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Regesten der Urkunden der Herrschaft Lübbenau im Brandenburgischen Landeshauptarchiv

Bearbeitet von Susanne Wittern

von Mario Glauert (Band-Herausgeber:in)
©2021 Monographie 266 Seiten

Zusammenfassung

Das umfangreiche Archiv der Herrschaft Lübbenau ist ungewöhnlich gut erhalten und dokumentiert das gesamte Spektrum der adligen Herrschaft und Lebenswelt. Nach mehrfachem Wechsel im 14. und 15. Jahrhundert war die Herrschaft für mehr als ein Jahrhundert im Besitz der Herren von der Schulenburg, bis sie 1621 von den Grafen zu Lynar erworben wurde, die sie bis 1944 hielten. Die bisher größtenteils unveröffentlichten Urkunden der Herrschaft, die einen hohen Quellenwert weit über Lübbenau hinaus haben, wurden von der Bearbeiterin in 279 Vollregesten erschlossen, die den Urkundeninhalt in moderner Sprache vollständig wiedergeben. Die ausführliche Einleitung erläutert sowohl die Geschichte der Herrschaft Lübbenau als auch die ihres Urkundenbestandes und analysiert dessen Besonderheiten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titelseite
  • Impressum
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Zum Geleit
  • Einleitung
  • 1. Besitzgeschichte der Herrschaft Lübbenau
  • 2. Der Urkundenbestand der Herrschaft Lübbenau
  • 2.1 Überlieferung und archivische Bearbeitung
  • 2.2 Umfang und Struktur
  • 3. Inhalt und Form der Urkunden
  • 3.1 Die Lehnsurkunden
  • 3.1.1 Lehnsrechtliche Vorgaben
  • 3.1.2 Aussteller
  • 3.1.3 Lehnszeugen
  • 3.1.4 Siegelankündigung
  • 3.1.5 Unterschrift
  • 3.1.6 Bildung von Lehnsurkundenserien
  • 3.1.7 Gesamtbelehungen und Mitbelehnungen zur gesamten Hand
  • 3.1.8 Lehnsanwartschaften und Angefälle
  • 3.1.9 Weibliche Lehnsfolge und Umwandlung in Erb(lehns)gut
  • 3.1.10 Erbhuldigung und Lehnsentziehung
  • 3.1.11 Geistliche Lehen
  • 3.2 Beurkundung anderer Rechtsgeschäfte
  • 3.2.1 Verkäufe, Tauschgeschäfte, Verpfändungen, Kredite und Geldforderungen
  • 3.2.2 Regulierung von Streitigkeiten
  • 3.2.3 Leibgedinge und Eheverträge, Erbregelungen und andere innerfamiliäre Vereinbarungen
  • 3.2.4 Befreiung von Diensten, Abgaben und Rechtsbindungen
  • 3.2.5 Standeserhöhungen, Abstammungsnachweise und Titel
  • 3.3 Abschließende Bemerkungen
  • 4. Gestaltung der Urkundenregesten
  • Urkundenregesten
  • 1. Gesamtherrschaft
  • 2. Einzelne Güter
  • 2.1 Groß Beuchow
  • 2.2 Klein Beuchow
  • 2.3 Boschwitz
  • 2.4 Buckow, Kr. Calau
  • 2.5 Dubrau und Göritz, Kr. Calau
  • 2.6 Hindenberg
  • 2.7 Groß Klessow und Fleißdorf (bis 1937 Dlugy)
  • 2.8 Koßwig
  • 2.9 Lichtenau
  • 2.10 Groß Lübbenau
  • 2.11 Mlode
  • 2.12 Raddusch
  • 2.13 Schönfeld
  • 2.14 Seese
  • 2.15 Zerkwitz
  • 3. Familienarchiv
  • 3.1 Lynar
  • 3.2 Distelmeyer
  • 3.3 Pienzenau
  • 3.4 Rauber
  • 3.5 Rueber
  • 3.6 Bower
  • 3.7 Zollikofer, St. Gallen
  • Register
  • 1. Ortsregister
  • 2. Personenregister
  • Quelleneditionen und Literatur

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Zum Geleit

Nach dem von Jürgen König und Werner Heegewaldt bearbeiteten, im Jahre 2006 veröffentlichten Findbuch zum Familienarchiv (Aktenbestand) der Grafen zu Lynar auf Lübbenau (in der Niederlausitz) erscheint jetzt in derselben Schriftenreihe „Quellen, Findbücher und Inventare des Brandenburgischen Landeshauptarchivs“ mit den von Susanne Wittern regestierten Urkunden des Herrschafts- und Familienarchivs Lübbenau ein zweiter Band zu einem anderen Teil dieser Überlieferung, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv auf Grund eines Depositalvertrages mit dem Eigentümer, der Familie der Grafen zu Lynar (seit 1990 wieder in Lübbenau ansässig), verwahrt und für die öffentliche Benutzung bereitgestellt wird. Dass gleich zwei Teile des umfangreichen Bestandes vom Landeshauptarchiv nach der ersten vorläufigen archivischen Bearbeitung in den 1950er Jahren neu geordnet und verzeichnet und die Ergebnisse dieser Erschließungen publiziert worden sind, deutet allein schon den hohen historischen Wert der Quellen an.

Das Archiv der Herrschaft Lübbenau, zu dem die Burg bzw. das Schloss Lübbenau, das benachbarte Städtchen Lübbenau und eine wechselnd, aber sehr beachtliche Zahl von Dörfern in der näheren und weiteren Umgebung gehörte, zeichnet sich durch zwei Umstände aus. Zum Ersten: Es hat die Jahrhunderte recht unbeschadet überstanden und keine größeren nennenswerte Verluste erlitten, ist insbesondere nicht in den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Opfer der sog. Bodenreform geworden, in deren Gefolge im Allgemeinen die (adligen) Eigentümer von ihren Gütern vertrieben worden sind und das dort befindliche herrenlos gewordene Kulturgut – Archiv-, Bibliotheks- und Museumsgut – nur allzu oft durch Vandalismus, Unachtsamkeit und Unkenntnis vernichtet worden ist. In Lübbenau durften hingegen nach 1945 Verwandte des letzten Standesherren, des nach dem 20. Juli 1944 wegen seiner Verbindung zum Widerstand gegen Hitler hingerichteten Wilhelm Friedrich Grafen zu Lynar, noch verbleiben und hielten Obacht auf die Archivalien, bis sie zu ihrer dauerhaften Sicherung Anfang der 1950er Jahre von dem ihnen wohl bekannten und mit ihnen näher vertrauten bedeutenden niederlausitzischen Landeshistoriker Rudolf Lehmann in das damals von ihm geleitete Landesarchiv Lübben übernommen wurden. Zum Zweiten: Das Lübbenauer Herrschaftsarchiv fällt durch die Breite seiner Überlieferung auf, es umfasst nicht nur mit jeweils ansehnlichen, aus weit über sechs Jahrhunderten stammenden Umfängen die klassischen archivalischen Gattungen: Urkunden, Akten und Karten, sondern es dokumentiert auch die gesamte Breite der adligen Lebenswelt von der Ausübung von Herrschaft über Land und Leute über die wirtschaftliche Nutzung des Besitzes bis hin zur Familiengemeinschaft und zur familiären Existenz. Der Rang und der Gehalt des Archives ergeben sich dabei vornehmlich aus der Größe und Leistungskraft der Herrschaft wie aus den Schicksalen und Tätigkeiten von deren Inhabern. Die Herrschaft Lübbenau zählte bereits seit dem späten Mittelalter zu den größeren adligen Besitzungen im Markgraftum ←9 | 10→Niederlausitz, was endgültig durch einen Landtagsbeschluss von 1669 bekundet wurde, nach dem sie zusammen mit zwölf anderen Herrschaften – die seit dem frühen 19. Jahrhundert als Standesherrschaften bezeichnet wurden – über besondere ständische Vorrechte im Lande verfügte. Im 14. und 15. Jahrhundert hatten ihre Besitzer mehrfach gewechselt, bis ab dem frühen 16. Jahrhundert die Herren von der Schulenburg sich in Lübbenau (und in anderen erworbenen bedeutenden Gütern) über mehr als ein Jahrhundert lang behaupteten. Auf Grund ihrer Verschuldung gelangte die Herrschaft 1621 durch Kauf in die Hand der verwitweten Elisabeth Gräfin zu Lynar geb. Distelmeyer bzw. ihres Sohnes Johann Sigismund. Fortan leitete die Familie Lynar für ca. 325 Jahre mit Erfolg die Geschicke der ihnen anvertrauten Lande und Leute, wobei sich einzelne Mitglieder in den Diensten anderer deutscher und europäischer Herrscher hervortaten und damit ihren überregionalen Rang unterstrichen, bis ihr die gesellschaftliche Umwälzung der kommunistischen Einparteienherrschaft nach 1945 ein erzwungenes Ende setzte.

Wenn im Folgenden einige Eigenarten des Lübbenauer Urkundenbestandes berührt werden sollen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die (im frühen 14. Jahrhundert einsetzenden) Urkunden am Gut bzw. an der Herrschaft hafteten, nicht aber an der jeweiligen Besitzerfamilie: Nach dem Grundsatz der Archivalienfolge gingen sie im Falle eines Besitzerwechsels vom alten auf den neuen Besitzer über, eben als Teil des angekauften Gutes; das galt an sich für das gesamte, allerdings erst später, im 16. Jahrhundert einsetzende Verwaltungsschriftgut, hatte aber für die Urkunde – die nach der klassischen Definition des Hilfswissenschaftlers Ahasver von Brandt „ein unter Beobachtung bestimmter Formen ausgefertigtes und beglaubigtes Schriftstück über Vorgänger von rechtserheblicher Natur“ ist – besondere Bedeutung. Die Urkunden waren die rechtsbegründenden Dokumente, aus denen die Umstände des Besitzerwerbes und die Art der Besitzwahrnehmung hervorgingen, sie enthielten die Rechtstitel, auf die die Ansprüche des Besitzers oder Eigentümers sich gründeten und die ihm im Streitfalle zur Rechtfertigung seiner Haltung dienten. Jeder Nacheigentümer war daher darauf angewiesen, die von seinen Vorgängern empfangenen Urkunden für sich zu übernehmen, wenn er seine Erwerbung mit all ihren früheren Zuwächsen angemessen mit rechtsbegründenden Zeugnissen schützen wollte. Mit neuen Eigentümern gelangten dann in den Lübbenauer Urkundenbestand auch deren bisherige Urkunden, die unter Umständen ihre Besitzungen in ganz anderen Regionen betrafen. Ebenso brachten die neuen Eigentümer die die eigene Familie und deren Vereinbarungen wie Eheverträge oder Testamente betreffenden Urkunden mit, die mit der Herrschaft Lübbenau gar nichts zu tun hatten. Solche „Vorurkunden“ sind im Lübbenauer Bestand zahlreich vertreten, und sie machen – neben anderen Umständen – seinen Reichtum aus. Der berühmte Rochus Graf zu Lynar (1525–1596), der aus einem italienischen Adelsgeschlecht stammte, als Hugenotte vor den französischen Religionskriegen nach Deutschland flüchtete und schließlich Kurfürst Johann Georg von Brandenburg als Baumeister diente, als solcher die Zitadelle Spandau errichtete, ist mit Urkunden und Akten im Herrschaftsarchiv Lübbenau vertreten, weil ←10 | 11→seine Schwiegertochter und sein Enkel Lübbenau erwarben und seinen Nachlaß in das dortige Archiv einfügten.

Die Lübbenauer Urkunden sind von der Bearbeiterin in Form von insgesamt 279 „Vollregesten“ erschlossen worden: Ihr (Rechts-)Inhalt wird – im Gegensatz zur Aktenerschließung, die sich mit einem gemeinhin knapp und präzise gefassten Aktentitel begnügt – jeweils in einer sehr ausführlichen Inhaltswiedergabe dargeboten. Die Vollregesten bieten dem Benutzer den großen Vorteil, dass sie ihm die einzelnen Bestimmungen nicht wie im „Kurzregest“ in stark verkürzter, konzentrierter Zusammenfassung, sondern unter Berücksichtigung aller Einzelheiten und Details beschreiben; er ist mithin im Allgemeinen nicht mehr darauf angewiesen, auf das Original oder den originalen Wortlaut zurückzugreifen, sondern das in heutigem Deutsch abgefasste Inhaltsreferat erleichtert ihm mit den darin notwendigerweise enthaltenen Deutungen der Quellensprache das Verständnis des Textes. Es bedarf wohl keiner besonderen Erläuterung, dass die Erarbeitung der Vollregesten wie etwa der hier vorgelegten vom Bearbeiter wegen der schwierigen Aufgabe viel Ausdauer verlangt. So liegt die kritische Nachfrage nahe: Hat sich der gesamte Aufwand für eine solche Quellenedition gelohnt? Ist die Vollregestierung im Rückblick durch den erkennbaren Ertrag gerechtfertigt?

Die Antwort kann an dieser Stelle nur mit ein paar Hinweisen auf die großen Themen der Urkunden gegeben werden. Die älteste stammt aus dem Jahr 1315, die jüngste aus dem Jahr 1797. Das 14. und 15. Jahrhundert sind im Bestand nur schwach dokumentiert, die Masse der Zeugnisse gehört der Frühen Neuzeit, der Epoche von der Reformation bis zur Französischen Revolution, an. Dieser Tatbestand mag zunächst ein bisschen überraschen, wenn man allzu sehr der verbreiteten Einschätzung folgt, das Mittelalter (bis 1500) sei das „Urkundenzeitalter“, die Neuzeit (ab 1500) sei das “Aktenzeitalter“. Die Lübbener Urkundenüberlieferung verdeutlicht, dass trotz der im 16. Jahrhundert und erst recht in nachfolgenden Zeiten spürbaren Zunahme der Akten die Urkunden nicht gänzlich verdrängt und nicht zur Bedeutungslosigkeit verurteilt wurden. Sie behielten ihr Gewicht, weil sie die rechtlichen Ergebnisse der vorangegangenen in den Akten beschriebenen Verhandlungen festhielten – gerade weil sie die maßgeblichen Rechtsvereinbarungen formvollendet dokumentierten, wurden sie weiterhin von den beteiligten Parteien gepflegt. Die „Diplomatik“, also die den Urkunden (= Diplomen) gewidmete Forschung hat diesen Tatbestand zwar zur Kenntnis genommen, aber keine angemessenen Schlussfolgerungen aus ihm gezogen, indem sie das (früh-)neuzeitliche Urkundenwesen in ihren Untersuchungen weitgehend ausschließt: Diplomatiker sind – ein wenig zugespitzt und polemisch formuliert – in der Regel Mediävisten und greifen nicht über die Epochenwende um 1500 hinaus. Als großes Verdienst möchte es der Unterzeichnende daher der Bearbeiterin anrechnen, dass sie, die von Hause aus ebenfalls Mediävistin war, auf Grund ihrer archivischen Kompetenz tief in die Diplomatik des frühneuzeitlichen Urkundenwesens eingedrungen ist. Ihre Einleitung gewinnt ihr besonderes wissenschaftliches Gepräge dadurch, dass sie die gesamte, das Spätmittelalter wie die Frühe Neuzeit umspannende Überlieferung im Blick auf ihre Formen wie auf ihre (Rechts-)Inhalte eingehend und streng ←11 | 12→systematisch analysiert und zur Deutung der Einzelelemente mit der Verwaltungsgeschichte verknüpft, damit insgesamt eine Pionierleistung vorgelegt hat. Jeder, der sich mit anderen neuzeitlichen Urkundenbeständen befasst, wird zu seinem Vorteil das hier dargebotenen Instrumentarium nutzen, wird etwa schnell erkennen, wie die Kontinuität der mittelalterlichen Formen gewahrt und diese zugleich durch neue Elemente, unter denen die besonderen Lehnssiegel und die eigenhändigen Unterschriften der Aussteller ins Auge fallen, erweitert werden.

Wenn man die Regesten unter inhaltlichen Gesichtspunkten studiert, fällt in ihren beiden ersten Abschnitten, die die Gesamtherrschaft und die 15 einzelnen Güter bzw. deren Rechtsverhältnisse betreffen, sofort der beherrschende Rechtsgegenstand auf: das Lehnsrecht. Die Urkunden behandeln vorrangig Liegenschaften, Güter, die vom Landesherrn, dem Lehnsherrn, an einen Adligen, einen Lehnsmannen, auf Grundlage des Lehnsrechtes vergeben, die ihm also vom Lehnsherrn, der ein Obereigentum am gesamten Boden für sich beanspruchte, (nur) zur Nutzung übertragen wurden. Die Zeiten, in denen die mediävistische Forschung die Epoche des Lehnswesens mit dem 13. Jahrhundert enden ließ, gehören zwar schon lange der Vergangenheit an, aber die Neuzeithistoriker haben vom Lehnswesen als wesentlichem Element der inneren Verfassungsstruktur der deutschen Landesstaaten bis um 1800 (noch) nicht nähere Kenntnis genommen. Ihre Zurückhaltung mag darin begründet liegen, dass die Lehnsurkunden zunächst wegen ihrer Gleichförmigkeit wenig Anziehungskraft ausüben; sie scheinen sich nur durch das jeweilige lokale Objekt, das verliehen wird, zu unterscheiden, und haben daher seit jeher die Aufmerksamkeit der Ortsgeschichtsforschung gefunden. Aber es wird dabei übersehen, dass gerade in den Lehnsurkunden das besondere persönliche, auf Gegenseitigkeit beruhende Schutz- und Treueverhältnisse zwischen Landesherrn und Landadel greifbar wird. Dem Lübbenauer Urkundenbestand ist zu entnehmen, dass das Lehnswesen immer mehr verschriftlicht und zugleich bürokratisiert und standardisiert wurde, wie sich etwa in der Bildung von Lehnsurkundenserien zeigt. Zunehmend setzte sich die Tendenz durch, dass jede neue Belehnung zwangsläufig mit der Ausfertigung einer Lehnsurkunde verbunden war. Die landesherrlichen Behörden achteten auf die Urkundenausstellung, sie legten Wert darauf, dass die rechtlich gebotene Lehnserneuerung mit Leistung des Lehnseides eingeholt und die geforderten landesherrlichen Konsense zu Besitzveränderungen, anläßlich von Immobilienankäufen bzw. -verkäufen, beantragt wurden. Umgekehrt war der neue Gutsinhaber ebenfalls an der Belehnung interessiert, da ihm mit deren schriftlichen Nachweis Rechtssicherheit gewährleistet wurde, und er achtete darauf, dass mit Hilfe von Gesamtbelehnungen und Mitbelehnungen zur gesamten Hand möglichst der dauerhafte Verbleib des Besitzes in der Hand der Familie bzw. des Geschlechtes gesichert wurde, selbst wenn eines Tags ein Familienzweig wegen mangels eines Nachkommens in direkter Linie aussterben sollte.

Neue Lehnsurkunden wurden vornehmlich im sog. Herrenfall und im sog. Mannfall ausgestellt: Wenn der Lehnsherrn oder umgekehrt wenn der Lehnsmann wechselte, in der Regel, wenn einer von ihnen starb, war es geboten, dass der Nachfolger für die Lehnserneuerung sorgte. Gerade dieses Verfahren belegt, ←12 | 13→wie sehr die Lehnsbeziehung zwischen dem Herrn und seinem Mannen als eine persönliche gedacht und empfunden wurde: Wenn ein Partner des gegenseitigen Verhältnisses ausschied, hatte sein Nachkomme mit seinem eigenen Lehnsakt zu bekunden, dass er sich selbst zur Einhaltung der Rechte und Pflichten verpflichtete. Das besondere, aus dem Lehnsrecht stammende und in ihm immer wieder geübte persönliche Schutz- und Treueverhältnis ging auch in den staatlichen Verwaltungs- und Militärdienst ein, der für viele Adlige seit dem 17./ 18. Jahrhundert zur maßgeblichen Existenzform wurde. Neubelehnungen fanden ferner statt, wenn der Umfang des Lehens sich veränderte, vornehmlich dann, wenn neue Lehen durch Ankauf erworben worden waren. Das Lehnsrecht begünstigte einerseits den Lehnsmannen, indem es ihm weitgehende freie Verfügungsgewalt über sein Lehen einräumte, ihm seine Veräußerung, Verpfändung oder Verkauf gestattete, so dass im Zeichen des Lehnsrechtes ein lebhafter Güterverkehr stattfand, wie die Geschichte der niederlausitzischen Güter mit ihren vielfachen Besitzerwechseln eindrucksvoll belegt. Aber der Landesherr wahrte sein Obereigentum, indem er die Einholung seiner Zustimmung nachdrücklich forderte, auch wenn er sie dem Bittsteller rechtens kaum verweigern und er dadurch allenfalls ausnahmsweise ein Eingriffsrecht wahrnehmen konnte. Aber die ständigen Lehnserneuerungen hielten unter den Beteiligten das Bewusstsein ihrer gegenseitigen engen, unverzichtbaren Beziehung aufrecht.

Im Lübbener Urkundenbestand werden neben den Lehnsurkunden im dritten Abschnitt der Regesten, im Familienarchiv, die innerfamiliären Vereinbarungen wie Eheverträge, Leibgedinge und Erbregelungen und familiäre Auszeichnungen wie Standeserhöhungen und Titelverleihungen besondere Aufmerksamkeit erwecken. Sie führen uns in die Kreise der adligen Familien und ihrer Herkunftsregionen und offenbaren dabei eine Eigentümlichkeit der niederlausitzischen Adelslandschaft. Die lockere Herrschaftsordnung des Markgraftums, das der (böhmische bzw. sächsische) Landesherr nur als Nebenland behandelte und in dem sein Einfluss durch die erhebliche Mitbeteiligung der Stände an der Regierung begrenzt war, begünstigte die Bestrebungen reicher Adligen oder adliger Familien aus benachbarten Territorien, sich dort eine ansehnliche Herrschaft zu erwerben. Auf diese Weise ist die niederlausitzische Adelsgeschichte eng verknüpft mit anderen regionalen und überregionalen Adelsgeschichten. Besonders brandenburgische Adlige interessierten sich für niederlausitzische Herrschaften und brachten sie in ihre Hand, wie im Falle Lübbenau an den Familien Schulenburg und Lynar gut zu beobachten ist. Über die Lynars kommt noch eine andere bekannte brandenburgische Familie des 16. Jahrhunderts ins Spiel, die Familie Distelmeyer, die damals den brandenburgischen Kurfürsten zwei jahrzehntelang tätige Kanzler – Vater und Sohn – stellte. Die Niederlausitz war keine nach außen abgeschlossene Adelslandschaft, sondern sie wurde erheblich geprägt von solchen auswärtigen Familien.

Am Schluss dieses knappen Geleitwortes obliegt es dem Unterzeichnenden noch, der Bearbeiterin dieser Lübbener Urkundenregesten ein paar Worte der Erinnerung zu widmen. Dr. Susanne Wittern hat die Vollendung und das Erscheinen dieses Werkes nicht mehr erlebt, sie ist im Oktober 2019 verstorben. Sie war ein ←13 | 14→Vierteljahrhundert lang Mitarbeiterin des Brandenburgischen Landeshauptarchivs und hat sich in dieser Zeit viele Jahre lang vor allem dessen Urkundenüberlieferung angenommen. Dabei rückten zur beabsichtigten Förderung der niederlausitzischen Landesgeschichtsforschung die für das Land besonders aussagekräftigen Herrschaftsarchive in den Vordergrund, und Susanne Wittern hat sich dabei nachdrücklich um die Neubearbeitung zweier solcher herrschaftlicher Urkundenbestände gekümmert, desjenigen der Herrschaft Lieberose (der veröffentlicht ist in dem Band „Die Grafen von der Schulenburg auf Lieberose und ihr Archiv“, bearb. v. Udo Gentzen, Kathrin Schaper u. Susanne Wittern [Quellen, Findbücher und Inventare des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Bd. 29], Frankfurt am Main 2014), und des hier behandelten der Herrschaft Lübbenau. Der aufmerksame Leser wird ahnen oder erkennen, dass Susanne Wittern mit ihrer Aufgabe gerungen hat, dass sie mit größtmöglicher Akribie und Präzision zur Schaffung einer uneingeschränkt verlässlichen Edition die Urkunden regestiert und den Stoff zwecks seiner geschichts- und hilfswissenschaftlichen Analyse mit weitausholenden Studien zu durchdringen gesucht hat, so dass sich die Einleitung zu einer kleinen Abhandlung ausgeweitet hat. Sie hat dabei sich selbst und anderen die Bewältigung des Werkes nicht leicht gemacht, weil es ihrer Arbeitsweise entsprach, nicht schnell und oberflächlich den Gegenstand zu erfassen, sondern ihn mit Ausdauer und in wiederholten Anläufen zu durchdringen. Es war ihr nicht vergönnt, das weitgediehene Manuskript vor ihrem Ausscheiden aus den Diensten des Landeshauptarchivs im Herbst 2017, zu dem sie sich mit ihrer geschwächten Gesundheit veranlasst sah, einer abschließenden Redaktion zu unterziehen. Dr. Falko Neininger und Dr. André Stellmacher haben im vergangenen Jahr Einleitung und Regesten unter formalen Gesichtspunkten geprüft und druckfertig gemacht, das Personen- und Ortsregister ist von Dr. Felix Engel erarbeitet worden. Ihnen allen sei für ihren Beitrag zum Abschluss des von ihrer Kollegin hinterlassenen Manuskriptes herzlich gedankt.

Potsdam, im April 2020

Prof. Dr. Klaus Neitmann

Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs

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Einleitung

1.Besitzgeschichte der Herrschaft Lübbenau

Lübbenau liegt im Spreewald auf halbem Weg zwischen Lübben und Calau auf einem eiszeitlichen Talsandsporn, der schon steinzeitliche Besiedelungsspuren aufweist. Im Untergrund des heutigen Schlosses fand man Spuren eines slawischen Burgwalls aus dem 9./ 10. Jahrhundert.1 Im Jahr 1301 wurde die Burg Lübbenau (castrum Lubbenowe) anlässlich einer beabsichtigten Lehnsauftragung der Niederlausitz an den Erzbischof von Magdeburg erstmals schriftlich erwähnt.2 1315 befanden sich Burg und Stadt Lübbenau im Besitz Bodos III. von Ileburg (Eulenburg), der sie unter Lehnsvorbehalt an seinen Vasallen Christian von Langen verkaufte.3 Ein Ileburgischer Gefolgsmann dieses Namens ist schon 1297 und 1302 nachzuweisen.4 Die Familie von Langen saß noch bis mindestens 1350 auf Lübbenau.5

Im 15. Jahrhundert wechselten sich mehrere Familien im Besitz der Spreewaldburg ab.6 Zwischen 1419 und 1456 gehörte Lübbenau Nikolaus und Alexius von Köckritz.7 Im Lübbenauer Stadtbuch ist zwischen 1456 und 1473 Caspar von Kalckreuth als Inhaber bezeugt.8 1468 wird dort allerdings auch Heinrich von Kracht als ←15 | 16→Schlossherr genannt.9 Unter Anwendung von Gewalt gelangte Lübbenau dann in die Hände Georgs von Polenz. Er wurde 1476 damit belehnt.10 1485 erhielt sein Bruder Peter die Lehnsanwartschaft.11

Im Jahr 1449 wurde der Inhaber von Lübbenau, Alexius von Köckritz, nicht zu den Herren der Niederlausitz, sondern zu den beschloßten Mannen gerechnet.12 Diese Einstufung bezog sich auf seinen persönlichen Rang. Zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert entwickelte sich in der Niederlausitz aus solcherart persönlich aufgefasstem Herrenrecht ein Herrschaftsbegriff, der auf den jeweiligen Besitz bezogen war.13 Ab dem ausgehenden 15. Jahrhundert wurde auch Lübbenau als Herrschaft bezeichnet, allerdings noch nicht durchgängig. Die ersten Belege dafür finden sich in einem auf das Jahr 1484 bezogenen Eintrag im Lübbenauer Stadtbuch14 und in zwei Urkunden, die 1496 anlässlich des Erwerbs durch Nikolaus von Köckritz vom Landvogt der Niederlausitz, Heinrich von Plauen, ausgestellt wurden.15 Als Peter von Polenz 1501 den Verkauf seiner Anwartschaftsrechte an dessen Söhne beurkundete, war dagegen nur vom Schloss Lübbenau die Rede.16 1503 verkauften Caspar, Johann und Heinrich von Köckritz sloes und stettelein Lobnaw mit der herschafft an den brandenburgischen Landhofmeister und Hauptmann des Landes Stettin, Werner von der Schulenburg auf Löcknitz.17

In den im Bestand vorliegenden Lehnsurkunden aus dem 16. Jahrhundert wird mit Lübbenau auch das Gut Neu Zauche verliehen, das sich etwas später als Lübbenau ebenfalls zu einer Herrschaft entwickelte.18 Das Wort „Herrschaft“ kommt in den Lehnsurkunden zunächst im Singular vor und lässt sich nicht eindeutig auf einen der beiden Güterkomplexe beziehen.19 1505 wurde Werner von der Schulenburg mit den schlosser, herschafft [!] und lehengutter Lübbenau und Neu Zauche ←16 | 17→belehnt.20 In den Jahren 1541 und 1561 ist in einer pauschalen Eingangsformulierung von schlosser, gutter und herschafft [!] die Rede, die böhmische Lehen sind. Da „Herrschaft“ hier im Singular steht, ist der Begriff nicht direkt auf die verliehenen Besitzkomplexe zu beziehen, die als „Schloss und Städtchen Lübbenau“ bzw. „Neu Zauche mit dem Schloss“ bezeichnet werden.21 Während es bei dieser Beschreibung der Lehnsobjekte bleibt, erscheint in der pauschalen Eingangsformulierung ab 1564 der Plural „Herrschaften“.22 1578 gelangten das Städtchen Straupitz samt Umgebung in Schulenburg’schen Besitz. Der Komplex wurde seitdem zusammen mit Lübbenau und Neu Zauche verliehen und in den Lehnsurkunden als „Herrschaft Straupitz“ bezeichnet.23

Bei dem Eigentumsübergang an Werner von der Schulenburg ist zu erkennen, dass sich die Zahl der zu Lübbenau gehörigen Dörfer zwischen 1315 und 1503 deutlich erhöht hatte. In der betreffenden Verkaufsurkunde werden außer den bereits 1315 genannten Dörfern Leipe, Lehde, Stottoff, Stennewitz, Krimnitz und Zerkwitz zusätzlich die Dörfer Boblitz, Raddusch, Naundorf, Kahnsdorf, Kleeden, Ragow und Boschwitz aufgeführt. Nur das Dorf Groß Klessow, das 1315 erwähnt wurde, fehlt in der Urkunde von 1503. Es kam erst 1522 wieder zur Herrschaft Lübbenau.24 In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kamen außer Groß Klessow auch die Dörfer Fleißdorf (bis 1937 Dlugy), Hindenberg, Koßwig, Schönfeld und – vorübergehend – Siegadel hinzu.25 Rudolf Lehmann ordnete Lübbenau seiner Größe nach in die mittlere Kategorie der Niederlausitzer Herrschaften des 16. Jahrhunderts ein.26

Details

Seiten
266
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631853955
ISBN (ePUB)
9783631853962
ISBN (MOBI)
9783631853979
ISBN (Hardcover)
9783631849811
DOI
10.3726/b18370
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (April)
Schlagworte
Niederlausitz Landesgeschichte Spätmittelalter Frühe Neuzeit Lehnsrecht Lynar Spreewald Brandenburg
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 266 S.

Biographische Angaben

Mario Glauert (Band-Herausgeber:in)

Dr. Susanne Wittern (1957–2019) studierte Geschichte und Ethnologie in Tübingen, in München und an der Freien Universität Berlin. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mittelalterliche Geschichte der Technischen Universität Berlin. Von 1991 bis 2017 arbeitete sie als wissenschaftliche Archivarin am Brandenburgischen Landeshauptarchiv und nahm sich vor allem der Bearbeitung der mittelalterlichen und neuzeitlichen Urkundenbestände an.

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