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Die staatliche Finanzaufsicht über Träger unselbständiger Stiftungen

von Daniel Vos (Autor:in)
©2022 Dissertation 218 Seiten

Zusammenfassung

Träger unselbständiger Stiftungen üben eine treuhänderische Tätigkeit aus. Sie handeln daher grundsätzlich interessenskonfliktgeneigt, ohne dass dies derzeit von der Finanzaufsicht adressiert wird. Die Arbeit nimmt zunächst die rechtliche Einordnung des Stiftungsgeschäfts in den Blick, bewertete deren Einordnung insbesondere als Treuhandverhältnis oder Auflagenschenkung und wendet diese Einordnung auf die Erscheinungsformen der unselbständigen Stiftung in der Praxis an. Im zweiten Teil untersucht die Arbeit, unter welchen Voraussetzungen die Täger unselbständiger Stiftungen nach Maßgabe des Kapitalanlagegesetzbuchs oder des Kreditwesengesetzes unter die staatliche Finanzaufsicht fallen. Dabei setzt sich die Arbeit insbesondere mit der gegenwärtigen Verwaltungspraxis kritisch auseinander.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Erster Teil
  • A. Heranführung
  • I. Vermögensgefährdung und Missbrauchspotential in der unselbständigen Stiftung
  • II. Ausprägungen der Stiftungsträgerschaften als Untersuchungsgegenstand
  • III. Die unselbständige Stiftung als ungeregelte Stiftungsart
  • IV. Die Aufsicht über die unselbständige Stiftung
  • V. Erscheinungsformen und Abgrenzungen
  • 1. Zustiftung und Spende
  • 2. Dachstiftung
  • 3. Unselbständige Familienstiftung
  • B. Die Errichtung der unselbständigen Stiftung unter Lebenden
  • I. Dogmatische Grundlagen der unselbständigen Stiftung
  • II. Die unselbständige Stiftung als Treuhandverhältnis
  • 1. Auftragsrechtlicher Regelungsrahmen
  • 2. Die Beendigung durch Widerruf bzw. Kündigung nach § 671 BGB
  • a) Beendigungsmöglichkeit als Argument gegen die Dauerhaftigkeit
  • b) Verzicht des Stifters auf das Widerrufsrecht
  • c) Kündigungsrecht des Stiftungsträgers
  • d) Zwischenergebnis
  • 3. Das Treuhandverhältnis in Insolvenz und Vollstreckung
  • a) Möglichkeit des Vollstreckungszugriffs
  • b) Insolvenz des Stifters
  • c) Insolvenz des Stiftungsträgers
  • d) Treuhandverhältnisse in der Zwangsvollstreckung
  • e) Zwischenergebnis
  • 4. Kritik an der Einordnung als Treuhandverhältnis im Übrigen
  • III. Die unselbständige Stiftung als Schenkung unter Auflage
  • 1. Bereicherung des Stiftungsträgers
  • 2. Insolvenz des Stifters
  • 3. Insolvenz des Stiftungsträgers
  • 4. Zwischenergebnis
  • IV. Vermittelnde Auffassung
  • V. These der virtuellen juristischen Person
  • 1. Der Simulationsgedanke K. Schmidts
  • 2. Das Stiftungsgeschäft
  • 3. Das Stiftungsvermögen
  • 4. Kritik
  • a) Systematische Kritik (Reuter)
  • b) Virtualität inkonsequent gegenüber der (Teil-)Rechtsfähigkeit (Koos)
  • c) Unselbständige Stiftung als atypische bürgerlich-rechtliche Gesellschaft (Geibel)
  • VI. Rechtspersönlichkeit und -fähigkeit der unselbständigen Stiftung
  • 1. Überlegungen zur Verselbständigung der unselbständigen Stiftung
  • 2. Begründungsansätze zur Rechtspersönlichkeit der juristischen Person
  • a) Einleitung
  • b) Fiktions- und Zweckvermögenslehre
  • c) Theorie der realen Verbandsperson
  • d) Personifikationskriterien der Identitätsausstattung nach John
  • aa) Wesenselemente der juristischen Person
  • bb) Handlungsorganisation
  • cc) Haftungsverband
  • dd) Identitätsausstattung
  • e) Zwischenergebnis
  • 3. Zur Rechtsfähigkeit der unselbständigen Stiftung
  • a) Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit
  • b) Sachlich gebotene und gesetzlich umgesetzte Unterscheidung
  • c) Fehlende Vergleichbarkeit mit der Gesamthand
  • d) Anknüpfung an die Rechtsprechung zur bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft
  • aa) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001
  • bb) Praktisches Bedürfnis nach einer Verstetigung
  • cc) Umwandlungsrecht
  • dd) Zuweisung des Gesellschaftsvermögens
  • ee) Zwischenergebnis
  • e) Vergleich mit dem Sammelvermögen unter Pflegschaft (§ 1914 BGB)
  • f) Anknüpfung an Personifikationsbemühungen bzgl. des Nachlasses unter Testamentsvollstreckung
  • 4. Stellungnahme
  • 5. Zwischenergebnis
  • VII. Ergebnis
  • 1. Zur Verfügung stehende dogmatische Formen
  • 2. Zuordnung durch Auslegung
  • 3. Typisierung
  • C. Die Errichtung der unselbständigen Stiftung von Todes wegen
  • I. Erbrechtlicher Regelungsrahmen
  • 1. Einordnung
  • 2. Anwendung erbrechtlicher Vorschriften
  • 3. Indirekte Errichtung
  • II. Errichtung durch Vermächtnis unter Auflage
  • III. Errichtung durch Erbeinsetzung unter Auflage
  • IV. Möglichkeit der Typisierung
  • Zweiter Teil
  • A. Einleitung
  • B. Prüfungsmaßstab des KAGB
  • I. Einleitung
  • 1. Entstehungsgeschichte
  • 2. Erfassung sonstiger Vermögensallokationen
  • II. Anwendungsbereich des KAGB
  • 1. Persönlicher Anwendungsbereich
  • a) Mehrzahl von Anlegern
  • b) Ausschlusstatbestand des sozialen Unternehmertums
  • 2. Funktionaler Anwendungsbereich trotz nur nachgeordnet verfolgter Vermögensanlage
  • a) Vermögensanlage als Förderung des Stiftungszwecks
  • b) Bedeutung des Anlagezwecks
  • 3. Funktionaler Anwendungsbereich bei operativer Tätigkeit
  • a) Bedeutung (sonstiger) operativer Tätigkeit
  • b) Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen „operativer Tätigkeit“ und „außerhalb des Finanzsektors“
  • c) Eigener Vorschlag
  • 4. Anwendung auf die unselbständige Stiftung
  • 5. Rechtsfolgen für die unselbständige Stiftung
  • a) Regelmäßig keine Anwendbarkeit des KAGB
  • b) Unanwendbarkeit des Dispenses nach § 44 Abs. 1 Nr. 7 KAGB
  • c) Die unselbständige Stiftung als Form der internen Vermögensverwaltung
  • d) Ergebnis
  • C. Prüfungsmaßstab des KWG
  • I. Kredit- und finanzaufsichtsrechtliche Relevanz der Tätigkeit als Stiftungsträger einer unselbständigen Stiftung
  • II. Allgemeine Voraussetzungen des § 32 KWG
  • 1. Grundsätzliche Erlaubnispflicht
  • 2. Ausnahmetatbestände
  • a) § 2 Abs. 1 Nr. 3b KWG - Vorrang des Kapitalanlagegesetzbuchs
  • b) § 2 Abs. 1 Nr. 3c, 3d, Abs. 6 Nr. 5a, 5b KWG – EU-Verwaltungsgesellschaften und EU-Investmentvermögen für die kollektive Vermögensverwaltung
  • c) § 2 Abs. 6 Nr. 20 KWG – Finanzportfolioverwaltung mit eingeschränktem Anlagespektrum
  • III. Tätigkeiten im Sinne des § 32 i.V.m. § 1 Abs. 1, 1a KWG
  • 1. Institutsbegriff des KWG
  • 2. Tatbestand des Einlagengeschäfts (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG)
  • a) Relevanz des Tatbestands für die unselbständige Stiftung
  • b) Fremdheit
  • c) Einlagengegenstand – Geldbegriff
  • d) Einordnung als Einlage
  • aa) Historische Entwicklung des Einlagenbegriffs
  • bb) Konkretisierung in der Rechtsprechung
  • cc) Eigene Bewertung
  • dd) Anwendung auf die unselbständige Stiftung
  • e) Andere unbedingt rückzahlbare Gelder (2. Var.)
  • f) Ergebnis
  • 3. Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung
  • a) Relevanz des Tatbestands für die unselbständige Stiftung
  • b) Erheblichkeitsschwelle
  • aa) Vergleich mit der Finanzaufsicht über Investmentclubs
  • bb) Aufsichtsrechtlicher Dispens für die Vermögensverwaltung in Investmentclubs im unerheblichen Umfang
  • cc) Anwendung der Dispensvoraussetzungen auf die unselbständige Stiftung
  • dd) Zwischenergebnis
  • c) Zweipersonenverhältnis als Prämisse des Kreditwesengesetzes
  • d) Tätigkeit gegenüber dem Stifter im Treuhandmodell
  • aa) Prüfungsansatz der Bundesanstalt
  • bb) Endgültige Vermögensaussonderung des Stifters unschädlich
  • cc) Stiftungsverwaltung für fremde Rechnung
  • dd) Zwischenergebnis
  • e) Tätigkeit des Stiftungsträgers im Falle der Schenkung unter Auflage
  • aa) Tätigkeit des Stiftungsträgers auf eigene Rechnung
  • bb) Simulierte Drittbezogenheit
  • aaa) Wirtschaftliche Betrachtungsweise
  • bbb) Der Stiftungsträger als Handlungsorgan
  • ccc) Der Stiftungsträger als Geschäftsbesorger
  • α) Doppelfunktion des Stiftungsträgers
  • β) Eigengeschäft der Stiftung oder In-sich-Geschäft des Stiftungsträgers
  • ddd) Stellungnahme und Zwischenergebnis
  • cc) Schuldrechtliche Unterwerfung unter aufsichtsrechtliche Regulierung
  • aaa) Vereinbarungsgemäß simulierte Verwaltertätigkeit
  • bbb) Erwartungen der Vertragsparteien, insbesondere des Stifters
  • ccc) Vereinbarung der Sorgfalt eines ordentlichen Vermögeverwalters
  • f) Vertragliche Pflichten des Vermögensverwalters
  • aa) Überblick
  • bb) Aufsichtsrechtliche Pflichten
  • cc) Zivilrechtliche Pflichten
  • dd) Eingriffsbefugnisse der BaFin
  • 4. Tatbestand der Anlageverwaltung
  • a) Relevanz des Tatbestands für die unselbständige Stiftung
  • b) Geschichte und Abgrenzung des Tatbestands
  • c) Tatbestandsvoraussetzungen
  • 5. Tatbestand des Eigenhandels als Dienstleistung
  • Thesen
  • A. Ergebnisse des ersten Teils
  • B. Ergebnisse des zweiten Teils
  • I. Zur Anwendbarkeit des KAGB
  • II. Zum Erlaubnispflicht nach § 32 KWG
  • 1. Einlagengeschäft
  • 2. Zur Finanzportfolioverwaltung
  • 3. Zur Anlagenverwaltung und zum Eigenhandel als Dienstleistung
  • Literaturverzeichnis

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Erster Teil

A. Heranführung

I. Vermögensgefährdung und Missbrauchspotential in der unselbständigen Stiftung

Am 17. Juni 2015 eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg1 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes deutscher Treuhandstiftungen e.V., zu dessen (vorläufigen und endgültigen) Gläubigerausschuss der Verfasser als Mitglied bestimmt bzw. gewählt wurde. Der Zweck des Vereins war unauffällig und lag in der Förderung von Bildung und Wissenschaft sowie des gemeinwohlorientierten Stiftungswesens in Deutschland. Hierzu nahm der Verein gemäß seinem Satzungszweck die Interessen von Treuhandstiftungen und Stiftern wahr und übernahm sowohl für gemeinnützige als auch für nicht gemeinnützige Treuhandstiftungen – Zweckvermögen des privaten Rechts – die Funktion eines Stiftungsträgers (Treuhänders). Insgesamt fungierte der schuldnerische Verein zum Zeitpunkt der Insolvenzverfahrenseröffnung als Träger von acht verschiedenen Sondervermögen.

So unauffällig der Satzungszweck des Vereins ausgestaltet war, umso spektakulärer2 war dessen tatsächliche Tätigkeit. Dem Insolvenzverfahren vorausgegangen war eine Abwicklungsanordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Diese stützte sich auf den Vorwurf, dass der schuldnerische Verein für das von ihm getragene Sondervermögen „Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung“ („BWF-Stiftung“) Einlagengeschäfte betrieben habe. Die als „Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung“ auftretende unselbständige Stiftung hatte bundesweit über etwa 900 Vermittler circa 5.600 Anleger dazu veranlasst, Verträge, die den Kauf von Gold und dessen Verwahrung durch die BWF-Stiftung beinhalteten, abzuschließen. In den Jahren 2011 bis 2015 sind der BWF-Stiftung etwa € 57 Mio. an Anlegergeldern zugeflossen, die zu diesem Zweck Konten bei verschiedenen Banken bzw. Sparkassen unterhielt. Die Anleger konnten zwischen verschiedenen Vertragsvarianten wählen, die jeweils den Erwerb von physischem Gold mit unterschiedlichen Laufzeitmodalitäten zum Inhalt hatten, wobei die BWF-Stiftung über dieses Gold verfügen konnte.

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Nach Ablauf der Vertragslaufzeit bestanden angeblich die Möglichkeiten, (a) das Gold weiter einzulagern, (b) die BWF-Stiftung aufzufordern, den ursprünglich vom Anleger aufgewandten Kaufpreis zuzüglich eines nach Vertragslaufzeit gestaffelten Zuschlags von bis zu 80 % auf den Einlagebetrag auszuzahlen oder (c) sich das Gold jederzeit aushändigen zu lassen. Ferner war in den Prospekten vorgesehen, dass ein sogenanntes „Sachdarlehen“ vereinbart wurde, das es der BWF erlaubte, das Gold Dritten zur Verfügung zu stellen, dadurch eine „Rendite“ zu erarbeiten, um am Ende der Laufzeit einen höheren Geldbetrag zurückzugeben. Den Anlegern wurde nach Unterzeichnung der Verträge und der Zahlung der vereinbarten Kaufsumme neben einem unterschriebenen Kaufvertrag auch eine „Eigentumsurkunde“ übermittelt, deren Inhalt allerdings rechtlich bestenfalls mehrdeutig war.3

Im Laufe des Insolvenzverfahrens stellte sich indes heraus, dass das dem Verein als Stiftungsträger anvertraute Vermögen nur zu einem geringen Teil in Gold investiert worden war. Kritisch nachfragenden Anlegern war zuvor ein Tresor gezeigt worden, der überwiegend Attrappen von Goldbarren enthielt.4 Auch wenn das Insolvenzverfahren wie auch die staatsanwaltschaftliche Ermittlung zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit noch andauern, müssen die betroffenen Anleger einem erheblichen, wenn nicht gar vollständigen Verlust ihrer Kapitalanlage ins Auge sehen. Offenbar waren sie auf falsche Versprechungen hereingefallen.

Grundlage dieser Versprechungen war ein Bündel von vertrauensbildenden Gesichtspunkten, die zum Investment einluden. Das Misstrauen gegen den Buchgeldwert und das Vertrauen in physisches Gold als inflationssicheres Anlageprodukt war im anlagerelevanten Zeitraum in aller Munde.5 Doch auch der Begriff der „Stiftung“ im Namen des Anbieters wird bei dem Publikum ein Vertrauen geweckt haben,6 das dieser Stiftungsträger offensichtlich nicht verdiente.

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Der gute Leumund des Stiftungswesens wurde hier missbraucht, um einen Anlagebetrug erheblichen Umfangs zu begehen. Denn typischerweise verbindet der Rechtsverkehr mit dem Stiftungsbegriff positive Eigenschaften, insbesondere die der Nachhaltigkeit, Solidität und Seriosität. Im Nachhinein schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich auch unseriöse Anbieter dieses Etiketts bedienten und eine – hier unselbständige – Stiftung für ein unseriöses Kapitalanlageprodukt zweckentfremdeten und nutzen.

Der Fall bildet ein extremes Beispiel eines offenkundig rechtswidrigen und strafbaren Missbrauchs des Phänomens der unselbständigen Stiftung. Dieser dürfte auch durch den Umstand provoziert worden sein, dass die unselbstständige Stiftung als ungeregelte Stiftungsform für einen solchen Missbrauch in besonderer Weise anfällig ist. Die praktischen Einschränkungen der staatlichen Überwachung der ordnungsgemäßen Stiftungsverwaltung,7 die nur typischerweise, aber eben nicht zwingend durch die steuerliche Gemeinnützigkeitsanforderungen kompensiert werden,8 ermöglichen eine missbräuchliche Verwendung solcher unselbständigen Stiftungen, die dieses steuerliche Privileg erst gar nicht suchen.

Ob und gegebenenfalls in welchen Fällen ein solcher Ausfall der staatlichen Überwachung tatsächlich dem geltenden Recht entspricht und daher hinzunehmen oder zu beseitigen ist, ist Gegenstand dieser Arbeit. Bezugspunkt der Auseinandersetzung ist dabei die finanzwirtschaftliche Funktion der unselbständigen Stiftung als Geldsammelstelle. Andere Ansatzpunkte einer staatlichen Überwachung der unselbständigen Stiftung – etwa unter den Gesichtspunkten der privatrechtlichen Überwachung9 oder der bereits angesprochenen gemeinnützigkeitsrechtlichen Privilegierung10 – sollen demgegenüber nicht vertieft werden.

Die finanzwirtschaftliche Aufsicht über die unselbstständige Stiftung als finanzwirtschaftliche Geldsammelstelle ist unter zwei Teilaspekte zu beleuchten: zum einen ist die Tätigkeit der unselbständigen Stiftung gegenüber dem Kapitalmarkt anlässlich des Einwerbens von Stiftungsgeldern in den Blick zu nehmen. Zum anderen ist das Verhalten der Stiftungsträger bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens zu untersuchen.

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II. Ausprägungen der Stiftungsträgerschaften als Untersuchungsgegenstand

Als Untersuchungsgegenstand aus dem Blickwinkel des Finanzaufsichtsrecht eignen sich dabei weniger diejenigen Konstellationen, in denen eine unselbstständige Stiftung wie im Eingangsbeispiel ersichtlich missbräuchlich eingesetzt wird und offensichtlich strafrechtlich relevante Zwecke verfolgt werden. Für die Diskussion und Bestimmung der Reichweite einer präventiv wirkenden Finanzaufsicht sind stattdessen diejenigen unselbständigen Stiftungen von Interesse, in denen professionelle Stiftungsträger ohne betrügerische Intention oder strafrechtliche Relevanz werbend auftreten und ihre Dienstleistung anlässlich der Gründung und Verwaltung unselbstständiger Stiftungen anbieten.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat 702 Anbieter für die Verwaltung von Treuhandstiftungen erfasst.11 Die Anbieter solcher unter dem Oberbegriff des Stiftungsmanagements bezeichneten Dienstleistungen lassen sich in vier Gruppen aufteilen: dabei stehen auf der einen Seite Banken und bankgebundene Anbieter, die aufgrund ihrer weiteren Tätigkeiten ohnehin der Finanzmarktaufsicht unterliegen.12 Auf der anderen Seite stehen privatwirtschaftliche13 und kirchliche14 Anbieter sowie selbstständige Stiftungen,15 wobei Letztere sich häufig für die Errichtung und Verwaltung solcher unselbstständiger Stiftungen anbieten, die identische oder vergleichbare Zwecke verfolgen wie die selbstständige Stiftung selbst, die ihre Trägerschaft anbietet.

Solche Leistungen des Stiftungsmanagements werden typischerweise entgeltlich erbracht. Unentgeltliche Trägerschaften werden allenfalls dann angeboten, wenn der Stiftungszweck der unselbstständigen Stiftung der Tätigkeit des Anbieters ohnehin ←18 | 19→entspricht. Dabei ist die Vergütung grundsätzlich privatautonom vereinbar. Im Rahmen der typischerweise gebotenen Gemeinnützigkeit ist die Vergütung aber auf den Rahmen der Verhältnismäßigkeit begrenzt (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO).16 Diese wird in der Praxis anhand eines Drittvergleichs bemessen, was allerdings mangels verlässlicher Vergleichszahlen für steuerbegünstigte Einrichtungen nur eingeschränkt möglich ist.17

Die Anbieter von Dienstleistungen des Stiftungsmanagements decken den Wunsch potentieller Stifter ab, sich insbesondere nicht um Verwaltungstätigkeiten kümmern zu müssen, sondern diese in kompetente Hände legen zu können. So zeigt einer Erhebung des Bundesverbands Deutscher Stiftungen e.V. aus dem Jahr 2015, dass der Wunsch nach Verwaltungsentlastung und kompetenten Stiftungsmanagement vorrangige Bedürfnisse potentieller Stifter darstellen:18

←19 | 20→

Unter dem Gesichtspunkt der Förderung des Stiftungswesens in Deutschland sind solche kommerziellen Angebote der Stiftungsverwaltung daher grundsätzlich zu begrüßen. Denn sie senken mögliche Hemmschwellen, die potentielle Stifter abschrecken könnten. Gerade deshalb und zum Schutz der Seriosität solcher Angebote erscheint eine Erörterung deren finanzaufsichtsrechtlicher Relevanz allerdings auch geboten.

III. Die unselbständige Stiftung als ungeregelte Stiftungsart

Unter der unselbständigen Stiftung versteht man die Zuwendung von Vermögenswerten durch den Stifter an eine natürliche oder andere rechtsfähige Person mit der Maßgabe, die übertragenen Werte wirtschaftlich getrennt von seinem Eigenvermögen als Sondervermögen zu verwalten und dauerhaft zur Verfolgung eines vom Stifter festgelegten Zwecks zu nutzen.19 Schon der Blick in das ←20 | 21→Gesetz – die unselbständige Stiftung fand im Bürgerlichen Gesetzbuch keine ausdrückliche Regelung – verdeutlicht ihr Schattendasein.20 Vorschläge der Wissenschaft, Regelungen für die unselbständige Stiftung in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen,21 wurden nicht umgesetzt. Die unselbständige Stiftung ist und bleibt mithin gesetzlich nicht geregelt.22

Eine analoge Anwendung der für die selbständige Stiftung vorhandenen Regelungen der §§ 80 bis 88 BGB kommt nach zutreffender herrschender Auffassung nicht in Betracht.23 Die selbständige und unselbständige Stiftung sind nicht miteinander vergleichbar. Der unselbständigen Stiftung fehlt – wie ihr Name schon zeigt und was zu beleuchten sein wird24 – die eigene Rechtspersönlichkeit. Sie kann daher nicht selbst Adressat der für die Stiftung konstitutiven Vermögenszuwendung sein. Zu ihrer Errichtung bedarf es daher eines „anderen“ Rechtsträgers, des Stiftungsträgers.25

Ein weiterer, für die Praxis bedeutsamer Unterschied zwischen den beiden Stiftungsformen liegt darin, dass die unselbständige Stiftung – anders als die selbständige Stiftung (§ 80 BGB) – genehmigungsfrei errichtet werden kann und nicht der staatlichen Aufsicht unterliegt.26 Soweit vereinzelte landesrechtliche ←21 | 22→Regelungen eine solche Aufsicht anordnen, fehlt es an der Gesetzgebungskompetenz der jeweiligen Landeslegislative in dieser bürgerlich-rechtlichen Frage. Das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Stifter und Stiftungsträger kann aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nur vom Bundesgesetzgeber geregelt werden. Gleichwohl bestehende landesrechtliche Regelungen sind daher ausschließlich auf Stiftungen öffentlichen Rechts anzuwenden.27

Dieser insoweit mangels analoger Anwendbarkeit gesetzlicher Bestimmungen nur rudimentär ausgebildete Regelungsrahmen ist zugleich ein Vorteil der unselbständigen Stiftung gegenüber regulierten Stiftungstypen. Der finanzielle Aufwand der Errichtung einer unselbständigen Stiftung ist deutlich geringer als bei einer selbständigen Stiftung. Insbesondere für kleinere Vermögen ist die unselbständige Stiftung daher die praktikablere Stiftungsform. Denn sie vermeidet, dass durch den Aufwand der Stiftungsgründung und anschließenden -verwaltung das Stiftungsvermögen unnötig zulasten der Verfolgung des Stiftungszwecks geschmälert und belastet wird. Daher wird die unselbständige Stiftung auch als eine Ersatzform für Konstellationen bezeichnet, in denen die Umsetzung einer Stiftungsidee in der Form einer selbständigen Stiftung wirtschaftlich sinnlos und daher nicht sachgerecht wäre.28

Die so eingenommene Rolle der unselbständigen Stiftung als bloße Ersatzform verschleiert allerdings, dass es sich bei der unselbständigen Stiftung tatsächlich um die Grund- und Ursprungsform der Stiftung handelt.29 In den Hintergrund trat sie nur, weil bei der Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Regelungsbedürfnis für sie gerade nicht erkannt wurde.30 Gleichwohl ist die Entwicklung der unselbständigen Stiftung noch nicht als abgeschlossen anzusehen. Vielmehr brachte die Diskussion gerade in der jüngeren Vergangenheit neue Ansätze hervor und auf diese Weise neue Bewegung in die Frage der Einordnung der unselbständigen Stiftung.

←22 | 23→

IV. Die Aufsicht über die unselbständige Stiftung

Nach allgemeiner Auffassung unterliegen unselbständige Stiftungen nicht der staatlichen Aufsicht.31 Diese – insoweit jedenfalls zutreffende – Aussage bezieht sich auf eine staatliche Aufsicht im institutsbezogenen Sinn, die die Erzeugung und spezifisch stiftungsrechtliche Tätigkeit von selbständigen Stiftungen überwacht.32 Diese Stiftungsaufsicht ist dem Schutz der Stiftungsautonomie und dem Stifterwillen verpflichtet. Die hierzu erforderlichen Kompetenzen sind landesrechtlich durch die jeweiligen Landesstiftungsgesetze geregelt.33 Insoweit bezieht sich die Stiftungsaufsicht über die selbständige Stiftung auf deren Begründung und Beendigung sowie die Mitwirkung an bestimmten Rechtsgeschäften und Satzungsänderungen, die Wirtschafts- und Finanzaufsicht sowie die Rechnungskontrolle.34

Die unselbständige Stiftung unterliegt einer solchen Kontrolle nach allgemeiner Auffassung wie gesagt nicht.35 Denn sie erhebt nicht den Anspruch auf Zuerkennung einer Rechtspersönlichkeit, sondern stellt lediglich ein vertrags- oder erbrechtliches Schuldverhältnis dar. Auch die Vorschriften der §§ 525, 2194 BGB – deren Anwendbarkeit an dieser Stelle einmal unterstellt36 – stellen kein Surrogat der staatlichen Aufsicht dar. Denn der dort angeordnete Anspruch auf Vollziehung ist ein zivilrechtlicher Anspruch, der auch vor den Zivilgerichten geltend zu machen ist.37

Ob eine partielle, insbesondere finanzwirtschaftliche Aufsicht über unselbständige Stiftungen angeordnet oder zumindest geboten ist, ist Gegenstand dieser Arbeit.

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V. Erscheinungsformen und Abgrenzungen

1. Zustiftung und Spende

Die Stiftungsberatung der Banken erscheint hinsichtlich der Errichtung unselbständiger Stiftungen insgesamt zurückhaltend. Zwar ist der Errichtungs- und Verwaltungsaufwand unselbständiger Stiftungen deutlich geringer als bei der selbständigen Stiftung. Die mit der Errichtung einer auch unselbständigen Stiftung aber gleichwohl zwingend verbundene Separierung des Stiftungsvermögens bei dem Stiftungsträger – oft der beratenden Bank oder bei einem angeschlossenen Rechtsträger – bringt aber gleichwohl einen gewissen Aufwand mit sich, dessen Kosten gerade in schwach dotierten Stiftungen umso mehr ins Gewicht fallen.

Stattdessen kann dem potentiellen Stifter vorgeschlagen werden, das vorgesehene Stiftungsvermögen als Zustiftung oder Spende zu dem von ihm verfolgten oder einem diesem zumindest nahekommenden Zweck sinnvoll einzusetzen.

Zustiftungen sind Vermögenszuwendungen an den Träger einer bereits existierenden Stiftung, der die hierzu erforderlichen Erklärungen in dieser Funktion im eigenen Namen abgibt.38 Anders als Spenden, die in voller Höhe zeitnah für Zwecke der Stiftung Verwendung finden müssen,39 fließen Zustiftungen grundsätzlich dem Vermögensstock der Stiftung zu.40 Zulässig ist die Annahme von Zustiftungen durch die selbständige Stiftung jedenfalls dann, wenn mit der Zustiftung ein Stiftungszweck verfolgt wird, der dem der aufnehmenden Stiftung vollständig entspricht.41 Demgegenüber ist die Annahme von Zustiftungen42 dann im Einzelfall zu prüfen, wenn der Zweck der Zustiftung dem Stiftungszweck nur teilweise entspricht. Zustiftungen zu stiftungsfremden Zwecken sind demgegenüber unzulässig, allerdings dürften dergestalt willkürliche Zustiftungsbegehren in der Praxis kaum Relevanz haben.

In Falle einer Zustiftung an eine unselbständige Stiftung wäre selbstverständlich der Stiftungsträger dinglicher Empfänger des im Rahmen der Zustiftung zugewendeten Vermögens.43 Die Zustiftung zu einer selbständigen Stiftung wird ←24 | 25→verbreitet als Schenkung an diese Rechtsperson aufgefasst.44 Die Zustiftung hat dabei regelmäßig den Charakter einer Zweckschenkung, bei der die Stiftungsinteressen im Vordergrund stehen und die Zweckerreichung nicht einklagbar ist. Demgegenüber werden Schenkungen unter Auflage, die dem Zustifter persönlich zu Gute kommen, eher selten anzutreffen sein.45

In der praktischen Anwendung resultiert hieraus die Frage, ob vermeintliche Zustiftungen wirklich Zustiftungen zu einer unselbständigen Stiftung sind, oder ob die vermeintliche Zustiftung nicht ein eigenständiges Stiftungsgeschäft darstellt.46 Diese Einordnung hängt davon ab, ob der Stiftungsträger anhand des zugestifteten Vermögens ein weiteres Sondervermögen bildet, oder ob mit der Zustiftung ein bereits bestehendes Sondervermögen vergrößert wird. Maßgeblich ist dabei der Willen des Zuwendenden47, der – soweit nicht sinnvoller Weise ausdrücklich im Zuwendungsgeschäft geregelt48 – im Einzelfall im Wege der Auslegung zu ermitteln ist. Handelt es sich um ein eigenständiges Stiftungsgeschäft, dessen Zwecksetzung und Ausgestaltung nur „zufällig“ derjenigen der bereits etablierten unselbständigen Stiftung mit dem gleichen Stiftungsträger entspricht oder nur ähnelt, wird man kaum von einer Zustiftung sprechen können. Vielmehr handelt es sich in diesem Falle um eine eigenständige, neu errichtete unselbständige Stiftung, verbunden mit der Etablierung eines (weiteren) Sondervermögens im Eigentum des Stiftungsträgers.49 Dass ein Stiftungsträger seine Rolle für mehrere unselbständige Stiftungen ausübt und so für verschiedene Stiftungen als Rechtsträger fungiert, ist keineswegs ungewöhnlich oder gar unzulässig.

Anders ist aber der Fall zu beurteilen, in dem die Auslegung des Stifterwillens gerade nicht auf die Errichtung einer weiteren Stiftung hindeutet, sondern der Stifter sein Stiftungsvermögen gerade der bereits bestehenden Stiftung zur Verfügung stellen und sein Stiftungsvermögen in das dort bestehende Vertragsverhältnis einbringen möchte. Der Zustiftende will dann nach Auffassung ←25 | 26→Muschelers50 gleichsam nachträglicher Mitbegründer der unselbständigen Stiftung werden, jedenfalls aber sein Vermögen dort – und nicht in ein danebenstehendes Sondervermögen – einbringen und den vorgegebenen Zwecken unterstellen.51 In diesem Fall ist tatsächlich von einer Zustiftung zugunsten der bestehenden unselbständigen Stiftung auszugehen.

Details

Seiten
218
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631876916
ISBN (ePUB)
9783631876923
ISBN (MOBI)
9783631876930
ISBN (Paperback)
9783631875063
DOI
10.3726/b19644
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (März)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 218 S., 1 s/w Abb.

Biographische Angaben

Daniel Vos (Autor:in)

Daniel Vos studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn. Seit dem Jahr 2008 ist er als Rechtsanwalt zugelassen und wurde im Jahr 2022 durch die Universität Bonn promoviert.

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