Lehrer- und Unterrichtsforschung in der Literaturdidaktik
Konzepte und Projekte
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Herausgeberangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Zum Geleit
- Unterrichtsforschung
- Sequenzanalytische Unterrichtsrekonstruktion als literaturdidaktische Grundlagenforschung. Eine Fallanalyse zur literarischen Textschwierigkeit im Handlungsfeld Deutschunterricht (Torsten Pflugmacher)
- Zur Ko-Konstruktion von literarischen Bildungsvorstellungen im literaturbezogenen Unterrichtshandeln der Sekundarstufe II. Erste Ergebnisse eines empirischen Projekts (Christian Dawidowski / Anna R. Hoffmann)
- Literarisches Lernen durch Unterrichtsgespräche. Ein Beitrag über Unterrichts- als Interventionsforschung (Jörn Brüggemann / Christian Albrecht / Volker Frederking / Dietmar Gölitz)
- Lehrerforschung
- Professionelles Wissen von angehenden Englischlehrpersonen. Ergebnisse aus dem PKE-Projekt (Johannes König / Sarah Strauß / Sandra Lammerding / Günter Nold / Andreas Rohde / Sarantis Tachtsoglou)
- Zugänge zum Wissen von Literaturlehrenden. Konzeptionelle und methodologische Überlegungen am Beispiel der LiMet-Studie (Marie Lessing-Sattari / Irene Pieper / Bianca Strutz / Dorothee Wieser)
- Literaturdidaktische Lehrkompetenz unter besonderer Berücksichtigung des fachlichen Wissens von Literaturlehrerinnen und -lehrern (Gerhard Rupp)
- Deutungsmuster von Lehrpersonen im Literaturunterricht. Potential, theoretische Grundlagen und exemplarische Deutungsmusterrekonstruktion (Angelika R. Stolle)
- Kompetenzorientierte Deutschlehrer(aus)bildung zwischen Ästhetik und Ethik. Ergebnisse einer Studierendenbefragung (Sabine Anselm)
- Selbstkonzepte von Deutsch-Lehramtsstudierenden. Einschätzungen zu Berufsvorstellungen und zum Literaturunterricht (Cornelius Herz / Ralph Köhnen)
- Pädagogische Praktiken im Literaturunterricht. Zum Wert des Übens von Literaturunterricht (Daniel Scherf / Sybille Werner)
- Schülerforschung
- Vorgehensweisen von Berner Maturandinnen und Maturanden bei der selbstgesteuerten Aneignung literarischer Texte. Einblicke in ein aktuelles Forschungsprojekt (Gaby Grossen / Katrin Seele)
- Der Einfluss von Antolin auf die Lesesozialisation. Eine qualitative Studie (Carolin Meier)
- „Erklären oder erläutern – Wo ist denn da der Unterschied?“ Ein Plädoyer für die Integration der Operatoren(reflexion) in das fachspezifische Spiralcurriculum (Carsten Bothmer)
- Unproduktive Denkrahmen. Zur Schwierigkeit literarische Kompetenz zu messen (Jan M. Boelmann)
- Zu den Autorinnen und Autoren
- Reihenübersicht
Christian Dawidowski / Anna R. Hoffmann /
Angelika R. Stolle (Hrsg.)
Lehrer- und Unterrichtsforschung
in der Literaturdidaktik
Konzepte und Projekte
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Wilhelm Busch: Max und Moritz. Eine
Bubengeschichte in sieben Streichen. München 1865. S. 23.
ISSN 1617-531X
I ISBN 978-3-631-72248-0 (Print)
E-ISBN 978-3-631-72249-7 (E-PDF)
E-ISBN 978-3-631-72250-3 (EPUB)
E-ISBN 978-3-631-72251-0 (MOBI)
DOI 10.3726/ b11114
© Peter Lang GmbH
Internationaler Verlag der Wissenschaften
Frankfurt am Main 2017
Alle Rechte vorbehalten.
Peter Lang Edition ist ein Imprint der Peter Lang GmbH.
Peter Lang – Frankfurt am Main · Bern · Bruxelles ·
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Diese Publikation wurde begutachtet.
Herausgeberangaben
Christian Dawidowski ist Professor für Literaturdidaktik an der Universität Osnabrück.
Anna R. Hoffmann und Angelika Stolle sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im DFG-Projekt „Ko-Konstruktion literarischer Bildungsvorstellungen“ an der Universität Osnabrück.
Über das Buch
Der vorliegende Band setzt es sich zum Ziel, derzeit bestehende Forschungsansätze zur Lehrer- und Unterrichtsforschung in der Literaturdidaktik zu bündeln und zu diskutieren. Die hier präsentierten Studien und Vorhaben beziehen sich auf Vermittlungsprozesse im Unterricht und das Unterrichtshandeln, Selbstkonzepte von Lehrpersonen und Lernenden, Aspekte der Lehrerbildung und -ausbildung, Wissenskonstruktionen im Literaturunterricht, literarische Sozialisationsprozesse und ihre Auswirkungen im Unterricht, die Erforschung von Unterrichtskommunikation und die Dimensionierung von Unterrichtsqualität oder Methoden der Lehrer- und Unterrichtsforschung.
Zitierfähigkeit des eBooks
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Spätestens seit der COACTIV- und Hatties Meta-Studie ist die Bedeutung der Lehrperson, ihrer Haltungen, Wertvorstellungen und erzieherischen sowie fachlichen Überzeugungen und ihres Wissens in den Vordergrund der didaktischen Reflexion getreten. Über die literarische Sozialisationsforschung hinaus ist in den letzten Jahren ferner der Literaturunterricht selbst innerhalb der Didaktik in empirischer Hinsicht zum Forschungsobjekt geworden. Dies entspricht einer fortschreitenden methodologischen Reflexion in den Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften, die neben der Methodentriangulation auch Instrumente wie die Videografie entwickelt haben, um das „Kerngeschäft“ des Unterrichtens in den Blick nehmen zu können. Die Literaturdidaktik ist diesbezüglich gegenüber beispielsweise der Mathematik in den Rückstand geraten, was u. U. auch mit der Komplexität ihres Gegenstandes und dessen empirischer Fassbarkeit zu tun haben kann. Dennoch haben sich einige Forschungsschwerpunkte in der Literaturdidaktik herausgebildet, in denen Lehrer- und Unterrichtsforschung mit Erfolg betrieben wird.
Der vorliegende Band setzt es sich zum Ziel, derzeit bestehende Forschungsansätze zu bündeln und zu diskutieren. Dabei besteht keine Präferenz hinsichtlich quantitativer oder qualitativer methodischer Ansätze, vielmehr soll gerade das breit angelegte Spektrum von Forschungsparadigmen Einsichten ermöglichen, die bislang in der Literaturdidaktik wenig berücksichtigt worden sind. Die auf den folgenden Seiten präsentierten Studien und Vorhaben beziehen sich beispielsweise auf Vermittlungsprozesse im Unterricht und das Unterrichtshandeln, Selbstkonzepte von Lehrpersonen und Lernenden, Aspekte der Lehrerbildung und -ausbildung, Wissenskonstruktionen im Literaturunterricht, literarische Sozialisationsprozesse und ihre Auswirkungen im Unterricht, die Erforschung von Unterrichtskommunikation und die Dimensionierung von Unterrichtsqualität oder Methoden der Lehrer- und Unterrichtsforschung.
Zu diesem Zweck gliedert sich der Band in drei Bereiche. Die Beiträge im ersten Teil widmen sich derzeit laufenden Projekten zur Unterrichtsforschung, die unter anderem literarische Unterrichtsgespräche und -prozesse rekonstruieren. Thorsten Pflugmacher erforscht ganz im Sinne von Grundlagenforschung mithilfe der objektiven Hermeneutik literarische Unterrichtsgespräche. Christian Dawidowski und Anna R. Hoffmann gehen der Frage nach, inwiefern im Unterricht des gymnasialen Leistungskurses Deutsch literarische Deutungsmuster ko-konstruiert werden. Jörn Brüggemann, Christian Albrecht, Volker←7 | 8→ Frederking und Dietmar Gölitz testen demgegenüber in einer methodentriangulierenden Studie die Wirksamkeit literarischer Unterrichtsgespräche. Dass im Bereich der Unterrichtsforschung lediglich drei Beiträge zu verorten sind, spiegelt die bislang spärliche Erforschung von Literaturunterricht und macht deutlich, dass hier auch nach der ‚empirischen Wende‘ dringender Forschungsbedarf besteht.
Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt auf der Lehrer-Forschung, die sich im Gegensatz zur Unterrichtsforschung in den letzten Jahren stärker ausdifferenziert hat. Einen bedeutsamen Bereich stellt die Erforschung des Lehrerwissens dar, zu dem Johannes König, Sarah Strauß, Sandra Lammerding, Günter Nold, Andreas Rohde und Sarantis Tachtsoglou eine Erhebung zum professionellen Wissen angehender Englischlehrer/innen vorstellen, sowie Irene Pieper, Marie Lessing-Sattari, Bianca Strutz und Dorothee Wieser im Rahmen einer Studie zum literarischen Verstehen Überlegungen dazu anstellen, wie das literaturdidaktische Wissen von Deutschlehrkräften zugänglich gemacht werden kann. Angelika R. Stolle widmet sich in ihrem Dissertationsprojekt wiederum der Verbindung und dem Ineinandergreifen von Deutungsmustern, Handlungspraxis und subjektiven Theorien von Deutschlehrkräften. Im Bereich der quantitativen Forschung legt Gerhard Rupp eine Konzeptualisierung zur Erhebung literaturdidaktischer Lehrkompetenz vor, in der das fachliche Wissen der Lehrkräfte fokussiert wird. Zwei weitere Beiträge beleuchten schließlich die derzeitige Deutschlehrerausbildung: Sabine Anselm geht der Frage nach, welche Rolle für angehende Deutschlehrkräfte ästhetische und ethische Fragestellungen in der Phase der universitären Ausbildung einnehmen, und Cornelius Herz und Ralph Köhnen untersuchen die Selbstkonzepte von Lehramtsstudierenden, indem sie Persönlichkeitsmerkmale in Verbindung mit künstlerisch-kulturellen Fragen erheben, um so mehr über die Dispositionen der Studierenden zu erfahren.
Der dritte Teil schließlich konzentriert sich auf die Lernenden. Carolin Meier stellt erste Ergebnisse aus ihrem qualitativen Forschungsprojekt zur Bedeutung des Online-Portals Antolin für die Lesesozialisation von Grundschülerinnen und -schülern vor, und Gaby Grossen und Katrin Seele präsentieren ihre Forschungsarbeit zur selbstgesteuerten Aneignung literarischer Texte durch verschiedene Medien bei Schülerinnen und Schülern, die sich eigenverantwortlich auf die schweizerische Matura-Prüfung vorbereiten (müssen). Carsten Bothmer interessiert im Rahmen seiner quantitativen Erhebung unter Studierenden, inwiefern sich der reflexive Umgang mit Operatoren in dem von ihnen erlebten (Deutsch-)Unterricht durchgesetzt hat, und Jan Boelmann legt einen alterna←8 | 9→tiven Vorschlag dazu vor, wie literarische Kompetenz quantitativ erheb- und messbar gemacht werden könnte.
Die Beiträge gehen größtenteils auf Vorträge zurück, die auf einer Tagung an der Universität Osnabrück vom 14.04.2016 bis 16.04.2016 gehalten wurden. Diese Tagung wurde – wie auch die vorliegende Publikation – von der DFG innerhalb des an der Universität Osnabrück angesiedelten Forschungsprojekts „Ko-Konstruktion von literarischen Bildungsvorstellungen im Verlauf der gymnasialen Oberstufe“ finanziert. Unser Dank gilt den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sowie den großzügigen Förderern.
Christian Dawidowski, Anna R. Hoffmann und Angelika R. Stolle, im Februar 2017←9 | 10→ ←10 | 11→
Sequenzanalytische Unterrichtsrekonstruktion als literaturdidaktische Grundlagenforschung.
Abstract: The article advocates for a fundamental research in subject didactics of teaching literature. It aims for a research that reconstructs the interactive processes between teacher, students and the literary object with case studies. The sequential analysis of a short sequence shows how the teacher tries to establish the norm of accepted non-understanding in classroom interaction against the desire of the student not to make public his problems in understanding the poem.
In der Deutschdidaktik gibt es seit einigen Jahren eine zunehmend starke Lehrerforschung, welche insbesondere mit dem qualitativ-empirischen Verfahren der dokumentarischen Methode das Lehrerwissen zu ausgewählten Themen erschließt und typologisiert (exemplarisch: Wieser 2008; Scherf 2013; Lindow 2013). Ein blinder Fleck einer solchen Fokussierung ist allerdings, dass der Blick auf das „Kerngeschäft“ Unterricht gefiltert wird durch die subjektive Bedeutsamkeit für die interviewten Lehrpersonen. Dieser Filter wird mittlerweile teilweise ergänzt durch eine Schülerwissensforschung. Damit gewinnen wir Einblicke in die Schülerperspektive, die dem Forschenden wie den Lehrenden oft verschlossen bleibt, und können die eventuellen Kontraste zur Lehrendenperspektive produktiv für eine deutschdidaktische Theoriebildung nutzen. Darüber hinaus gibt es eine lange Tradition der Erforschung von Schülerschreibprodukten, aus denen z. B. Clemens Kammler Rückschlüsse auf Stufen in bestimmten Teilkompetenzbereichen (Symbolisierung, narrative Handlungslogik) ziehen kann (Kammler 2010). In solchen Forschungsprojekten spielt in der Regel ein Idealleserkonstrukt die Hauptrolle, Abweichungen vom Ideal werden typisiert.←13 | 14→
Sinnvoll hinsichtlich der Rekonstruktion von literarischen Bildungsprozessen dürften jene Studien sein, die die Methode des Lauten Denkens einsetzen, um z. B. Irritationen bei der Lektüre und die Modi ihrer Bearbeitung (vgl. Lessing-Sattari/Wieser 2016) sichtbar zu machen. Hier handelt es sich allerdings um ein experimentelles Setting, d. h. die Irritationen werden erst durch die Befragungssituation erzeugt. Es bleibt unklar, ob sie auch im Unterrichtsprozess stattgefunden hätten, der Einfluss der gemeinsamen Erschließung durch eine angeleitete Lerngruppe bleibt ausgeblendet.
Ansonsten sind Literaturvermittlungsprozesse im Handlungsfeld Deutschunterricht, um die es im Folgenden gehen soll, bis auf wenige Ausnahmen unerforscht. Wir haben kaum systematisches Wissen darüber, haben keine empirisch basierte Beschreibungssprache für Bildungsprozesse im unterrichtlichen Umgang mit Literatur (vgl. Feilke 2014, S. 6).
Wie die meisten fachdidaktischen Theorien bislang ist auch die Literaturdidaktik in ihrem Selbstverständnis vor allem eine normative Theorie, die bestimmt, wie gute Literaturvermittlung erfolgen soll. Sie ist bis jetzt ein eher schlechtes Instrument um zu bestimmen und zu beschreiben, nach welchen Logiken Literaturunterricht tatsächlich verläuft. An anderem Ort (Pflugmacher 2016d) hatte ich deshalb darauf hingewiesen, dass wir anstelle einer normativen Theorie der Literaturvermittlung eine Theorie der Normen entwickeln müssten, die in der Praxis tatsächlich gelten und als Handlungsmuster – also jenseits einer bloßen Abweichungslogik vom Ideal – die Kommunikation strukturieren. Die literaturdidaktische Theorie für die Praxis sollte also ergänzt werden durch eine empirisch gehaltvolle Theorie der Praxis, auch wenn das produktive Verhältnis der beiden Theorien zueinander noch ungeklärt ist. Mit ihr könnte man strukturtheoretisch die Phänomene erklären, die den alltäglichen Deutschunterricht prägen, und wir wären phänomenologisch neugierig gegenüber den vermeintlichen Abwegen und Irrwegen, anstelle die Abweichung nur als Differenz zum ‚eigentlich richtigen‘ Ideal wahrzunehmen. Das ist nicht ganz leicht, denn es soll nicht eine Theorie des status quo entwickelt werden, sondern im Rahmen der Professionalisierungsaufgabe will man die Studierenden an einen möglichst guten Deutschunterricht heranführen. Meine These hierzu ist, dass wir die aus normativer Sicht ‚schlechte‘ Praxis auf Dauer stellen, wenn wir die Novizen nicht hinreichend darauf vorbereiten, dass die von der deutschdidaktischen Zunft entwickelten Modelle oft gar nicht so einfach funktionieren und es zumeist anders kommt als geplant. Denn dann, so hat es Jörn Brüggemann formuliert (Brüggemann 2012, S. 175), greifen die Novizen auf die altvertrauten Routinen zurück – und die Innovationspotenziale der universitären Fachdidaktik drohen zu verpuffen. Der empirisch aufklärende←14 | 15→ Blick auf die Muster des alltäglichen Deutschunterrichts sollte demnach nicht ‚best‘ practise, sondern vielleicht eher ‚bad‘ practise (als in sich dysfunktionale Praxis) fokussieren und erschließen, damit man das Repertoire der Muster aufklären kann, die im Alltag des Vermittlungs- und Aneignungshandelns wirksam sind, oftmals völlig eingespielt. Eine literaturdidaktische Unterrichtsforschung, die sich der Komplexität der Unterrichtswirklichkeit stellt und so wie die Handlungsbeteiligten diese Realität fortlaufend deuten muss, um zu reagieren, müsste als mikrologische Forschung die Normen rekonstruieren, die in der Praxis wirken und aufeinandertreffen. Es ist der ideale Ausnahmefall, dass die Normen der Beteiligten und der Sache übereinstimmen und der Unterricht reibungslos abläuft. Im empirisch-alltäglichen Normalfall dürfte vielmehr zu beobachten sein, dass die Normen der Lehrperson, die Normen der Schüler/innen und der normative Anspruch der Sache im Sinne seiner notwendigen Verstehensvoraussetzungen in verschiedenen Konstellationen nicht übereinstimmen: Die Lehrperson will die Schüler/innen in Sachen finaler Ambiguitätstoleranz kompetent machen. Die aber haben – auch unter dem Einfluss anderer Schulfächer – den Anspruch, dass es genau ein richtiges Ergebnis geben müsse. Es muss ständig nachgesteuert werden, die Schüler/innen versetzen sich versuchsweise in die Lehrkraft als Expertenleserin, die Lehrkraft muss sich als Expertenleserin wieder hinreichend naiv machen und in die von ihr längst überwundenen Herausforderungen der Lesenovizen hineinversetzen, um ihre Verstehensprobleme stellvertretend zu bearbeiten. Man kann also von einer Normentrias sprechen, die sich aus den rekonstruierbaren Handlungsmustern der Beteiligten und der Sachanalyse ableiten lässt.
Aber auch die völlige Übereinstimmung der Umgangsmuster mit dem Lerngegenstand Literatur, ein reibungsloser Ablauf etwa, bedeutet nicht, dass der Unterricht automatisch produktiv ist: Es sind Vermittlungskrisen von Erkenntniskrisen zu unterscheiden. Während letztere für Bildungsprozesse unhintergehbar notwendig sind, sind erstere zumindest partiell vermeidbar. Die Befähigung zu einem reflektierten Umgang mit Vermittlungskrisen, also zur fortlaufenden Reparaturarbeit im Unterrichtsprozess, ist ein zentraler Aspekt nicht nur einer literaturpädagogischen Professionalisierung, für die die sequenzanalytische Fallarbeit in Ausbildungskontexten als Alternative zur Unterrichtsbeobachtung geeignet ist.
Details
- Seiten
- 320
- Erscheinungsjahr
- 2017
- ISBN (PDF)
- 9783631722497
- ISBN (ePUB)
- 9783631722503
- ISBN (MOBI)
- 9783631722510
- ISBN (Hardcover)
- 9783631722480
- DOI
- 10.3726/b11114
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2017 (September)
- Schlagworte
- Empirische Lehrerforschung Empirische Unterrichtsforschung Empirische Literaturdidaktik Sozialisationsforschung Empirische Forschungsmethoden
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 320 S., 24 s/w Abb., 8 s/w Tab.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG