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Die schlichte Einwilligung im Urheberrecht

Eine Untersuchung unter Berücksichtigung der Vorschaubilder-Rechtsprechung des BGH

von Marc Osken (Autor:in)
©2014 Dissertation 377 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor befasst sich mit der Anerkennung der dogmatischen Kategorie schlichte Einwilligung und der Frage, wie sie in das System der urheberrechtlichen Erlaubnisse einzuordnen ist. Er zeigt auf, dass die Einwilligung nicht nur Billigkeitsausgleich für fehlende urheberrechtliche Schrankenregelungen, sondern ein dogmatisch gangbarer Weg zur Beurteilung der urheberrechtlichen Zulässigkeit neuartiger Nutzungsphänomene im Internet ist. Unter Berücksichtigung der Vorschaubilder-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird das Problem behandelt, ob und unter welchen Voraussetzungen das Veröffentlichen urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet eine Einwilligung ihres Anbieters in Anschlussnutzungen begründet. Veranschaulicht wird ferner, welche technischen Schutzmaßnahmen ein Inhalteanbieter im Internet ergreifen muss, um die Interpretation seines konkludenten Verhaltens als Einwilligung zu verhindern. Einige typische Fallgestaltungen der Onlinewerknutzung werden schließlich in Anwendung der ermittelten Voraussetzungen auf das Vorliegen einer Einwilligung überprüft, und es wird so deren Praxistauglichkeit verdeutlicht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Ziel der Bearbeitung
  • B. Methode der Untersuchung
  • 1. Kapitel: Systematische und dogmatische Einordnung der schlichten Einwilligung im Gefüge urheberrechtlicher Gestattungen
  • A. Das „Stufenleiterprinzip der Gestattungen“ – Gang der Darstellung
  • B. Die Einwilligung i.w.S. als Sammelbegriff der zum Stufenleiterprinzip gehörenden Gestattungsformen
  • C. Translative Rechtsübertragung
  • D. Konstitutive Rechtseinräumung
  • I. Festlegung des Maßstabs der Gegenständlichkeit
  • II. Beschränkte Rechtseinräumung im Sachenrecht
  • III. Beschränkte Rechtseinräumung im Urheberrecht
  • 1. Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
  • 2. Gegenständlichkeit ausschließlicher Nutzungsrechte
  • a) Klage- bzw. Drittschutz
  • b) Sukzessionsschutz
  • aa) nachträgliche Nutzungsrechtseinräumung
  • bb) Rechtsnachfolge auf Seiten des Lizenzgebers
  • cc) Verzicht des Lizenzgebers
  • c) Insolvenzfestigkeit
  • aa) Aussonderungsrecht nach § 47 InsO
  • bb) Einfluss des zugrunde liegenden Nutzungsrechtsvertrages bei Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters
  • (1) Automatischer Fortfall des Nutzungsrechts analog § 9 I VerlG?
  • (11) Geltung des Kausalitätsprinzips bei Nutzungsrechtseinräumung auf erster Stufe
  • (22) Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Dogmatik zu § 103 InsO; Ablehnung der analogen Anwendungen des § 9 I VerlG in der Insolvenz des Lizenzgebers
  • (2) Forderung nach Umsetzung von § 108a InsO-E
  • d) Zwangsvollstreckungsfestigkeit
  • 3. Gegenständlichkeit einfacher Nutzungsrechte
  • a) Fehlender Klage- bzw. Drittschutz
  • b) Gesetzlich determinierter Sukzessionsschutz
  • c) Keine Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsfestigkeit
  • d) (Praxis-)Relevanz der Ermittlung der Rechtsnatur
  • aa) Aufspaltbarkeit von Nutzungsrechten, konstitutive Rechtseinräumung
  • bb) Fortbestand abgeleiteter Nutzungsrechte bei Erlöschen des Tochterrechts
  • (1) Gegenständlichkeit einfacher Nutzungsrechte als Prämisse für die Verfügungswirkung der Enkelrechtseinräumung
  • (2) Fortfall von Enkelrechten bei bloß obligatorisch wirkender Gestattung
  • (3) Rechtliche Einordnung der BGH-Urteile „Reifen Progressiv“, „Take Five“ und „M2Trade“
  • e) Stellungnahme zur Rechtsnatur
  • f) Insolvenzfestigkeit einfacher Sublizenzen in einer Lizenzkette
  • 4. Beschränkbarkeit der konstitutiven Nutzungsrechtseinräumung und deren Grenzen
  • E. Schuldrechtlicher Gestattungsvertrag
  • I. Relativität der schuldrechtlichen Befugnis
  • 1. Verkehrsfähigkeit
  • 2. Fehlender Klage- bzw. Drittschutz
  • 3. Kein Sukzessionsschutz analog § 33 UrhG, §§ 566, 986 II BGB
  • 4. Fehlende Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsfestigkeit
  • II. Geltung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips
  • III. Anwendungsbereich, Abgrenzung zur gegenständlichen Nutzungsrechtseinräumung
  • IV. Formbedürftigkeit von Verträgen über unbekannte Nutzungsarten
  • F. Einseitige unwiderrufliche Einwilligung
  • I. Rechtswirkungen
  • II. Rechtsdogmatischer Vergleich mit der unwiderruflichen Vollmacht
  • III. Rechtliche Anerkennung und Rechtsnatur
  • G. Schlichte, widerrufliche Einwilligung
  • I. Richterliche Rechtfortbildung praeter legem
  • II. Anwendungsbereiche
  • III. Dogmatische Verunsicherung über den Terminus „Einwilligung“; Begriffsbildung
  • IV. Daseinsberechtigung bzw. Anerkennung als eigenständige privatrechtliche Rechtsfigur
  • V. Rechtstheoretische Grundlegung
  • 1. Die finale, auf dem Gerechtigkeitsprinzip „volenti non fit iniuria“ beruhende Einwilligung als Instrument der Privatautonomie
  • 2. Ergänzende Ableitung der Einwilligungsbefugnis aus dem Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte
  • 3. Selbstbestimmung vs. Selbstverantwortung und Vertrauensschutz
  • VI. Einfluss der „Vorschaubilder“-Entscheidungen auf die urheberrechtliche Einwilligungslehre
  • 1. Das „Vorschaubilder I“-Urteil
  • 2. Das „Vorschaubilder II“-Urteil
  • 3. Veröffentlichen digitaler Werkabbildungen vs. Suchmaschinenoptimierung als taugliche Anknüpfungspunkte für die schlichte Einwilligung
  • 4. Abgrenzung der schlichten Einwilligung von intensiveren Gestattungsformen
  • 5. Normative Zurechnung des Einstellens von Werkabbildungen ins Internet als schlichte Einwilligung
  • a) Wertungsmäßige Einordnung – Die Prinzipien der Selbstverantwortung, der Veranlassung (Zurechnung) und des Vertrauensschutzes
  • b) Ablehnung der Qualifikation der Einwilligung als Ausprägung einer allgemeinen Vertrauenshaftung
  • c) Maßstabbildung zur Ermittlung von Vorliegen, Inhalt und Grenzen normativ zugerechneter Einwilligungen
  • aa) Eigenverantwortlich durch aktives Verhalten begründeter Erklärungstatbestand
  • bb) Objektiv-normative Auslegung des Erklärungsverhaltens
  • cc) Anwendung des Grundsatzes objektiv-normativer Auslegung auf Einwilligungen im Internet
  • dd) Beachtung der Implikationen des urheberrechtlichen Übertragungszweckgrundsatzes
  • ee) Kritik an der vom BGH geforderten „Üblichkeit der Nutzungshandlung“
  • ff) Keine gesteigerten subjektiven Mindestanforderungen
  • gg) Fazit
  • 6. Keine Abkehr von der urheberrechtlichen Grundsystematik des „Opt in“ durch die „Vorschaubilder“-Urteile
  • 7. Stellungnahme zur „Vorschaubilder I“-Entscheidung und Folgerungen für die weitere Bearbeitung
  • 8. Stellungnahme zur „Vorschaubilder II“-Entscheidung
  • VII. Die schlichte Einwilligung im „Stufenleitermodell der Gestattungen“
  • 1. Erscheinungsformen der Gestattungsstufenleiter im Privatrecht
  • a) Die Stufenleiter der Lizenzgewährung
  • b) Das Stufenleiterprinzip im Sachenrecht
  • 2. Manifestierung des Stufenleiterprinzips im Urheberrecht durch die „Vorschaubilder“-Entscheidungen
  • 3. Die Kernaussagen des Stufenleitermodells und deren Modifikation im Rahmen der urheberrechtlichen Nutzungsgestattung
  • 4. Erweiterung des Gestattungsstufenleitermodells um den gegenständlichen Verzicht und deren Folgen für die Einwilligung
  • 5. Abgrenzung der Einwilligung von verwandten Rechtsfiguren
  • a) Mutmaßliche Einwilligung
  • aa) Handeln im materiellen Interesse des Betroffenen
  • bb) Fälle mangelnden Interesses des Betroffenen
  • b) „Handeln auf eigene Gefahr“
  • c) Verbot treuwidrig widersprüchlichen Verhaltens
  • aa) Venire contra factum proprium
  • bb) Protestatio facto contraria
  • VIII. Rechtsnatur
  • 1. Überblick über das Meinungsspektrum
  • 2. Ursachen des Meinungsstreits
  • 3. Geschäftsähnliche Handlung oder (atypisches) Rechtsgeschäft
  • a) Rechtsfolgewille als Unterscheidungskriterium – formale Betrachtung
  • b) Die Einwilligung als Instrument zur Wahrnehmung von Privatautonomie – funktionale Betrachtung
  • c) Fazit
  • 4. Die gefälligkeitshalber erteilte Einwilligung als Willensäußerung sui generis
  • IX. Rechtsfolgen
  • 1. Ablehnung „rechtsfolgenbezogener Lösungen“
  • 2. „Tatbestandslösung“
  • 3. „Rechtfertigungslösung“
  • 4. Verortung der Einwilligung im Urheberrecht
  • 2. Kapitel: Die Voraussetzungen der schlichten Einwilligung in urheberrechtliche Onlinenutzungen am Beispiel der Bildersuche
  • A. Legitimationsbedürftige Eingriffshandlung in urheberrechtliches Schutzrecht
  • I. Tauglicher Schutzgegenstand
  • II. Eingriff in Verwertungsrechte
  • B. Nichteingreifen von Schrankenbestimmungen
  • C. Nichtvorliegen einer intensiveren Gestattungsform
  • D. Dualismus ausdrücklicher und konkludenter Einwilligungserklärungen
  • E. Vorliegen einer wirksamen Einwilligung
  • I. Auslegungsfähige Erklärungshandlung
  • II. Auslegung der Veröffentlichung von Werkinhalten als Einwilligung?
  • 1. Einwilligung in funktionsbedingte bzw. wesenstypische Nutzungen im Internet
  • 2. Einwilligung in zur Verbesserung der Auffind- und Sichtbarkeit des Werks geeignete Nutzungen
  • 3. Anwendung des Auslegungsergebnisses auf Basisfunktionen von Suchmaschinen
  • a) „Einfache“ Textsuchmaschinen
  • b) Textgestützte Bildersuchmaschinen
  • 4. Weitere Parameter zur Ermittlung des Urheberwillens
  • a) Keine Absicherung öffentlich zugänglich gemachter Inhalte durch technische Schutzmaßnahmen – Wirksamer Widerspruch gegen die Werknutzung
  • aa) Anforderungen an technische Sicherungsmaßnahmen nach Maßgabe des „Session-ID“-Urteils
  • bb) Verallgemeinerbarkeit der vom BGH für Schutzmaßnahmen aufgestellten Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit der Maßnahme
  • cc) Schutzmaßnahmen gegen die Verwendung von Bildern in der Bildersuche
  • (1) Robot Exclusion Standard und Metatags
  • (2) Passwortgeschützte, registrierungspflichtige Bereiche
  • (3) PHP
  • (4) Urheber- bzw. Copyright-Vermerk
  • (5) Hinweis auf fehlende Nutzungsberechtigung in den Nutzungsbedingungen
  • b) Konformität der Nutzung mit den Verwertungsinteressen des Urhebers
  • aa) Förderung der wirtschaftlichen Verwertung des Werks durch vermehrten Traffic auf den Webseiten des Veröffentlichenden
  • bb) Kein zu Eigen machen fremder Informationen
  • cc) Kein Unterlaufen von Lizenzierungs- oder eigener Verwertungsmöglichkeiten
  • 5. Ermittlung der Reichweite der Einwilligung nach Maßgabe des Übertragungszweckgrundsatzes – Einhaltung des Minimums an Nutzungsintensität
  • 6. Extension der Einwilligung auf Eingriffe in Urheberpersönlichkeitsrechte i.e.S.?
  • a) Veröffentlichungsrecht, § 12 UrhG
  • b) Recht auf Anerkennung der Urheberschaft, § 13 UrhG
  • aa) Keine tatbestandliche Einschränkung des Rechts auf Namensnennung durch bildersuchmaschinenspezifische Branchenübungen
  • bb) Die konkludente Einwilligung als Legitimationsmittel für branchenübliche Eingriffe in § 13 S. 2 UrhG
  • (1) Diskussion um die Erteilbarkeit konkludenter Einwilligungen zur Legitimation von Eingriffen in Urheberpersönlichkeitsrechte i.e.S.
  • (2) Ungesichertes Onlinestellen von Werkinhalten als Einwilligung in branchenübliche Eingriffe in § 13 S. 2 UrhG
  • c) Entstellung des Werks, § 14 UrhG
  • aa) Wiedergabe des Werks in diskreditierendem und interessengefährdendem Sachzusammenhang
  • bb) Eignung zur Gefährdung der geistigen und persönlichen Interessen
  • cc) Interessenabwägung
  • d) Fazit
  • III. Wirksamkeit der Einwilligung
  • 1. Einwilligungsbefugnis
  • a) Delegation der Einwilligungserteilung mittels Ermächtigung und gewillkürter Stellvertretung sowie deren Grenzen
  • b) Fehlende Einwilligungsbefugnis als Grenze der Zurechnung eines Verhaltens als Einwilligung
  • 2. Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger
  • a) Primär vermögenswerte Verwertungsrechte betreffende Dispositionen
  • b) (urheber-)persönlichkeitsrechtliche Befugnisse betreffende Dispositionen
  • aa) Kumulative Zuständigkeit des Minderjährigen und seines gesetzlichen Vertreters als Mindestgebot
  • bb) Ablehnung der Alleinzuständigkeit des Minderjährigen bei der Einwilligung in Bildveröffentlichungen im Internet
  • 3. Zugang von Einwilligungen im Internet
  • 4. Widerruf der Einwilligung
  • a) Duales Verhältnis von Einwilligung und Widerruf
  • b) Ausschluss des Widerrufs nach § 242 BGB
  • c) Möglichkeit eines individuellen Widerrufs bei Einwilligung ad incertam personam
  • d) Obliegenheit zur Installation geeigneter Empfangseinrichtungen für individualisiert erklärte Widerrufe
  • e) Keine Formbedürftigkeit des individualisiert erklärten Widerrufs einer Einwilligung ad incertam personam
  • f) Zugangsbedürftigkeit des inter omnes erklärten Widerrufs
  • aa) Obliegenheit zu aktiven Empfangsvorkehrungen bei Widerruf inter omnes
  • bb) Implikationen für die einwilligungsbasierte Werknutzung im Internet
  • cc) Das Erfordernis „gegenläufigen Verhaltens“ beim inter omnes erklärten Widerruf
  • 5. Anfechtung wegen Willensmängeln
  • a) Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion des Regelungsmodells der §§ 119ff. BGB?
  • aa) Anfechtungserklärung
  • bb) Anfechtungsfrist
  • cc) Anfechtungsgründe im Rahmen der Einwilligung in urheberrechtliche Onlinenutzungen
  • dd) Rechtsfolgen der Anfechtung
  • b) Ergebnis
  • 3. Kapitel: Anwendung der Voraussetzungen auf ähnliche Fallgestaltungen internettypischer Werknutzung
  • A. Thumbnailsdarstellung von Personenbildnissen i.S.v. § 22 KunstUrhG in Bildersuchmaschinen
  • B. Thumbnailsdarstellung in Nachrichtensuchmaschinen
  • C. Archivierung von Bildern im Content-Cache
  • D. Mittels Deep-Link ausgestaltete isolierte Anzeige veröffentlichter Bilder in Originalgröße durch Bildersuchmaschinen
  • I. Kein Eingriff in Verwertungsrechte
  • II. Eingriff in Urheberpersönlichkeitsreche
  • III. Keine mittelbare Verantwortlichkeit für vom Nutzer begangene Verletzung von Verwertungsrechten
  • E. Einbindung im Internet veröffentlichter Werkabbildungen mittels Framing und Inline-Linking
  • I. Differenzierung zwischen Frames, Frame-Links und Inline-Links
  • II. Bejahung eines Eingriffs in Verwertungsrechte unter Wertungsgesichtspunkten
  • III. Kein Eingriff in Verwertungsrechte durch die von Google im Rahmen der Bildersuche bereitgestellten Frame-Links
  • IV. Eingriff in Urheberpersönlichkeitsrechte i.e.S.
  • V. Einwilligung in das Setzen von Frames, Frame-Links und Inline-Links
  • F. Veröffentlichung von „Retweets“ bei Twitter und das Teilen von Inhalten bei Facebook, Google+ etc.
  • Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • 1. Kapitel: Systematische und dogmatische Einordnung der schlichten Einwilligung im Gefüge urheberrechtlicher Gestattungen
  • 2. Kapitel: Die Voraussetzungen der schlichten Einwilligung in urheberrechtliche Onlinenutzungen am Beispiel der Bildersuche
  • 3. Kapitel: Anwendung der Voraussetzungen auf ähnliche Fallgestaltungen internettypischer Werknutzung
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

Ausgehend von der Maxime „volenti non fit iniuria“1, zeichnet sich im Urheberrecht, abweichend von anderen Rechtsgebieten des Zivilrechts2, ein deutlicher Trend zu einer einheitlichen Rechtsdogmatik i.S.e. Stufenleiterprinzips der Gestattungen ab.3 Dabei erlangt v.a. die schlichte Einwilligung4 als eine dogmatische Ausprägung dieses Prinzips im Kontext urheberrechtlicher Werknutzungen immer mehr praktische Bedeutung. Beschränkte sich der Diskussionsbedarf bezüglich der schlichten Einwilligung in der Vergangenheit fast ausschließlich auf die Frage nach deren Rechtsnatur5, gehört sie heute zu einer im Urheberrecht nicht mehr wegzudenkenden und häufig angewandten Rechtsfigur. Durch den nicht zuletzt auf die rasante Entwicklung des Internets zurückzuführenden Anpassungsbedarf der urheberrechtlichen Rahmenbedingungen ist die schlichte Einwilligung ein v.a. in der Rechtsprechung willkommenes Instrument zur Koordinierung von Technik und Recht im digitalen Zeitalter der Wissens- und Informationsgesellschaft.6

Virulent wird sie insbesondere im Zusammenhang mit der ungesicherten Veröffentlichung urheberrechtlich geschützten Materials im Internet und damit ← 17 | 18 → zusammenhängenden Nutzungen durch Internetuser und Diensteanbieter7, die das Medium Internet prägen und als wesenstypisch anzusehen sind. Wegen der globalen Strukturen und der weitgehenden Anonymität des Internets stehen Rechteinhaber und Benutzer zumeist in keiner vertraglichen Beziehung zueinander. Eine rechtmäßige Nutzung der geschützten Inhalte auf der Grundlage eines dinglichen bzw. eines vertraglichen Nutzungsrechts kommt daher nicht in Betracht. Die Rechtsprechung8 greift hier auf die einseitige widerrufliche Einwilligung9 zurück, um den Konflikt zwischen den weit gefassten Verbotsrechten der Urheber bzw. Verwerter einerseits und den Kommunikationserfordernissen der Internetgemeinde andererseits auszugleichen10. Damit scheint die schlichte Einwilligung ein ideales Instrument zur Legitimation verkehrstypischer Verwertungshandlungen zwecks Erhaltung der Praktikabilität des Rechts zu verkörpern.

Ein allzu pauschaler Einsatz der schlichten Einwilligung als „Allzweckwaffe“ für verkehrstypische Nutzungshandlungen birgt allerdings weitreichende Gefährdungspotentiale für urheberrechtlich geschützte Positionen: Die pauschale und in ihrer Reichweite nicht hinreichend konkretisierte Annahme von Einwilligungserklärungen eröffnet Dritten im Bereich des Massenmediums Internet vielschichtige Nutzungsmöglichkeiten, die den Kontrollmöglichkeiten des Urhebers weitgehend entzogen sind.11 Ursache dafür ist, dass die schutzfähigen Werke im digitalen Format deutlich leichter und schneller als im analogen Zusammenhang verändert, umgestaltet und damit manipuliert werden können. Hinzukommt, dass sich Rechtsverletzungen infolge der dauerhaften Verfügbarkeit und öffentlichen Abrufbarkeit mit Dominoeffekt vervielfachen.12 Bedenken bestehen v.a. auch in pekuniärer Hinsicht: Während ein Rechteinhaber bei Abschluss eines Nutzungsvertrages regelmäßig eine Vergütung erhält, ist dies bei ← 18 | 19 → der Zurechnung eines Verhaltens als Einwilligung nicht der Fall.13 Somit kann die vorschnelle Annahme einer schlichten Einwilligung die gemäß § 11 S. 2 UrhG zur Aufgabe des Urheberrechts deklarierte Beteiligung des Urhebers an der wirtschaftlichen Verwertung seiner schöpferischen Leistung umgehen.

Die schlichte Einwilligung findet zwar als Dispositionsform aufgrund der Aktualität und der in hohem Maße vorhandenen Praxisrelevanz der Frage, ob sich aus der Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet eine schlichte Einwilligung des Inhalteanbieters ableiten lässt, auch in der urheberrechtlichen Literatur vermehrt Aufmerksamkeit. Meistens erschöpfen sich die Ausführungen zur Einwilligung jedoch auf allgemeine Interessenabwägungen ohne dezidierte Auseinandersetzung mit den dogmatischen Grundlagen und Voraussetzungen der Rechtsfigur.14 Sofern sich vereinzelt Formulierungsversuche spezifischer Einwilligungsvoraussetzungen finden, gehen ihre Verfasser dabei häufig von einem unzutreffenden Verständnis der (konkludenten) Einwilligung als Ausprägung eines „Opt-out“-Systems aus. Damit besteht hier ein Korrektur- bzw. Lückenschließungsbedarf. Vor diesem Hintergrund widmet sich die vorliegende Arbeit der Konkretisierung von Voraussetzungen, Grenzen und Folgen der schlichten Einwilligung. Dabei gilt dem Dreiklang der BGH-Entscheidungen „Paperboy“, „Session-ID“ und „Vorschaubilder“15 ein besonderes Augenmerk.

A.  Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Ziel der Bearbeitung

Freilich würde eine umfassende Darstellung der Einwilligungslehre in ihrer gesamten Komplexität den Umfang der vorliegenden Bearbeitung sprengen. Die Untersuchung beschränkt sich deshalb, wie die Einleitung bereits vermuten lässt, auf die schlichte Einwilligung als Legitimationsmittel urheberrechtlicher Nutzungen im Kontext digitaler Werknutzung. Aufbauend auf der grundsätzlich sinnvollen Systematisierung i.S.d. noch näher zu beleuchtenden Gestattungsstufenleiterprinzips, ist es Ziel meiner Untersuchung, den praktischen Anwendungsbereich der schlichten Einwilligung als urheberrechtlicher Gestattungsform durch Abgrenzung von verwandten Rechtsfiguren zu ermitteln. Gleichzeitig will die vorliegende Arbeit dem zu befürchtenden Trend entgegenwirken, dass die ← 19 | 20 → Einwilligung ohne eingehende Prüfung zu einer Allzweckwaffe für die extrem dynamischen Entwicklungen und Nutzungsprozesse des Internets mutiert und den in der Einleitung genannten Gefahrenpotentialen Tür und Tor geöffnet wird. Beabsichtigt ist deshalb dem von der Rechtsprechung verfolgten Pragmatismus durch eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den dogmatischen Grundlagen Einhalt zu gebieten und dadurch der Gefahr eines Systemeinbruchs16 vorzubeugen.

Um eine kontrollierte Rechtsfindung zu ermöglichen soll aufbauend auf der Einwilligungsdogmatik versucht werden, die Voraussetzungen, Grenzen und Folgen einer durch die ungesicherte Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet konkludent erklärten Einwilligung zu ermitteln. Infolge des Grundsatzcharakters und des – soviel sei vorweggenommen – systematischen Erkenntnisgewinns der vorliegend unter besonderer Berücksichtigung stehenden „Vorschaubilder I“-Entscheidung soll eine an deren Sachverhalt respektive der „Vorschaubilder“-Problematik orientierte Untersuchung der Einwilligungsvoraussetzungen erfolgen. Die so ermittelten Voraussetzungen sollen schließlich anhand einiger Beispiele aus dem Bereich internetspezifischer Werknutzung exemplifiziert werden, um dadurch den praktischen Anwendungsbereich der Einwilligung weiter zu präzisieren.

B.  Methode der Untersuchung

Wie bereits angedeutet, soll die vorliegende Arbeit einen Beitrag dazu leisten, den teleologischen Gehalt sowie die kontrovers diskutierten rechtsdogmatischen Grundlagen17 der schlichten Einwilligung zu erhellen, um gleichsam eine Tendenzaussage über Voraussetzungen und Folgen der Rechtsfigur im gesamten Privatrecht treffen zu können.18

Zu diesem Zweck wird auf allgemeine Rechtsprinzipien19 zurückgegriffen. Diesen ist als „Bestandteilen eines teleologischen Systems eine wertungsmäßige ← 20 | 21 → Ableitungseignung“20 inhärent. Sie dienen vorliegend dazu, die im Hinblick auf die Rechtsfigur der schlichten Einwilligung bestehenden und nicht durch strikten Gesetzespositivismus zu schließenden Lücken systematisch-teleologisch auszufüllen. Zwar lassen sich aus „dem System“21 bzw. den allgemeinen Rechtsprinzipien keineswegs alle mit der schlichten Einwilligung zusammenhängenden rechtlichen Wertungsfragen lösen.22 Doch bedarf es zur rationalen Lückenschließung und der wertungsmäßigen Konsistenz und Folgerichtigkeit der in Bezug auf die Einwilligungsvoraussetzungen zu treffenden Rechtsfortbildung praeter legem23 einer ergänzenden Heranziehung fundamentaler rechtsethischer Prinzipien.24 Dabei hat die vorliegende Arbeit allerdings nicht den Anspruch, den Systembegriff zu kritisieren oder fortzubilden, mithin einen Beitrag zur Methodenlehre zu leisten. Vielmehr bedient sie sich seiner, um die schlichte Einwilligung in Ermangelung einer eigenständigen Normierung folgerichtig in das bestehende System zivilrechtlicher Normen einzupassen.

Die hier bevorzugte Herangehensweise steht in striktem Gegensatz zu einem außerhalb systematischer Strukturen durchgeführten, praktisch allein an Treu und Glauben orientierten und unter dem Deckmantel materialer Gerechtigkeit stehenden „Billigkeitsdezisionismus“ im Einzelfall.25 Die Heranziehung von Rechtsprinzipien dient gerade dazu solche Einzelfallentscheidungen zu vermeiden, indem letztere rationalisiert und damit zumindest in ihren Umrissen vorhersehbar gemacht werden.26 Der Entscheidung jedes einzelnen Rechtsfalls soll mithilfe der Rechtsprinzipien eine Struktur verliehen werden, die auf bestimmten systematisch-teleologischen Grundeinsichten beruht.27 Diesem Paradigma folgend soll vorliegend zunächst versucht werden, die schlichte Einwilligung in das System urheberrechtlicher Gestattungsformen einzubetten und ihr dadurch erste Konturen zu verleihen. Später sollen in kritischer Auseinandersetzung mit den zumeist einzelfallbezogenen Aussagen der „Vorschaubilder“-Entscheidungen die für ← 21 | 22 → die Einwilligung relevanten Wertungen destilliert und auf ihre Validität überprüft werden.

Die durch die Rechtsprinzipien mögliche Erfassung des teleologischen Gehalts eines bestimmten Rechtsinstituts dient ferner dessen dogmatischer Absicherung.28 Insofern haben die Rechtsprinzipien für die schlichte Einwilligung neben der angesprochenen systemkonformen Lückenergänzungsfunktion auch einen nicht zu unterschätzenden Wert für den fortwährenden Streit um ihre Rechtsnatur. Die durch die Rechtsprinzipien mögliche Tendenzaussage bezüglich der Voraussetzungen, unter denen, und der Grenzen, in denen die schlichte Einwilligung wirkt, kann durch exakte Erkenntnisse über ihre juristische Natur noch weiter konkretisiert werden. Wenn auch eine rein deduktive Vorgehensweise29 mangels Kodifikation der schlichten Einwilligung unangemessen wäre30, so muss jedoch selbst von den Gegnern eines deduktiven Vorgehens konzediert werden, dass aus der dogmatisch-teleologischen Einordnung der schlichten Einwilligung gewisse Rückschlüsse auf ihre Voraussetzungen gezogen werden können.31

Der damit verfolgte Ansatz der Entwicklung eines stimmigen rechtsdogmatischen Konzepts für die schlichte Einwilligung bei gleichzeitiger Verifizierung der Voraussetzungen anhand der „Vorschaubilder“-Problematiken entspricht einer induktiv-deduktiven Prüfungsmethode.32 Diese liefert ein geeignetes methodisch-theoretisches Fundament33 für eine kontrollierte Rechtsfindung. ← 22 | 23 →

                                                   

  1  Übersetzung: „Dem, der es so haben will, geschieht kein Unrecht“. Missverständlich wäre es hier von einem allgemeinen Prinzip des „volenti non fit iniuria“ zu sprechen. Im römischen Recht, das diese Maxime ebenfalls kannte, stand der Begriff der „iniuria“ nämlich nicht für das Unrecht im Allgemeinen, sondern für eine bestimmte Art der Persönlichkeitsverletzung und damit eine spezielle Form des Delikts (Ohly, Einwilligung, S. 25).

  2  Hiervon auszunehmen ist das Sachenrecht, vgl. zur Stufenleiter der Gestattungen im Sachenrecht: MüKo-BGB/Medicus, § 1004, Rn. 53ff.; Baur/Stürner, § 12, Rn. 9.

  3  Enneccerus/Nipperdey, § 212 II 1 (S. 1314); Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 243; Schricker/Loewenheim/Schricker/Loewenheim, Vor §§ 28ff. UrhG, Rn. 57; Ohly, Einwilligung, S. 143ff.

  4  Um nicht bereits an dieser Stelle die Rechtsfolge dieser Rechtsfigur zu präjudizieren, wird hier lediglich von der schlichten Einwilligung gesprochen.

  5  Stellvertretend für die Ursprünge der Diskussion Linckelmann, Schadensersatzpflicht, S. 1ff. und Zitelmann, AcP 99 (1906), 1ff.

  6  Dazu Heeschen, S. 183.

  7  Exemplarisch z. B. die Suchmaschinenanbieter Google, Yahoo, Altavista, Fireball.

  8  BGH, GRUR 2010, 628 (631f.) – Vorschaubilder I; BGH, GRUR 2008, 245 (247) – Drucker und Plotter I; OLG Köln, ZUM 2010, 706 (707); LG Köln, ZUM-RD 2011, 626 (627f.); OLG Hamburg, GRUR 2001, 831 – Roche Lexikon Medizin, wobei die Einwilligung hier im Ergebnis jedoch abgelehnt wurde.

  9  Synonym werden die Begriffe „schlichte Einwilligung“ bzw. „Einwilligung i.e.S. verwendet.

10  BGH, GRUR 2010, 628 (631) – Vorschaubilder I verdeutlicht, dass dies insbesondere dann der Fall ist, wenn der abschließend normierte Schrankenkatalog zu eng gefasst ist.

11  Heeschen, S. 183; Schaefer, Bildersuchmaschinen, S. 149; Loewenheim/Dietz/Peukert, Handbuch UrhR, § 15, Rn. 21; Nordemann/Goddar/Tönhardt/Czychowski, CR 1996, 645 (649); Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz, S. 55, Rn. 80.

12  Schricker, Informationsgesellschaft, S. 80, 96; Zahrt, Cyberbusiness, S. 5.

13  Vgl. Pfeifer, GRUR 2011, 1017 (1018); Ohly, GRUR 2012, 983 (989).

14  Schaefer, Bildersuchmaschinen, S. 107ff.

15  BGH, GRUR 2003, 958ff. – Paperboy; BGH, GRUR 2011, 56ff. – Session-ID; BGH, GRUR 2010, 628ff. – Vorschaubilder I; BGH, GRUR 2012, 602ff. – Vorschaubilder II.

16  Vor einem solchen warnt Spindler, GRUR 2010, 785 (792).

17  Hierzu gehören beispielsweise der Streit um die Rechtsnatur, die Rechtsfolgen, die Übertragbarkeit der aus der Einwilligung folgenden Befugnis, das Verhältnis von schlichter Einwilligung und schuldvertraglicher Gestattung, die Grundlage(n) der Dispositionsbefugnis.

18  Vgl. zur Vorgehensweise auch Canaris, Systemdenken, S. 88, 157; ders., JZ 1993, 377 (383).

19  Zum Begriff der „Rechtsprinzipien“ Bydlinski, Rechtsgrundsätze, S. 121; Canaris, JZ 1993, 377 (383).

20  Canaris, Systemdenken, S. 88, 157.

21  Zum Systembegriff Canaris, Systemdenken, S. 112f.; 156; Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 5 m.w.N.; Diederichsen, FS Seiler, S. 65 (70); vgl. auch Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 6ff.

22  Vgl. Canaris, Systemdenken, S. 110f.

23  Siehe Kap. 1 G. I.

24  Vgl. Canaris, Systemdenken, S. 95ff.

25  Kling, Sprachrisiken, S. 160; Bydlinski, Bedeutung der Rechtsethik, S. 11 (27); ders., AcP 188 (1988), 447 (451).

26  Kling, Sprachrisiken, S. 163.

27  Ebd.

28  Canaris, Systemdenken, S. 88ff., 157; Kling, Sprachrisiken, S. 163.

29  Damit ist eine generelle Festlegung der Rechtsnatur der schlichten Einwilligung zum Zwecke der schematischen Ableitung sämtlicher mit ihr zusammenhängenden Einzelfragen gemeint.

30  Vgl. Kohte, AcP 185 (1985), 105 (120); Ohly, Einwilligung, S. 5; MüKo-BGB/Wagner, § 823, Rn. 731.

31  Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (48).

32  So auch Bydlinski, Bedeutung der Rechtsethik, S. 11 (28).

33  Kling, Sprachrisiken, S. 163.

1. Kapitel: Systematische und dogmatische Einordnung der schlichten Einwilligung im Gefüge urheberrechtlicher Gestattungen

A.  Das „Stufenleiterprinzip der Gestattungen“ – Gang der Darstellung

Der Begriff „Einwilligung“ wird im Zivilrecht terminologisch ungenau in einer verwirrenden Vielfalt von Bedeutungsvarianten verwendet34 und daher häufig mit anderen Rechtsinstituten vermengt. Wie bereits in der Einleitung angedeutet findet sich allein im Urheberrecht eine differenziertere Auseinandersetzung mit den verschiedenartigen Formen der Nutzungsgestattung sowie deren rechtstechnischer Einordnung.35 Im Einzelnen wird unterschieden zwischen der Übertragung des Urheberrechts als Ganzem oder in seinen Teilen36 (translative Rechtsübertragung), der Einräumung gegenständlich wirkender Gestattungen in Form von Nutzungsrechten (konstitutive Rechtseinräumung bzw. gebundene Rechtsübertragung37), rein schuldrechtlichen Gestattungsverträgen sowie der einseitigen widerruflichen Einwilligung.38 Allen Rechtsfiguren ist gemeinsam, dass durch das Treffen eines selbstbestimmten, privatautonomen Entschlusses die Vornahme spezifischer Handlungen legitimiert wird, die der Rechtsinhaber ohne entsprechende Legitimation verbieten könnte, weil sie einen verbotenen Eingriff in einen diesem zugewiesenen, schutzfähigen Rechtskreis darstellten. Sie sind sämtlich dem Gedanken des „volenti non fit iniuria“ zuzuordnen. ← 23 | 24 →

Ohly folgend lässt sich zwischen den genannten Dispositionsformen infolge der unterschiedlichen Intensität der durch sie vermittelten Rechtsposition ein Stufenverhältnis ausmachen.39 Um dieses Stufenverhältnis zu veranschaulichen führt er, mit Blick auf die zwischen den einzelnen Dispositionsformen (als „Sprossen“) bestehenden Gemeinsamkeiten, das Modell einer „Stufenleiter der Gestattungen“ ein.40 Die von ihr umfassten Gestattungsformen sind dabei nach dem Grad des durch sie vermittelten Rechtsschutzes – auf oberster Sprosse beginnend mit der translativen Rechtsübertragung als der intensivsten Gestattung – angeordnet. Innerhalb der Gestattungsstufenleiter differenziert Ohly zwischen den Dispositionsformen, bei denen der Unrechtsausschluss lediglich auf dem Gedanken des „volenti non fit iniuria“ beruht, und solchen Rechtsfiguren, bei denen der Wille des Rechtsinhabers allenfalls mitursächlich für einen – zumindest teilweisen – Unrechtsausschluss ist.41 Zu letzteren zählt er beispielsweise die mutmaßliche Einwilligung, das „Handeln auf eigene Gefahr“ sowie die Verwirkung bzw. die bloße Duldung.

Aufbauend auf dem von Ohly entwickelten Modell der „Stufenleiter der Gestattungen“, soll für die hier im Fokus stehenden urheberrechtlichen Nutzungen eine möglichst präzise und systematische Differenzierung zwischen den dem Schutzrechtsinhaber zur Verfügung stehenden Gestattungsformen vorgenommen und es sollen deren Charakteristika ermittelt werden. Nachstehend werden deshalb die einzelnen Stufen schrittweise von oben nach unten dargestellt. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit den die Stufenleiter konstituierenden Gestattungsformen gilt der „schlichten Einwilligung“ besonderes Augenmerk. Ferner soll eine vertiefte Auseinandersetzung mit den rechtstheoretischen und -dogmatischen Grundlagen sowie speziell den Implikationen der „Vorschaubilder“-Entscheidungen auf die urheberrechtliche Einwilligungslehre stattfinden. Sodann gilt es anhand des durch die Auseinandersetzung mit den einzelnen Gestattungsformen erlangten Vorverständnisses die Stringenz der von Ohly aus dem Stufenleitermodell abgeleiteten Kernaussagen zu überprüfen. Daran wird sich eine Abgrenzung der schlichten Einwilligung von verwandten, ← 24 | 25 → aber nicht auf dem Gedanken „volenti non fit iniuria“ wurzelnden Rechtsfiguren anschließen, um dadurch den Anwendungsbereich der schlichten Einwilligung weiter zu präzisieren.

B.  Die Einwilligung i.w.S. als Sammelbegriff der zum Stufenleiterprinzip gehörenden Gestattungsformen

Bevor nachstehend auf die einzelnen Gestattungsstufen eingegangen wird, gilt es nunmehr zwecks größerer Rechtsklarheit die im Zusammenhang mit der schlichten Einwilligung immer wieder auftretenden terminologischen Ungenauigkeiten auszugrenzen. Die „Einwilligung“ wird sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur teilweise als Bezeichnung für mit der schlichten Einwilligung verwandte Rechtsinstitute, insbesondere den schuldrechtlichen Gestattungsvertrag42 oder die konstitutive Nutzungsrechtseinräumung43, herangezogen.

Auch dem vorliegend unter besonderer Berücksichtigung stehenden Urheberrechtsgesetz liegt keine vollkommen einheitliche terminologische Konzeption zugrunde. Ein Beispiel dafür bildet die missverständliche Formulierung des § 23 S. 1, 2 UrhG. Von dieser Vorschrift, die den Begriff der „Einwilligung“ explizit erwähnt44, möchte der Gesetzgeber sowohl die Einräumung von Nutzungsrechten, schuldrechtliche Gestattungen als auch einseitige widerrufliche Einwilligungen umfasst wissen.45 Auch die §§ 37 I, 106 I UrhG sind in gleicher Weise auszulegen. Wegen der ambivalenten Verwendung des Begriffs „Einwilligung“, einerseits als Oberbegriff für sämtliche Formen der Gestattung und andererseits als spezifische – widerrufliche Eingriffserlaubnisse vermittelnde – Gestattungsform, besteht hier die Gefahr von Verwechslungen. Daran wird deutlich, dass der Terminus „Einwilligung“ das Risiko birgt, die Eigenarten und Voraussetzungen des jeweils in Rede stehenden Gestattungsvorgangs zu vermengen. Die Rechtsfigur Einwilligung droht dadurch immer mehr an Inhalt und Konturen zu verlieren. ← 25 | 26 →

Ohly folgend46 sollte daher der Terminus „Einwilligung“, sofern es um sämtliche zum Unrechtsausschluss führenden Gestattungsformen geht, nach Möglichkeit gänzlich vermeiden werden; stattdessen ist hier von „Gestattungen“ bzw. einer „Einwilligung im weiteren Sinne“ zu sprechen.47 Die Bezeichnung „schlichte Einwilligung“ oder auch „Einwilligung im engeren Sinne“48, die den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildet, ist hingegen der einseitigen und widerruflichen Einwilligung als der untersten Sprosse der o.g. Stufenleiter vorbehalten.49 Die Auswirkungen einer Verwechslung zwischen den verschiedenen Rechtsfiguren erscheinen in Anbetracht von § 151 S. 1 BGB auf den ersten Blick zwar gering zu sein.50 Tatsächlich ergeben sich aufgrund der bereits angesprochenen unterschiedlichen Intensität des dem Gestattungsempfänger vermittelten Rechtsschutzes aber durchaus ernst zu nehmende Unterschiede. Um die allgemeine dogmatische Verunsicherung über den Begriff der „Einwilligung“ zu beenden, ist der Gesetzgeber der Rechtsklarheit wegen aufgerufen, die hier vorgeschlagene Terminologie zu übernehmen.

C.  Translative Rechtsübertragung

Den Ausgangspunkt bzw. die oberste Sprosse des Gestattungsstufenleitermodells statuiert die translative51 Rechtsübertragung (auch als unbeschränkte, freie oder auch privative52 bezeichnet). Sie ist die intensivste Form und zugleich Grenzfall der Nutzungsgestattung.53 Durch sie wird nämlich ein Recht, das die Berechtigung zur Nutzung und Verwertung eines Guts in sich trägt, durch Parteivereinbarung vollständig auf ein anderes Privatrechtssubjekt ← 26 | 27 → übertragen.54 Dadurch bedingt kommt es zu einer vollständigen Änderung der Rechtszuständigkeit.55

Eine solche unbeschränkte Entäußerung i.S.e. translativen Rechtsübertragung ist jedoch im hier interessierenden Urheberrecht, sowohl für das Urheberrecht als Ganzes als auch in seinen Teilen (einzelne Verwertungsrechte), gerade ausgeschlossen.56 Dieser dem deutschen Urheberrecht immanente und in § 29 I UrhG normierte Grundsatz der Unübertragbarkeit des Urheberrechts inter vivos ist Folge der unaufhebbaren faktischen Verbindung von Urheber und Werk. Er ist ferner Ausdruck und notwendige Folge des herrschenden, monistischen Konzepts, welches in § 11 S. 1 UrhG eine entscheidende Ausprägung findet. Danach verschmelzen im Urheberrecht vermögensrechtliche und urheberpersönlichkeitsrechtliche Interessen an dem Werk zu einer Einheit.57 Das Urheberpersönlichkeitsrecht als solches gehört zum Kern derjenigen Befugnisse, welche zu Lebzeiten den Verbleib beim Urheber erfordern und somit grundsätzlich unübertragbar sind.58 Durch die dargelegte enge Verflechtung von verwertungsrechtlichen mit (urheber-)persönlichkeitsrechtlichen Elementen liegt es nahe, den Charakter der Unübertragbarkeit auch auf das Vermögensrecht übergreifen zu lassen. § 29 I UrhG lässt sich insofern als eine Regel des Urheberpersönlichkeitsrechts im weiteren Sinne auffassen.59 Die Regel der Unübertragbarkeit des Schutzrechts gilt auch hinsichtlich solcher vom UrhG gewährten Leistungsschutzrechte, die die Vorschriften über den Rechtsverkehr im Urheberrecht (§§ 28ff. UrhG) für entsprechend anwendbar erklären und eine urheberpersönlichkeitsrechtliche Komponente enthalten.60 Dies trifft auf den ← 27 | 28 → Schutz wissenschaftlicher Ausgaben nach § 70 I UrhG und den Schutz von Lichtbildern nach § 72 I UrhG zu. § 29 I gilt hier jeweils entsprechend.

Abweichend von dieser Regel ermöglicht der urheberrechtliche Gesetzgeber aber in bestimmten Ausnahmefällen dennoch die translative Übertragung einzelner Verwertungsrechte. So ist es einem ausübenden Künstler i.S.d. § 73 UrhG seit der Einführung des Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.09.200361 nach § 79 I S. 1 UrhG erlaubt, seine in Form echter Ausschließlichkeitsrechte62 ausgestalteten Befugnisse auf ein anderes Privatrechtssubjekt zu übertragen.63 Einschränkend sei allerdings darauf hingewiesen, dass zu den gemäß § 79 I S. 1 UrhG abtretbaren Befugnissen nicht die dem Persönlichkeitsschutz des ausübenden Künstlers dienenden §§ 74, 75 UrhG gehören. Die sonstigen Leistungsschutzrechte, die keine persönlichkeitsrechtliche Komponente aufweisen, sind als Vermögensrechte ganz oder teilweise übertragbar.64 Hierzu gehört u. a. das ebenfalls als Ausschließlichkeitsrecht konzipierte Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers nach § 85 II S. 1 UrhG.65

Abgesehen von der translativen Übertragbarkeit einzelner leistungsschutzrechtlicher Verwertungsbefugnisse sind im UrhG noch weitere Ausnahmen betreffend die Übertragung des Urheberrechts im Ganzen oder in seinen Teilen anzutreffen. Dazu zählen die Vererbung des Urheberrechts gemäß § 28 I UrhG, die Übertragung desselben in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen und auch die Übertragung an Miterben im Wege der Erbauseinandersetzung gemäß § 29 I UrhG.

Im Gegensatz zu dem grundsätzlich an die Person des Urhebers gebundenen Urheberrecht kann der Inhaber eines Nutzungsrechts über die ihm gewährten Nutzungsbefugnisse in den Grenzen der „dinglichen“ Aufspaltbarkeit im Wege translativer Rechtsübertragung verfügen. Jedoch bedarf die Übertragung des Nutzungsrechts der Zustimmung des Urhebers, § 34 I UrhG. ← 28 | 29 →

Es bleibt damit festzuhalten, dass aufgrund der unauflösbaren Verbindung des Urhebers mit seinem Werk und der engen Verzahnung vermögens- und urheberpersönlichkeitsrechtlicher Schutzinteressen vom Grundsatz der translativen Nichtübertragbarkeit des Urheberrechts auszugehen ist. Dieser Grundsatz erfährt allerdings in Bezug auf Geschäfte über verwandte Schutzrechte i.S.d. §§ 70ff. UrhG sowie in den Vorschriften der §§ 28 I, 29 I UrhG zahlreiche Ausnahmen.

Details

Seiten
377
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653048728
ISBN (ePUB)
9783653974423
ISBN (MOBI)
9783653974416
ISBN (Hardcover)
9783631656273
DOI
10.3726/978-3-653-04872-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (September)
Schlagworte
Werknutzung Bildersuchmaschinen Thumbnails Passwortschutz Onlinenutzung Urheberpersönlichkeitsrecht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 377 S.

Biographische Angaben

Marc Osken (Autor:in)

Marc Osken studierte Rechtswissenschaften an der Universität Marburg. Er war dort am Lehrstuhl für Zivil- und Gesundheitsrecht tätig.

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Titel: Die schlichte Einwilligung im Urheberrecht
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