Carl Spitteler – Essays zu Leben, Werk und Wirkung
Zusammenfassung
Der Band bietet zu allen wichtigen Texten Spittelers Informationen: angefangen von seinem frühen Epos «Prometheus und Epimetheus» über den «Olympischen Frühling», «Gotthard» und «Imago» bis zu den spät geschriebenen Kindheitserinnerungen. Auch seine Wirkung und der Fall Jonas Fränkel werden beleuchtet. Im Anhang schliesslich findet man ein Biogramm des Dichters, Stimmen zu ihm und seinem Werk, sowie eine Bibliographie inklusive der wichtigsten Websites und Archive, in denen Material zu Spitteler lagert.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Ein ungestümes Leben – ein Blick auf Leben und Werk von Carl Spitteler
- Der Lebensernte Speicher ist das Grab! – Zur Wirkung von Spitteler
- Vom Mütterland da komm ich her – eine Spurensuche im Werk von Spitteler
- Je näher man einen Ort ansieht, desto ferner sieht er zurück oder Was ist Heimat?
- Diesseits vom Gotthard
- Carl Spitteler und der Literaturnobelpreis
- Der Fall Fränkel
- Anhang
- Leben und Werk
- Stimmen zu Carl Spitteler
- Bibliographie
- Bildnachweise
- Nachweis der Erstdrucke
- Danksagung
«Die Rezeption von Spittelers epischem Werk ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts stark rückläufig».1 Dem Historischen Lexikon der Schweiz kann man leider nur zustimmen – mit dem Zusatz, dass auch seine Gedichte heute immer weniger gelesen werden und seine Dramatik nie erfolgreich war. Und so fehlen bis anhin eine historisch-kritische Ausgabe seiner Werke (was es gab, ist die Ausgabe der «Gesammelten Werke» [= GW] von 1945–1958; darin fehlen aber wichtige Texte wie etwa «Das Wettfasten von Heimligen», Artikel aus seiner Zeit als Redaktor, die meisten dramatischen Werke oder Briefe2; dazu bringt sie nicht sämtliche Varianten und Textstufen, manchmal kürzt sie sogar mutwillig3), eine neuere ausführliche Bibliographie, ein Briefauswahlband, ein Bild- und Materialienband, der sein ganzes Leben veranschaulichte, oder eine Sammlung der wichtigsten Sekundärtexte.4 Damit fehlen die allgemein üblichen Grundlagen für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Spitteler. Man kann bloss auf die Biographie von Werner Stauffacher aus dem Jahr 1973 zurückgreifen (obwohl sie gegenüber Spittelers engem Freund und designierten Nachlassverwalter, Jonas Fränkel, und an anderen Stellen teilweise etwas tendenziös ist).
Immerhin kennt man Spitteler meist einer Sache wegen aber doch noch, zumindest in der Schweiz; dazu wieder das Historische Lexikon der Schweiz: «Unvergessen bleibt seine Rede vom Dezember 1914 mit ← 9 | 10 → dem Titel ‹Unser Schweizer Standpunkt›, mit der er sich zu Beginn des 1. Weltkriegs staatsmännisch zugunsten der Einheit der neutralen Schweiz einsetzte». Zusätzlich wird er immer erwähnt, wenn es um die Literaturnobelpreisträger geht (Spitteler hat ihn 1920 für das Jahr 1919 erhalten) oder ab und zu ausgegraben, wenn es um ‹vergessene Autoren› geht.
Doch Spitteler war einmal hochgeachtet: Er hat Nietzsche beeinflusst5 (typisch für seine Rezeptionsgeschichte ist es vielleicht, dass ihm das später teilweise abgesprochen und die umgekehrte Beeinflussung zu belegen versucht wurde), er hat Ehrentitel erhalten, sein Bild konnte man auf Briefmarken kaufen, Strassen wurden nach ihm benannt und noch 1945, als es zahlreiche Feiern für Spitteler gab, wiederholte Jonas Fränkel ein zwar älteres, aber damals für viele Zeitgenossen immer noch aktuelles Lob über den Dichter in seinem Buch «Huldigungen und Begegnungen»: «Carl Spitteler ist heute kein Unbekannter mehr. Dass sein Olympischer Frühling heute nicht seinesgleichen hat, verkünden auch jüngere Dichter, die in der Spitteler verhassten Moderne gross geworden sind. Im letzten Drittel des Jahrhunderts, meint [der Dichter] Dehmel, ist nicht eine Bühnendichtung entstanden, die sich an originellem Pathos mit den lyrisch-epischen Höhepunkten in Spittelers Olympischen Frühling … messen dürfte. Und Dehmel steht mit diesem Urteil nicht allein. Manchen ist Spitteler heute der heimliche Kaiser. An solchem Dichter mäkelt man nicht, sondern bekennt, was er einem war und ist».6 – Heute mäkelt allerdings niemand mehr gross über Spitteler … denn es redet, mit den oben erwähnten Ausnahmen, fast gar niemand mehr über ihn.
Dieser Abstieg lässt sich an Lexika beobachten, zum Beispiel im bereits erwähnten Historischen Lexikon der Schweiz (2002ff.) beziehungsweise seinem Vorgänger, dem Historisch-Biographischen Lexikon der Schweiz (1921ff.). Während im früheren noch 15 Werke Carl Spittelers mit ihrem Titel explizit auftauchen, sind es in der neuen Variante gerade noch vier Werke.
Dieses Bild bestätigt sich auch in anderen Nachschlagewerken: In weniger umfangreichen sowie in exklusiveren Nachschlagewerken (wo ← 10 | 11 → zwar jedem Autor viel Platz eingeräumt wird, aber nur eine Auswahl von Autoren überhaupt vertreten ist), fehlt Spitteler fast durchgehend. Nur in fast allumfassenden Lexika oder zumindest ausführlichen findet man ihn, wie etwa im «Kindler», im «Killy» oder im «Wilpert».7 Aber darin steht er, wie in spezifisch Schweizerischen Nachschlagewerken, meist nur, weil er den Literaturnobelpreis gewonnen hat oder wegen der Rede «Unser Schweizer Standpunkt». So etwa im «Lexikon der Schweizer Literaturen», wo sogar ein langes Zitat aus der erwähnten Rede abgedruckt ist oder in der Literaturschau «Die vier Literaturen der Schweiz», wo wieder vor allem der Nobelpreis (für sein Hauptwerk) und die Rede als wichtig erachtet werden.8
Weil wegen dieser zwei Anlässe – Rede und Nobelpreis – zwar immer mal wieder über Spitteler geschrieben wird, aber dies nur auf Basis eines sehr dürftigen Informationsstandes geschieht, soll dieses Buch eine breitere Basis bieten. Es liefert Spitteler-Einsteigern grundlegende Informationen über diesen Autor, und den Fachleuten trägt es Daten und Fakten zusammen, die noch nie gebündelt erhältlich waren. Aufgebaut ist das Buch nach dem Prinzip ‹Leben, Werk und Wirkung›.
Die ersten zwei Texte bieten einen langen beziehungsweise kurzen Überblick über das Leben von Carl Spitteler. Während sich der längere eher auf das Werk konzentriert, betont der kürzere die Wirkung des Dichters. In diesen Texten werden auch seine beiden (oder drei; je nach Zählung) Epen behandelt: «Prometheus und Epimetheus» (1880/1881), «Olympischer Frühling» (1900–1905; neue Fassung 1909) und die Umarbeitung des Erstlings in «Prometheus der Dulder» (1924). Der dritte Text behandelt Spittelers Verhältnis zu Frauen beziehungsweise die Frauen in seinem Werk. Hier wird auch der heutzutage lesbarste Text Spittelers näher betrachtet, der am modernsten wirkt: «Imago» (1906). Danach kann man sich über Spittelers Kindheitstexte informieren, also jene merkwürdigen Erinnerungen, die in eine so frühe Phase seines Lebens zurückreichen, wie es neuropsychologisch nur in Ausnahmefällen möglich ist (bewusste Erinnerungen sind aufgrund von Entwicklungsabläufen normalerweise erst ab dem Alter von circa drei Jahren ← 11 | 12 → existent; bei Spitteler reichen sie weiter zurück). Es folgt ein Text über sein Gotthard-Buch, das er für die Bahngesellschaft verfasst hat und das sich ebenfalls eine bestimmte Modernität bis heute bewahrt hat. Es schliessen sich zwei Essays zu seiner Wirkung an: Der zweitletzte Text trägt alle verfügbaren Informationen zusammen, auch aus allen Archiven, die zur Vergabe des Literaturnobelpreises an Carl Spitteler noch zu finden sind. Der letzte Text behandelt das tragische Schicksal des eng mit dem Dichter befreundeten Literaturwissenschaftlers, Jonas Fränkel. Denn dessen Schicksal steht in engem Zusammenhang mit der Überlieferung der Texte von Carl Spitteler, insbesondere der unvollständigen Ausgabe der «Gesammelten Werke» und dem Fehlen einer umfassenden wissenschaftlich fundierten Biographie.
Damit sind alle wichtigen Texte von Carl Spitteler vertreten – nicht alle gleich streng wissenschaftlich behandelt, denn manchmal kommt man näher an die Texte heran, wenn man einen etwas ungewöhnlicheren Weg geht … Im Anhang schliesslich findet die Leserin und der Leser eine Zusammentragung der Lebensdaten und Veröffentlichungen des Dichters, Stimmen zu ihm und seinem Werk, sowie eine Bibliographie inklusive der wichtigsten Websites und Archive, in denen Material zu Spitteler lagert. So werden im hier vorliegenden Band alle wichtigen Bücher, Veröffentlichungen und die Wirkungen dieses Autors abgedeckt –: Dabei wird das Werk, für das Spitteler am bekanntesten geblieben ist, die Rede «Unser Schweizer Standpunkt» vor der Neuen Helvetischen Gesellschaft am 14. Dezember 1914, mit der sich Carl Spitteler in deutlicher Abgrenzung vom deutschen Nationalismus und von Deutschland begeisterten Kreisen in der Deutschschweiz (die Westschweiz war eher für Frankreich) für eine unbedingte Neutralität der Schweiz einsetzte und damit für ihren Zusammenhalt, in Bezug auf ihre Rezeption und Wirkung bewusst knapp behandelt. Dafür gibt es vor allem einen Grund: Es ist zwar unbestritten, dass die Rede am Ende des ersten Kriegsjahres 1914 für die Schweiz und ihre Beziehungen zu Frankreich und Deutschland wichtig war. Aber wie es ganz genau zu dieser Bedeutung kam, ob sie wirklich zuerst in der Schweiz so wahrgenommen wurde (kurz nach dem Auftritt wollten nur sehr wenige Zeitungen die Rede abdrucken), oder eher – da allerdings negativ – in ← 12 | 13 → Deutschland9, was dann auf die Schweiz rückwirkte, ist bisher nie ganz sauber analysiert worden. Es ist auch wenig bekannt, dass Spitteler sich ursprünglich zur Rede entschloss, weil sein «Prometheus und Epimetheus» zur Rechtfertigung eines antidemokratischen, elitären Denkens in Deutschland missbraucht worden war – also eigentlich eher ein privater Grund den Anlass gab. Zudem hatte Spitteler schon in den Monaten zuvor versucht, sich öffentlich für eine Abgrenzung von Deutschland einzusetzen (mittels Zeitungsartikeln, die jedoch alle abgelehnt wurden), etwa während des ‹Fall Hodlers› (Ferdinand Hodler hatte gegen das deutsche Bombardement der Kathedrale von Reims protestiert, was in Deutschland ebenfalls Kritik aufkommen liess). Doch da blieb er noch ohne Echo, in der Schweiz wie auch in Deutschland. Erst die Rede beziehungsweise eben ihre Empörungswirkung in Deutschland haben daher vielleicht die Wirkung in der Schweiz erzielt. Aber auch da gilt: Ob sie 1914/1915 wirklich schon als derart wichtig betrachtet wurde wie in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg oder vor allem vor dem Zweiten Weltkrieg, ist wiederum bisher nicht akribisch zusammengetragen worden. Diese Arbeiten und Analysen hätten jedoch die zur Verfügung stehenden Ressourcen überstiegen und auch den Rahmen dieser Textsammlung gesprengt.
Details
- Seiten
- 157
- Erscheinungsjahr
- 2017
- ISBN (PDF)
- 9783034325554
- ISBN (ePUB)
- 9783034325561
- ISBN (MOBI)
- 9783034325578
- ISBN (Paperback)
- 9783034324656
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2017 (Januar)
- Schlagworte
- Carl Spitteler Literaturwissenschaft Literaturnobelpreis
- Erschienen
- Bern, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 157 S., 11 farb. Abb., 1 s/w Abb.