Tabus, die in jeder Kultur auf andere Weise verortet sind, verwickelt zu werden. Ausgehend von einem ←11 | 12→Fallbeispiel aus der translatorischen Praxis arbeitet Kyi-Drago den komplexen Begriff des Tabus und den möglichen Umgang damit eingängig auf. Ihr Artikel richtet sich nicht allein an Translatoren. Alle von Sprachmediation Betroffenen, so z. B. auch jede Sprachlehrkraft, findet hier Anregungen und Überlegungen, Strategien zum Umgang mit Tabus im plurikulturellen Kontext auch auf den Sprachlernunterricht zu übertragen.

In ihrem zweiten Beitrag „Stellung, Wahrnehmung und berufliche Identität des Übersetzers. Warum wir selbstbewusste Übersetzer brauchen“ arbeitet Andrea Kyi-Drago das Berufsbild des Übersetzers auf. Sie zeigt die Diskrepanz zwischen den hohen Anforderungen, die der Übersetzer / der Übersetzerin an sich selbst stellt, bzw. die an einen Translator gestellt werden und dem Berufsbild des Translators, das ihn in der Selbst- wie in der Fremdwahrnehmung unsichtbar macht. Sie arbeitet, und das ist in der translationswissenschaftlichen Literatur Neuland, den komplexen translatorischen Entscheidungsprozess aus der Perspektive des Translators heraus und erkennt konfliktuelle Situationen, die Auswirkungen auf seine berufliche Identität haben. Ihre Argumentation bestückt sie mit vielen kleinen, sehr einleuchtenden Beispielen und entwickelt ein Modell von Steuerungsfaktoren, die translatorisches Handeln bestimmen. Mit der Integration mediativer Elemente in den Translationsprozess stellt sie dem Translator ein Mittel zur Verfügung, sein Berufsbild zu verbessern. Es ist das Ziel von Kyi-Drago, die Bedeutung des Translators als echten Experten für Sprache und Kultur im Sinne des Erhalts einer kulturellen Vielfalt bewusst zu machen.

In einem Buch zur Vermittlung von interkultureller und intersprachlicher Sensibilität darf das Gebiet der Musik nicht fehlen. Der Beitrag von Barbara Delli Castelli „Lieder und Musik im DaF-Unterricht zum Erwerb von Sprach- und Übersetzungskompetenzen“ greift dieses Thema auf. Musik und Lieder im modernen Fremdsprachenunterricht gehören zum Stammrepertoire einer jeden Lehrperson, um die Lernenden über Acide, die titanische Muse der Musik, für zielsprachige Kultur zu sensibilisieren. Delli Castelli greift den bisher in der DaF-Didaktik weniger berücksichtigten Einsatz von Übersetzungen und Bearbeitungen populärer Lieder als Unterrichtsgegenstand in den akademischen Sprach- und Übersetzungskursen an italienischen Hochschulen heraus. Sie stellt konkrete Didaktisierungsvorschläge ←12 | 13→von Liedübersetzungen vor, um die Studierenden zu empfänglich zu machen, „unter welchen Bedingungen und auf welche Art und Weise ein bestimmter Songtext aus einer Ausgangs- in eine Zielsprache übersetzt bzw. umgeschrieben werden kann, um in einen neuen sprachlichen und soziokulturellen Kontext integriert zu werden“.

Details

Seiten
220
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783034342629
ISBN (ePUB)
9783034342636
ISBN (Paperback)
9783034340472
DOI
10.3726/b18313
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Dezember)
Schlagworte
Fremdsprachendidaktik Translationswissenschaft Sprachbewusstsein Mehrsprachigkeit gesteuertes Fremdsprachenlernen Linguistik Kulturwissenschaften Tabuforschung szenisches Lernen Hochschuldidaktik
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 220 S., 5 s/w Abb., 5 Tab.

Biographische Angaben

Demeter Michael Ikonomu (Band-Herausgeber:in) Andrea Kyi-Drago (Band-Herausgeber:in) Gérald Schlemminger (Band-Herausgeber:in) Barbara delli Castelli (Band-Herausgeber:in)

Demeter Michael Ikonomu ist Professor für deutsche Sprach- und Übersetzungswissenschaft an der Universität Chieti-Pescara. Promotion an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe zum Thema Mehrsprachigkeit. Tätigkeit als Dipl.-Übersetzer für die Sprachen Italienisch und Französisch sowie als freier Journalist. Aktueller Forschungsschwerpunkt: Mehrsprachigkeit. Andrea Kyi-Drago ist Translations- und Kulturwissenschaftlerin an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, FTSK Germersheim. Promotion an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und an der Universität Koblenz-Landau zum Thema Kommunikation in plurikulturellem Kontext. Tätigkeit als Dozentin im Bereich der Translation und Mediation, Dipl.-Übersetzerin für die Sprachen Englisch, Spanisch, Italienisch und Französisch. Gérald Schlemminger ist Professor i.R. an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Linguistik und Didaktik des Französischen. Forschungsschwerpunkte: gesteuerter, zweisprachiger Spracherwerb, Didaktik des zielsprachlichen Sachunterrichts. Barbara Delli Castelli ist W1-Professorin für Deutsch als Fremdsprache und Übersetzung Deutsch-Italienisch an der Universität „G. d’Annunzio" Chieti-Pescara. Forschungsschwerpunkte: DaF-Didaktik an Hochschulen, Übersetzungsdidaktik, kontrastive Linguistik Deutsch-Italienisch.

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