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Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht

von Sebastian Grever (Autor:in)
©2016 Dissertation 198 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch untersucht die außergewöhnlichen Belastungen im Steuerrecht gem. § 33 EStG. Der Autor betrachtet, welcher private Aufwand zwangsläufig ist, dass er im Hinblick auf das subjektive Nettoprinzip im Rahmen des § 33 EStG berücksichtigt werden muss. Er legt hierbei den unbestimmten Tatbestand des § 33 EStG aus und analysiert die Rechtsprechung des BFH. Er untersucht das Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip, zeigt Rechtsprechungsänderungen des BFH in den letzten Jahren auf und arbeitet Strukturen und Systembrüche heraus. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass eine Neufassung des § 33 EStG angezeigt ist und unterbreitet einen entsprechenden Gesetzesvorschlag.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Erstes Kapitel: Einleitung
  • I. Einführung in das Thema
  • 1. Rechtliche Ausgangslage
  • 2. Problemstellung
  • 3. Abriss des Diskussionsstands in Rechtsprechung und Literatur
  • II. Zielsetzung der Arbeit
  • B. Zweites Kapitel: Sinn und Zweck des § 33 EStG sowie verfassungsrechtliche Grundlage der Arbeit
  • I. Rechtsentwicklung der Norm
  • II. Regelungsinhalt des § 33 EStG
  • III. Telos der Norm
  • 1. Wahrung des subjektiven Nettoprinzips
  • 2. Gibt es einen weitergehenden Zweck der Norm?
  • IV. Verfassungsrechtliche Grundlage: das subjektive Nettoprinzip
  • 1. Inhalt des subjektiven Nettoprinzips
  • 2. Das Existenzminimum quantifizierende Normen
  • C. Drittes Kapitel: Auslegung des § 33 EStG
  • I. Systematische Einordnung
  • 1. Keine Tarifvorschrift
  • 2. Keine Billigkeitsvorschrift
  • 3. Verhältnis zu anderen Normen
  • II. Abgrenzung der Tatbestandsmerkmale
  • 1. Aufwendung/Belastung
  • a) Auffassung in Literatur und Rechtsprechung
  • b) Eigene Stellungnahme
  • 2. Außergewöhnlichkeit/Zwangsläufigkeit
  • a) Auffassung in Literatur und Rechtsprechung
  • b) Eigene Stellungnahme
  • III. Auslegung der Tatbestandsmerkmale
  • 1. Methoden der Auslegung
  • 2. Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Aufwendung
  • a) Inhalt des Tatbestandsmerkmals nach Rechtsprechung und Literatur
  • b) Eigene Auslegung
  • aa) Gegenwertlehre als Ausnahme der Belastung?
  • bb) Verrechnung über Veranlagungszeiträume hinweg?
  • 3. Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Außergewöhnlichkeit
  • a) Inhalt des Tatbestandsmerkmals nach Rechtsprechung und Literatur
  • b) Eigene Auslegung
  • aa) Dogmatischer Bezugspunkt
  • bb) Außergewöhnlichkeit der Aufwendung oder des Ereignisses?
  • 4. Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Zwangsläufigkeit dem Grunde nach
  • a) Inhalt des Tatbestandsmerkmals nach Auffassung in der Literatur
  • b) Eigene Auslegung
  • aa) Wortlaut der Legaldefinition des § 33 Abs. 2 EStG
  • bb) Historische Auslegung
  • cc) Systematik
  • dd) Telos der Norm
  • ee) Verfassungsrechtliche Auslegung
  • ff) Zusammenfassung der eigenen Auslegung
  • 5. Die Zwangsläufigkeit der Höhe nach
  • a) Diskussion innerhalb des Schrifttums
  • b) Eigene Auslegung
  • c) Beispiel: Anwaltskosten aufgrund von Honorarvereinbarungen
  • 6. Zumutbare Belastung
  • a) Inhalt des Tatbestandsmerkmals nach Rechtsprechung und Literatur
  • b) Eigene Auslegung
  • IV. Zwischenfazit
  • D. Viertes Kapitel: Analyse der Rechtsprechung zu § 33 EStG
  • I. Telos der Norm
  • 1. Rechtsprechung des III. Senats
  • 2. Rechtsprechung des VI. Senats
  • 3. Analyse Telos der Norm
  • II. Verhältnis des Steuerrechts zum Sozialrecht im Rahmen des § 33 EStG
  • 1. Rechtsprechung des III. Senats
  • 2. Rechtsprechung des VI. Senats
  • 3. Analyse Verhältnis Steuerrecht zum Sozialhilferecht
  • a) Rechtsprechungsänderungen
  • b) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • c) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • III. Aufwendung
  • 1. Rechtsprechung des III. Senats
  • 2. Rechtsprechung des VI. Senats
  • 3. Analyse Aufwendung/Belastung
  • a) Rechtsprechungsänderungen
  • b) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • c) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • IV. Außergewöhnlichkeit
  • 1. Rechtsprechung des III. Senats
  • 2. Rechtsprechung des VI. Senats
  • 3. Analyse Außergewöhnlichkeit
  • a) Rechtsprechungsänderungen
  • b) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • c) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • V. Zwangsläufigkeit dem Grunde nach
  • 1. Rechtliche Gründe
  • a) Allgemeine rechtliche Gründe
  • aa) Rechtsprechung des III. Senats
  • bb) Rechtsprechung des VI. Senats
  • cc) Analyse von allgemeinen rechtlichen Gründen
  • (1) Rechtsprechungsänderungen
  • (2) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • (3) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • b) Prozesskosten
  • aa) Rechtsprechung des III. Senats
  • bb) Rechtsprechung des VI. Senats
  • cc) Rechtsprechung der Finanzgerichte
  • dd) Analyse Prozesskosten
  • (1) Rechtsprechungsänderungen
  • (2) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • (3) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • ee) Gesetzesänderung ab VZ 2013
  • c) Analyse rechtliche Gründe
  • aa) Rechtsprechungsänderungen
  • bb) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • cc) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • 2. Tatsächliche Gründe
  • a) Rechtsprechung des III. Senats
  • aa) Allgemeine tatsächliche Gründe
  • bb) Krankheitskosten als tatsächlicher Grund
  • (1) Abgrenzung zwischen unmittelbaren Krankheitskosten und Vorbeuge- oder Folgekosten
  • (2) Fallgruppen der Krankheitskosten
  • b) Rechtsprechung des VI. Senats
  • aa) Allgemeine tatsächliche Gründe
  • bb) Krankheitskosten als tatsächlicher Grund
  • (1) Abgrenzung zwischen unmittelbaren Krankheitskosten und Vorbeuge- oder Folgekosten
  • (2) Fallgruppen der Krankheitskosten
  • c) Analyse tatsächliche Gründe
  • aa) Rechtsprechungsänderungen
  • bb) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • (1) Allgemeine tatsächliche Gründe und Krankheitskosten
  • (2) Formalisiertes Nachweisverlangen
  • cc) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • 3. Sittliche Gründe
  • a) Rechtsprechung des III. Senats
  • b) Rechtsprechung des VI. Senats
  • c) Analyse sittliche Gründe
  • aa) Rechtsprechungsänderungen
  • bb) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • cc) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • VI. Zwangsläufigkeit der Höhe nach
  • 1. Rechtsprechung des III. Senats
  • 2. Rechtsprechung des VI. Senats
  • 3. Analyse Zwangsläufigkeit der Höhe nach
  • a) Rechtsprechungsänderungen
  • b) Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • c) Verallgemeinerbare Grundsätze
  • VII. Zusammenfassende Bewertung der Rechtsprechung
  • 1. Rechtsprechungsänderungen
  • 2. Verhältnis der Rechtsprechung zum subjektiven Nettoprinzip
  • 3. Verallgemeinerbare Grundsätze
  • a) Kein allgemeingültiges Strukturprinzip vorhanden
  • b) Bezugspunkt der Außergewöhnlichkeit
  • c) Zwangsläufigkeit
  • E. Fünftes Kapitel: Entwicklung eines Gesetzesvorschlags
  • I. Ausgangslage
  • II. Zielsetzung
  • III. Praktische Umsetzung
  • 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
  • a) Tatbestand
  • aa) Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben
  • bb) Interperiodischer Verlustausgleich
  • b) Rechtsfolge
  • 2. Gesetzesänderungen aufgrund der vorgenommenen Auslegung und der Konkretisierung durch die Rechtsprechung
  • a) Aufwendung/Belastung
  • b) Außergewöhnlichkeit
  • c) Zwangsläufigkeit dem Grunde nach
  • d) Zwangsläufigkeit der Höhe nach
  • e) Zumutbare Belastung
  • f) Formalisiertes Nachweisverlangen
  • g) Rechtsmissbräuchliches Verhalten
  • h) Regelbeispiele
  • aa) Krankheitskosten (§ 33 Abs. 5 Nr. 1 EStG nF)
  • bb) Prozesskosten (§ 33 Abs. 5 Nr. 2 EStG nF)
  • cc) Künstliche Befruchtung (§ 33 Abs. 5 Nr. 3 EStG nF)
  • dd) Bestattungskosten (§ 33 Abs. 5 Nr. 4 EStG nF)
  • ee) Behinderungsbedingte Umbaukosten (§ 33 Abs. 5 Nr. 5 EStG nF)
  • ff) Sanierungsaufwendungen (§ 33 Abs. 5 Nr. 6 EStG nF)
  • gg) Unterbringungs- und Pflegekosten (§ 33 Abs. 5 Nr. 7 EStG nF)
  • hh) Fahrtkosten bei Gehbehinderten (§ 33 Abs. 5 Nr. 9 EStG nF)
  • IV. Ergebnis: Gesetzesvorschlag § 33 EStG nF
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

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A.  Erstes Kapitel: Einleitung

I.  Einführung in das Thema

1.  Rechtliche Ausgangslage

Die Norm der außergewöhnlichen Belastungen gem. § 33 EStG befindet sich systematisch im Abschnitt „Tarife“ des Einkommensteuergesetzes. Der Sinn und Zweck des § 33 EStG besteht darin, einem erhöhten Existenzminimum des Steuerpflichtigen gerecht zu werden, um so das subjektive Nettoprinzip zu wahren.1 Ausnahmsweise sind daher, abweichend von § 12 Nr. 1 EStG, Ausgaben der privaten Lebensführung, die ansonsten nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können, abzugsfähig.2 Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 EStG vor, so werden die außergewöhnlichen Belastungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte insoweit abgezogen, wie sie die zumutbare Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG übersteigen. Der Steuerpflichtige hat einen Anspruch auf die Steuerermäßigung. Es besteht kein Ermessen der Finanzbehörde.3

Der Tatbestand des § 33 EStG besteht im Wesentlichen aus folgenden Tatbestandsvoraussetzungen: Außergewöhnliche und zwangsläufige Aufwendungen müssen den Steuerpflichtigen belasten, ohne dass eine anderweitige Abzugsmöglichkeit besteht.4 Von besonderer Bedeutung sind die Tatbestandsmerkmale der „Zwangsläufigkeit“ und der „Außergewöhnlichkeit“.5 Bei diesen beiden Begriffen handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe.6 Diese unbestimmten Rechtsbegriffe sind besonders konkretisierungsbedürftig.

2.  Problemstellung

Die Unbestimmtheit des Tatbestands hat dazu geführt, dass die Rechtsprechung eine umfangreiche Einzelfallkasuistik zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen ← 19 | 20 → entwickelt hat.7 Dabei hat sie versucht, durch die Bildung von Fallgruppen, den unbestimmten Tatbestand näher zu konkretisieren.8 Für das Verständnis der Norm ist daher eine Analyse der Rechtsprechung und ihrer Entwicklung unerlässlich, da die Norm aufgrund ihres unbestimmten Wortlauts ohne Kenntnis der Rechtsprechung praktisch nicht anwendbar ist. Der BFH hat gerade in jüngerer Zeit in einigen Fällen seine bisherige Rechtsprechung geändert. Hier ist vor allem das Grundsatzurteil des BFH zu den Zivilprozesskosten vom 12.5.2011 zu nennen, in dem eine jahrzehntelange Rechtsprechung aufgegeben wurde.9

In einer weiteren jüngeren Entscheidung zu der Fallgruppe der Behandlungskosten setzte der BFH ebenfalls neue Maßstäbe an und wich von seiner bisherigen Rechtsprechung ab.10 In dieser Entscheidung geht der BFH von einem extensiven Begriffsverständnis der Zwangsläufigkeit aus und erkennt einen Abzug von Aufwendungen an, der über das hinausgeht, was sozialhilferechtlich geboten ist.11 Ob dies mit dem Sinn und Zweck der Norm zu vereinbaren ist, wird in dieser Arbeit zu untersuchen sein.

Auch zu anderen Tatbestandsmerkmalen, wie dem Merkmal der Belastung, wich der jetzt zuständige VI. Senat von der vorherigen Rechtsprechung des III. Senats ab. Entgegen der früheren Rechtsprechung wendet der VI. Senat die sogenannte Gegenwertlehre im Ergebnis bei dem behindertengerechten Umbau eines Hauses nicht mehr an.12

Diese Entwicklungen in der Rechtsprechung werfen neue Fragen auf: Sind die Grundsätze der jüngeren Entscheidungen auf die Anwendung im Einzelfall beschränkt oder haben sie allgemeingültige Wirkung? Ist eine Systematik zu erkennen? Konkretisiert die Rechtsprechung den Begriff der Zwangsläufigkeit ← 20 | 21 → über den Einzelfall hinaus? Legt die Rechtsprechung in den neueren Entscheidungen den Begriff der Zwangsläufigkeit noch entsprechend dem subjektiven Nettoprinzip und demnach entsprechend dem Sinn und Zweck der Norm aus? Weitet sie den Tatbestand zu sehr aus und belastet sie dadurch die Allgemeinheit in unangemessener Art und Weise?

Ebenso haben jüngere Entscheidungen dazu geführt, dass der Gesetzgeber aktiv wurde, um der alten Rechtsprechung durch ein Gesetz wieder Geltung zu verschaffen. So führte der Gesetzgeber nach einer Rechtsprechungsänderung zum Nachweis von Krankheitskosten die Verordnungsermächtigung in § 33 Abs. 4 EStG ein.13 Hierdurch normierte er, in Verbindung mit § 64 Abs. 1 EStDV, die frühere Rechtsprechung des BFH.

Durch das AmtshilfeRLUmsG reagierte der Gesetzgeber auf die Rechtsprechungsänderung zu den Zivilprozesskosten. Er fügte in § 33 Abs. 2 EStG einen neuen Satz vier an und normierte darin die frühere Rechtsprechung des BFH zu den Zivilprozesskosten.14 Hierdurch wird der Abzug von Prozesskosten wieder auf einen engeren Rahmen beschränkt.15

Es stellt sich aufgrund dieser Reaktionen des Gesetzgebers die Frage, ob die aktuelle Fassung des § 33 EStG als Generalklausel zweckmäßig ist oder ob eine konkrete Regelung geboten ist. Denn durch die generelle Fassung des § 33 EStG mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen ist dieser in hohem Maße durch die Auslegung der Rechtsprechung geprägt. Dies kann, wie an den neueren Entscheidungen zu sehen ist, zur Folge haben, dass bei einem Zuständigkeitswechsel der Senate zahlreiche Rechtsprechungsänderungen ergehen. Für den Steuerpflichtigen folgt hieraus ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Folge der Rechtsprechungsänderungen wiederum sind einzelne normative Veränderungen des § 33 EStG durch den Gesetzgeber auf Entscheidungen mit nicht gewollten fiskalischen Folgen. Hierdurch wird aber nur auf bestimmte Entscheidungen der Rechtsprechung reagiert, ohne den § 33 EStG systematisch zu reformieren. Sämtliche umfassende Reformperspektiven, die schon seit mehreren Jahren vorliegen, wurden nicht umgesetzt.16 Darüber hinaus ist der Gesetzgeber aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunehmend verpflichtet, ← 21 | 22 → das Steuerrecht folgerichtig am Sozialhilferecht auszugestalten.17 Die bisherigen Reaktionen des Gesetzgebers scheinen die folgende Aussage von K. Tipke zu belegen: „Aber wenn der Gesetzgeber überhaupt etwas tut, tut er nur das Allernotwendigste, manchmal noch nicht einmal das. Irgendetwas konsequent zu Ende zu denken, die ganz ungeordnete, inkonsequente geregelte Materie konsequent neu zu ordnen, ist ihm bisher nicht in den Sinn gekommen.“18

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD lässt ebenfalls vermuten, dass der Tatbestand des § 33 EStG nicht in naher Zukunft neu strukturiert wird. Zwar betont der Koalitionsvertrag, dass die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Voraussetzung für ein gerechtes Steuerrecht sei, konkrete Programmpunkte für das Einkommensteuerrecht und insbesondere in Bezug auf den Abzug von privaten Aufwendungen enthält der Koalitionsvertrag hingegen nicht.19 Der Entwurf des Steuervereinfachungsgesetzes 2013 des Bundesrats enthält ebenfalls keine grundlegende Reform des § 33 EStG, sondern beabsichtigt nunmehr, die Fallgruppe der Aufwendungen für eine Heimunterbringung gesetzlich zu normieren.20 Hierdurch wird wieder nur für eine bestimmte Fallgruppe eine gesetzliche Regelung geschaffen.

3.  Abriss des Diskussionsstands in Rechtsprechung und Literatur

Die Fragen der Auslegung des Tatbestands und der Abgrenzung der einzelnen Tatbestandsmerkmale werden in der Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Beispielsweise betrachten einige die Tatbestandsvoraussetzungen der „Außergewöhnlichkeit“ und der „Zwangsläufigkeit“ als ein Merkmal.21 Andere wiederum grenzen strikt zwischen diesen beiden Voraussetzungen ab.22 Der BFH beanstandete, dass die Finanzgerichte teilweise nicht hinreichend zwischen den Merkmalen der Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit abgrenzen.23 Ebenso ist die dogmatische Einordnung des Tatbestands umstritten. Die ← 22 | 23 → herrschende Meinung ordnet die Norm in das System der privaten Abzüge ein.24 Hingegen betrachtete vor allem die frühere Rechtsprechung die Norm als Billigkeitsvorschrift.25

Wie die unbestimmten Rechtsbegriffe auszulegen sind und ob diese überhaupt definiert werden können, wird ebenfalls nicht einheitlich beurteilt.26 Die Urteile der Finanzgerichte lassen oftmals eine Auslegung der Tatbestandsmerkmale anhand der juristischen Methodenlehre vermissen. Sie wenden meistens nur die durch den BFH aufgestellten Grundsätze für die jeweiligen, durch die Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen an.27 Ebenso sind der genaue Inhalt und die Reichweite des subjektiven Nettoprinzips zum Teil ungeklärt.28

Details

Seiten
198
Erscheinungsjahr
2016
ISBN (PDF)
9783631714829
ISBN (ePUB)
9783631714836
ISBN (MOBI)
9783631714843
ISBN (Paperback)
9783631714812
DOI
10.3726/b10616
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (April)
Schlagworte
Außergewöhnliche Belastungen Subjektives Nettoprinzip § 33 EStG Analyse BFH-Rechtsprechung Einkommensteuer Zwangsläufigkeit
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 198 S.

Biographische Angaben

Sebastian Grever (Autor:in)

Sebastian Grever hat Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster studiert und an der Universität zu Köln promoviert.

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