Kathedrale – Kunstgeschichte – Kulturwissenschaft
Ansätze zu einer produktiven Problemgeschichte architekturhistorischer Deutungen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhalt
- Diagrammübersicht
- Vorwort
- 1 Einleitung
- 1.1 Hinführung zum Thema
- a) Einstieg: Einige Grundlagen
- b) Umstieg
- c) Erfahrungen: Entstehung der Arbeit
- d) Zusammenfassung
- 1.2 Thesen
- a) 1. These: Probleme
- b) 2. These: Theorie und Empirie
- c) 3. These: Kultur als Orientierung
- d) 4. These: Reflexivität
- e) 5. These: Ebenen der Reflexivität
- f) 6. These: Transdisziplinäre Reflexivität (Basiskompetenzen)
- g) 7. These: Historische Reflexivität
- h) 8. These: Zusammenfassung der Reflexivitätsarten
- i) 9. These: Unterscheidungen
- j) 10. These: Defizite der Kathedralforschung
- k) Zusammenfassung
- 1.3 Ziele – Auslassungen – Vorgehen
- a) Ziele
- b) Auslassungen
- c) Vorgehen
- 2 Einstieg: Die gotische Kathedrale heute und gestern
- 2.1 Stephan Albrechts Inszenierung der Vergangenheit
- 2.2 Arbeiten zur gotischen Kathedrale (1880–1960) oder: Stilgeschichte und der stilkritischen Methode verpflichtet
- 2.2.1 Stilgeschichte
- a) Georg Dehio und Gustav Bezold
- b) Hans Jantzen
- c) Anton Springer
- d) Zusammenfassung
- 2.2.2 Der stilkritischen Methode verpflichtet
- 2.2.2.1 Erwin Panofsky (I)
- a) Gotische Architektur und Scholastik
- b) Abt Suger und St.-Denis
- c) Zusammenfassung
- 2.2.2.2 Hans Sedlmayr
- a) Aspekte von Sedlmayrs Arbeit
- b) Zusammenfassung
- 2.2.2.3 Otto von Simson
- a) Aspekte von von Simsons Arbeit
- b) Zusammenfassung
- 2.2.3 Zusammenfassung
- 3 Kulturwissenschaftliche Verortung der Kunstgeschichte
- 3.1 „Mittelalterforschung und Postmoderne“
- a) Mentalität oder Mentalitäten
- b) Postmoderne Überlegungen
- c) Störfaktoren
- d) Das Interesse an der Sprache
- e) Zusammenfassung
- 3.2 Zum problematischen Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit oder: Das Problem von Struktur und Handlung
- a) Theorie und Praxis der postmodernen Geschichtsschreibung
- b) Das Problem der „Unmöglichkeit der Abgeschlossenheit“
- c) Das Problem der Problematisierung
- d) Keith Jenkins: „The End of Affair: On the Irretrievable Breakdown of History and Ethics“
- e) Kritik an Jenkins
- f) Zwei Vorgehensweisen gegen die radikale Skepsis
- g) Zusammenfassung zur radikalen Skepsis
- h) Das Struktur-Handlungs-Problem
- i) Zusammenfassung
- 3.3 Otto Gerhard Oexle: „Historische Kulturwissenschaft“
- a) Das Verhältnis zur Postmoderne
- b) Ausgangspunkte der Historischen Kulturwissenschaft
- c) Memoria und Ordnung
- d) Der Teil und das Ganze
- e) Genese der Historischen Kulturwissenschaft
- f) Kultur als Gegenstands-Begriff
- g) Kultur als Reflexions-Begriff
- h) Historisierung der gegenwärtigen historisch-kulturwissenschaftlichen Forschung
- i) Zwischenfazit
- j) Fakten und Fiktionen
- k) Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft
- l) Mittelalter und Moderne
- m) Oexle – Assmann
- n) Zusammenfassung
- 3.4 Achim Landwehr: „Historische Diskursanalyse“/ „Wissensgeschichte“
- a) Die Augsburger Monatsbilder
- b) Wissen und die Verbindung zur Historischen Kulturwissenschaft
- c) Selbstverständlichkeiten
- d) Sprache
- e) Diskurs
- f) Konstruktion – Wirklichkeit
- g) Diskurs – Macht
- h) Struktur – Handlung
- i) Zusammenfassung
- 3.5 Erwin Panofsky (II): Organische Situationen
- a) Humanistische Grundhaltung
- b) Natur – Kultur: Menschliche Zeugnisse
- c) Umgang mit menschlichen Zeugnissen
- d) Methodische Probleme
- e) Lösung der methodischen Probleme
- f) Denkmal (Monument) – Dokument: Kunstwerk
- g) Das Problem des Kunstbegriffs von Panofsky
- h) Panofsky – Oexle
- i) Erforschung des Kunstwerks
- j) Panofsky – Sedlmayr
- k) Kunsthistoriker – Kunstkenner
- l) Kunstgeschichte – Kunsttheorie: Die „kunstwissenschaftlichen Grundbegriffe“
- m) Warum Kunstgeschichte?
- n) Panofskys Modell
- o) Möglichkeiten des „Dokumentsinns“
- p) „Organische Situation“ der drei Bedeutungssphären
- q) „Synthetische Intuition“
- r) Panofsky – Oexle – Landwehr
- s) Panofsky – Albrecht: Objektive Korrektiva
- t) Kritik an Panofsky: Ergänzung der objektiven Korrektiva
- u) Zusammenfassung
- 3.6 Erwin Panofsky (III) – Pierre Bourdieu – Egon Flaig
- a) Otto Pächt: Das spontan Gewusste
- b) Sozialisation und Vermittlungsinstanzen
- c) Kritik der Kritik an Panofsky
- d) Manifestatio und concordantia
- e) Potential der manifestatio
- f) Probleme der Deutung von manifestatio und concordantia
- g) Bourdieus Verständnis der „endgültigen Lösung“
- h) Bourdieus und Frangenbergs Lesarten von Panofsky I
- i) Exkurs: Methodisch-theoretische Einwände
- j) Bourdieus und Frangenbergs Lesarten von Panofsky II
- k) Reflektierbarkeit des Unbewussten
- l) Fazit zu Frangenbergs Lesart von Panofsky
- m) Überleitung zu Bourdieu
- n) Primat der Relationen
- o) Der ‚Habitus‘ bei Bourdieu
- p) Der Habitus in den beiden Schriften Panofskys
- q) Weitere Konzepte/Begriffe/Kategorien Bourdieus
- r) Plausibilität und Nützlichkeit der Bourdieuschen Konzeption
- s) Exkurs: Beat Wyss zum Verhältnis von Panofsky und Bourdieu
- t) Mentalitäten und Praxeologie
- u) Praxeologische Historie
- v) I. Zusammenfassung: Differenzierung von Oexles Kultur als Gegenstands-Begriff durch Bourdieus Konzepte
- w) II. Zusammenfassung: Panofsky und Bourdieu
- x) Nachtrag und Überleitung: Das Körperliche des Habitus
- 3.7 Thomas Fuchs: Der Leib
- a) Grundgedanken und Grundbegriffe von Fuchs
- b) Wissenschaft und Leben
- c) Historische Konstellationen: Das Mittelalter als „Präsenzkultur“
- d) Das Gedächtnis des Leibes
- e) Situatives Gedächtnis – praktische Erfahrung
- f) Aby Warburg
- g) Gestaltpsychologie: zwischen Diskurs und Habitus
- h) Zur Anthropologie des Bildes
- i) Zusammenfassung
- 3.8 Sprache – Text – Kontext
- 3.8.1 Gabrielle Spiegel: „theory of the middle ground“
- a) Brigitte Bedos-Rezak zur gotischen Kathedrale
- b) Spiegels „theory of the middle ground“
- c) Spiegel: Das Problem der „mediation“
- d) Zusammenfassung
- 3.8.2 Sprechakttheorie
- a) Englische und französische Tradition
- b) Entstehung der Sprechakttheorie: Austins Ausgangspunkt
- c) Relevanz für den Historiker I
- d) Die „passenden Umstände“
- e) Relevanz für den Historiker II
- f) Die verschiedenen Teilakte
- g) Relevanz für den Historiker III: Francisca Loetz
- h) Nachtrag: Äußerung und Kontext
- i) Zusammenfassung
- 3.8.3 Zur „rekonstruktiven Hermeneutik mittelalterlichen Kunsterlebens“
- a) Gegen die „großen Theorien“
- b) Ästhetik als hermeneutische Kategorie
- c) Methodische Regeln
- d) Zusammenfassung
- 3.9 Zusammenfassung
- 4 Bau und Funktion: Arbeiten zur gotischen Kathedrale (ab 1970)
- 4.1 Zur Funktion allgemein
- a) Funktion als Problem der älteren Kunstgeschichte
- b) Primärfunktion
- c) Zusammenfassung
- 4.2 Martin Warnke: Bau und Überbau, politische Ikonographie und der Gegenbau
- a) Bau und Überbau: Künstlerische Einzigartigkeit und Gesellschaft
- b) Zwei Aspekte des „Anspruchsniveaus“
- c) Das Bauen der gotischen Kathedrale als Ausgleichserzeugnis
- d) Probleme bei Warnkes Deutung
- e) Potential der Kategorien Warnkes
- f) Politische Ikonographie: Verortung des eigenen Ansatzes durch Warnke
- g) Aktueller Sinn zwischen Form und Inhalt
- h) Das mangelnde Interesse der politischen Ikonographie an der Form
- i) Bau und Gegenbau
- j) Das Problem der Größe
- k) Systematisierung der politischen Ikonographie
- l) Zusammenfassung
- 4.3 Dieter Kimpel/Robert Suckale: Alt und Neu als Ausdruck von Rangstufen. Bau und Funktion in der Anwendung
- a) Alt und Neu als Ausdruck von Rangstufen
- b) Rangstufen und Stillagen
- c) Zusammenfassung
- 4.4 Zusammenfassung
- 5 Exkurs: Ergänzungen zu Albrecht
- 5.1 Der christlich-mittelalterliche Deutungshorizont
- 5.1.1 Herausstellung des Problems: Donat Grueninger
- a) Grueningers Programm und dessen Probleme
- b) Zusammenfassung
- 5.1.2 Typologie als Denkform: Institutionsgeschichte und Heilsgeschichte
- a) Beispiele für Institutionsgeschichte und Heilsgeschichte
- b) Mittelalterliche Typologie
- c) Mittelalterliches (und modernes) Geschichtsdenken
- d) Zusammenfassung
- 5.1.3 Friedrich Ohly: „Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter“
- a) Der vierfache Schriftsinn
- b) Allegoriae iucundae
- c) Der vierfache Schriftsinn in Theorie und Praxis (Habitus)
- d) Zusammenfassung
- 5.1.4 Zusammenfassung
- 5.2 Soziale Gruppen
- 5.2.1 Herausstellung des Problems
- a) Institution und Gesellschaft
- b) Konkurrenz und Kooperation
- c) Zusammenfassung
- 5.2.2 Otto Gerhard Oexle (II): Soziale Gruppen
- a) Soziale Gruppe und Kultur
- b) Bestand und Wandel
- c) Deutungsschemata der Ständegesellschaft
- d) „Ellipse“ und soziale Gruppe
- e) Aspektive Deutung der Stadt
- f) Zusammenfassung
- 6 Von der mittelalterlichen Architekturkopie zum Architekturzitat
- 6.1 Die mittelalterliche Architekturkopie
- 6.1.1 Richard Krautheimer und die mittelalterliche Architekturkopie
- a) Carolingian Revival
- b) Bestimmung der mittelalterlichen Architekturkopie
- c) Elemente der Architekturkopie
- d) „Warum sind Baptisterien rund?“
- e) Postscripta
- f) Zusammenfassung
- 6.1.2 Günter Bandmann und die Bedeutung
- a) Alt und Neu im Mittelalter
- b) Die drei Bedeutungen (v.a. die immanent symbolische Bedeutung)
- c) Kunstwerk und Universalgeschichte
- d) Die Architekturkopie
- e) Die Vorbilder der Aachener Pfalzkapelle
- f) Nachwirkung der Aachener Pfalzkapelle
- g) Zusammenfassung
- 6.2 Kritik und mögliche Lösungen
- 6.2.1 Verschiedene problematische Aspekte
- a) Das vergleichende Sehen
- b) Die Bedeutung der (ästhetischen) Form
- c) Das Allgemeine und das Individuelle
- d) Stilgeschichte und Bedeutungsgeschichte
- e) Selektive und exakte Kopie
- f) Weitere begriffliche Differenzierungen
- g) Zusammenfassung
- 6.2.2 Die Kopie als Text- und Sprachproblem
- a) Die Suche nach dem X
- b) Kopie und Aufwand
- c) Aachen und Germigny-des-Prés: Shaffers Kontextualisierung der Quellen
- d) Das methodische Problem: Der deskriptive Fehlschluss
- e) Die Fortsetzung des Problems und Lösungsangebote
- f) Bild und Architektur
- g) Zusammenfassung
- 6.3 Die Zitat-Theorie
- 6.3.1 Hans-Joachim Kunsts Zitat-Theorie
- a) Forschungsgeschichtliche Positionierung
- b) Die drei Relationen der Zitat-Theorie
- c) Die Reimser Kathedrale
- d) Kunst und Schenkluhn zur Reimser Kathedrale
- e) Zusammenfassung571
- 6.3.2 Wolfgang Schenkluhns Weiterentwicklung der Zitat-Theorie
- a) Kritik an der Architekturkopie
- b) Erweiterung von Kunst
- c) Makro- und mikroperspektivische Anwendung
- d) Abgrenzungen der Zitat-Theorie
- e) Zusammenfassung
- 6.3.3 Wolfgang Brückle: Kritik und Gegenkritik
- a) Brückles Ausgangspunkt
- b) Der Bremer Dom: Kopie oder Zitat
- c) Erwartungshorizont
- d) Konzeption (Anspruch) und Rezeption (Betrachter)
- e) Zitat-Theorie und Praxis
- f) Zusammenfassung
- 6.4 Zusammenfassung
- 7 Architektur – Ritual – Raum
- 7.1 Jan Pieper: „Architektonische Toposforschung“
- a) Piepers Ausgangspunkt: Ernst Robert Curtius
- b) Architektonische Toposforschung
- c) Jerusalemkirchen
- d) Topos und „architektonische Augenblicke“
- e) Anthropomorphe Räume
- f) „An Outline of Architectural Anthropology“
- g) Abgleich mit den bisherigen Positionen
- h) Zusammenfassung
- 7.2 Konzeption und Dokumentation – Rezeption und Ereignis
- a) Rückblick: Konzeption und Dokumentation
- b) Rückblick: Rezeption und Ereignis
- c) Rezeptionsästhetik
- d) Werk – Betrachter – Ereignis
- e) Die Fruchtbarkeit des Ereignisbegriffs
- f) Zusammenfassung
- 7.3 Martina Löw: Raumsoziologie
- a) Raum in der Kunstgeschichte und bei Löw
- b) 1. These: Spacing und Syntheseleistung
- c) 2. These: Institutionalisierte Räume
- d) 3. These: Strukturen
- e) 4. These: Möglichkeiten der Raumkonstitution
- f) 5. These: Raum und Macht
- g) 6. These: Atmosphären
- h) 7. These: Veränderung von Räumen
- i) 8. These: Raum und Ort
- j) Zusammenfassung
- 8 Schluss
- 8.1 Syntheseversuch der wissenschaftlichen Grundkonstitutionen nach Karl Popper
- a) Physik und Kunstgeschichte
- b) Negative Methode vs. Induktion
- c) Abgrenzungsproblem
- d) Fortschritt, Theorie und Theorievergleich
- e) Sprache
- f) Peter Zimas Kritik an Popper
- g) Theoretische und historische Wissenschaften
- h) Theorie: Instrument und Erklärung
- i) Zusammenfassung
- 8.2 Rückblick – Kritik – Ausblick
- 8.2.1 Nochmals zu Albrecht
- a) Forschungsstand und Fortschritt
- b) Anwendung, Theorie und Theorievergleich
- c) Forschungsstand
- d) Von der Disziplin zum Problem
- e) Von der Anwendung zur Prüfung
- f) Zusammenfassung
- 8.2.2 Die weiteren Schritte
- a) Stilgeschichte (2.1.1)
- b) Der stilkritischen Methode verpflichtet (2.2.2)
- c) Mittelalterforschung und Postmoderne (3.1)
- d) Sprache und Wirklichkeit (3.2)
- e) Das Struktur-Handlungs-Problem (3.2)
- f) Historische Kulturwissenschaft (3.3)
- g) Historische Diskursanalyse (3.4)
- h) Erwin Panofsky (II) (3.5)
- i) Panofsky (III) – Bourdieu – Flaig (3.6)
- j) Der Leib (3.7)
- k) Sprache – Text – Kontext (3.8)
- l) Bau und Funktion (4)
- m) Ergänzungen zu Albrecht (christlich-mittelalterlicher Deutungshorizont) (5.1)
- n) Ergänzungen zu Albrecht (Soziale Gruppen) (5.2)
- o) Architekturkopie (6.1)
- p) Kritik an der Architekturkopie (6.2)
- q) Zitat-Theorie (6.3)
- r) Architektonische Toposforschung (7.1)
- s) Konzeption und Ereignis (7.2)
- t) Raumsoziologie (7.3)
- 8.3 Allgemeiner Ausblick
- a) Bewährung an Problemen
- b) Kultur – Bild
- c) Kunstgeschichte im Kontext
- 9 Literatur
Diag. 1: Konzeption der Kunstgeschichte nach Wind und Springer (Ullmann, Binding)
Diag. 2: Verhältnis von Theorie und Empirie nach Loetz
Diag. 3: Ebenen der Reflexivität
Diag. 4: Transdisziplinäre Reflexivität
Diag. 5: Historische Reflexivität
Diag. 6: Reflexionsraum (aus Diag. 3–5)
Diag. 7: Albrechts Modell
Diag. 8: Panofskys Überlegungen zu Suger und zum Verhältnis von gotischer Architektur und Scholastik
Diag. 9: Kulturwissenschaftliche Entwicklung nach Reckwitz
Diag. 10: Kultur nach der Historischen Kulturwissenschaft
Diag. 11: Oexle zu Gedächtnis, Erinnerung und Gedenken
Diag. 12: Panofskys Konzeption des Humanismus
Diag. 13: Zeichen und Gebilde nach Panofsky
Diag. 14: Kunstwerk nach Panofsky
Diag. 15: Panofsky (links) und Kombination der Überlegungen von Panofsky und Oexle (rechts)
Diag. 16: Panofskys Grundbegriffe
Diag. 17/18: Panofskys Interpretationsschemata
Diag. 19: Nutzbarmachung des Dokumentsinns
Diag. 20: Flaig zu Bourdieu
Diag. 21: Meinungen, Vorstellungen, Haltungen nach Flaig
Diag. 22: Prexeologische Historie
Diag. 23: Bewusstsein nach Fuchs
Diag. 24: Explizites und implizites Gedächtnis nach Fuchs
Diag. 25: Gedächtnisarten nach Fuchs
Diag. 26: Sprechakte nach Austin und Searle
Diag. 27: Sprechakt nach Searle
Diag. 28: Politische Ikonographie nach Warnke
Diag. 29: Das Kunstwerk als Geschichtsquelle
Diag. 30: Mechanismen der Architekturkopie nach Bandmann
Diag. 31: Rezeptionsmechanismen nach Schmidt
Diag. 32: Abhängigkeiten der Chorgestaltung
Diag. 33: Krautheimers und Bandmanns Geschichtsmodell
Diag. 34: Relation zwischen Ur- und Abbild nach Schenkluhn ← 19 | 20 →
Diag. 35: Mögliche Relationen zwischen Bauten nach Schenkluhn
Diag. 36: Erweiterung von Diag.
Diag. 37: Baustil, Bautyp, Topos nach Pieper
Diag. 38: Grundriss von Saint Jean in Aubeterre nach Pieper
Diag. 39: Architekturanthropologie nach Pieper
Diag. 40: Rezeptionsästhetik nach Kemp
Diag. 41: Assmanns Gedächtnistheorie
Der vorliegende Text befasst sich mit den architekturhistorischen Deutungen der mittelalterlichen Kathedralen, die in den letzten circa 150 Jahren von der Forschung erarbeitet wurden. Diese Kathedraldeutungen werden im Abgleich mit Ergebnissen der allgemeinen Kunstgeschichte sowie der Kulturwissenschaft diskutiert. Ziel dieser produktiven Problemgeschichte ist es, aus den Problemen und Lösungen, die in diesen drei Bereichen be- und erarbeitete wurden, möglichst viel für die gegenwärtige Forschungsarbeit zu lernen.
Ohne verschiedenartige Unterstützungen hätte die Arbeit nicht realisiert werden können. Ich habe meinem Betreuer, Herrn Prof. Dr. Matthias Müller, zu danken sowie Frau PD Dr. Ute Engel, die sich freundlicherweise bereiterklärt hat, das Zweitgutachten anzufertigen. Die Stipendienstiftung Rheinland-Pfalz hat durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums zur Finanzierung der Arbeit beigetragen, wofür ich ihr danke. Weiteren Dank schulde ich Herrn Dr. Michael Lissok, der mich durch seine Lehrveranstaltungen für die Kunstgeschichte begeistert hat. Herrn PD Dr. Ulrich Fürst möchte ich dafür danken, dass er mir die Augen für viele Phänomene der Kunstgeschichte geöffnet hat. Mein Dank gilt weiterhin den Mitgliedern des Vereins Das Bild als Ereignis für ihre hermeneutischen Herausforderungen, die zu einer Vielzahl fruchtbarer Diskussionen geführt haben und wünschenswerter Weise noch führen werden.
Besondere Dankbarkeit gebührt meiner Mutter, die mich in all meinem Tun konsequent unterstützt und bestärkt hat! Herr Dr. Sebastian Hagn hat die Arbeit von Beginn an stets in allen Facetten begleitet. Aufgrund seiner Kritik ist ein ganzes Kapitel gestrichen, ein anderes komplett überarbeitet worden, wodurch der Gesamttext enorm an Qualität gewonnen hat. Doch nicht nur für diese wissenschaftliche Unterstützung, sondern mindestens in gleichem Maße danke ich ihm für eine Freundschaft, die nun bereits mehr als zwei Jahrzehnte andauert und hoffentlich noch lange bestehen bleibt: Sentio nisi in bonis amicitiam esse non posse. Rarum genus (Cicero: Laelius de amicitia, 18, 79). Das Manuskript haben Herr Heiner Fandrich und Frau Kathinka Tischendorf gelesen und korrigiert, wofür ich ihnen herzlich danke. Letzterer begegnen zu dürfen, war ein großes Glück.
Zunächst wird allgemein zum Thema der vorliegenden Arbeit hingeführt (1.1). Dann werden einige Thesen formuliert, mit denen zentrale Problemstellungen herausgestellt werden, die thematisiert werden sollen (1.2), um davon ausgehend schließlich Ziele und Aufbau der Arbeit zu umreißen (1.3).
a) Einstieg: Einige Grundlagen
Wie ein Bauwerk allein auf einem festen Fundament errichtet werden kann, so muss auch die Kunstgeschichte darum bemüht sein, sichere Grundlagen zu schaffen, um sich von dort aus systematisch den Werken widmen zu können. Sedlmayr formulierte dies vor mehr als 50 Jahren folgendermaßen:
„Jeder einzelne, der heute in der Kunstwissenschaft arbeitet, hat, wenn er mit seiner besonderen Aufgabe beginnt, schon in irgendeiner Weise zu einer ganzen Reihe von Problemen Stellung genommen, auch wenn er nichts davon weiß, auch wenn seine Stellungnahme in nichts anderem besteht, als daß er das Problem übersehen oder seine eigene Lösung für selbstverständlich gehalten hat. In dieser dunklen, halb unbewußt durcheilten Zone vor der ‚eigentlichen‘ und geschätzten Arbeit entscheidet es sich, welche Bedeutung seine Bemühungen für die sich bildende Wissenschaft haben werden, ja, ob das, was er treiben wird, überhaupt noch Kunstwissenschaft ist. Man könnte die typischen ‚Richtungen‘ der bestehenden Kunstwissenschaft geradezu daraus ableiten, wie sie die einzelnen Grundprobleme lösen oder verfehlen, und eine Arbeitsgruppe, die das Bedürfnis fühlt, möglichst genau zu bezeichnen, was sie versuchen will, könnte das nicht einfacher tun, als indem sie angibt, wie sie sich zu jenen Grundfragen stellt, um die keine Kunstwissenschaft herumkommen kann.“1
Zunächst also müssen die Grundprobleme gelöst werden.2 Heutzutage kommt die Kunstgeschichte dieser Aufforderung meist dadurch nach, dass sie ihren Arbeiten einleitend ein Kapitel voranstellt, in dem genau diese Fragen, Fragen der Methode und Theorie, geklärt werden.3 Erst von hier aus wird sich der „‚eigentlichen‘ und geschätzten Arbeit“ beziehungsweise dem jeweiligen Gegenstand, sei es der Architektur, der Skulptur, der Malerei oder dem Kunstgewerbe in den verschiedenen ← 23 | 24 → Epochen gewidmet.4 Daher werde auch ich, wenngleich in äußerst groben Zügen, als Einstieg Entsprechendes thematisieren.
Einen ersten wichtigen Punkt stellen Hensel und Köstler in ihrer Auseinandersetzung mit der „Nachtseite des Poststrukturalismus“ heraus.5 Einerseits wird dabei die „sinnvolle und systematische Weigerung, einen interpretatorischen Standpunkt zu privilegieren“, als positives Moment dieser vor allem seit den 1980er Jahren in der Kunstgeschichte vertretenen Theorie gewürdigt.6 Andererseits aber heben die Autoren fundamentale Defizite hervor: „Ein Überstrapazieren des linguistic turn kommt einer Ohrfeige auf die Augen des Kunsthistorikers gleich.“7 Sehr prägnant fassen sie das Problem einer poststrukturalistischen Sichtweise zusammen:
„Allerdings eröffnet sie keinen Ausweg aus dem Methodenstreit im Sinne eines richtungsweisenden hermeneutischen Programms. […] Unhintergehbar und von großer erkenntnistheoretischer Tragweite, beschwört das Credo des Poststrukturalismus doch nur Präliminarien kunstwissenschaftlicher Analyse, die Möglichkeitsbedingungen des Interpretierens überhaupt. Häufig wird dieses Bekenntnis zu einer hermeneutischen Fußangel, in der sich der Interpret verfängt, bevor er den Gegenstand seiner Forschungen auch nur zu Gesicht bekommen hat. Zu oft begegnet man traditionellen Bildanalysen, denen dekonstruktivistisch-poststrukturalistische Einlassungen lediglich aufgepfropft sind. Die Kunstgeschichte weiß mittlerweile um die Bedingtheit des ‚interminable process of interpretation‘. Jetzt gilt es, wieder die Augen zu öffnen.“8
Somit lässt sich zusammenfassend sagen, dass erstens modische Ansätze wie der Poststrukturalismus oder die Dekonstruktion Gefahr laufen, traditionelle kunsthistorische Vorgehensweisen einfach mit neuen Begriffen zu schmücken, womit die Kunstgeschichte kein Stück vorangebracht wird. Zweitens ist die dort ins Zentrum gerückte Einsicht, dass Interpretation ein endloser Prozess ist, bereits weitläufig bekannt. Schließlich drohen drittens entsprechende Überlegungen in abstrakten Spekulationen zu versinken, ohne sich um den eigentlichen Gegenstand, die Kunstwerke zu kümmern.9 ← 24 | 25 →
Es gilt somit, wieder an die Selbstverständlichkeit zu erinnern, dass Bilder gesehen werden müssen. Entsprechendes wird auch von der aktuellen Bildwissenschaft vorgegeben, die als „leichte[s] Handwerkszeug“ die „einfachen Mittel genauer Beobachtung und der Beschreibung“ nennt.10 Die meisten Arbeiten zur mittelalterlichen Architektur, denen sich die vorliegende Arbeit besonders widmet, bestehen ebenfalls auf diesen Punkt. Suckale etwa fordert „nah an den Bauten und Bedingungen ihrer Errichtung zu bleiben“.11 In diesem Bereich findet man kaum Arbeiten, die auf die sehende Analyse der Objekte verzichten, wenngleich dies nicht immer explizit benannt wird. Zu von Winterfeld etwa hebt Claussen hervor, dass dieser „wie imprägniert gegen gelehrten Tiefsinn erschien und für [ihn] die Architektur nicht von Bedeutungsträgern besetzt war“, sondern er versuchte, sich „abzusetzen von allzu spekulativen und theoretischen Ideen. Dinge wieder auf den Boden der Tatsachen herunterzuholen, war sein Lieblingsgeschäft.“12 Dass man nun ein solches Verhalten eigens hervorheben muss, resultiert durch die skizzierten – z.B. poststrukturalistischen – Theorien, von denen sich die Mittelalterforschung im Großen und Ganzen zu Recht ferngehalten hat.
Wenn Suckale neben den Bauten die Bedingungen ihrer Errichtung nennt, so weist dies auf einen anderen Punkt hin. Denn die kunstgeschichtliche Forschung gibt sich natürlich nicht mit dem Sehen allein zufrieden, das in Richtung Stilgeschichte weist. Darauf hat schon Springer vor über 100 Jahren hingewiesen. Er hat, wie Ullmann angibt,
„eine treffende Antwort auf die Frage gegeben, worauf sich die Arbeit des Kunsthistorikers zu stützen habe. Er schrieb: ‚Vom Lehrer der Kunstgeschichte müssen vorzugsweise zwei Dinge gefordert werden: Eine umfassende, verständnisvolle Kenntnis der Monumente, verbunden mit der Fähigkeit, dieselben ästhetisch und historisch zu deuten. Zum zweiten ist eine vollkommene Beherrschung der literarischen Quellen notwendig.‘“13
Nicht nur Ullmann charakterisiert diese Antwort als „treffend“, sondern auch Binding unterstreicht sie nachhaltig:
„Dieser Idealforderung [d.h. jener von Springer formulierten; C.N.] möglichst gerecht zu werden, sollte jeder Kunsthistoriker anstreben und ‚verum et bonum‘ als das höchste Gut ansehen, um seiner Aufgabe sachgerecht nachkommen zu können.“14
Die Springer-Ullmann-Binding-Auffassung ist klar.15 Was also neben der Kenntnis der Monumente relevant ist, ist die Beherrschung der Textquellen. Dem derzeitigen ← 25 | 26 → Sprachgebrauch entsprechend, könnte man sagen, dass hier Grundzüge einer interdisziplinären Forschung benannt sind. Wenn die Geschichtswissenschaft heute „Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit“ zu betrachten beginnt, so muss man feststellen, dass die Kunstgeschichte die umgekehrte Richtung schon lange verfolgt.16 Die Ikonographie und die Ikonologie sind vollentwickelte kunsthistorische Methoden, die gerade die Auseinandersetzung mit Bildwerken über die Berücksichtigung von Textquellen leisten.
Über dieses Grundmoment hinaus zeigt sich in jüngster Zeit weiterhin ein spezielleres Interesse an disziplinübergreifenden Fragestellungen. Hierfür kann beispielsweise die Arbeit von Albrecht zur „Inszenierung der Vergangenheit im Mittelalter“ genannt werden, dem „Assmanns Modell des ‚kulturellen Gedächtnis‘ und seine Begrifflichkeit“ als „methodisches Rüstzeug“ dienen.17 Bei solchen Übernahmen muss andererseits betont werden, dass es sich um eine „kunstgeschichtliche Arbeit und keinen kulturgeschichtlichen Neuentwurf“ handelt.18 Nur auf diese Weise kann das Spezifische der Kunstgeschichte sichergestellt werden; anderenfalls gerät man leicht in unpräzise Diskussionen unter dem diffusen Stichwort der Kultur.
Einen wertvollen Hinweis zu solchen Übernahmen geben Hooker/Paterson/Stirton in ihrer Abwehr von Bourdieus „sustained attack on the discipline of art history“:19
„Whereas Bourdieu never introduces specific art works into his methodological apparatus in anything other than a perfunctory way (his persistent use of the work of Marcel Duchamp as an example of processes of transgression and recuperation, repeated in both Distinctions and The Rules of Art, being a prime example of this), both Foucault and Marin present detailed, attentive analyses of art works to demonstrate the connection between representation and power.“20
Ohne auf Details in der Argumentation von Hooker/Paterson/Stirton einzugehen,21 macht das Zitat deutlich, dass es sich im Kontext interdisziplinärer Diskurse empfiehlt, bei solchen Autoren Anleihen zu nehmen, die die Kunstwerke selbst ernst nehmen, wie Foucault, und nicht bei jenen, die sie nur oberflächlich streifen, wie Bourdieu. Sonst droht eine Verstrickung in für die Kunstgeschichte wenig brauchbare Diskussionen. ← 26 | 27 →
Da ich im Laufe der Arbeit auf einzelne Methoden und Theorien genauer eingehen werde, mögen diese knappen Ausführungen, auf die immer wieder zurückgekommen werden wird, genügen. Man kann dem bisher Gesagten, da es sich um Grundlagenfragen handelt, den Status von kunsthistorischen Maximen zusprechen, um es von Methoden wie der Stilgeschichte, der Ikonographie usw. zu unterscheiden.
Falls der Leser das bis hierher Dargestellte akzeptiert, so besitzt die vorliegende Arbeit eine dreifache Rechtfertigung, denn ich halte die angeführten Punkte für weitgehend falsch oder unfruchtbar, was später im Einzelnen erörtert wird (vgl. Kap. 1.2). Genauer gesagt sind durchaus richtige Elemente mit fehlerhaften durchmengt worden, so dass das Ganze zu einem zweifelhaften Durcheinander gerät.
Es handelt sich erstens um ein Experiment, mit dem ich die These zu prüfen versucht habe, dass der kunsthistorische Rezipient keinen Anstoß an entsprechenden Aussagen nehmen, sie vielmehr für selbstverständlich richtig hinnehmen wird. Das Vorbild für diesen Versuch stellt die als „Sokal Hoax“ in die Wissenschaftsgeschichte eingegangene Arbeit von Sokal dar. Dieser konnte 1996 einen vollkommen sinnlosen Text erfolgreich in einer angesehenen Zeitschrift platzieren, womit bewiesen wurde, dass diese Zeitschrift nicht den wissenschaftlichen Standards genügt.22
Um den Leser nicht vorab in eine gewisse Richtung zu lenken, habe ich die entsprechenden Ausführungen an den Anfang gestellt und auch auf einleitende Bemerkungen sowie ein Motto verzichtet. Weiterhin wurde nur ein einziger Gedankenstrang skizziert, um wenig Aufsehen zu erregen, das heißt, dass meines Erachtens ebenfalls falsche Überlegungen ausgeblendet wurden.23 Die hauptsächliche Stütze der Darlegungen bestand in den angeführten Zitaten von bekannten Kunsthistorikern und dem Setzen wenig geklärter Stich- und Schlagworte. Wie das Ergebnis meines Experimentes ausgefallen ist, kann jeder an den Anstreichungen kontrollieren, die er (nicht) vorgenommen hat.
Neben diesem Versuch sehe ich zwei weitere Gründe für die Notwendigkeit vorliegender Arbeit, die im Folgenden näher geklärt werden sollen. Der eine besteht in Erfahrungen, die ich im Kontext der Interpretation von mittelalterlicher Sakralarchitektur sowie der Kunstgeschichte allgemein gemacht habe (vgl. Kap. 1.1.c). Man wird diesem Punkt zu Recht seine Subjektivität vorwerfen. Völlig objektiv hingegen ist der andere Grund, der sich auf die (zitieren) Aussagen und Vorgehensweisen anderer Forscher bezieht (vgl. Kap. 1.2). ← 27 | 28 →
c) Erfahrungen: Entstehung der Arbeit
Ursprünglich war eine Arbeit zur Kathedrale von Reims und der dort stattfindenden Königskrönung vor allem für die Zeit des 13. Jahrhunderts geplant, der in der oben dargestellten kunsthistorischen Manier ein einführendes Kapitel zur Methode und Theorie vorangestellt werden sollte. Bei diesem Versuch wurde jedoch mit der Zeit klar, dass ein solcher kurzer Abriss nur dann möglich ist, wenn man die jeweiligen Positionen sehr oberflächlich behandelt und schon im Vorfeld zu wissen glaubt, welche die richtige ist. Ferner fanden sich keine ausführlichen Vorarbeiten zu diesen Problemen.
Daher wurde der Ursprungsplan dahingehend modifiziert, dass sich die eine Hälfte der Arbeit theoretischen Fragen widmet und die andere der Reimser Kathedrale. Diese Aufteilung hat ihr Vorbild in Assmanns Schrift „Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen“, wo „Theoretische Grundlagen“ und „Fallstudien“ jeweils in gleichem Umfang abgehandelt werden.24 Eine solche Gewichtung halte ich immer noch für die beste Lösung; wenngleich gefragt werden kann, ob die beiden Teile in Blöcken hintereinander gestellt werden müssen.
Dass auch diese Konzeption letztendlich nicht zur Durchführung gekommen ist, hat zunächst arbeitsökonomische Gründe. Denn umso mehr ich mich mit den theoretischen Grundlagen auseinandergesetzt habe, desto deutlicher wurden die Mängel bisheriger Arbeiten zu diesem Thema, falls solche überhaupt zu finden waren. Deshalb wurde eine zweite Modifikation vorgenommen, so dass nun allein allgemeine Fragen, die man provisorisch als Theorie und Methode bezeichnen kann, zur Diskussion gestellt werden, wobei ich hoffe, den damit ausgegrenzten Teil später nachzuholen.25
Bestärkt wurde die Ansicht, dass eine solche Arbeit ein Desiderat darstellt, durch einige persönliche Erfahrungen beziehungsweise Erlebnisse. Die folgenden wie auch die zuvor gegebenen recht persönlichen Berichte sind in einer wissenschaftlichen Arbeit gestattet, da sie erstens helfen, die weiteren Ausführungen besser zu verstehen, und da sie zweites für allgemeine Probleme sensibilisieren, die später systematisch thematisiert werden.26
Die erste Geschichte stammt aus der Zeit kurz vor meinem Studienabschluss. Ich arbeitete ununterbrochen und glaubte Wissenschaft zu betreiben, während mein arbeitsloser Nachbar seine Zeit damit verbrachte, Alkohol zu trinken, fernzusehen und mit seinem Hund spazieren zu gehen. Eines Tages fragte er mich, was ich denn ← 28 | 29 → da überhaupt tue und warum. Die Frage war ernster gemeint als jene, was man denn mit dem Studium der Kunstgeschichte später anfangen wolle, auf die man sich über die Zeit hinweg Standardantworten zurechtgelegt hat, wie dass man diesen oder jenen Beruf – in der Schule, im Museum oder im Kunsthandel – ergreifen wolle. Da weiterhin klar war, dass mein Nachbar und viele andere ohne die Kunstgeschichte auskommen, gab ich eine bescheidene aber grundsätzliche Antwort, nämlich dass ich versuche, etwas Neues zu entdecken und dadurch etwas zu lernen, auch wenn es für andere nicht sonderlich relevant sein sollte. Dies, so dachte ich, wäre eine Leistung der kontinuierlichen wissenschaftlichen Arbeit, die sich dadurch vom immergleichen Alltag meines Nachbarn unterscheidet. Mein Triumph währte kurz, denn mein Nachbar entgegnete etwas enttäuscht, dass er auch täglich Neues erführe, indem er einfach die Zeitung aufschlägt oder aus dem Fenster schaut. Dann wisse er, welches Wetter herrscht und wie er sich für den Spaziergang mit seinem Hund präparieren muss. Die von mir gegebene Antwort war also unzureichend. Was blieb und bleibt ist die durchaus berechtigte Frage. Bemerkenswert dabei ist, dass dieses Problem innerhalb meines Studiums nicht verhandelt wurde, dass die Kunstgeschichte sich (mittlerweile) selbst und ihre Arbeitsweise als selbstverständlich voraussetzt.27 Es versteht sich, dass ich nicht für eine endgültige Beantwortung plädiere, die wohl eher ein Alibi wäre, sondern dafür, diese Frage permanent zur Diskussion zu stellen.
Das zweite Erlebnis fand zu Beginn meiner Promotion im „Forum Junge Kulturwissenschaft“, einem an der Universität Mainz bestehenden Zusammenschluss jüngerer Wissenschaftler aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, statt. Wir hatten vorbereitend einige philosophische Texte zur Phänomenologie gelesen, die nun diskutiert wurden, was vor allem die Nichtphilosophen vor Schwierigkeiten stellte. Irgendwie – vielleicht in der Absicht, das nächste Mal entsprechende Texte zu lesen – kam von Seiten der Philosophen die Frage an die Historiker auf, welche Theorien sie denn besäßen; leider wurde dabei nicht geklärt, was unter „Theorie“ zu verstehen ist. Wohl etwas eingeschüchtert durch die vorhergehende Besprechung von phänomenologischen Fragen, wurde mit Blick auf das eigene Arbeiten gesagt, dass sich die Geschichtswissenschaft nicht mit Theorien beschäftige, sondern an die Quellen halte. Damit ist letztendlich das von Springer geforderte Programm benannt (vgl. Kap. 1.1.a). Die sich daraus ergebende Frage besteht darin, welches Verhältnis zwischen Theorien und Werken oder Quellentexten besteht.
Eine ähnliche Problematik ergibt sich aus dem dritten Punkt, nämlich einem Gespräch, das ich etwas später mit einem Mittelalterhistoriker geführt habe. Während ich davon ausging, dass man jede Art von Text und vor allem wissenschaftliche Arbeiten mehrmals lesen müsse, vertrat er die These, dass dies nur für Primärquellen gelte. Wissenschaftliche Texte hingegen seien nur einmal zu lesen, und wenn man sie dann nicht verstehe, liege dies an undurchsichtigen Formulierungen dieser ← 29 | 30 → Texte.28 Da wir zu keiner Einigung gekommen sind, möchte ich rückblickend die Argumente der jeweiligen Seite genauer bestimmen, als es uns damals gelungen ist. Von mir hätte stark gemacht werden müssen, dass sich mit dem sich in der Zeit wandelnden Leser – er wird ja um- oder dazulernen – auch die Informationen, die man einem Text entnehmen kann, verändern. Dieser sehr dynamischen Sichtweise hätte mein Gesprächspartner entgegenhalten können, dass es damit schwierig bis unmöglich wird, auf andere Forschungen zu reagieren oder auf sie aufzubauen, sofern sich die darin enthaltenen Informationen wandeln. Bei seiner Herangehensweise ergibt sich dieses Problem nicht. Somit könnte hier die Frage lauten, wie man mit der Historizität des Interpreten umgeht.
In gewisser Weise mit der ersten Schilderung hängt das vierte Erlebnis zusammen, wobei ich hier genauer von Erlebnissen sprechen muss, da ich häufiger damit konfrontiert wurde. Herausragend war dabei ein Referat, das ich auf einer Tagung gehalten habe und gegenüber dem der Sektionsleiter eine Reihe von kritischen Einwänden vorgebracht hat. Da sich später nicht die Gelegenheit fand, diese Punkte mit ihm zu diskutieren, habe ich versucht, bei der Verschriftlichung darauf einzugehen und in diesem Zug dem Sektionsleiter mitgeteilt, dass ich hoffe, adäquat auf seine Kritik reagiert zu haben. Er schrieb mir daraufhin, dass seine Ausführungen gar nicht als Kritik gemeint waren, sondern dass er allein eine Diskussion anregen wollte. Dies verstand ich nicht, da ja gerade die Kritik mir weitergeholfen hatte und ich ihm entsprechend dankbar war, was ich ihm dann auch mitteilte. Damit war die Korrespondenz beendet. Allgemeiner gesprochen begegnet es oft, dass Kritik als etwas Negatives angesehen wird und man sie daher vermeidet. Man möchte dem anderen nicht zunahe treten, ihn nicht kränken. In Gesprächen, auf Tagungen, in Seminaren oder Kolloquien werden meist Verständnisfragen gestellt oder man gibt dem Referenten Hinweise, was vielleicht noch berücksichtigt werden könnte usw.29 Andererseits scheint mir gerade die Kritik für Klarheit zu sorgen, da bei einer solchen Auseinandersetzung gesagt werden muss, was genau man kritisiert und welche Alternativen man vorschlägt. Somit steht der Status der Kritik innerhalb der Wissenschaft zur Debatte.
Der fünfte und letzte Umstand, den ich ansprechen möchte, weist über die Erfahrung hinaus in Richtung Experiment. In jüngster Zeit, im Zuge des Fortschritts ← 30 | 31 → meiner Arbeit und getragen von den genannten Begebenheiten, habe ich, wo immer sich die Gelegenheit dazu bot, eine Variante des oben angestellten Versuchs durchgeführt, indem ich einzelne Personen oder Gruppen mit der Aussage Springers konfrontiert und nach deren Einschätzung gefragt habe (vgl. Kap. 1.1.a). Das Ergebnis war, dass selten Einwände erhoben wurden und wenn doch, so bezogen sich diese etwa darauf, dass eine „vollkommene Beherrschung der literarischen Quellen“ heutzutage nicht mehr möglich sei, da die Zahl der zugänglichen Quellen mittlerweile nicht mehr überschaut werden könne. Eine grundsätzliche Kritik wurde nie erhoben.
In einem ersten Schritt wurde der Leser zum Teil eines Experimentes, indem er mit einer Reihe weit verbreiteter aber meines Erachtens falscher oder unfruchtbarer Aussagen und Meinungen der Kunstgeschichte konfrontiert wurde. Dies habe ich dann als einen möglichen von drei Gründen für die Notwendigkeit der vorliegenden Arbeit aufgeschlüsselt. Als zweiter Grund wurden eigene Erfahrungen skizziert, um einige Probleme plastisch zu veranschaulichen. Der dritte Grund ergibt sich aus einer kritischen Antwort vor allem auf die im Experiment angeführten Behauptungen, die nun folgt.
„Die Logik der Forschung: das ist eine Verkettung größerer und kleinerer Schwierigkeiten, die einen in jedem Augenblick zum Nachdenken darüber zwingen, was man tut, und die es ermöglichen, immer besser zu wissen, was man sucht, indem sie ansatzweise Antworten liefern, die wieder neue, grundlegendere und klarere Fragen nach sich ziehen.“30
„Das ist fast schon Wissenschaft über die Wissenschaft und damit typisch jüdisches Denken.“31
In diesem Kapitel werden in einer losen Reihe zehn Thesen formuliert, mit dem Ziel, erstens die aufgestellte Behauptung, dass die zu Beginn angeführten Aussagen falsch oder unfruchtbar sind, zu erhärten und zweitens das Folgende vorzubereiten und zu strukturieren. Dabei wird darauf verzichtet, einen knappen Durchlauf durch die Arbeit zu geben, da sich ein solcher im Schlussteil findet (vgl. Kap. 8.2). Vielmehr soll es darum gehen, Probleme und Lösungen zu umreißen, mit denen sich dann ausführlich beschäftigt wird. ← 31 | 32 →
Die erste These lautet: Am Anfang und im Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit stehen Probleme.
Damit wird sich gegen die Ansicht gewehrt, dass man, in welcher Weise auch immer, von sicheren Grundlagen auszugehen hat, da ich keine Möglichkeit sehe, solche zu etablieren. Einer an den Anfang gestellten reinen Betrachtung des Werkes lässt sich entgegenhalten, dass man bereits vorab Kriterien festgelegt hat, nach was Ausschau gehalten wird. Dies hat Sedlmayr bereits angedeutet. Bei Frey heißt es entsprechend:
„Es kann keine Geschichtsbetrachtung geben, die nicht eine Geschichtsphilosophie voraussetzt, mag sie auch anonym bleiben. Man kann kein Bild beschreiben, nicht zwei Werke vergleichen, keine geschichtlichen Tatsachen herausheben, keine geschichtlichen Zusammenhänge aufstellen ohne ein bestimmtes Bezugssystem, ohne bestimmte Kategorien, ohne bestimmte Fragestellungen anzunehmen, mit Hinblick auf die man beschreibt, vergleicht, heraushebt, verknüpft. Jedes Beschreiben, Vergleichen, Herausheben, Verknüpfen beruht auf einem Auswählen von Merkmalen, da niemals alle Merkmale erfaßt werden können. Diese Auswahl setzt notwendig ein Auswahlprinzip voraus.
Es bleibt letzten Endes eine Angelegenheit ebenso der persönlichen Veranlagung wie der Arbeitsökonomie, wieweit der Einzelne sich dieser Voraussetzung bewußt zu werden versucht, wieweit er sie sich zum Problem erhebt, sie kritisch überprüft oder neu gestaltet. Es gibt Wissenschaftler, die mit intuitiver Sicherheit ihren Weg gehen, auch wenn er uneben und rauh ist, und solche, die sich ihre Straße erst sorgfältig bauen müssen.“32
Während ich den ersten Teil des Zitates für richtig halte, weist der zweite in eine falsche Richtung, da damit die Notwendigkeit einer Reflexion der „persönlichen Veranlagung“ anheimgestellt wird. Stellt man die Theorie oder Methode an den Anfang – nach Frey also den sorgfältigen Bau der Straße –, wie es in vielen kunsthistorischen Arbeiten geschieht, so lässt sich entgegnen, dass damit die Werke zu Beispielen degradiert werden, mit denen allein veranschaulicht wird, was bereits im Vorfeld feststeht und sich auch im Nachhinein nicht ändern wird.
Anders als Sedlmayr, der von „Grundproblemen“ spricht, die zu lösen sind, stelle ich Probleme im Allgemeinen ins Zentrum.33 Damit folge ich einerseits der Tradition Webers und andererseits jener von Popper. Ersterer sagt:
„Nicht die ‚sachlichen‘ Zusammenhänge der ‚Dinge‘, sondern die gedanklichen Zusammenhänge der Probleme liegen den Arbeitsgebieten der Wissenschaften zugrunde: wo mit neuer Methode einem neuen Problem nachgegangen wird und dadurch Wahrheiten entdeckt werden, welche neue bedeutsame Gesichtspunkte eröffnen, da entsteht eine neue ‚Wissenschaft‘.“34 ← 32 | 33 →
Könnte man nun meinen, dass auch hier von überzeitlichen und starren Problemen ausgegangen wird, so ist zu beachten, dass Weber den Fortschritt der Kulturwissenschaft damit erklärt, dass ihr der „ewig fortschreitende Fluß der Kultur stets neue Problemstellungen zuführt.“35
„Keins ist etwas anderes als der Versuch, auf Grund des jeweiligen Standes unseres Wissens und der uns jeweils zur Verfügung stehenden begrifflichen Gebilde, Ordnung in das Chaos derjenigen Tatsachen zu bringen, welche wir in den Kreis unseres Interesses jeweils einbezogen haben. Der Gedankenapparat, welchen die Vergangenheit durch denkende Bearbeitung, das heißt aber in Wahrheit: denkende Umbildung, der unmittelbar gegebenen Wirklichkeit und durch Einordnung in diejenigen Begriffe, die dem Stande ihrer Erkenntnis und der Richtung ihres Interesses entsprachen, entwickelt hat, steht in steter Auseinandersetzung mit dem, was wir an neuer Erkenntnis aus der Wirklichkeit gewinnen können und wollen. In diesem Kampf vollzieht sich der Fortschritt der kulturwissenschaftlichen Arbeit. Ihr Ergebnis ist ein steter Umbildungsprozeß jener Begriffe, in denen wir die Wirklichkeit zu erfassen suchen. Die Geschichte der Wissenschaften vom sozialen Leben ist und bleibt daher ein steter Wechsel zwischen dem Versuch, durch Begriffsbildung Tatsachen gedanklich zu ordnen, – der Auflösung der so gewonnenen Gedankenbilder durch Erweiterung und Verschiebung des wissenschaftlichen Horizontes, – und der Neubildung von Begriffen auf der so veränderten Grundlage. Nicht etwa das Fehlerhafte des Versuchs, Begriffssysteme überhaupt zu bilden, spricht sich darin aus: – eine jede Wissenschaft, auch die einfach darstellende Geschichte, arbeitet mit dem Begriffsvorrat ihrer Zeit –, sondern der Umstand kommt darin zum Ausdruck, daß in den Wissenschaften von der menschlichen Kultur die Bildung der Begriffe von der Stellung der Probleme abhängt, und daß diese letztere wandelbar ist mit dem Inhalt der Kultur selbst.“36
Bei dem in diesem Zitat anklingenden Aspekt des wissenschaftlichen Fortschritts durch die Auseinandersetzung mit dem Gedankenapparat der Vergangenheit und den aktuellen Problemkonstellationen, soll an dieser Stelle nur letzteres interessieren. Was genau soll man sich aber unter einem Problem vorstellen? Greifbar wird dies, wenn Weber davon spricht, dass die „spezifische Funktion der Wissenschaft“ darin besteht, „daß ihr das konventionell Selbstverständliche zum Problem wird.“37
Man kann also zusammenfassen, dass gerade jene Aspekte interessieren, die als selbstverständlich angesehen werden. Sie werden als Probleme formuliert. Diese wandeln sich im Laufe der Kultur und sind somit dynamisch. Ferner bilden sie einen Ausgangspunkt, indem sie dafür verantwortlich sind, worauf das Augenmerk gerichtet wird. So habe ich beispielsweise den Umgang mit Texten zum Problem erhoben, diese Frage also zum Anfang weiterer Überlegungen gemacht. ← 33 | 34 →
Drei weitere Aspekte von Webers Problembegriff seien genannt. Hänel hebt erstens dessen „disziplinenübergreifende Fassung als ‚hypothesenerzeugende Fragestellung‘ und ‚rahmengebende Projektion‘“ als fruchtbares Moment hervor.38 Dies leuchtet ein, da nicht damit zu rechnen ist, dass sich Probleme an disziplinäre Grenzen halten. Zweitens ist mit Oexle zu betonen, dass die mit dem Problembegriff einhergehende Konstruktionsarbeit kein willkürliches Wissen erzeugt, „sondern ein empirisch, durch historisches Material begründetes.“39 Schließlich wirft die Arbeit an Problemen immer „neue Fragen“ auf, sie reicht also „ins Indefinite.“40
Gleichwohl finden sich in der Auseinandersetzung mit Webers Konzeption Aussagen, die es zu präzisieren gilt. Am schwerwiegendsten scheint mir die behauptete „Ablehnung der korrespondenztheoretischen und adäquationstheoretischen Wahrheitskonzeption“ zu sein.41 Mit dieser korrespondiert der „enttäuschte Glaube an die Möglichkeit ‚wahrer‘ Erkenntnis, zumindest einer kontinuierlichen und ständig fortzusetzenden Annäherung an diese“.42 Hier droht meines Erachtens die Gefahr, einem radikalen Relativismus zu erliegen, da mit der Verabschiedung der Korrespondenztheorie der Wahrheit auch die Möglichkeit aufgegeben wird, über etwas zu sprechen und zu entscheiden, ob eine Aussage besser ist als eine andere. Es entsteht der Eindruck, sich mit Weber dem Forttreiben der Kultur überlassen zu können; ein Eindruck, der wohl von Hänel und Oexle nicht beabsichtig ist.
Um diese Aspekte zu klären, bestimme ich den Problembegriff noch von einer anderen Seite her, nämlich mit Popper, der sowohl eine Ausarbeitung der Korrespondenztheorie als auch einen adäquaten Wahrheitsbegriff bietet (vgl. Kap. 8.1). Ohne an dieser Stelle ins Detail zu gehen, hebe ich allein das grundsätzliche Schema von Popper hervor, mit dem er den wissenschaftlichen Prozess charakterisiert: „P1 → VT → FE → P2“. Dabei bedeutet P1 das „Problem“, VT die „vorläufige Theorie“ oder die „vorläufige Interpretation“, FE die „Fehlerelimination“ und P2 die „Problemsituation, die sich aus unserem ersten kritischen Versuch zur Lösung des Problems ergibt.“43 Somit wird auch hier deutlich, dass am Anfang keine sichere Grundlage, sondern ein Problem steht. Weiterhin kommt es zu keinem endgültigen Ergebnis, sondern zu einer veränderten Problemsituation. Und sofern diese in irgendeiner Weise besser ist als P1, kann von einem Fortschritt gesprochen werden.
Durch meine These, dass Problemen eine wesentliche Funktion im wissenschaftlichen Arbeiten zukommt, erhält auch der Titel der vorliegenden Arbeit an Kontur. Mit einer „produktiven Problemgeschichte“ ist das Anliegen einer umfassenden Reflexion in Bezug auf „architekturhistorische Deutungen“ verbunden. Es soll sich dabei von einer wissenschaftshistorischen Vorgehensweise abgesetzt werden, die die ← 34 | 35 → historischen Begebenheiten und Veränderungen allein zum Gegenstand der Untersuchung macht, ohne dabei die Relevanz für das eigene Tun, für die Gegenwart zu berücksichtigen.44 Sofern von Problemen gehandelt wird, ist dies nicht möglich. Von diesem Problembegriff aus, lassen sich die weiteren Thesen entwickeln.
b) 2. These: Theorie und Empirie
Die zweite These lautet: In der Wissenschaft herrscht zwischen Theorie und Empirie ein relationales Verhältnis.
Oexle spricht von der „historischen Erkenntnis als einer empirisch gestützten Hypothesenerkenntnis“.45 Anschaulicher gewendet bedeutet dies die „Verknüpfung einer umfassenden Empirie mit der transzendentalen, das heißt die Bedingungen der Möglichkeit empirischer Erkenntnis darlegenden Reflexion des erkennenden Subjekts.“46
Näher an die Kunstgeschichte gerückt, wird die These deutlich, wenn man Springers Angaben zur Grundlage der Kunstgeschichte als Anhaltspunkt wählt.47 Dieser gibt diesbezüglich einerseits die „Kenntnis der Monumente“ samt einer „Fähigkeit, dieselben ästhetisch und historisch zu deuten“, und andererseits die „vollkommene Beherrschung der literarischen Quellen“ an. Monumente und Textquellen können der Empirie zugerechnet werden. Unbestimmt bleibt die Fähigkeit zur Deutung der Monumente, die in Richtung Theorie weist, jedoch keinen eigenen Punkt darstellt, so dass eindeutig die Empirie im Mittelpunkt steht.48 Dieser Sichtweise kann eine Aussage von Wind zur Bibliothek Warburg entgegengestellt werden: ← 35 | 36 →
„Da scheint es meine nächstliegende Pflicht zu sein, das Verhältnis von Ästhetik und Kulturwissenschaft, wie es in dieser Bibliothek verstanden wird, klarzulegen. Ich möchte zu diesem Zweck an die Wandlung, die das Verhältnis von Kunst- und Kulturgeschichte in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, anknüpfen und an einige Tatsachen aus der Geschichte dieser Wandlung, die Ihnen allen bekannt sind, darlegen, wie die wissenschaftliche Entwicklung dazu gedrängt hat, das Problem aufzuwerfen, zu dessen Bearbeitung die Bibliothek die Materialien bereitzustellen und das begriffliche Rüstzeug auszubilden sucht.“49
Wichtig ist allein der Schluss des Zitates. Auch Wind geht von einem „Problem“ aus, für dessen Bearbeitung „Materialien“ und „begriffliche[s] Rüstzeug“ notwendig sind. Damit findet eine Modifikation und Präzisierung von Springer statt, die sich folgendermaßen veranschaulichen lässt:
Wenn man nun, wie viele von mir Befragte sowie Ullmann und Binding, Springers Konzeption zur Grundlage der Kunstgeschichte macht, dann zeigt meine Gegenüberstellung mit Wind, dass Springers Forderung erstens diffus ist, da nicht klar wird, welcher Status den Fähigkeiten zur ästhetischen und historischen Deutung zukommt, und zweitens in der Luft hängt, da seine Unterscheidung allein eine Unterscheidung der Materialien ist. Von hier führt kein Weg zur Begriffsarbeit und somit zur Behandlung von Problemen. Kurz: Eine solche Überlegung scheitert meines Erachtens grundsätzlich an ihrer Einseitigkeit.
Ich skizziere dieses Verhältnis von Theorie und Empirie noch von einer geschichtswissenschaftlichen Seite, indem kurz auf Loetz eingegangen wird. Diese ← 36 | 37 → gibt klar das Anliegen und Manko ihrer Darlegungen an: „Es geht darum, den Arbeitsprozeß historischer Erkenntnis zu erläutern, nicht deren geschichtstheoretische Prämissen zu diskutieren.“50 Auch der „Standortgebundenheit“ wird nicht genauer nachgegangen.51 Gleichwohl sind ihre Ausführungen hilfreich. Zur Verdeutlichung wird folgendes Diagramm angeführt:
Dies lässt sich dahingehend aufschlüsseln, dass bei einer rein empirischen Arbeit implizit Theorieelemente enthalten sind, die im wissenschaftlichen Arbeiten explizit gemacht werden müssen (1). Wird ohne Empirie vorgegangen, so entzieht sich die Theorie der Prüfbarkeit (2). Ebenfalls genügen ein bedingtes Theorieinteresse sowie eine bloße Etikettierung nicht (3a/b). Daher fordert Loetz eine „dialektische Wechselbeziehung“ von Theorie und Empirie.53
Was Loetz als „dialektische Wechselbeziehung“ bezeichnet, nenne ich relationales Verhältnis. Weiterhin verdeutlicht das Diagramm, dass die Forschung ein dynamischer und ins Unendliche reichender Prozess ist, dabei aber nicht ins Willkürliche gerät, da sich die einzelnen Schritte genau angeben lassen. Die Relationalität beschränkt sich nicht auf das Verhältnis von Theorie und Empirie, sondern lässt sich auch auf Beziehungen wie Teil und Ganzes, Individuum und Gesellschaft usw. ausdehnen. Somit könnte man die These dahingehen modifizieren, dass sie lautet: In der Wissenschaft herrschen relationale Verhältnisse.
Um diese Problematik weiter zu verdeutlichen, werde ich kurz auf eine Konzeption eingehen, die der allein die Empirie betonenden Springers entgegensteht. Diese findet sich bei Seippel, der Folgendes zu bedenken gibt:
„Auf Grund des Fehlens von eigenständigen, nur für die Architektur und deren Interpretation entwickelten Modellen kommen auch dort die oben skizzierten Interpretationsmodelle vorrangig zur Anwendung. Erst durch die Anwendung werden Methoden ← 38 | 39 → von allgemeinen Modellen zu gattungs- und werkspeziellen der kunsthistorischen Interpretation, ohne allerdings ihre übergreifende Grundlage zu verlieren. In diesem Fall sind die Methoden innerhalb der jeweiligen Anwendung und auf der Folie der jeweiligen Werke zu untersuchen. Innerhalb der Werkinterpretation wiederum gelangen die erwähnten Methoden und Ansätze allerdings in den seltensten Fällen in den hier darzulegenden reinen Formen zur Anwendung als vielmehr in Mischformen bei Betonung der jeweils einen oder anderen. Ausgangspunkt einer Methodenanalyse können aber nicht diese, in der jeweiligen spezifisch gebundenen Interpretation erscheinenden Mischformen sein, sondern muß die ursprüngliche, zumeist zweckfrei skizzierte Methode oder der Ansatz sein, welche auf der Grundlage bestimmter Fragestellungen […] entwickelt wurden.“54
Seippel unterscheidet klar zwischen der Anwendung von Methoden auf der einen und deren Reinform auf der anderen Seite. Allein letzterer möchte er sich widmen. Damit bewegt er sich bewusst auf einer allgemeinen Ebene, wobei der Bezug zur Werkinterpretation aufgelöst ist. Seippels Arbeit wurde von der Forschung wenig wahrgenommen, was sich entweder dadurch erklären lässt, dass sie schlicht übersehen wurde, oder eben dadurch, dass er keinen Weg zu den Werken bietet.55 Die hier gebotene Vorstellung von Methode und Anwendung ist also ungenügend (vgl. Kap. 8.2.1.e).
Um diesem Problem entgegenzuwirken, schlage ich vor, die beiden von Seippel herausgestellten Seiten als Pole aufzufassen, die in einer relationalen Beziehung zueinander stehen. Das Entweder-Oder wird also ersetzt durch eine Abstufung von Allgemeinheitsgraden, wobei das jeweilige Extrem – sei es die Reinform der Methode oder die Interpretation eines Einzelwerkes beziehungsweise in meiner Begrifflichkeit Theorie oder Empirie – nie erreicht wird. Je allgemeiner eine Aussage ist, desto näher steht sie der reinen Methode, und andersherum. Damit dürfte erreicht werden, dass das Vorgehen an Tragfähigkeit gewinnt, da es sowohl für die Begriffsarbeit als auch die Arbeit am empirischen Material offen ist.
c) 3. These: Kultur als Orientierung
Die dritte These lautet: Die Kunstgeschichte kann sich produktiv am Leitbegriff der Kultur orientieren.
Da ich den allgemeinen Stellenwert von Problemen betont habe und Probleme nicht an Disziplingrenzen gebunden sind, ist es sinnvoll, die Kunstgeschichte am Begriff der Kultur auszurichten. Dies wird gleichsam dadurch gestärkt, dass jene Autoren, mit denen hier argumentiert wurde, ebenfalls von Kulturwissenschaft oder Kulturgeschichte sprechen.
In einem bekannten Einführungsband in die Kunstgeschichte stellt Dilly einleitend folgende Frage: ← 39 | 40 →
„Muss ein kleines Fachgebiet [wie die Kunstgeschichte; C.N.] überhaupt eine eigene Theorie entwickeln? Wäre es nicht der Sachlage angemessener, wenn die erstrebte Theoretisierung im Kontext einer sich entwickelnden Theorie der Wissenschaften vom Menschen, der Kultur oder auch des Bildes erreicht würde?“56
Von den drei genannten Optionen werde ich die Kultur in den Mittelpunkt rücken, ohne dabei die beiden anderen Möglichkeiten völlig auszublenden.
Eine solche Umstellung von der Kunst auf die Kultur kann sich nicht damit begnügen, das eine oder andere Element aus der Kulturwissenschaft zu übernehmen, um dann doch wieder in die eigene Disziplin zurückzukehren, wie dies Albrecht tut – wenngleich auch ein solches Vorgehen durchaus produktive Seiten hat –, oder einfach von Kultur zu sprechen. Vielmehr muss ein Weg gefunden werden, der eine Kulturwissenschaft ernst nimmt und dabei die disziplinären Kompetenzen gewinnbringend einbringt. In der aktuellen Diskussion um die Kulturwissenschaft ist die Kunstgeschichte wenig vertreten.57
Die vierte These lautet: Wissenschaft ist radikal reflexiv.
Weber spricht davon, dass Selbstverständlichkeiten zum Problem erhoben werden. Damit ist ein genuines Merkmal der Wissenschaft benannt, nämlich reflexiv vorzugehen, Selbstverständlichkeiten in den Modus der Reflexion zu überführen. Gumbrecht gibt als Aufgabe der Wissenschaft vor, „die Komplexität der Probleme [zu] steigern, mit denen die moderne Zivilisation konfrontiert ist.“58 Ausführlicher antwortet er auf diese Frage:
„Die beste mir bekannte Antwort liegt in einem (bezeichnenderweise?) selten ins Gespräch gebrachten Gedanken von Niklas Luhmann. Er hat sich die Universität als ein soziales System ‚zweiter Ordnung‘ vorgestellt, als ein System, dessen spezifische Aufgabe – im Gegensatz zur Umweltkomplexitätsreduktion aller anderen sozialen Systeme – gerade in der Produktion von Komplexität liegen sollte. Anders gesagt: Spezialisten der Praxis finden Lösungen und reduzieren so Komplexität, während es das neue Selbstverständnis der Universität und der Intellektuellen werden könnte, potentielle Alternativen und Gegenmodelle zu den je institutionalisierten Weltdeutungen und Praxisformen zu produzieren, ‚auf Vorrat‘ sozusagen und orientiert am Prinzip des ‚gegenintuitiven‘ Denkens.“59 ← 40 | 41 →
Ohne näher auf einige Probleme in Gumbrechts Aussage einzugehen,60 wird darin prägnant herausgestellt, worin sich die Wissenschaft von der Praxis unterscheidet. Man könnte geradezu von einem soziologischen Abgrenzungskriterium sprechen. Die Komplexitätssteigerung ist ein anderer Ausdruck – oder, wenn man so will die Folge – eines radikal reflexiven Vorgehens.
In den nächsten vier Thesen werde ich die Art der Reflexivität genauer differenzieren und zusammenfassen, wobei ich statt von Wissenschaft von Kulturwissenschaft sprechen werde, um das von mir betriebene Vorgehen genauer zu bezeichnen.
e) 5. These: Ebenen der Reflexivität
Die fünfte These lautet: Kulturwissenschaftliches Arbeiten verlangt nach umfassender Reflexivität auf verschiedenen Ebenen.
Mit Gumbrecht wurde eine Unterscheidung getroffen zwischen Wissenschaft und Praxis. Dabei wurde, in tendenziell soziologischer Ausrichtung, jedem Bereich eine eigene Art des Umgangs mit der Welt zugesprochen. Etwas Ähnliches wird auch von Flaig angegeben, wenn er das „massenmediale Feld“ vom „wissenschaftliche[n] Feld“ abgrenzt:
„Das massenmediale Feld unterscheidet sich fundamental vom wissenschaftlichen. Innerhalb des massenmedialen Feldes gilt das Gesetz, ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erringen; darum stehen alle Massenmedien unter dem Zwang zur Produktion von Sensationen. […] Werfen wir einen Seitenblick auf das wissenschaftliche Feld: Dort herrscht ein gleicher Zwang, nämlich der Zwang zu ständigen Innovationen, zu unablässig originalen Leistungen. […] Allerdings hat die Wissenschaft ein entscheidendes Korrektiv: Ihre Leitidee ist die Wahrheit; und ihr internes Kontrollinstrument ist die kritische Prüfung der Innovationen entlang von Wahrheitsregeln. […] Die Wahrheit ist keine Leitidee des medialen Feldes und kann es auch niemals sein.“61
Neben diese wissenschaftssoziologische Bestimmung von Wissenschaft, der noch viele weitere Elemente hinzugefügt werden könnten, lässt sich eine wissenschaftstheoretische Bestimmung stellen, die bei Flaig mit der Leitidee der Wahrheit – im Gegensatz zu Gumbrechts „Prinzip des ‚gegenintuitiven‘ Denkens“ – angedeutet ist. Dort muss etwa geklärt werden, ob man eine positivistische, eine historistische, eine konstruktivistische usw. Auffassung von Wissenschaft vertritt. Da solche Schlagwörter meist eher irreführend sind, sei an die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Empirie erinnert. Bei Springers Fokussierung auf die Monumente und Dokumente wirken Theoriediskussionen fremdartig oder unnötig, wohingegen bei einer Orientierung an Problemen eine relationale Bestimmung notwendig wird. ← 41 | 42 →
Auf die wie auch immer geartete Konzeption von Wissenschaft folgt auf der nächsten Ebene, innerhalb der Wissenschaft, die Frage, wie man Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften versteht. Es bedeutet einen erheblichen Unterschied, ob man die Bereiche eher trennt, wie Gadamer,62 oder ob man ihre Gemeinsamkeiten betont, wie Popper (vgl. Kap. 8.1). Wie beispielsweise in der Geisteswissenschaft über die Naturwissenschaft gedacht wird, hat mitunter gewaltige Auswirkungen auf die eigene Arbeit, auch wenn dies oft nicht bewusst ist.63 Und eben eine Überführung vom Unbewussten in die Reflexivität ist geboten.
Im Bereich der Geisteswissenschaften ergibt sich die nächste Untergliederung etwa in Sozialwissenschaften, Philologien und historische Disziplinen. Unter letztere lässt sich die Kunstgeschichte einordnen, falls sie historisch ausgerichtet ist; bei einer Akzentuierung des Werkes dürfte sie Richtung Philologie tendieren. Diesen disziplinären Bezügen wird in der folgenden These weiter nachgegangen.
Auch innerhalb der Kunstgeschichte ergeben sich weitere Unterklassen sowohl in Bezug auf Epochen als auch auf Gattungen. In der vorliegenden Arbeit werden vor allem Überlegungen zur mittelalterlichen Architektur interessieren. Doch weist der Titel bereits darauf hin, dass neben der „Kathedrale“ eben auch die „Kunstgeschichte“ und die „Kulturwissenschaft“ berücksichtigt werden. Das Ausgeführte kann in folgendem Diagramm zusammengefasst werden:
Details
- Seiten
- 870
- ISBN (PDF)
- 9783653069402
- ISBN (MOBI)
- 9783653956856
- ISBN (ePUB)
- 9783653956863
- ISBN (Paperback)
- 9783631676080
- DOI
- 10.3726/978-3-653-06940-2
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2016 (August)
- Schlagworte
- Gotische Architektur Gotik Wissenschaftsgeschichte Architekturinterpretation
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 210 S., 3 s/w Abb.