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Die Pflicht des Vorstandes der Aktiengesellschaft zur Einleitung unternehmensinterner Ermittlungen bei Verdacht auf Non-Compliance

von Nina Abel (Autor:in)
©2022 Dissertation 282 Seiten

Zusammenfassung

Die Dissertation befasst sich mit der Pflicht des Vorstandes der Aktiengesellschaft zur Aufklärung von Verdachtsmomenten für Non-Compliance, insbesondere für Straftaten im Unternehmen. Dabei steht die Ableitung einer solchen Pflicht aus Vorschriften des Gesellschaftsrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts (§ 130 OWiG) im Fokus. Es wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit den Vorstandsmitgliedern ein Ermessensspielraum im Sinne der sog. Business Judgment Rule bei der Entscheidung zusteht, ob vorhandenen Hinweisen nachgegangen wird oder nicht. Dabei wird auch der Versuch einer Präzisierung der erforderlichen Verdachtsschwelle zum Auslösen einer solchen Ermittlungspflicht unternommen. Abschließend wird untersucht, ob die Obliegenheiten und Pflichten des Vorstandes bezüglich einer anlassbezogenen Sachverhaltsaufklärung in der Aktiengesellschaft entfallen können, wenn die Pflichtadressaten dadurch riskieren, sich selbst wegen begangener Pflichtverletzungen oder sogar strafbaren Verhaltens zu belasten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einführung und Gang der Bearbeitung
  • 1. Kapitel: Unternehmensinterne Ermittlungen
  • A. Hintergrund und Zweck interner Ermittlungen
  • I. Unternehmensinterne Ermittlungen – Ein neues Phänomen?
  • 1. Entstehung und Rezeption in den USA
  • 2. Entwicklung in Deutschland
  • II. Staatliches Interesse an der Durchführung unternehmensinterner Ermittlungen
  • B. Begriff der unternehmensinternen Ermittlungen
  • I. Ermittlungen im Unternehmen
  • II. Initiierung durch das Unternehmen
  • 1. Zuständige Organe und Personen
  • 2. Beherrschung des Ablaufs durch Initiatoren
  • III. Durchführung durch Mitarbeiter des Unternehmens oder durch beauftragte Externe
  • IV. Anlassbezogenheit
  • V. Trennung von staatlichem Ermittlungsverfahren
  • 1. Sanktionsmilderungen nur Teilzweck
  • 2. Relevanz des Entdeckungsrisikos
  • VI. Zweckrichtung der Ermittlungen
  • 1. Wahrheitsermittlung als Zwischenziel
  • 2. Schutz vor Wertverlust des Unternehmens
  • a) Minderung des Haftungs- und Sanktionsrisikos für das Unternehmen bzw. die Unternehmensleitung
  • aa) Organisatorische und personelle Konsequenzen im Unternehmen
  • bb) Stärkung der Glaubwürdigkeit der Unternehmenspolitik nach innen
  • b) Vorbereitung von Zivilprozessen und Strafanzeigen
  • c) Unterbindung bzw. Begrenzung von Reputationsschäden
  • VII. Umfang und Art und Weise der Durchführung
  • 1. Befassung des originär compliance-verantwortlichen Organs
  • 2. Weitere Modalitäten
  • a) Art der Aufklärungsmaßnahmen
  • b) Offen oder verdeckt
  • VIII. Zusammenfassung
  • IX. Abgrenzung zur Begrifflichkeit „Internal Investigations“
  • C. Ablauf unternehmensinterner Ermittlungen
  • I. Typische Auslöser
  • 1. Hinweise auf normwidriges Verhalten
  • 2. Sonstige Formen
  • II. Vorprüfung
  • III. Typische Maßnahmen unternehmensinterner Ermittlungen
  • IV. Beteiligte Personen und Institutionen
  • V. Folgen
  • D. Fazit
  • 2. Kapitel: Zulässigkeit selbst initiierter unternehmensinterner Ermittlungen
  • A. Grundsatz der Legalität privater Ermittlungen
  • I. Keine unmittelbare Ableitung aus einfachgesetzlichen Normen
  • II. Ableitung aus Grundrechten
  • III. Irrelevanz praktischer Erwägungen aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden
  • B. Leitgedanken des Beschuldigten- bzw. Opferschutzes
  • I. Schutz des Beschuldigten
  • 1. Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren
  • 2. Notwendigkeit eigener Sachverhaltsaufklärung aus Beschuldigtenperspektive
  • II. Schutz des Verletzten im Strafverfahren
  • 1. Stellung des Verletzten
  • 2. Kein besonderes Bedürfnis nach eigener Sachverhaltsaufklärung
  • III. Übertragbarkeit auf unternehmensinterne Ermittlungen
  • 1. Grundrechtlicher Schutz der freien Unternehmensführung
  • 2. Erhöhtes Manipulationsrisiko
  • 3. Entsprechende Geltung der Erwägungen zum Schutz des Beschuldigten
  • C. Entgegenstehende Normen und Grundsätze
  • I. Legalitätsprinzip und Offizialprinzip
  • 1. Das Legalitätsprinzip
  • a) Ableitung und Inhalt
  • b) Durchbrechungen
  • c) Bedeutung für die Frage eines staatlichen Ermittlungsmonopols
  • d) Zwischenfazit
  • 2. Das Offizialprinzip (§ 152 Abs. 1 StPO)
  • a) Staatliche Strafverfolgung von Amts wegen
  • b) Gesetzliche Durchbrechungen
  • c) Faktische Relativierung durch Strafanzeige
  • d) Zwischenfazit
  • II. Herleitung eines staatlichen Ermittlungsmonopols aus dem Gewaltmonopol?
  • 1. Kerninhalt des staatlichen Gewaltmonopols
  • 2. Zusammenhang zwischen Gewaltmonopol und Ermittlungsmonopol
  • a) Ermittlung als Gewaltausübung
  • b) Vom Verfolgungs- und Sanktionsmonopol zum Ermittlungsmonopol?
  • 3. Zwischenfazit
  • III. Vereinbarkeit mit dem Bild des deutschen Strafverfahrens
  • 1. Keine Unzulässigkeit infolge fehlender Verfahrensregelungen für Private
  • 2. Keine Behinderung staatlicher Ermittlungen
  • 3. Fehlende Neutralität Privater als Ausschlussgrund privater Ermittlungen?
  • D. Überblick über rechtliche Grenzen interner Ermittlungen
  • I. Kollidierendes Verfassungsrecht
  • II. Einfachgesetzliche Grenzen
  • E. Fazit
  • 3. Kapitel: Pflicht zur Compliance
  • A. Begriff der Criminal Compliance
  • I. Compliance
  • 1. Compliance als Sicherstellung der Normtreue
  • 2. Compliance-Management-System, Compliance-Organisation und Compliance-Programm
  • II. Criminal Compliance
  • B. Compliance und unternehmensinterne Ermittlungen
  • I. Funktionen von Compliance
  • II. Zweck interner Ermittlungen und Verhältnis zu Compliance
  • III. Unternehmensinterne Ermittlungen als wesentlicher Bestandteil eines Compliance-Systems
  • 1. Wesentliche und typische Elemente eines Compliance-Systems
  • 2. Insbesondere Notwendigkeit von Aufklärungs- und Sanktionsmechanismen
  • C. Keine strafrechtliche Pflicht zur Einführung eines Compliance-Management-Systems
  • D. Herleitung aus Vorschriften außerhalb des Strafrechts
  • I. Spezialgesetzlich geregelte Pflicht zur Einführung eines Compliance-Systems
  • II. Allgemeine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Management-Systems
  • 1. Gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Einführung eines Compliance-Management-Systems
  • a) Allgemeine Leitungssorgfalt gemäß §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG
  • aa) Legalitätspflicht
  • bb) Legalitätskontrollpflicht als Teil der allgemeinen Sorgfaltspflicht
  • cc) Ermessensspielraum des Vorstandes
  • b) Pflicht zur Einrichtung eines Früherkennungs- und Überwachungssystems, § 91 Abs. 2 AktG
  • aa) Allgemeiner Regelungsinhalt
  • bb) Inhalt und Umfang des Überwachungssystems
  • cc) Umfassende Erfassung von Gesetzesverstößen?
  • c) Pflicht zur Einrichtung eines Kontrollsystems und Risikomanagementsystems für börsennotierte Aktiengesellschaften gemäß § 91 Abs. 3 AktG-E
  • d) § 161 AktG i.V.m. A.2 DCGK
  • 2. Das „Siemens/Neubürger“-Urteil des LG München I
  • a) Sachverhalt
  • b) Aussagen des Urteils zur Compliance-Pflicht
  • c) Reaktionen im Schrifttum
  • d) Stellungnahme
  • aa) Kein Plädoyer für eine generelle Pflicht zur Einrichtung eines CMS
  • bb) Untaugliche Kriterien zur allgemeinen Beurteilung der Effektivität eines CMS
  • e) Zwischenfazit
  • 3. Aufsichtspflicht aus § 130 OWiG
  • a) Normadressaten
  • b) Rechtsquelle von Organisationspflichten?
  • aa) Rechtspflicht oder Obliegenheit
  • bb) § 130 OWiG als Unternehmensorganisationsnorm
  • cc) Generelle Pflicht zur Einrichtung eines CMS?
  • 4. Gesamtanalogie aus spezialgesetzlichen Normen
  • 5. Begründung oder Modifizierung von Compliance-Pflichten durch das Verbandssanktionengesetz?
  • E. Fazit
  • 4. Kapitel: Verpflichtung zu unternehmensinternen Ermittlungen
  • A. Im Innenverhältnis wirkende Normen HYPERLINK \l "_Toc431292230"
  • I. Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG
  • II. Allgemeine Leitungssorgfalt nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG
  • 1. Einzelfallbezogene Ermittlungspflicht als Teil der Legalitätskontrollpflicht
  • 2. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule
  • a) Unternehmerische Entscheidung
  • aa) Rechtlich gebundene Entscheidung im Rahmen der Legalitätspflicht?
  • bb) Auswahl an Handlungsoptionen
  • cc) Zukunftsgerichteter, prognostischer Charakter
  • b) Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage
  • aa) Angemessenheit der Information
  • bb) Das Kriterium des „Vernünftigerweise annehmen Dürfens“
  • c) Handeln zum Wohle der Gesellschaft
  • d) Fazit zur Business Judgment Rule
  • 3. Die Rolle der Rechtsprechung
  • a) Zur Informationsgrundlage bei „klassischen“ unternehmerischen Entscheidungen
  • aa) Ausgangspunkt: Das ARAG/Garmenbeck- Urteil
  • bb) Die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung
  • b) Zur Aufklärung von Non-Compliance
  • aa) BGH 1984
  • bb) OLG Koblenz 1991
  • cc) LG München I 2013 (Siemens/Neubürger)
  • dd) Würdigung der genannten Entscheidungen und Aussagen
  • III. Fazit
  • B. § 130 OWiG als Ausgangspunkt für eine Aufklärungspflicht im Außenverhältnis
  • I. Repressive Aufklärung als geeignete Aufsichtsmaßnahme im Sinne des Tatbestandes
  • 1. Ratio Legis und Schutzgut des § 130 OWiG
  • a) Abstraktes Gefährdungsdelikt zur Verhinderung betriebsbezogener Zuwiderhandlungen
  • b) Geschütztes Rechtsgut
  • 2. Geeignetheit anlassbezogener Aufklärungsmaßnahmen zum bezweckten Individualrechtsgüterschutz
  • a) Keine Verhinderung oder Erschwerung abgeschlossener Taten
  • b) Präventive Effekte unternehmensinterner Ermittlungen
  • aa) Spezialprävention
  • (1) Bei aufgedecktem Fehlverhalten
  • (2) Bei fehlendem Regelverstoß
  • bb) Generalprävention
  • cc) Mittelbare Verhaltensbeeinflussung durch Optimierung der Unternehmensorganisation
  • 3. Zwischenfazit
  • II. Inhaltliche Konkretisierung der geforderten Aufsicht
  • 1. Grammatische Auslegung
  • a) Keine originäre und unmittelbare Rechtspflicht zu Aufsichtsmaßnahmen
  • b) Keine gesetzliche Präzisierung der Aufsichtsmaßnahmen
  • c) Wortlaut: „Aufsicht“ und „Überwachung“ als repressive Aufklärung
  • aa) Aufsicht
  • (1) Die Reichweite des Begriffs prima facie
  • (2) „Aufsicht“ in anderen Kontexten
  • bb) Überwachung
  • (1) Abgrenzung zur Aufsicht
  • (2) Beschränkung des Wortsinns auf planmäßige Kontrolle
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. Systematik und Regelungszusammenhang der Norm
  • a) Stellung im Gesetz („äußere Systematik“)
  • b) Regelungszusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Pflichtenbindungen („innere Systematik“)
  • aa) Keine umfassende Kongruenz zwischen gesellschaftsrechtlichen und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Compliance-Pflichten
  • bb) Partielle Homogenisierung der Compliance-Anforderungen
  • cc) Asymmetrische Akzessorietät des § 130 OWiG von gesellschaftsrechtlichen Compliance-Pflichten
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Historische Auslegung
  • III. Auslegung durch die Rechtsprechung
  • 1. Aussagen zur internen Aufklärungspflicht
  • a) Beschluss des OLG München v. 23.09.2014
  • b) Beschluss des OLG Celle v. 24.02.1987
  • c) Zwischenfazit
  • 2. Sanktionsandrohung und -verhängung als repressive Compliance-Maßnahmen
  • a) Betriebliche Sanktionen als Compliance- Maßnahme
  • aa) BGH-Kartellsenat 1985
  • bb) OLG Düsseldorf 2007
  • cc) Zivilrechtliche Rechtsprechung
  • b) Androhung von Sanktionen
  • aa) Rechtsprechung zu § 130 OWiG
  • bb) Rechtsprechung mit Bezug zu Fahrpersonal als Katalysator?
  • 3. Fazit zur Rechtsprechung
  • IV. Fazit
  • 5. Kapitel: Entscheidung zur Einleitung unternehmensinterner Ermittlungen
  • A. Relativität der Pflicht bzw. Obliegenheit zur Einleitung unternehmensinterner Ermittlungen
  • I. Den pflichtauslösenden Normen immanente Ermessensspielräume
  • II. Zumutbarkeit als übergreifender Rechtsgrundsatz
  • B. Grad des Tatverdachts
  • I. Anfangsverdacht im Sinne der §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO
  • II. Ausrichtung an Verdachtsgraden im Aktienrecht und nach dem Geldwäschegesetz
  • 1. Verdachtsgrade im Aktienrecht
  • a) Sonderprüfung nach §§ 142 Abs. 2, 315 S. 2 AktG
  • b) Klageerzwingungsverfahren nach § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG
  • c) Übertragbarkeit auf die Verdachtsschwelle zur Auslösung der internen Aufklärungspflicht des Vorstandes
  • 2. Verdachtsgrad nach dem Geldwäschegesetz
  • 3. Zwischenfazit
  • III. Leitlinien zur Konkretisierung des Tatverdachts
  • IV. Zusammenfassung
  • C. Unzumutbarkeit der Aufklärung wegen drohender Selbstbelastung
  • I. Inhalt und Reichweite des Nemo-tenetur-Prinzips
  • 1. Schutz vor Mitwirkung an staatlicher Strafverfolgung
  • 2. Anwendbarkeit außerhalb des Strafverfahrens
  • a) Geltung in diversen Verfahren für Beschuldigte, Zeugen und Prozessparteien
  • b) Geltung in Privatrechtsverhältnissen
  • II. Anwendbarkeit auf gesellschaftsrechtlich abgeleitete Aufklärungspflicht von Organwaltern in der AG
  • 1. Zusammenfassung des Meinungsstands zur Rechtsverfolgungspflicht des Aufsichtsrats
  • 2. Übertragbarkeit und Konsequenzen für Aufklärungspflicht des Vorstandes
  • a) Praktisches Selbstbelastungsrisiko des Vorstandes
  • b) Beschränkung der Aufklärungspflicht wegen Compliance-Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats
  • c) Geltung des Nemo-tenetur-Grundsatzes
  • d) Überlagerung des individuellen Selbstschutzinteresses durch freiwillig übernommene Organpflichten
  • III. Anwendbarkeit auf die Aufklärungsobliegenheit von Vorstandsmitgliedern aus § 130 OWiG
  • IV. Lösung über strafprozessuales Beweisverwertungsverbot
  • V. Zusammenfassung
  • Zusammenfassung in Thesen
  • Literaturverzeichnis

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Einführung und Gang der Bearbeitung

“As long as it remains invisible, it is guaranteed to remain insoluble.”1 In Wirtschaftsunternehmen gilt – ebenso wie in anderen Institutionen und Lebensbereichen –, dass die Ignoranz mehr oder minder drängender Hinweise auf Unstimmigkeiten, insbesondere auf (Straf-)Rechtsverstöße im Unternehmen, die Entwicklung von Lösungsansätzen und Abhilfestrategien zur Wiederherstellung der Normkonformität des Unternehmensbetriebs bereits im Keim erstickt. Bereits deswegen wird Leitungspersonen im Unternehmen regelmäßig angeraten sein, Anhaltspunkten für strafrechtlich relevante Vorgänge im Unternehmen nachzugehen und Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen, um deviantes Verhalten zu identifizieren und langfristig abzustellen.

In der Praxis spielen sog. unternehmensinterne Ermittlungen, also die durch das Unternehmen selbst initiierte Aufklärung eines im Raum stehenden Verdachts potenzieller Gesetzesverstöße im Verantwortungsbereich des Unternehmens, spätestens seit der „Siemens-Korruptionsaffäre“ 2006 auch in Deutschland eine zunehmend große Rolle. Mit der gestiegenen Ermittlungsbereitschaft der Strafverfolgungsbehörden und der gewandelten öffentlichen Wahrnehmung von Wirtschaftsdelinquenz ging auch eine zunehmende Fokussierung und Spezialisierung der Beratungspraxis auf Wirtschaftsstrafrecht im Allgemeinen und Compliance-Beratung bzw. Durchführung und Begleitung unternehmensinterner Ermittlungen im Besonderen einher.2 Die durch das Unternehmen in Gang gesetzten und durchgeführten Ermittlungen unter verstärkter Einbindung von Privatermittlern – etwa Unternehmensjuristen, Strafverteidigern und Wirtschaftsprüfern – werden durch die originär ermittlungsbefugten und -verpflichteten Verfolgungsbehörden zwar zum Teil kritisch beäugt, letztlich vor dem Hintergrund sehr begrenzter personeller Ressourcen in den Justizbehörden aber grundsätzlich begrüßt und oft sogar angestoßen.

Im Zuge einer umfassenden Kooperation mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden erhöhen sich nicht nur auf deren Seite die Chancen auf ←23 | 24→Wahrheitsermittlung und gegebenenfalls Ahndung der zutage geförderten Unregelmäßigkeiten, sondern auch die Unternehmen selbst können von dieser Form der „Selbstreinigung“ auf vielfältige Art und Weise profitieren. Neben dem Schutz des Unternehmens vor finanziellen Verlusten und Reputationsschäden infolge der aufzuklärenden Missstände ist vor allem durch das geplante Verbandssanktionengesetz3 (VerSanG) die Haftungsvermeidung in den Vordergrund getreten. In Anbetracht der im Zuge dessen eingeführten, sich unmittelbar gegen das Unternehmen richtenden Verbandssanktion und der erstmalig ausdrücklich normierten Sanktionsmilderungsmöglichkeit bei Durchführung unternehmensinterner Ermittlungen erscheinen Fragen nach Pflichten des Verbandes, die durch die ihn vertretenden Organwalter wahrzunehmen sind, drängender denn je. Denn Unternehmenssanktionen können nicht losgelöst von Haftungsrisiken der für das Unternehmen handelnden Individualpersonen betrachtet werden; eine Verschärfung des einen geht mit höherem Pflichtenumfang und Haftungsrisiko der anderen einher. Da das VerSanG durch Inaussichtstellen von Sanktionsmilderungen nunmehr eine besondere Anreizwirkung für unternehmensinterne Aufklärung schafft, entfaltet die im Fokus dieser Arbeit stehende Frage, ob – und falls ja, unter welchen Voraussetzungen – eine Rechtspflicht von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft zur Einleitung unternehmensinterner Ermittlungen besteht, besondere Relevanz.

Die wissenschaftliche Literatur hat sich bereits mit zahlreichen Themen und Problemfeldern in Zusammenhang mit unternehmensinternen Ermittlungen auseinandergesetzt. Dazu zählen insbesondere Fragen der Vereinbarkeit unternehmensinterner Ermittlungen mit strafprozessualen Verfahrensgrundsätzen, der rechtlichen Grenzen bei der Durchführung privater Ermittlungsmaßnahmen und der Verwertbarkeit der zutage geförderten Untersuchungsergebnisse.4 ←24 | 25→Zugleich wird seit etwa 2005, verstärkt aber seit Veröffentlichung des „Siemens/Neubürger-Urteils“5 des LG München I im Jahr 2014, primär im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum eine Debatte über Begründung und Umfang von Compliance-Pflichten von Vorstandsmitgliedern geführt.6 Dabei steht regelmäßig die Frage im Fokus, ob der Vorstand einer AG verpflichtet ist, ein – wie auch immer im Detail geartetes – Compliance-Management-System zu errichten bzw. ein vorhandenes zu optimieren. Strafrechtlich werden, intensiviert durch die Ausführungen des BGH 2009 im Rahmen eines obiter dictum zur Garantenstellung eines sog. „Compliance-Officers“7, die dogmatischen Grundlagen sowie der Umfang der sog. „Geschäftsherrenhaftung“, also der Strafbarkeit von Geschäftsleitern wegen unterlassener Verhinderung der Straftaten von Untergebenen, diskutiert.8 Angesichts der enormen Praxisrelevanz verwundert es, dass dagegen die Frage einer konkreten Pflicht von Vorstandsmitgliedern zu unternehmensinternen Ermittlungen oder zumindest einzelner anlassbezogener Aufklärungsmaßnahmen bzw. deren Voraussetzungen bisher kaum eingehend untersucht wurde.9 Dabei stellt das Gesetz die Grundlage, aber auch die Grenze des Pflichtenkanons dar, der als Grundlage für zivilrechtliche Haftung und Sanktionen herangezogen werden kann.

Kann ein Unternehmensleiter, der vor an ihn herangetragenen Missständen die Augen verschließt, also nicht nur wirtschaftlich dem Unternehmen schaden, sondern auch gesetzliche Pflichten verletzen und sich damit persönlich haftbar machen? Falls ja, unter welchen Voraussetzungen? Wäre die Annahme einer derartigen Pflicht mit rechtstaatlichen Prinzipien und den Verfahrensmaximen des ←25 | 26→Strafverfahrens vereinbar? Und an welchen Leitlinien können sich in der Verantwortung stehende Vorstandsmitglieder bei der Entscheidung zur Einleitung unternehmensinterner Ermittlungen orientieren? Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, eng am Gesetz orientiert dogmatische Grundlagen einer Pflicht von Vorstandsmitgliedern zur „Compliance“ im Allgemeinen und daran anknüpfend zur Aufklärung verdächtiger Sachverhalte im Besonderen herauszuarbeiten. Darauf aufbauend werden bestimmte Grundaspekte aufgezeigt, die bei der Entscheidung zur Initiierung von Aufklärungsmaßnahmen zu beachten sind und Vorstandsmitgliedern als Orientierungshilfe dienen können. Aufgrund des begrenzten Umfangs und des Ziels der Untersuchung kann und soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf Compliance-Pflichten des Vorstandes in der AG, nicht aber auf Compliance-Pflichten anderer Organe der AG, namentlich des Aufsichtsrats, oder innerhalb anderer Unternehmensformen wie der GmbH eingegangen werden. Auch soll keine Auseinandersetzung mit strafrechtlichen Risiken unterbliebener Sachverhaltsaufklärung, insbesondere aus der sog. Geschäftsherrenhaftung, stattfinden. Der Fokus soll vielmehr darauf gerichtet sein, die in der Literatur vielfach ohne tiefere Begründung angenommene Pflicht des AG-Vorstandes zur Sachverhaltsaufklärung dogmatisch zu untermauern und zu präzisieren.

Dafür ist zunächst im ersten Kapitel eine kurze Darlegung der praktischen Relevanz unternehmensinterner Ermittlungen sowie des dieser Arbeit zugrunde liegenden Begriffsverständnisses, der Zielrichtung unternehmensinterner Ermittlungen und deren praktischer Ausgestaltungsmöglichkeiten notwendig. Da gesetzlich nicht verpflichtend sein kann, was rechtlich nicht erlaubt ist, befasst sich das anschließende zweite Kapitel mit der Zulässigkeit unternehmensinterner Ermittlungen und wirft insbesondere die Frage nach der Existenz eines staatlichen Ermittlungsmonopols sowie der Vereinbarkeit privater Ermittlungstätigkeit mit rechtstaatlichen Prinzipien und Verfahrensgrundsätzen auf. Zudem sollen in der gebotenen Kürze gesetzliche Grenzen unternehmensinterner Ermittlungen skizziert werden. Den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bildet die anschließende Untersuchung einer Pflicht zu unternehmensinternen Ermittlungen als repressiver Compliance-Pflicht. Dafür soll im dritten Kapitel zunächst der Begriff Compliance(-Pflicht) präzisiert und der inhaltliche Zusammenhang von (Criminal) Compliance und unternehmensinternen Ermittlungen dargestellt werden, bevor verschiedene Ansätze zur Herleitung einer Compliance-Pflicht zusammengefasst und diskutiert werden. Das vierte Kapitel setzt sich schließlich mit der normativen Begründung einer Pflicht zur Einleitung unternehmensinterner Ermittlungen auseinander und beleuchtet vor allem verschiedene als Ansatzpunkt dienende Vorschriften des Gesellschaftsrechts sowie ←26 | 27→die Bußgeldvorschrift in § 130 OWiG. Dabei soll auch ein Blick auf die Rechtsprechung zu Aufklärungspflichten von Unternehmensleitern gerichtet werden. Abschließend soll im fünften und letzten Kapitel der Versuch unternommen werden, die Auslöser einer Ermittlungspflicht zu präzisieren, bestehende Entscheidungsspielräume des Vorstandes insbesondere unter dem Gesichtspunkt drohender Selbstbelastung herauszuarbeiten und anhand bestimmter Konstellationen den Pflichtadressaten Entscheidungshilfen an die Hand zu geben.

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1 Heffernan, Wilful Blindness, S. 128.

2 So existiert heutzutage bei nahezu allen (internationalen) Großkanzleien am Standort Berlin eine auf Compliance-Themen ausgerichtete Praxisgruppe, während dies bis ungefähr 2016/2017 nur bei einer einzigen in der Hauptstadt ansässigen Großkanzlei der Fall war. Zu den diesbezüglichen Neuausrichtungen der letzten Jahre JUVE Rechtsmarkt 06/2019.

3 Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft, BT-Drs. 19/23568. Der Gesetzesentwurf ist (vorerst) infolge der Diskontinuität gescheitert. Ob und in welcher konkreten Form ein neues Gesetz zur Sanktionierung von Unternehmen in der aktuellen Legislaturperiode verabschiedet wird, bleibt abzuwarten. Da jedoch davon auszugehen ist, dass ein entsprechender Entwurf sich im Wesentlichen an dem genannten Entwurf des VerSanG orientieren wird, wird nachfolgend an verschiedener Stelle gleichwohl auf diesen verwiesen.

4 Exemplarisch seit 2011 Reeb, Internal Investigations (2011); Wewerka, Internal Investigations (2012); Kottek, Kooperation von Unternehmen (2012); Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen (2012); Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess (2014); Kruse, Compliance und Rechtsstaat (2014); Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte (2014); Scharnberg, Illegale Internal Investigations (2015); jüngst Klaas, Interne Untersuchungen und Informationsaustausch; Nienaber, Compliancebasierte unternehmensinterne Ermittlungen (beide 2019) und Wilkens, Internal Investigations (2020).

5 LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, ZIP 2014, 570.

6 Etwa Geiser, Leitungspflichten (2010); Kutschelis, Korruptionsprävention (2014); Schraud, Compliance in der AG (2018); thematisch nicht auf Compliance-Pflichten beschränkt Kuschnereit, Legalitätspflicht (2019).

7 BGHSt 54, 44 = BGH, NJW 2009, 3173 (3175) m. Anm. Stoffers.

8 Monografisch etwa Spring, Geschäftsherrenhaftung (2009); Poguntke, Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Risiken (2013); Konu, Garantenstellung (2014); Kang, Geschäftsherrenhaftung (2015), Utz, Personale Reichweite der Geschäftsherrenhaftung (2016).

9 Eine Ausnahme stellt insoweit die kürzlich erschienene Arbeit Wilkens, Internal Investigations (2020) dar, die der persönlichen Aufklärungspflicht von Organmitgliedern immerhin rund 80 Seiten widmet (S. 139 ff.) und darüber hinaus auch Aufklärungspflichten und -obliegenheiten des Unternehmens selbst untersucht (S. 85 ff.).

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1. Kapitel: Unternehmensinterne Ermittlungen

A. Hintergrund und Zweck interner Ermittlungen

I. Unternehmensinterne Ermittlungen – Ein neues Phänomen?

Entgegen der verbreiteten öffentlichen Wahrnehmung in der Bundesrepublik sind unternehmensinterne Ermittlungen keineswegs eine „neue Erfindung“, sondern bereits seit Langem eine strategische Maßnahme zahlreicher Großunternehmen, um interne Missstände möglichst geräuschlos, ohne öffentlichen Druck und Mitwirkung der staatlichen Strafverfolgungsorgane, aufzudecken und nach Analyse der Ermittlungsergebnisse die festgestellten Schwachstellen zu eliminieren sowie die betroffenen Einrichtungen und Abläufe zu optimieren.

1. Entstehung und Rezeption in den USA

Anders als in Deutschland spielen unternehmensinterne Ermittlungen im US-amerikanischen Rechtsraum bereits seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine zunehmend große Rolle. Dies war und ist vor allem dem dort herrschenden verwaltungs- und strafrechtlichen Sanktionssystem geschuldet, das seit Langem für Unternehmen selbst enorme Kriminalstrafen und Geldbußen vorsieht und gleichzeitig ein Anreizsystem enthält, das Mitwirkungsbemühungen und Kooperation von Unternehmen bei der Aufklärung von Compliance-Verstößen in erheblichem Maße „belohnt“.10 Betroffene Unternehmen sehen sich hier zum Teil von Strafzahlungen in Millionen- und sogar Milliardenhöhe bedroht,11 die sie durch eigene Aufklärungsbemühungen nicht nur deutlich mildern, sondern denen sie im Extremfall auch ganz entgehen können.12 Damit ist nicht nur die Strafandrohung, sondern auch der Handlungsspielraum der US-amerikanischen Verfolgungsbehörden immens.13

Eine tragende Rolle hierbei spielt die für die Wertpapieraufsicht zuständige US Securities and Exchange Commission (SEC), eine oberste Bundesbehörde mit Sitz in New York und Washington, D.C., die ihre Rechtsgrundlage in § 4 ←29 | 30→des Securities Exchange Act findet.14 Diese wendet sich bei Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten an die betroffenen Unternehmen und fordert diese zur umfänglichen internen Aufarbeitung der Geschehnisse auf.15 Angestoßen wurde dieses Vorgehen durch zahlreiche Bilanzskandale in den 1960er Jahren, in deren Folge die SEC innovative und effiziente Kontrollstrategien im Hinblick auf die Einhaltung des Wertpapierrechts suchte.16 Als sich die Praxis der oktroyierten oder – in zunehmendem Maße – von Unternehmensseite selbst angeregten unternehmensinternen Ermittlungen als erfolgreiche und dabei für die Behörde ressourcenschonende Aufsichtsmaßnahme erwies, etablierte sich diese als Standardauflage der SEC.17 Als Katalysator wirkten dabei die Korruptionsvorwürfe gegenüber Unternehmen im Rahmen der Watergate-Affäre und des daraufhin in Kraft getretenen Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) von 1977, ein US-amerikanisches Bundesgesetz, das unter anderem Sachverhalte grenzüberschreitender Korruption regelt und Unternehmen zur Einrichtung entsprechender Kontrollmechanismen verpflichtet.18 Als Reaktion auf spektakuläre Bilanzskandale19 trat in den USA zudem im Jahre 2002 der Sarbanes-Oxley-Act (SOA)20 in Kraft, der US-börsennotierte Unternehmen adressiert und in erster Linie Regelungen zur Rechnungslegung, Abschlussprüfung, Finanzberichterstattung, zu unternehmensinternen Berichtspflichten sowie Transparenz- und Meldepflichten enthält.

Veranlasst durch einen konkreten Einzelfall veröffentlichte die SEC das schon länger praktizierte und aus ihrer Sicht bewährte Vorgehen im sog. ←30 | 31→Leon-Meredith-Report,21 einer informativen Veröffentlichung der Behörde (ohne verbindlichen Rechtscharakter) zur künftigen Verwaltungspraxis bei Hinweisen auf Wertpapier-Compliance-Verstöße. Neben der allgemeinen Darstellung von relevanten Kriterien hinsichtlich der Ermessensentscheidung bei der Verfolgung und Ahndung – etwa Umfang, Dauer und Intensität der Normverstöße – wird in den Leitlinien insbesondere die Rolle unternehmensinterner Ermittlungen hervorgehoben.22

Ähnliches ergibt sich aus den 1991 in Kraft getretenen United States Sentencing Commission’s Guidelines for the Sentencing of Organizations als Teil der US Sentencing Guidelines (USSG).23 Diese Richtlinien regeln die Strafzumessung bei der Bestrafung von Unternehmen für kriminelles Verhalten einheitlich und sehen etwa vor, dass Unternehmen bei interner Aufklärung und eigenständiger Anzeige der Taten sowie bei voller Kooperation mit den staatlichen Behörden mit einem reduzierten Strafrahmen rechnen können.24

Neben der SEC ist regelmäßig, soweit strafrechtliche Vorwürfe gegen Unternehmen bestehen, das Justizministerium der Vereinigten Staaten (Department of Justice – DOJ) mit der Untersuchung von Verstößen befasst. Dessen Richtlinien und Verfolgungspraxis sehen ebenso wie die für die SEC maßgeblichen Vorschriften vor, dass Unternehmen im Rahmen einer Kooperation mit den staatlichen Behörden vollständige Aufklärungsarbeit von Compliance-Vorfällen zu leisten haben.25 Auch bei der – häufig in Zusammenarbeit mit der SEC stattfindenden – Verfolgung durch das DOJ erlangen unternehmensinterne Ermittlungen vor dem Hintergrund des enormen Ermessensspielraums des Ministeriums bzgl. Anklageerhebung und Strafzumessung große Bedeutung.26

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2. Entwicklung in Deutschland

Auch in Deutschland finden unternehmensinterne Ermittlungen etwa seit Beginn der 2000er Jahre immer weitere Verbreitung und Institutionalisierung. Früher gab es noch äußerst selten sog. Compliance-Organisationen, die solche Untersuchungen initiierten und durchführten; stattdessen wurde die Sachverhaltsaufklärung meist durch die interne Revision in Gang gesetzt und koordiniert.27 Ihren Anstoß mag die Etablierung unternehmensinterner Ermittlungen in der Bundesrepublik darin gefunden haben, dass die US-amerikanischen Strafgesetze – insbesondere der FCPA – auch für deutsche Unternehmen mit US-Bezug Anwendung finden. Für die Anwendbarkeit des FCPA genügt es, wenn ein deutsches Unternehmen US-börsennotiert oder sonst im Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten wirtschaftlich tätig ist.28 Infolge der Anwendbarkeit von US-Gesetzen droht den deutschen Unternehmen eine Verfolgung nicht nur durch deutsche, sondern auch durch US-amerikanische Behörden wie die SEC.

Details

Seiten
282
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (PDF)
9783631878668
ISBN (ePUB)
9783631881972
ISBN (MOBI)
9783631881989
ISBN (Paperback)
9783631878088
DOI
10.3726/b19984
DOI
10.3726/b19980
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (August)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 282 S.

Biographische Angaben

Nina Abel (Autor:in)

Nina Abel, geboren 1990, studierte Rechtswissenschaft an der Universität des Saarlandes und an der Freien Universität Berlin. Im Anschluss war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin und an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig (Professur für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Rechtstheorie). Den juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte sie in Berlin und New York City. 2022 erfolgte die Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2020 arbeitet sie als Rechtsanwältin auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts.

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Titel: Die Pflicht des Vorstandes der Aktiengesellschaft zur Einleitung unternehmensinterner Ermittlungen bei Verdacht auf Non-Compliance