«Ritt über’n Bodensee» – Erinnerungen einer Schauspielerin
Von Lilly Kann
Zusammenfassung
Ein wichtiger Aspekt ihrer Aufzeichnungen ist der Vergleich zwischen den deutschen und englischen Theaterverhältnissen, einschliesslich der unterschiedlichen Art des Theaterspielens. Ihr mitreißender Lebensbericht stellt einen Schlüsseltext zum Theater im Exil dar.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhalt
- Danksagung
- Einführung
- Der Ritt über’n Bodensee: Erinnerungen einer Schauspielerin von Lilly Kann
- Kurzbiographien einiger im Text erwähnten Theaterpersönlichkeiten
- Reihenübersicht
Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Memoiren von Lilly Kann danken wir Kanns Enkelin Rachel Ormerod, die uns während der Durchführung des Projekts mit Rat und Hilfe beigestanden hat. Auch der verstorbenen Freundin von Lilly Kann, Hannah Norbert-Miller, die vor einigen Jahren die Memoiren auf Tonband aufnahm, sind wir zu Dank verpflichtet. Für weitere Unterstützung und Hilfe danken wir Dr. Clare George, Project Archivist am Martin and Hannah Norbert-Miller Archive, Institute of Modern Languages Research, sowie Dr. Marietta Bearman und Dr. Felicitas Starr-Egger.
Besonderer Dank gebührt dem Martin und Hannah Norbert-Miller Trust, London für seine freundliche finanzielle Unterstützung. ← 7 | 8 →
Wer war Lilly Kann? Ihr Name ist heute kaum noch bekannt, weder in ihrem Geburtsland Deutschland noch in ihrer Wahlheimat Großbritannien, was ohne Zweifel auf die Spaltung in ihrer Bühnenkarriere, die sich in zwei Ländern abspielte, zurückzuführen ist. Geboren wurde sie 1893 in der deutschen Kleinstadt Kempen in Posen, nahe der damaligen deutsch-polnischen Grenze, aber die Familie zog nach Berlin um, als Lilly sechs Jahre alt war. Als sie acht Jahre war, starb ihre Mutter, gefolgt drei Jahre später von ihrem Vater. In der Schule, die sie zu dieser Zeit „meine eigentliche Heimat“ nennt, war sie von Anfang an für ihr schauspielerisches Talent bekannt. Auch als junges Mädchen wusste sie, dass sie zur Bühne gehen wollte, ja musste; denn ein Leben ohne die Bühne war ja für sie überhaupt kein Leben. So leicht fiel es ihr jedoch nicht, dieses glühende Begehren in die Tat umzusetzen.
Das Erstaunliche an Kanns Bühnenkarriere ist, dass sie überhaupt zustande kam. Ihr Lebensbericht resümiert die großen praktischen und persönlichen Schwierigkeiten, die sie überwinden musste, um zur Bühne zu kommen. Sie nennt ihre Karriere schlicht „ein Hindernisrennen“, und in diesem Sinne ist auch der Titel ihrer Memoiren zu verstehen. Als „Ritt über den Bodensee“ wird eine kühne Tat bezeichnet, bei der dem Akteur erst später bewusst wird, wie riskant das Unternehmen war.
Einerseits war Lilly Kann für die Bühne kaum geeignet. Das größte „Hindernis“ war ihre persönliche Erscheinung: Sie zweifelte manchmal selbst aufgrund einer schweren körperlichen Behinderung an der Möglichkeit einer Bühnenkarriere. „Wahrscheinlich war es die Tatsache, daβ ich nicht schön war, daβ ich keine Bühnenfigur hatte und auβerdem ein Glasauge.“ Infolge einer Kinderkrankheit (wahrscheinlich Meningitis) hatte sie die Sehkraft im linken Auge verloren, das auch atrophierte und viel kleiner wurde als das rechte. Durch die Glasschale, die sie über dem Auge trug, ← 9 | 10 → war ihre Erscheinung stark beeinträchtigt. Aber sie muss sich ihres schauspielerischen Talents ziemlich sicher gewesen sein, denn vor jedem neuen Engagement machte sie wiederholte Angebote an verschiedene Theater, zum Vorsprechen zu kommen.
Lilly Kanns Bericht über eine mehr als 60 Jahre währende Bühnenlaufbahn (ihr letzter Auftritt fand 1973 im Londoner Goethe-Institut statt) besteht aus drei Etappen, die sich beinahe wie drei verschiedene Karrieren lesen lassen: eine auf der deutschen Bühne des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, eine andere auf der englischen Bühne der Kriegs- und Nachkriegszeit und dazwischen eine dritte im Theater des Jüdischen Kulturbundes in Nazi-Deutschland. Diese „Zwischenzeit“ dauerte immerhin sechs Jahre, länger als jedes andere Engagement ihrer vorangegangenen Karriere.
Ihre Aufzeichnungen zum Theater der Kaiserzeit und danach der Weimarer Republik sind ein Bericht aus längst vergangenen (und teils vergessenen) Zeiten, in dem eine Reihe einst bekannter und berühmter TheaterkünstlerInnen vorgestellt werden, wie etwa Friedrich Lindner, „der Mann mit der schönsten Stimme der Welt“, der einst ihr Backfischschwarm war und mit dem sie später am Dresdner Stadttheater auftreten konnte. Bereits in ihrem ersten Engagement in Bonn spielte sie zusammen mit Emil Jannings, der später als Filmschauspieler zum international anerkannten Star wurde. In Düsseldorf lernte sie gegen Ende der 20er Jahre die junge Anfängerin Luise Rainer kennen, die auf Wunsch ihrer Eltern Kann aufsuchte, um ihr vorzusprechen. Schnell erfolgreich auf der deutschen Bühne, ging Rainer nach wenigen Jahren nach Hollywood, wo sie zwei Jahre nacheinander den Oskar als beste Hauptdarstellerin gewann.
Kann schildert auch das sonderbare Leben des Schauspielers damals in Deutschland, das sich wiederholt in einem in sich abgeschlossenen Personenkreis abspielte. Jedes Engagement „warf einen für ein, zwei Jahre, aber auch manchmal länger, in einen engen Kreis: das Ensemble eines Theaters. Dort lebt – und oft liebt – man oder haβt man; es ist wie eine groβe Familie. Dann geht man auf ein anderes Theater wie auf einen anderen Planeten.“
Details
- Seiten
- 135
- Erscheinungsjahr
- 2017
- ISBN (PDF)
- 9783034325943
- ISBN (ePUB)
- 9783034326100
- ISBN (MOBI)
- 9783034326117
- ISBN (Paperback)
- 9783034325936
- DOI
- 10.3726/978-3-0343-2594-3
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2017 (Februar)
- Schlagworte
- Theater Zweiter Weltkrieg Emigration Theater im Exil Autobiographie
- Erschienen
- Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2017. 135 S.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG