Vorerwerbsvereinbarungen im Kontext öffentlicher Übernahmen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsübersicht
- Vorwort
- Abkürzungsverzeichnis
- Einleitung
- § 1. Motive, Begriffsbestimmung und rechtliche Einordnung
- A. Motive für den Abschluss von Vorerwerbsvereinbarungen
- B. Bestimmung der Begriffe ›Vorerwerb‹ und ›Paketerwerb‹
- C. Rechtliche Einordnung des ›Paketerwerbs‹ als Paketkauf- oder -tauschvertrag
- D. Vorerwerb nach Irrevocable Undertakings
- § 2. Ausnahme vom Pflichtangebot gemäß § 35 Abs. 3 WpÜG
- A. Problemdarstellung
- B. Meinungsbild
- C. Untersuchung
- D. Umfang des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Übernahmeangebot und Kontrollerlangung
- E. Gesamtfazit
- § 3. Preisrelevanz von Vorerwerben
- A. Gesetzlicher Mindestpreis bei freiwilligenÜbernahmeangeboten?
- B. Die Berücksichtigung von Vorerwerben und die Gesamtteilhabe an Paketzuschlägen (§ 4 AngebVO)
- C. Der ›Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft‹ als Tatbestandsmerkmal der Gesamtteilhabe an Paketzuschlägen
- D. Die Preisermittlung im Zusammenhang mit Vorerwerben
- E. Mangelnde Preisrelevanz von Irrevocable Undertakings
- F. Gesamtfazit
- § 4. Vorerwerb und übernahmerechtlicher Squeeze-out
- A. Paketerwerb und die 95-Prozent-Ausschlussquote nach § 39a Abs. 1 Satz 1 WpÜG
- B. Paketerwerbe und die 90-prozentige Angemessenheitsquote des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG
- C. Irrevocable Undertakings und die 90-prozentige Angemessenheitsquote des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG
- § 5. Publizitätspflichten bei Vorerwerben
- A. Pflicht zur Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG
- B. Pflicht zur Veröffentlichung von Vorerwerbsvereinbarungen in der Angebotsunterlage
- § 6. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
- Literaturverzeichnis
Einleitung
Am 1.1.2002 ist das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen1 in Kraft getreten. Mit dem WpÜG hat der Gesetzgeber ein Regelungskonstrukt zur Erfassung von Unternehmensübernahmen und öffentlichen Angeboten zur Verfügung gestellt, wodurch ein adäquates, sauber strukturiertes Angebotsverfahren etabliert werden soll, welches dem betroffenen Angebotsadressaten ausreichend Informationen zur Verfügung stellt, um eine valide Grundlage über die Deinvestitionsentscheidung zu erhalten2.
Der materielle Geltungsbereich des WpÜG beginnt nach der gesetzlichen Intention in dem Moment, in dem sich ein Bieter zur Abgabe eines öffentlichen Angebots entschieden hat. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG hat der Bieter diese Entscheidung unverzüglich zu veröffentlichen. Von da an gibt das WpÜG einen strengen Zeitfahrplan für das Angebotsverfahren vor. Der Geltungsbereich des WpÜG endet ein Jahr nach Veröffentlichung der Höhe der Wertpapier- und Stimmrechtsanteile nach Ablauf der Annahmefrist (§ 31 Abs. 5 WpÜG). Bis zu diesem Zeitpunkt sind außerbörsliche Nacherwerbe durch den Bieter bei der Bestimmung der angemessenen Gegenleistung zu berücksichtigen.
Obgleich der Zeitraum im Vorfeld eines öffentlichen Angebots aus der Perspektive des Bieters von herausragender praktischer Bedeutung, mithin auch für den Erfolg eines Angebots entscheidend ist, lassen sich dem WpÜG nur wenige Regelungen entnehmen, die in das Vorfeld eines öffentlichen Angebots hineinwirken. Zu diesen Regelungen zählen § 31 Abs. 3 WpÜG und § 4 AngebVO3. Beide Normen knüpfen an einen sechsmonatigen Zeitraum an, der entweder vom Stichtag der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots (§ 31 Abs. 3 WpÜG) oder aber vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlage (§ 4 AngebVO) aus zu ermitteln ist.
Gemäß § 4 AngebVO hat der Angebotspreis mindestens dem Wert zu entsprechen, den der Bieter innerhalb der letzten sechs Monate vor Veröffentlichung der ← 1 | 2 → Angebotsunterlage für Aktien der Zielgesellschaft gewährt oder vereinbart hat. Maßgeblich wird die Norm zumeist da, wo sich größere Aktienpakete in der Hand einzelner Aktionäre befinden. Öffentliche Angebote werden dann regelmäßig dadurch vorbereitet, dass der Bieter sich bereits vor Veröffentlichung der Entscheidung über die Abgabe eines Angebots den Erwerb dieser Aktienpakete sichert. Dies geschieht entweder in Form eines klassischen Kaufvertrags oder in Form einer Kaufoption auf die entsprechenden Wertpapiere. Eine weitere Möglichkeit, welche aus dem angelsächsischen Raum Einzug in die deutsche Übernahmepraxis gehalten hat, stellt die Vereinbarung eines sog. ›Irrevocable Undertakings‹ dar. Hierdurch wird im Vorfeld eines öffentlichen Angebots die Verpflichtung des Paketaktionärs begründet, das künftige öffentliche Angebot des Bieters anzunehmen.
Obgleich der Gesetzgeber die Relevanz von Vorerwerben lediglich im Rahmen der Bestimmung der Angemessenheit der Gegenleistung erkannt hat, ranken sich um die entsprechenden vertraglichen Gestaltungen mittlerweile zahlreiche weitere Problemkreise. Die Darstellung dieser Problemkreise erfolgt vorliegend anhand der beiden in der Praxis wohl am häufigsten vorkommenden Vorerwerbsinstrumente, dem klassischen Vorerwerbsvertrag und dem Irrevocable Undertaking. Dabei kommt dem klassischen Vorerwerbsvertrag in dieser Arbeit, entsprechend seiner gesetzlichen Zuordnung in § 31 Abs. 3 WpÜG und § 4 AngebVO, eine übergeordnete Rolle zu. Deshalb wird der jeweilige Problemkreis zunächst vor dem Hintergrund eines klassischen Vorerwerbsvertrags und sodann mit Blick auf Irrevocable Undertakings diskutiert.
Bevor auf die entsprechenden Problemkreise eingegangen wird, werden die maßgeblichen Motive für den Abschluss von Vorerwerbsvereinbarungen dargestellt. Darüber hinaus erfolgt eine Begriffsbestimmung und eine erste rechtliche Verortung (§ 1). Sodann widmet sich die Arbeit dem ersten großen Prüfungspunkt. Dabei wird der rechtswissenschaftlich noch nicht eingehend untersuchten Frage nachgegangen, ob bei einem mit einem öffentlichen Übernahmeangebot zusammenhängenden Paketerwerb die Kontrolle auf Grund eines Übernahmeangebots erfolgt und somit eine Ausnahme vom Pflichtangebot gemäß § 35 Abs. 3 WpÜG in Betracht kommt (§ 2). Im Anschluss wird untersucht, welche Preisrelevanz der Vorerwerb eines Aktienpakets durch einen Paketkaufvertrag oder nach einem Irrevocable Undertaking hat (§ 3). Insoweit wird zunächst die Frage geklärt, ob die Gleichpreisregel des § 4 AngebVO und die damit verbundene Gesamtteilhabe an Paketzuschlägen (rechtspolitisch) überhaupt geboten ist. Hierauf folgt eine Darstellung, wie einzelne Nebenabreden des Vorerwerbsvertrags bzw. Irrevocable Undertakings, beispielsweise Kaufpreisnachbesserungsabreden (sog. Earn-out Klauseln), bei der Preisbestimmung berücksichtigt werden müssen. In § 4 werden ← 2 | 3 → dann die zuletzt in Praxis und Rechtsprechung diskutierten Fragen nach der Einbeziehungsfähigkeit von Vorerwerben durch Paketkaufverträge oder nach Irrevocable Undertakings in die Berechnung der gesetzlichen Relevanzschwellen beim übernahmerechtlichen Squeeze-out (§ 39a Abs. 1 Satz 1 WpÜG und § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG) untersucht. Schließlich werden Fragen hinsichtlich der mit Vorerwerbsvereinbarungen verbundenen Publizitätspflichten (§ 5) betrachtet. Den Abschluss findet diese Arbeit in einer Darstellung der wichtigsten Ergebnisse (§ 6).
Fragen zum Beteiligungsaufbau4, die insbesondere seit der Übernahmeschlacht der Schaeffler Gruppe um die Continental AG große Beachtung gefunden haben5, sowie die Vereinbarung von Optionsgeschäften sind trotz ihrer thematischen Nähe nicht Gegenstand dieser Arbeit. ← 3 | 4 →
1 BGBl. I 2001, 3822.
2 BegrRegE BT-Drucks, 14/7034, S. 1 f.
3 BGBl. I 2001, S. 4263.
4 Vgl. hierzu Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340 ff.
5 Vgl. hierzu nur Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681 ff. m.w.N.
§ 1. Motive, Begriffsbestimmung und rechtliche Einordnung
Das erste Kapitel dieser Arbeit wird die vielschichtigen Motive für die Eingehung von Vorerwerbsvereinbarungen darstellen. Sodann erfolgt eine Begriffsbestimmung des Vorerwerbs sowohl aus Perspektive eines Paketkaufvertrags als auch nach einem Irrevocable Undertaking. Hieran schließt sich die rechtliche Einordnung der jeweiligen Vorerwerbsvereinbarung an. Bei Irrevocable Undertakings ist zudem zu klären, ob eine solche vorweggenommene Verpflichtung zur Annahme eines künftigen öffentlichen Angebots ganz grundsätzlich mit dem Regelungssystem des WpÜG vereinbar ist. Hieran könnte man zweifeln, wenn man das Regelungssystem als abschließend erachtet und das WpÜG voraussetzt, dass den Aktionären im Rahmen des öffentlichen Angebotsverfahrens noch die dort zugewiesene Entscheidungsfreiheit zukommt.
A. Motive für den Abschluss von Vorerwerbsvereinbarungen
Nicht nur aus Gründen der Vollständigkeit, sondern auch aus der Überlegung heraus, dass die hinter dem Abschluss einer Vorerwerbsvereinbarung stehenden Motive für die weitere Bewertung von Bedeutung sein können, werden diese nachfolgend in der gebotenen Kürze dargestellt.
Während es an einer Darstellung von Motiven für die Eingehung von klassischen Vorerwerbsverträgen fehlt, hat sich von Riegen in seiner Abhandlung über »Rechtsverbindliche Zusagen zur Annahme von Übernahmeangeboten (sog. „Irrevocable Undertakings“)«6, soweit ersichtlich, bisher als einziger intensiver damit auseinandergesetzt, was eigentlich Gründe für den Abschluss von Vereinbarungen im Vorfeld eines öffentlichen Angebots sind. Auch wenn seine Darstellung auf Irrevocable Undertakings zugeschnitten ist, lassen sich die Gründe auch auf klassische Vorerwerbsvereinbarungen übertragen. Von Riegen hat aufgezeigt, dass es nicht das eine entscheidende Motive gibt, sondern vielmehr unterschiedlichste ← 5 | 6 → Erwägungen eine Rolle spielen können7. Sowohl Paketkaufverträge als auch Irrevocable Undertakings können Regelungsinstrumente darstellen, die einen entscheidenden Beitrag zum Gelingen eines öffentlichen Angebots leisten und mithin die Erfolgsaussichten eines solchen erhöhen können8. Angesichts des mit einem solchen Angebot einhergehenden Aufwands an Planung und Kosten9, ist dieses Motiv nur allzu verständlich. Darüber hinaus weist von Riegen darauf hin, dass die Eingehung solcher Vorfeldvereinbarungen regelmäßig auch mit einer positiver Wirkung an die künftigen Angebotsadressaten verbunden sei, da diese sich schneller vom operativen Nutzen der Übernahme, insbesondere aber von der Angemessenheit des Angebotspreises überzeugen lassen10. Insoweit sieht von Riegen durch die vorvertraglichen Verpflichtungen »die Rezeption des Kapitalmarkts und das Annahmeverhalten der Angebotsadressaten i.d.R. positiv beeinflusst«11. Und in der Tat dürfte sich vor allem die große Mehrheit der kleinen Kapitalanleger davon leiten lassen, wie sich ein Großaktionär, welcher nach deren Einschätzung eher über ein Sonderwissen über die Gesellschaft verfügt und die Unternehmenspolitik durch seine Stimmrechte bisher aktiv mitgestaltet hat, hinsichtlich eines künftigen Übernahmeangebots verhält. Obgleich man umgekehrt auch argumentieren kann, dass gerade für den Kleinkapitalanleger dies eine weniger gewichtige Rolle spielt, so lange er seinem subjektiven Empfinden nach einen angemessenen Preis für seine Anteile erhält. Nichtsdestotrotz dürfte es kaum zu bestreiten sein, dass die im Vorfeld eines Angebots eingegangene Verpflichtung eines Großaktionärs, das Angebot anzunehmen sowie ein ggf. erklärter Verzicht auf die ihm grundsätzlich zustehenden Rücktrittsrechte, stets ein starkes Signal für die übrigen Aktionäre darstellen wird12. Das Gleiche gilt freilich, wenn ein Großaktionär sich im Vorfeld eines Angebots bereits zum Verkauf seines Aktienpakets entschieden hat. Auch dies wird mit einer gewissen Indizwirkung für das folgende Angebot einhergehen.
Von Riegen weist ferner zutreffend darauf hin, dass sich die Glaubwürdigkeit des Angebots durch Irrevocable Undertakings nicht nur in Richtung der Angebotsadressaten, sondern auch in Richtung des Vorstands des Zielunternehmens erhöht13. Hat sich der Bieter nämlich bereits ein bedeutendes Aktienpaket gesichert, ← 6 | 7 → sei es im Wege eines klassischen Vorerwerbsvertrages oder im Zuge einer Annahmeverpflichtung, erhöhe sich zugleich der Druck auf den Vorstand sich intensiv mit den Vor- und Nachteilen des Angebots zu befassen14. Auch diese Überlegung von Riegens ist zutreffend, da sich kaum bestreiten lässt, dass ein Vorstand, der in Anbetracht der Vorerwerbssituation bereits vor vollendete Tatsachen gestellt worden ist, quasi gezwungen ist, sich mit der Angebotssituation auseinanderzusetzen. Damit einher geht die zutreffende Überlegung von Riegens, dass Vorerwerbe durch einen Paketkaufvertrag oder aber gesichert durch Irrevocable Undertakings besonders geeignet sind, eine negative Haltung zu dem Angebot von Beginn an zu verhindern oder aber zu überwinden15.
B. Bestimmung der Begriffe ›Vorerwerb‹ und ›Paketerwerb‹
Dem Titel dieser Arbeit folgend, ist für die Bestimmung der Begriffe ›Vorerwerb‹ und ›Paketerwerb‹ das WpÜG sowie die AngebVO heranzuziehen16. Es wurde bereits einleitend erwähnt, dass das WpÜG und die AngebVO für die Anknüpfung in das Vorfeld eines öffentlichen Angebots zwei Normen, § 31 Abs. 3 WpÜG und § 4 Satz 1 AngebVO, bereit halten. Beide Normen haben gemein, dass sich der jeweilige Vorerwerbszeitraum auf die Dauer von sechs Monaten bezieht. Unterschiede bestehen insoweit, als die Geldleistungspflicht an die Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots anknüpft (§ 10 Abs. 3 Satz 1 WpÜG) und der Vorerwerbszeitraum für den Vorerwerbspreis auf die Veröffentlichung der Angebotsunterlage abstellt (§ 14 Abs. 2 WpÜG bzw. § 35 Abs. 2 WpÜG).
Entscheidend für § 4 Satz 1 AngebVO ist die dingliche Übertragung der Aktien17 und nicht, wann die dem Vorerwerb zugrunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen worden ist18. Dies kann auch schon vor dem eigentlichen Vorerwerbszeitraum erfolgt sein. Maßgeblich ist nur, dass die Aktien innerhalb ← 7 | 8 → des Vorerwerbszeitraums dinglich erworben werden. Gemäß § 4 Satz 2 AngebVO i.V.m. § 31 Abs. 6 WpÜG sind Vereinbarungen aufgrund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, dem eigentlichen Erwerb gleichzustellen. Voraussetzung ist jedoch, dass eine solche Vereinbarung innerhalb des Vorerwerbszeitraums geschlossen wird19. Dadurch soll vermieden werden, dass die Gleichpreisregel durch den Abschluss eines Kauf- bzw. Tauschvertrags, welches den Zeitpunkt der Erfüllung auf einen späteren Zeitpunkt festlegt, umgangen werden kann20.
Für den Zweck dieser Arbeit wird als ›Vorerwerb‹ nur der Erwerb eines Aktienpakets aufgrund des Abschlusses eines Paketkauf- bzw. Pakettauschvertrags innerhalb des Vorerwerbszeitraums des § 4 Satz 1 AngebVO verstanden. Dahingegen soll der Begriff ›Vorerwerbsvereinbarung‹ grundsätzlich auch Irrevocable Undertakings umfassen.
Unklar ist auch, was unter dem oftmals zu lesenden Begriff ›Paketerwerb‹ zu verstehen ist. Es ist keinesfalls so, dass § 4 Satz 1 AngebVO den Erwerb eines bestimmten Aktienpakets voraussetzt. Im Gegensatz zu § 31 Abs. 3 WpÜG, der die Pflicht zur Geldleistung nur anordnet, wenn mindestens 5 Prozent der Aktien gegen Zahlung einer Geldleistung erworben werden, enthält § 4 Satz 1 AngebVO ein solches Quorum nicht. Es genügt der Erwerb einer einzigen Aktie innerhalb des Vorerwerbszeitraums, um eine Preisrelevanz für das gesamte öffentliche Angebot auszulösen21. Oftmals wird es jedoch um den Erwerb eines Aktienpakets gehen, da sich der Bieter im Vorfeld bereits eine bestimmte Quote oder gar die Kontrolle über die Zielgesellschaft sichern möchte. Auch der Gesetzgeber hatte mit § 4 Satz 1 AngebVO vor allem den Erwerb eines Aktienpakets im Auge, da er explizit darauf abgestellt hat, dass Aktionäre an »Paketzuschlägen, die im Vorfeld von Übernahmen mit einzelnen Aktionären vereinbart wurden«22 partizipieren.
Eine Definition des Begriffs ›Paketerwerb‹ lässt sich der Rechtswissenschaft bisher nicht entnehmen. In der Betriebswirtschaftslehre ist zuweilen von dem kapitalmarktrechtlich geprägten Begriff des ›Blockhandels‹ die Rede23. In Abgrenzung zum übrigen Börsenhandel wird dabei grundsätzlich auf eine gewisse Mindestanzahl Bezug genommen, ab der eine Transaktion von Aktien als ›Blockhandel‹ zu ← 8 | 9 → qualifizieren ist24. Dabei sollen sich die Begriffe Blockhandel und Pakethandel unterscheiden. Während ersterer dadurch gekennzeichnet ist, dass die Aktien an eine Vielzahl von Investoren verkauft werden, soll beim Pakethandel das gesamte Aktienpaket an einen einzelnen Erwerber veräußert werden25. Der letzte Fall dürfte die im vorliegenden Kontext relevante Konstellation darstellen und als solche den Begriff ›Paketerwerb‹ wiedergeben.
Im Ergebnis wird man demnach davon ausgehen können, dass sich der Begriff Paketerwerb zwar nicht passgenau definieren lässt, dass aber der Erwerb von mehr als einer Aktie und im Zweifel von derart vielen Aktien, dass sie gebündelt eine über die bloße Renditeorientierung hinausgehende strategische Teilhabe durch Stimmrechtsausübung ermöglichen, als Paketerwerb klassifiziert werden kann.
Details
- Seiten
- XXVI, 324
- Erscheinungsjahr
- 2014
- ISBN (PDF)
- 9783653045178
- ISBN (MOBI)
- 9783653983296
- ISBN (ePUB)
- 9783653983302
- ISBN (Hardcover)
- 9783631653364
- DOI
- 10.3726/978-3-653-04517-8
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2014 (September)
- Schlagworte
- Vorerwerb Irrevocable Undertaking Paketerwerb Tender Commitment Verdeckte Vorerwerbsgegenleistung
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XXVI, 324 S.