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Die Strafbarkeit der Verbreitung von Fake News – Regulierungsmechanismen zur Bekämpfung moderner Erscheinungsformen bei der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen

von Marc Philipp Kolpin (Autor:in)
©2023 Dissertation 802 Seiten

Zusammenfassung

Es herrscht beinahe ein gesellschaftlicher Konsens, dass sich Fake News im demokratischen Kontext und in einer pluralistischen Gesellschaft als diskursfeindlich erweisen. Ausgehend von dieser These, erfasst der Autor das tatsächliche Gefährdungspotential mittels empirischer Daten in einem interdisziplinären Ansatz. Im Anschluss untersucht der Autor bereits de lege lata vorhandene Regulierungsmechanismen – mit besonderem Fokus auf das NetzDG und das Strafrecht. Aufgrund des vom Autor festgestellten Desiderats an Problemlösungsmechanismen, richtet er sodann den Blick auf Möglichkeiten der (Straf-)Rechtsgenese. Hierbei greift er auf Erkenntnisse aus der von ihm angestellten Rechtsvergleichung zurück und entwickelt – ausgehend von dem Individualrechtsgut des unbeeinflussten Willensbildungsprozesses – einen Lösungsvorschlag im Rahmen strafverfassungsrechtlicher Analyse.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • § 1 Einleitung – Fake News als Mittel bewusster politischer, wirtschaftlicher und sozialer Beeinflussung
  • A. Problemaufriss
  • B. Zielsetzung
  • C. Gang der Untersuchung
  • D. Methodisches Vorgehen
  • E. Ausblick
  • Teil 1: Bestandsaufnahme
  • § 2 Die Zirkulation von Fake News als soziales Problem
  • A. Begriffsdefinition Fake News
  • I. Fallbeispiele von in Deutschland zirkulierten Fake News
  • 1. Fehlerhafte Zitate
  • 2. Dekontextualisierung von visuellen Inhalten
  • 3. Außenpolitisch brisante Fake News
  • 4. Fake News in der Wirtschaft
  • 5. Gewalt bewirkende Fake News
  • 6. Fake Science bzw. gesundheitsgefährdende Fake News
  • II. Wortlautinterpretation
  • 1. Interpretation News
  • a) Nur nachrichtlich aufbereitete Informationen?
  • b) Selektive Fakten und falsche Implikaturen
  • c) Interpretation als aktuelle Desinformation
  • d) Verbreitung im Internet respektive in den sozialen Medien als ratio crescendi?
  • 2. Interpretation Fake
  • a) Intendierter Verbreitungszweck als Unterscheidungsmerkmal
  • b) Abgrenzung zu anderen Phänomenen
  • c) Satire und ähnliche Erscheinungen
  • d) Poor Journalism und andere Formen vernachlässigter Rechercheobligationen
  • e) Gonzo Journalism und New Jornalism
  • III. Lügenpresse – Fake News als rhetorisch pervertierter Kampfbegriff
  • IV. Austauschen der Begrifflichkeit zur Umgehung der Abgrenzungsprobleme und Anforderungen an die Falsifität
  • V. Hate Speech und andere Begleiterscheinungen
  • VI. Kontextuelle Entwicklung – Von Wikileaks, Konspirationstheorien und dem Aufstieg satirischer und alternativer Medien
  • VII. Gutgläubiges Weiterverbreiten von Fake News
  • VIII. Typologie von Fake News
  • XI. Deepfakes – Fake News 2.0
  • 1. Erläuterung der Funktionsweise
  • 2. Positive und negative Verwendungsszenarien
  • 3. Detektionsmöglichkeiten und Regulierungsoptionen
  • 4. Fazit
  • B. Empirische Untersuchung der Auswirkungen desinformativer Diskurstendenzen unter besonderer Berücksichtigung der „neuen Medien“
  • I. Historische Entwicklung von Falschmeldungen: Alter Wein in neuen Schläuchen
  • II. Potenzierungsfaktor „Neue Medien“
  • III. Verändertes Rezeptionsverhalten
  • 1. Nachrichtenkonsum in sozialen Netzwerken
  • 2. Veränderte Machtdynamik am Informationsmarkt
  • 3. Beförderung heuristischer Informationsverarbeitungsmodi
  • IV. Verbreitungswege von Desinformationen
  • 1. Viral Seeding
  • 2. Von Robotern und Algorithmen – Social Bots
  • 3. Von Trollen und Trollarmeen
  • V. Polarisierung und Extremisierung der Bevölkerung durch das geänderte Rezeptionsverhalten
  • VI. Filter- respektive Informationsblasenbildung
  • 1. Peripherer Informationskosmos durch die (automatisierte) Vorselektion
  • a) Kurzzusammenfassung der Kritik
  • b) Funktionsweise des Rankings respektive der Personalisierung
  • c) Personalisierung als ökonomisches Ziel der Unternehmen
  • d) Maximierung von Werbeeinnahmen durch sogenanntes Microtargeting
  • e) Auswirkungen einer Filterblasenbildung
  • f) Untersuchungen hinsichtlich der Heterogenität der selektierten Inhalte
  • aa) Behavoriale Studie von Facebookinhalten
  • bb) Heterogene Aufmerksamkeitsverteilung im Internet
  • cc) Multiple, thematisch geprägte Filterblasen
  • dd) Ideologisch segregiertes Informationsangebot existiert seit jeher
  • 2. Kognitive Verzerrungen, welche die Filterblasenbildung begünstigen
  • 3. Dynamik der Filterblasen in der digitalen Welt
  • VII. Echokammern – Autopropaganda anhand der eigenen Überzeugungen
  • 1. Von Filterblasen zu Echokammern – Folgen der Priorisierung sozialer Interaktion mit Gleichdenkenden
  • 2. Psychologische Reaktionsmuster, welche die Bildung von Echokammern begünstigen
  • VIII. Wiederholung von Informationen als Katalysator – Sleeper Effect und Illusory Truth Effect
  • 1. Sleeper Effect
  • 2. Illusory Truth Effect
  • 3. Reaktanz durch Wiederholung
  • 4. Rezipientengruppen der gezeigten Phänomene
  • IX. Desinformationen als Katalysator fehlerhafter Erinnerungen – Misinformation Effect und ideologische Kongruenz
  • X. Desinformationen begünstigende politische und gesellschaftliche Prädispositionen
  • XI. Psychowissenschaftlich erklärbare destruktive Tendenzen inflationär gestreuter Desinformationen
  • XII. Auflösen der Filterblasen – Ein Schritt zu mehr Weltoffenheit?
  • XIII. Empirische Betrachtung – Beeinflussung des Wählerverhaltens durch automatisierte Informationsselektion
  • 1. Beeinflussung der Nachrichtenrezeption
  • 2. Beeinflussung durch Desinformationen
  • 3. Studien, die Zweifel an der Durchschlagskraft begründen
  • a) Studien im US-amerikanischen Raum
  • aa) Untersuchung auf Twitter (US-Präsidentschaftswahl 2016)
  • bb) Untersuchung auf Facebook (US-Präsidentschaftswahl 2016)
  • cc) Untersuchung des Surfverhaltens von Nutzern
  • dd) Studie zu den Auswirkungen sozialer Medien auf die Wahrheitsgenauigkeit
  • ee) Kritik an der Interpretation der Studien
  • b) Studien im europäischen und im deutschen Raum
  • aa) COMPROP Studie betreffend Junk News (Europawahlen 2019)
  • bb) COMPROP Studie (Bundestagswahl 2017)
  • cc) SNV Studien (Bundestagswahl 2017)
  • 4. Zusammenfassung: Konfrontation mit Desinformationen
  • XIV. Soziale Medien als Echtzeitmedien und Anonymitätscluster
  • XV. Zusammenfassung: Beeinflussungspotential von Fake News
  • § 3. Rechtliche Instrumentarien gegen Fake News de lege lata
  • A. Unzulänglichkeit zivilrechtlicher Unterlassungs-, Gegendarstellungs- und Schadensersatzansprüche gegen den Kommunikator
  • I. Geschützte Rechte
  • 1. Ausflüsse des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • a) Schutz gegen Entstellungen des Lebensbildes und der Identität
  • b) Schutz vor fälschlichen Zuschreibungen von Mitgliedschaften
  • c) Recht am eigenen Wort
  • 2. Unternehmenspersönlichkeitsrecht respektive Persönlichkeitsrecht von Personenvereinigungen
  • 3. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
  • II. Rechtswidrigkeit
  • 1. Rechtfertigung von Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • 2. Rechtfertigung von Beeinträchtigungen des Rechts am eigenen Bild
  • III. Die verschiedenen Ansprüche und Rechtsfolgen
  • IV. Zurechnung des Verhaltens
  • V. Prozessuales
  • VI. Evaluation des Schutzgehalts
  • B. Haftung für fremde Beiträge
  • I. Providerhaftung als rechtsdogmatisches Problem
  • 1. Kurzübersicht der §§ 7 ff. TMG
  • 2. Haftung der Content-Provider
  • 3. Haftung der Network- und Access-Provider
  • 4. Haftung der Host-Provider
  • II. Haftung likender und teilender Nutzer
  • C. Medienrechtliches Regelungsregime
  • I. Der Gegendarstellungsanspruch
  • II. Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten
  • III. Kritik der Schutztauglichkeit
  • D. Das NetzDG auf dem Prüfstand: Unzulässiges Zensurmittel oder adäquates Handlungsinstrumentarium gegen Fake News?
  • I. Regelungsgegenstand des NetzDG
  • 1. Rechtswidrige Inhalte
  • 2. Berichtspflichten
  • 3. Verfahren bei Beschwerden
  • 4. Bußgeldvorschriften
  • 5. Regelungen zur Zuständigkeit und zum Verfahrensablauf
  • 6. Defizitärer Straftatenkatalog hinsichtlich der Verbreitung von Desinformationen
  • 7. Änderungen im TMG
  • II. Europarechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit: Das NetzDG als rechtswidriger Schnellschuss?
  • 1. Formelle Verfassungsmäßigkeit:
  • a) (Fehlende) Gesetzgebungskompetenz des Bundes
  • b) Bestimmtheitsbedenken
  • 2. Materielle Verfassungsmäßigkeit
  • a) Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit der Plattformnutzer
  • aa) Eröffnung des Schutzbereichs
  • bb) Eingriff
  • (1) Chilling Effects als mittelbarer Eingriff
  • (2) Beförderung von Overblocking als mittelbarer Eingriff
  • [i] Overblocking als naheliegende Folge
  • [ii] Argumente gegen einen Eingriff
  • [iii] Fehlende Rechtsschutzmöglichkeiten der Kommunikatoren erhöhen Overblocking-Risiken
  • b) Eingriff in die Berufs- respektive Dienstleistungsfreiheit der Plattformbetreiber
  • c) Verletzung des Justizgewährungsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 GG
  • d) Verletzung des Zensurverbots
  • e) Verletzung des Gleichheitssatzes
  • f) Kritik aus europarechtlicher Perspektive
  • g) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung am Beispiel der Meinungsfreiheit
  • aa) Schranken der Meinungsfreiheit – Allgemeines Gesetz
  • bb) Schranken-Schranken: Insbesondere Verhältnismäßigkeit
  • (1) Legitimer Zweck
  • (2) Geeignetheit
  • (3) Erforderlichkeit
  • (4) Angemessenheit
  • h) Verletzung sonstiger verfassungsrechtlicher Anforderungen: Rechtsstaatsgebot
  • 3. Zusammenfassung
  • III. Das NetzDG in der Rechtswirklichkeit
  • 1. Daten zu eingegangenen Beschwerden
  • 2. Untersuchungen der klassischen Medien
  • 3. Infrastruktur des Beschwerdeverfahrens
  • 4. Publik gewordene Overblocking-Sachverhalte
  • 5. Transparenzberichte
  • IV. Zweckmäßigkeit und Effektivität zur Prävention von Fake News
  • V. Vorschläge zur Anpassung des NetzDG
  • 1. Vorschläge aus der Literatur
  • 2. Vorschläge der Fraktionen anlässlich der Ausschussanhörung 2019
  • 3. Evaluierungsbericht des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz
  • 4. Anpassung des NetzDG durch den Gesetzgeber im Jahr 2021
  • a) Neuregelungen
  • b) Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Bestandsdatenauskunft und diesbezügliches Änderungsgesetz
  • 5. Evaluation der Verbesserungsvorschläge
  • VI. Unzulänglichkeit von Löschungsmechanismen
  • E. Maßnahmen auf der Ebene der Europäischen Union
  • I. Verhaltenskodex gegen Desinformationen
  • II. Aktionsplan gegen Desinformationen – Dezember 2018
  • III. Berichtsergebnisse der Unterzeichner des Verhaltenskodex
  • 1. Berichtszeitraum bis zum 31.12.2018
  • 2. Berichtszeitraum bis einschließlich April 2019
  • a) Maßnahmen von Facebook im Berichtszeitraum
  • b) Maßnahmen von Twitter im Berichtszeitraum
  • 3. Berichtszeitraum bis September 2019
  • 4. Berichtszeitraum bis September 2020
  • 5. Weitere Maßnahmen anlässlich der COVID-19-Pandemie
  • 6. Bewertung der Ergebnisse der Selbstregulierung
  • IV. Aktualiserter Verhaltenskodex gegen Desinformationen
  • V. Selbstverpflichtung im Rahmen einer transatlantischen Initiative
  • VI. Digital Services Act und Digital Markets Act
  • 1. Digital Services Act
  • 2. Digital Markets Act
  • 3. Bewertung des Verordnungspakets
  • VII. Bewertung der europäischen Lösung
  • F. Strafrecht als ultima ratio
  • I. Außerstrafrechtliche Steuerungsmodelle
  • 1. Eigeninitiative Selbstregulierungsbestrebungen der sozialen Medien am Beispiel von Facebook
  • a) Automatische Detektionsmechanismen unter Rückgriff auf maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz
  • b) Aufdeckung von Desinformationskampagnen und von Social Bots, die desinformative Inhalte zirkulieren
  • c) Keine hinreichende eigeninitiative Verantwortungsübernahme seitens der Netzwerke im politischen Bereich
  • 2. Faktenprüfung als Problemlösung im Rahmen der Selbstregulierung
  • a) Effektivität von Faktenprüfung
  • b) Faktenprüfung 2.0: Blockchain-Technologie
  • c) Technologiegestützte Faktenprüfung
  • d) Bösgläubige Akteure profitieren zugleich vom technischen Fortschritt
  • e) Faktenprüfung zeitlich nachgelagert
  • f) Faktenprüfung als Kampfbegriff
  • g) Zusammenfassung
  • 3. Prebunking: Medienaufklärung und Medienbildung
  • a) Problemlösungskompetenz der Bürger: Debunking durch private Nutzer als realistisches Ziel der Medienaufklärung?
  • b) Eigene Aufklärungsarbeit der sozialen Medien
  • c) Beschränkter Adressatenkreis von Medienaufklärung
  • d) Der Fall Relotius – Faktische Grenzen von Gegenaufklärungsmaßnahmen
  • e) Subtile Desinformationen als Problemfeld
  • f) Medienaufklärung wegen der Reaktionsmuster kaum erfolgversprechend
  • g) Studie zu den Auswirkungen der Hinweise von Facebook zur Identifikation von Falschinformationen
  • h) Zusammenfassung
  • 4. Kennzeichnung von Desinformationen bzw. der Vertrauenswürdigkeit der Inhalte
  • a) Kennzeichnung als Disputed
  • aa) Kennzeichnung bei der passiven Rezeption
  • bb) Warnhinweise vor dem Zirkulieren
  • b) Kennzeichnung von Desinformationen als Satire
  • c) Zusammenfassung
  • II. Rechtliche Steuerungsmodelle
  • 1. Neuregelungen im zivilrechtlichen einstweiligen Rechtsschutz
  • 2. Implementierung von Schiedsgerichten
  • 3. Rechtliche Verankerung eines Bewertungssystems
  • 4. Verpflichtung der Informationsintermediäre zur Anwendung eines Gemeinwohl-Algorithmus
  • 5. Umfassende medienrechtliche Gleichstellung
  • a) Kritik an einer umfassenden Gleichstellung
  • b) Medienstaatsvertrag
  • aa) Übersicht über die relevanten Regelungen
  • (1) Regelungen betreffend Medienintermediäre
  • (2) Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten
  • bb) Kritik in der Literatur und eigene Bewertung
  • 6. Datenschutz- und Wettbewerbsrecht sowie Regulierung des digitalen Wahlkampfs
  • 7. Verpflichtung der Plattformen zum Zugänglichmachen von Informationen zu Forschungszwecken
  • Teil 2: Die Strafbarkeit von Fake News de lege lata
  • § 4 Die Ehrschutzdelikte als Instrument gegen ehrenrührige Inhalte
  • A. Leitfälle
  • I. Künastʼs angebliches Gutmenschentum (Leitfall 1)
  • II. Spahnʼs Beschwichtigung (Leitfall 2)
  • III. Obama’s Konfessionszugehörigkeit (Leitfall 3)
  • B. Personenmehrheiten als Verletzte
  • I. Kollektivbeleidigung von Personengemeinschaften
  • II. Individualbeleidigung unter einer Kollektivbezeichnung
  • C. Öffentliche Meinung
  • D. Die Eignung zum Verächtlichmachen
  • I. Streng faktischer Ehrbegriff
  • II. Normativer Ehrbegriff
  • III. Dualistischer Ehrbegriff
  • IV. Notwendigkeit einer dualistischen Betrachtung
  • V. Substantiierung eines dualistischen Verständnisses: Normativierung des Faktischen durch die Widerspruchsfreiheit mit Verfassungswerten
  • 1. Grenzen dieser Differenzierung am Beispielsfall des OLG Karlsruhe zum Schwangerschaftsabbruch
  • 2. Kritik an der Ansicht von Hoven
  • 3. Kritik anderer Autoren an der Entscheidung
  • 4. Skizze einer Differenzierung: Plädoyer für eine Austarierung der kollidierenden Grundrechtspositionen im Einzelfall
  • VI. Zusammenfassung: Dualistischer Ehrbegriff und Desinformationen
  • E. Behaupten oder Verbreiten als Tathandlung – Täterschaft und Teilnahme bei modernen Internet-Interaktionen
  • I. Beteiligungsrechtliche Bewertung von Facebook-Interaktionen
  • 1. Betätigen des Teilen-Buttons
  • 2. Betätigen des Gefällt mir-Buttons
  • a) Ermittlung des Aussagegehalts nach dem Empfängerhorizont
  • b) Beteiligungsstrafrechtliche Bewertung
  • aa) Auffassungen zu § 185 StGB (insbesondere Erfordernis der Kundgabe eigener Missachtung)
  • bb) Bewertung bei § 186 StGB
  • c) Zusammenfassung: Täterschaftliche Bewertung eines Likes
  • II. Strafrechtliche Providerhaftung
  • 1. Taugliche Tathandlung
  • 2. Bewertung als täterschaftlicher Tatbeitrag?
  • III. Beteiligungsrechtliche Bewertung von externen Verlinkungen
  • IV. Möglichkeit sukzessiver Beihilfe – Beendigungszeitpunkt moderner Kommunikationsformen am Beispiel von Ehrverletzungen
  • 1. Taugliche Beihilfehandlung
  • 2. Teilnahmefähigkeit der Haupttat – sukzessive Beihilfe
  • 3. Keine neutrale Beihilfe
  • a) Subjektive Ansätze
  • b) Objektive Ansätze
  • c) Gemischt objektiv-subjektiver Ansatz bei Roxin und in der Rechtsprechung
  • d) Vorliegen einer neutralen Handlung
  • F. Weitere Restriktionsmöglichkeiten: Verneinung des Kundgabevorsatzes, teleologische Reduktion und Verbotsirrtum
  • G. Gutgläubiges Verbreiten von Fake News als Sonderproblem von § 186 StGB – Erforderlichkeit eines Sorgfaltsverstoßes auf Tatbestandsebene?
  • H. § 193 StGB – Rechtfertigung in Wahrnehmung berechtigter Interessen
  • I. Voraussetzungen im Einzelnen
  • II. Abgrenzung zwischen Tatsachen und Werturteilen
  • III. Relevanz für das Verbreiten von Fake News
  • I. § 187 StGB – Verleumdung und Kreditgefährdung
  • J. Qualifikationen
  • I. Öffentliche Begehung oder Begehung durch das Verbreiten von Schriften
  • II. § 188 StGB – Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens
  • K. Prozessuales
  • L. Zusammenfassung des Schutzniveaus der Ehrschutzdelikte
  • § 5 Staatsschutzdelikte
  • A. § 130 StGB – Volksverhetzung als Teilausschnitt hetzerischer Inhalte
  • I. Leitfälle
  • 1. Die vergewaltigenden Flüchtlinge (Leitfall 1)
  • 2. Asylbewerber als Drogenhändler (Leitfall 2)
  • II. Taugliche Angriffsobjekte
  • III. § 130 Abs. 1 StGB
  • 1. Tathandlung im Sinne von Abs. 1
  • a) Agitationstatbestand des Abs. 1 Nr. 1
  • aa) Auffordern zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen
  • bb) Aufstacheln zum Hass
  • (1) Fake News als neutrale Tatsachendarstellung
  • (2) Restriktionsansatz des BGH
  • (3) Schutzgutorientierte Auslegung als Kritik an diesem Ansatz
  • (4) Wortlautorientierte Auslegung
  • (5) Intention des Äußernden als Restriktionsansatz
  • b) Herabwürdigungstatbestand des Abs. 1 Nr. 2 StGB
  • aa) Var. 3 – Verleumden
  • (1) Inhaltliche Anforderungen
  • (2) Extensive Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung
  • (3) Fake News als Angriff gegen die Menschenwürde
  • [i] Denkbare Fallkonstellationen
  • [ii] Einzelfälle in der Rechtsprechung
  • [iii] Relevante Begleitumstände in der Rechtsprechung
  • [iv] Auslegung mehrdeutiger Äußerungen
  • [v] Subsumption ausländerfeindlicher Fake News
  • bb) Var. 1 und 2 – Beschimpfen und böswilliges Verächtlichmachen
  • 1. Konkrete Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens
  • a) Empfänglichkeit der Öffentlichkeit für die Angriffe
  • b) Kein Erfordernis öffentlicher Tatbegehung
  • c) Verbreiten im Internet – Indikation der Wahrnehmung seitens einer breiten Öffentlichkeit
  • d) Mittelbare Angriffe auf im Inland befindliche Gruppen
  • IV. § 130 Abs. 2 StGB
  • V. § 130 Abs. 3 StGB
  • VI. § 130 Abs. 4 StGB
  • VII. Zusammenfassung
  • IX. Bewertung des Schutzniveaus
  • B. § 126 StGB – Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten
  • I. § 126 Abs. 2 als für Fake News relevante Regelung
  • II. Leitfälle
  • 1. Die Warnung vor bevorstehenden Terroranschlägen (Leitfall 1)
  • 2. Der erfundene Terroranschlag in Mannheim (Leitfall 2)
  • III. Die Tathandlung des Vortäuschens
  • IV. Anforderungen an die bevorstehende Tat
  • V. Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens
  • 1. Berücksichtigungsfähige Umstände
  • 2. Mögliche zu Friedensstörungen führende Maßnahmen
  • 3. Rechtsprechung zur allgemeinen Beunruhigung
  • VI. Subjektive Tatseite
  • VII. Subsumption der Leitfälle
  • 1. Die Warnung vor bevorstehenden Terroranschlägen (Leitfall 1)
  • a) Fehlende Deliktsspezifizierung in der Äußerung
  • b) Zeitliche Tatnähe nicht erkennbar
  • 2. Der erfundene Terroranschlag in Mannheim (Leitfall 2)
  • VIII. Zusammenfassung des Schutzniveaus
  • C. § 86 StGB – Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
  • D. § 100a StGB – Landesverräterische Fälschung
  • I. Taugliches Tatobjekt und taugliche Tathandlung
  • II. Taterfolg
  • III. Subjektive Tatseite
  • IV. Zusammenfassung des Schutzniveaus
  • § 6 Straftaten gegen die Rechtspflege
  • A. § 145d StGB – Vortäuschen einer Straftat
  • I. Leitfälle für die §§ 145d, 164 StGB
  • 1. Der erfundene Terroranschlag (Leitfall 1)
  • 2. Die behauptete Vergewaltigung (Leitfall 2)
  • 3. Der erfrorene Flüchtling (Leitfall 3)
  • 4. Die Silvesterfeuerwerk in der Reinoldikirche (Leitfall 4)
  • II. Schutzzweck
  • III. Rechtswidrige Tat und tauglicher Adressat der Tathandlung
  • IV. Mittelbare Kenntnisverschaffung
  • V. Mittelbare Weitergabe nach herrschender Auffassung ausreichend
  • 1. Strafrechtsdogmatische Lösung des OLG Braunschweig
  • 2. Kritik an der Lösung des OLG Braunschweig
  • 3. Gemeisame Schnittmenge der Ansichten
  • VI. Subsumption der Leitfälle
  • VII Subjektive Tatseite
  • VII. Evaluation des von § 145d StGB ausgehenden Schutzes
  • B. § 164 StGB – Falsche Verdächtigung
  • I. Schutzgut
  • II. Objektive Voraussetzungen im Einzelnen
  • 1. Öffentliches Verdächtigen
  • 2. Kein unmittelbares Verdächtigen vor der zuständigen Behörde notwendig
  • 3. Weitergabe fremder Informationen
  • III. Subjektive Voraussetzungen
  • 1. Verdächtigung wider besseres Wissen
  • 2. Zusätzliche Voraussetzung im Falle mittelbarer Verdächtigung
  • 3. Verstrickungsabsicht
  • a) Kritik am behaupteten kriminalpolitischen Bedürfnis für die Tatbestandsmäßigkeit von sicherem Wissen
  • b) Subsumtion relevanter Fallgestaltungen
  • aa) Oftmals keine Verstrickungsabsicht
  • bb) Zumeist keine bestimmte Person verdächtigt
  • c) Schutzlücken begünstigen Einlassungsgeschick
  • IV. Zusammenfassung
  • § 7 Delikte betreffend die unerlaubte Bildnisherstellung bzw. Verbreitung
  • A. § 201a StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen
  • I. Unverfälschtes Bildmaterial
  • 1. Erfasste Aufnahmen
  • 2. Eignung zur Schädigung und Erheblichkeitserfordernis
  • 3. Subsumption denkbarer Fallgestaltungen
  • II. Deepfakes
  • III. Strafprozessuales
  • B. § 33 KUG – Bildverbreitung entgegen §§ 22 ff. KUG
  • § 8 Tatbestände bzgl. finanz- bzw. kapitalmarktrelevanter Desinformationen
  • A. §§ 119 Abs. 1, 120 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 15 Nr. 2 WpHG i.V.m. Art. 15, 12 Abs. 1 lit. c, d MAR
  • B. § 331 HGB, § 400 AktG und § 399 AktG, § 16 UWG und §§ 263 ff. StGB
  • § 9 Strafanwendungsrechtliche Implikationen bei der Begehung im Internet
  • A. Ubiquitätsprinzip als Anknüpfungspunkt
  • B. Verbreitungsdelikte im Internet als strafanwendungsrechtliche Problemgestaltungen
  • I. Restriktive Auslegungsvariante: Von den erfolglosen abstrakten Gefährdungsdelikten
  • II. Extensive Auslegungsansätze
  • 1. Reine Abrufbarkeit untauglicher Anknüpfungspunkt
  • 2. Abstellen auf einen Tathandlungserfolg im Sinne Siebers
  • a) Inhalt des Ansatzes
  • b) Kritik
  • 3. Kein Offenlassen der strafanwendungsrechtlichen Problematik im Falle eines neuen, auf Konkurrenzebene vorgehenden Tatbestandes
  • 4. Subjektive Abgrenzungsansätze
  • 5. Inlandsbezug der Tat als tauglicher Anknüpfungspunkt
  • 6. Rechtsprechungswandel des BGH und gesetzgeberische Klarstellung
  • 7. Restriktion durch Kompetenzregelungen – Die Zukunftsvision von Wörner
  • III. Ergebnis der strafanwendungsrechtlichen Untersuchung
  • C. Zusammenfassende Analyse der de lege lata existenten strafrechtlichen Interventionsmöglichkeiten
  • I. Rechtsschutzlücken für den Bereich des Verbreitens nicht inkriminierter Inhalte
  • II. Aufstockung der personellen und sachlichen Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden aufgrund des defizitären strafrechtlichen Schutzniveaus unzureichend
  • Teil 3: Die Strafbarkeit von Fake News de lege ferenda
  • § 10 Rechtsvergleichender Ansatz: Die Strafbarkeit von Fake News in anderen Rechtsordnungen
  • A. Kontinentaleuropäischer Rechtskreis: Weitere Rechte der germanischen Rechtsfamilie am Beispiel Österreichs
  • B. Kontinentaleuropäischer Rechtskreis: Romanische Rechtsfamilie
  • I. Italienischer Gesetzesentwurf zur Strafbarkeit von Fake News
  • 1. Straftatbestände im Einzelnen
  • 2. Flankierende regulatorische Maßnahmen
  • 3. Kritik an dem Entwurf
  • II. Rechtslage in Frankreich
  • 1. De lege lata existierende Gesetze
  • a) Straftatbestand im Pressefreiheitsgesetz
  • b) Gesetzespaket gegen gezielt gestreute Falschinformationen
  • aa) Regelungsgehalt
  • bb) Hintergründe der jüngeren Gesetzgebung sowie diesbezügliches Echo in Politik und Wissenschaft
  • c) Gesetz zur Bekämpfung von Hassinhalten im Internet
  • 1. Eigene Bewertung
  • a) Gesetzespaket gegen gezielt gestreute Falschinformationen
  • b) Gesetz zur Bekämpfung von Hassinhalten im Internet
  • C. Sozialistische Rechte: Russische Anti-Fake-Gesetze
  • D. Common Law-Rechtskreis
  • I. Irischer Gesetzesentwurf zur Einführung eines Straftatbestandes betreffend das Verbreiten von Fake News
  • II. Großbritannien
  • 1. Rechtslage de lege lata
  • 2. Weitere Vorhaben
  • III. Fake News im US-amerikanischen Strafrecht
  • 1. Ermittlungen gegen ausländische Desinformationskampagnen
  • 2. Weitere Gesetzgebung und Vorhaben
  • 3. Gesetzgebung betreffend Desinformationskampagnen im politischen Bereich und die diesbezügliche Rechtsprechung
  • a) Bestehende Regelungen
  • aa) Falsche Kampagnen- oder Werbeinhalte
  • (1) Beispiel Minnesota
  • (2) Beispiel Oregon
  • bb) Weitere strafrechtlich regulierte Bereiche
  • b) Verfassungsrechtliche Bedenken und Anfechtungen von Gesetzen, die Aussagen bzgl. bestimmter Themen verbieten
  • aa) Gerichtliche Anfechtungen
  • bb) Schutzumfang des 1. Zusatzartikels: Sind falsche Aussagen erfasst?
  • (1) Anti-Korruptionsgesetz in Kentucky
  • (2) Gesetz betreffend unwahre Tatsachenbehauptungen über den Erhalt der Ehrenmedaille
  • cc) Auffassungen zur Judikatur in der Wissenschaft
  • (1) Darstellung der Auffassungen im Einzelnen
  • [i] Die extensive Auffassung von Zenor
  • [ii] Striktere Auffassung von Sellers
  • [iii] Strikte Auffassung von Hasen: Pönalisierung von Election Speech
  • [iv] Libertäre Auffassungen zu Diffamierungsgesetzen im politischen Kontext
  • [v] Auffassungen zur (weitestgehenden) Aufrechterhaltung des status quo
  • [vi] Auffassungen zur Regulierung abseits des Strafrechts
  • (2) Zusammenfassung und gesellschaftliche Verankerung der liberalen Interpretation der Meinungsfreiheit
  • 4. Legislative Maßnahmen zur Inanspruchnahme der Plattformen
  • a) Regelungsgegenstand von § 230(c) Communications Decency Act
  • b) Vorgaben des Dekrets von Trump
  • c) Bewertung
  • d) Gesetzesentwurf des US-amerikanischen Justizministeriums
  • aa) Aufhebung des Haftungsprivilegs im Falle unterlassener Löschung von rechtswidrigen Inhalten
  • bb) Haftung für die (unrechtmäßige) Entfernung von Inhalten
  • e) Weitere Gesetzesentwürfe zur Änderung von § 230(c) Communications Decency Act
  • 5. Zusammenfassung und Evaluation der Maßnahmen in den USAs
  • IV. Fake News im kanadischen Strafrecht
  • V. Singapur
  • I. Inhalt des Gesetzes
  • a) Legaldefinitionen
  • b) Verbot der Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen
  • c) Berichtigungs- und Löschungsverlangen
  • aa) Gegenüber den Kommunikatoren
  • bb) An die Internetintermediäre
  • d) Kennzeichnung von Onlineplätzen, auf denen direktionswidrige Inhalte verbreitet wurden
  • e) Verschiedentliche weitere Verpflichtungen
  • 1. Kritik an dem Gesetzesentwurf
  • 2. Eigene Bewertung
  • E. Zusammenfassung der rechtlichen Steuerungsmodelle
  • F. Einordnung der deutschen Lösung des sozialen Konflikts
  • § 11 Rechtspolitische Aspekte: Inkriminierung zur Vermeidung politischer Propaganda?
  • A. Latente Gefährdung des öffentlichen Diskurses im politischen Bereich
  • I. Auswirkungen desinformativer Interferenzen in der politischen Landschaft
  • II. Unabdingbarkeit der Regulierung aufgrund interdisziplinärer Erkenntnisse: Entfremdung der Meinungslager und Ineffektivität von Löschungs- und Richtigstellungsmechanismen
  • B. Diskurstheoretische Überlegungen
  • I. Verändertes Konsumverhalten: Nachrichtenkonsum durch soziale Netzwerke und andere moderne Medien
  • II. Die Krise des Qualitätsjournalismus und der klassischen Medien – Notwendige Bedingung einer Desinformationsökonomie
  • 1. Studien über die US-amerikanische Bevölkerung
  • 2. Studien über die deutsche Bevölkerung
  • 3. Der Fall Relotius als Katalysator für einen Vertrauensverlust
  • 4. Vertrauensverlust als latente Gefahr
  • 5. Konsequenzen eines möglichen Vertrauensverlusts
  • III. Verspätete Regulierung sozialer Netzwerke macht es unmöglich, nunmehr allein diese in die Verantwortung zu nehmen
  • C. Notwendigkeit vor dem Hintergrund des Idealtypus einer aufgeklärten Gesellschaft: Staatlicher Paternalismus durch die Kriminalisierung?
  • I. Forschungsprojekt der TU Darmstadt
  • II. Von PwC durchgeführte Bevölkerungsumfrage anlässlich der Europawahlen 2019
  • III. Deloitte Cyber Security Report 2019
  • IV. Forsa Umfragen
  • V. Eurobarometer-Umfrage
  • VI. Studie der Nichtregierungsorganisation Avaaz
  • VII. Studie zu den Auswirkungen von COVID-19
  • VIII. Zusammenfassung
  • D. Unabdingbarkeit der Straffreiheit in einer freiheitlichen Demokratie?
  • I. Philosophische Hintergründe
  • 1. Einführung: Die Wahrheit in der Philosophie
  • 2. Wahrheitstheorien im Einzelnen
  • a) Korrespondenztheorie
  • aa) Russell’sche Wahrheitstheorie
  • bb) Widerspiegelungstheorie
  • b) Subjektimmanente Wahrheitstheorien
  • aa) Kohärenztheorie
  • bb) Pragmatismus
  • c) Konsenstheorie als sprachpragmatische Wahrheitstheorie
  • d) Evidenztheorie
  • e) Schlussfolgerungen
  • II. Analyse des Schutzes der Meinungsfreiheit in der verfassungsrechtlichen Werteordnung
  • 1. Grundlegende Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie
  • 2. Analyse der Wechselbezüglichkeit von Tatsachen und Meinungen
  • 3. Libertäre Interpretation der Meinungsfreiheit auch in anderen Äußerungsbereichen
  • III. Wertvergleichende Rechtsvergleichung: Regulierung von Fake News in ausgewählten autoritären Staaten
  • 1. Common Law-Rechtskreis (Commonwealth)
  • a) Indien
  • aa) Gesetzliche Regelungen
  • (1) Aufgehobener § 66-A des Information Technology Act
  • (2) Geplante regulatorische Intervention – Akkreditierungsentzug von Journalisten
  • (3) Weitere für Fake News relevante Tatbestände im indischen Strafrecht
  • bb) Sozio-kulturelle Besonderheiten des Vergleichssystems
  • (1) Reaktionen der sozialen Medien auf durch Fake News ausgelöste Gewalttaten
  • (2) Medienkompetenz der indischen Bevölkerung
  • b) Malaysia
  • aa) Inhalt des Gesetzes
  • bb) Kritik an der Regelung
  • cc) Aufhebung des Gesetzes
  • 1. Afrikanischer Rechtskreis
  • a) Kenia
  • b) Von weiteren tödlichen Fake News in Nigeria
  • 1. Fernöstlicher Rechtskreis
  • a) Thailand
  • b) Myanmar
  • 2. Hybride Rechtssysteme: Philippinen sowie weitere Gesetzesvorhaben in Südostasien
  • 3. Schlussfolgerungen aus der wertvergleichenden Rechtsvergleichung
  • E. Positive und negative Nebeneffekte einer Kriminalisierung
  • F. Vergleich mit der rechtlichen Gewährleistung der Authentizität journalistischer Inhalte
  • G. Erforderlichkeit im internationalen Kontext: Beeinflussung durch fremde Rechtssysteme und den sog. „Clash of Cultures“
  • I. Empirie: Entwicklung staatlicher Desinformationstätigkeit
  • II. Desinformationsaktivitäten staatsnaher russischer Medien
  • III. Desinformationsaktivitäten aus der Volksrepublik China: Der Einstieg des „schlafenden Riesen“ in die moderne Propagandapolitik
  • IV. Fazit: Reale Gefährdung durch ausländische Desinformationskampagnen
  • § 12 Rechtsgüterschutz als negativer Begrenzungsfaktor der Gesetzgebung
  • A. Historische Entwicklung
  • I. Aufklärerische Erklärungsversuche
  • II. Erstmalige Erwähnung bei Birnbaum
  • III. Manifestation der Rechtsgutslehre bei Jhering, Binding und von Liszt
  • 1. Gesetzespositivistischer Ansatz von Binding
  • 2. Theorie des objektiven Unrechts bei Jhering – Zweckgedanke im Recht
  • 3. Transjuristische Fortentwicklung bei von Liszt
  • IV. Entwicklung im Nationalsozialismus
  • V. Streit um die Berechtigung eines systemkritischen Rechtsgutsbegriffs ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts
  • 1. Personaler Rechtsgutsbegriff bei Marx und Hassemer
  • 2. Dualistische Konzeption bei Tiedemann
  • 3. Theorie der Sozialschädlichkeit bei Amelung
  • 4. Sozialschädlichkeit bei Jakobs
  • 5. Rückbesinnung auf eine subjektive Rechtsverletzung bei Hörnle
  • B. Umstrittenes Verständnis des Begriffs des Rechtsguts
  • I. Begriffsverständnis in der Lehre Hassemers
  • II. Leitlinien bei Roxin
  • 1. Willkürliche, ideologische oder grundrechtswidrige Strafgesetze
  • 2. Abgrenzung zwischen Rechtsgut und Regelungsziel
  • 3. Moral- oder Sittenwidrigkeit
  • 4. Verstoß gegen die (eigene) Menschenwürde
  • 5. Schutz von Emotionen nur im Falle der Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls
  • 6. Selbstschädigung
  • 7. Wert- und Moralvorstellungen: Symbolisches Strafrecht
  • 8. Gesellschaftliche Tabus
  • 9. Postulat hinreichender Konkretheit
  • C. Rechtstheoretische Konzeption: Funktionen der Lehre vom Rechtsgut
  • I. Systemimmanentes vs. systemtranszendentes Konzept
  • 1. Kritik an einem systemimmanenten Rechtsgutsbegriff
  • 2. Weitere Ansätze als Reaktion auf die Kritik
  • 3. Theorie der Sozialschädlichkeit von Amelung
  • 4. Begrenzung der Strafgesetzgebung allein anhand verfassungsrechtlicher Prinzipien?
  • 5. Eigene Stellungnahme: Argumente für einen systemtranszendenten Rechtsbegriff
  • a) Anderweitig inhaltslose Prüfung eines legitimen Zwecks
  • b) Die Rechtsgutslehre als Argumentationstopos zur Kritik an vorgefundenen Normen
  • c) Abstraktion der Rechtsgutslehre als unabdingbares Resultat ihrer Funktion
  • d) Koexistenz von systemimmanentem und systemtranszendentem Rechtsgutsbegriff
  • II. Strafrechtsbegrenzende Funktionen im Einzelnen
  • D. Deduktion der inhaltlichen Anforderungen
  • E. Prüfungsvoraussetzungen im Einzelnen
  • I. Strafverfassungsrechtliche Begrenzung durch das Rechtsgutdogma als Zielbestimmung
  • II. Zur Erforderlichkeit einer mehrgeteilten Prüfung
  • § 13 Definition eines Rechtsguts als Anknüpfungspunkt der Gesetzgebung
  • A. Unbeeinflusster Meinungsbildungsprozess des Individuums als zu schützendes Rechtsgut
  • I. Veränderter Informationsmarkt in der „Networked Information Economy“
  • II. Das Schutzgut der „öffentlichen Willensbildung“ – Mutatis Mutandis eines gewandelten Kommunikationsforums
  • 1. Deduktion des Schutzguts öffentlicher Willensbildung aus dem Demokratieprinzip
  • a) Kritik der Literaten an einem Schutzgut der öffentlichen Willensbildung
  • b) Eigene Bewertung
  • 2. Konstituierung für den demokratischen Meinungsbildungsprozess gedeihlicher Tatsachenbehauptungen zum öffentlichen Gut infolge der Publikation
  • a) Gesellschaftspolitische Bedeutung authentischer Informationen
  • b) Unbeeinflusster demokratischer Meinungsbildungsprozess als Quasi-Rechtsgut
  • c) Vom Mär variabler Angriffsrichtung
  • d) Impersonale Interpretation der Kommunikationsgrundrechte bei Vesting
  • e) Begrenzungsfunktion des Quasi-Rechtsguts
  • B. Evaluation weiterer greifbarer vorstrafrechtlicher Anknüpfungspunkte
  • I. Öffentlicher Meinungsbildungsprozess bzw. Informationswahrheit nach Schünemann
  • II. Vertrauen in die Authentizität des öffentlichen Diskurses
  • III. Extensiverer Ehrbegriff bzw. anderweitig erweiterter Individualschutz für die Protagonisten von Desinformationen
  • IV. Schutz der Integrität von Wahlen
  • V. Schutz des freien Wahlrechts
  • C. Negative Abgrenzung nach den Vorgaben Roxins
  • I. Unproblematische Anforderungen
  • II. Symbolisches Strafrecht
  • 1. Verhaltenslenkender Einsatz des Strafrechts
  • 2. Rechtssoziologischer Ansatz: Die These von der kulturellen Verspätung des Rechts
  • D. Zusammenfassung
  • § 14 (Straf-)Verfassungsrechtliche Implikationen – Von der Pönalisierbarkeit der Verbreitung von Desinformationen
  • A. Prüfungsimplikationen im Einzelnen
  • I. Rechtsgutsdogma als legitimer (Strafrechts-)Zweck
  • II. Geeignetheit respektive Schutzfähigkeit und Strafrechtstauglichkeit
  • III. Erforderlichkeit respektive Strafrechtsbedürftigkeit
  • IV. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne als notwendige Bedingung der Strafrechtswürdigkeit
  • V. Bewertung der besonderen Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips
  • VI. Für die Untersuchung besonders relevante Verhältnismäßigkeitsprädispositionen
  • B. Verfassungsrechtliche Prüfung der Strafbewehrung der Verhaltensnorm
  • I. Legitimer (Strafrechts-)Zweck
  • II. Geeignetheitsbedenken
  • 1. Fehlende Nachweismöglichkeiten bzgl. negativer Wirkungen – Von der Eignung der Verhaltensnorm
  • 2. Allgemeine Bedenken gegenüber der Strafbewehrung
  • 3. Mangelnde Schutzfähigkeit durch die Strafbewehrung? – Rückschlüsse aus dem rechtsvergleichenden Teil zur Aufhebung vergleichbarer Tatbestände
  • 4. Strafrechtstauglichkeit
  • 5. Zusammenhang zwischen inkriminierter Handlung und Rechtsgutsgefährdung: reale Verletzungskausalität und deren Äquivalente
  • III. Erforderlichkeitsbedenken
  • 1. Prävention durch Modifikation des normativen Umfelds mittels flankierender Maßnahmen – Das NetzDG als Rechtsdurchsetzungsmechanismus im Rahmen der Kriminalisierung
  • 2. Generalpräventive Wirkung anderer Steuerungsmodelle
  • a) Außerregulatorische Steuerungsmodelle: Verantwortungsübernahme durch den jeweiligen Diskursteilnehmer bzw. durch Dritte
  • b) Regulatorische Steuerungsmodelle
  • aa) Zivilrecht
  • bb) Medien- und Wettbewerbsrecht
  • (1) Haftungserweiterung der sozialen Medien
  • (2) Lizenzaussetzungen
  • (3) Wettbewerbsrechtliche Regulierung
  • (4) Regulierung der Algorithmen – Von der bloß regelmäßigen Geltung des ultima ratio-Postulats
  • cc) Transparenz bzgl. Wahlkampfmaßnahmen oder der Finanzierung von Parteien
  • dd) Ordnungs- und Ordnungswidrigkeitenrecht als potentiell mildere Mittel – Von der Notwendigkeit eines sozialethischen Tadels
  • ee) Anderweitige weniger empfindliche strafrechtliche Regulierungsmöglichkeiten als ein Allgemeindelikt
  • (1) Adressierung besonders reichweitestarker Handlungen: Vorgehen gegen Social Bots bzw. gegen organisiertes Zusammenwirken von Nutzern
  • (2) Sonderdelikt: Pönalisierung von Garantiepersonen bzw. politischen Akteuren und Kampagneninhalten
  • 3. (Negative) Generalprävention als Zweck der strafbewehrten Verhaltensnorm: Erreichbare Veränderungen bei den Informationsverarbeitungsmechanismen
  • IV. Angemessenheitsbedenken
  • 1. Abwägungsrelevante Faktoren
  • a) Strafwürdigkeitsbegründende Faktoren
  • b) Eingriffsintensitätsbestimmende Faktoren
  • aa) Abschreckungseffekte
  • bb) Strafbarkeitsbegrenzungen durch materiell-rechtliche und prozessuale Lösungen
  • (1) Gutgläubiges Verbreiten: Materiell-rechtliche Lösung
  • (2) Weitere Fälle geringen Schuldgehalts
  • cc) Schädliche Nebenfolgen
  • dd) Bloß marginaler Zugewinn an Generalprävention?
  • 2. Abwägung der relevanten Faktoren: Austarieren des Gewinns an Rechtsgüterschutz mit den Grundrechtsbeeinträchtigungen
  • C. Zwang zur Pönalisierung? – vom Schutzauftrag der Grundrechte
  • I. Voraussetzungen für eine Schutzpflicht in der Rechtsprechung des BVerfG
  • II. Perspektivwechsel und verfassungsrechtliche Anforderungen
  • III. Führt die Schutzdimension der Grundrechte in concreto zu einer Pflicht des Gesetzgebers zur strafrechtlichen Intervention?
  • § 15 Strafrechtsgenetische Regelungsalternativen: Erweiterung bestehender oder Formulierung neuartiger Normen
  • A. Auftakt: Möglichkeiten der Strafrechtsgenese
  • I. Option der Ergänzung bestehender Tatbestände
  • II. Implementierung neuartiger Tatbestände
  • 1. Umfassende Inkriminierung
  • 2. Inkriminierung unter qualifizierten Voraussetzungen
  • a) Kriminalisierung des Verbreitens von Fake News zur Beeinflussung von Wahlen
  • aa) Ergänzung von § 108a StGB
  • bb) Erweiterung von § 107a StGB
  • cc) Keine Bereichsausnahme für Fälle geboten, in denen eine Gegendarstellung noch möglich ist
  • b) Erweiterung der Ehrschutzdelikte um die Schaffung kompromittierender Sachlagen bzw. der Friedensschutzdelikte
  • c) Zeitliche Einschränkung der gesetzlichen Änderungen
  • d) Tatbestandliche Beschränkung auf wesentliche Informationen
  • e) Strafbarkeit der Verbreitung von Fake News, die geeignet sind, internationale Beziehungen zu gefährden
  • aa) Die Causa „Böhmermann“ – abolitionistische Tendenzen in diesem Deliktsbereich
  • bb) Gefährdung internationaler Beziehungen als objektive Bedingung der Strafbarkeit
  • cc) Konstruktion als Delikt mit überschießender Innentendenz
  • dd) Kriminalisieren des leichtfertigen Verkennens der Unrichtigkeit
  • III. Der subjektive Tatbestand des neu zu konstruierendem Delikt
  • 1. Allgemeine kriminalpolitische Erwägungen hinsichtlich der Konstruktion des subjektiven Tatbestands
  • 2. Keine objektive Strafbarkeitsbedingung
  • 3. Tatbestandliche Anknüpfung an Eventualvorsatz
  • 4. Einführung eines im Strafmaß angepassten Leichtfertigkeitstatbestands
  • IV. Rechtsdogmatische Analyse der Regelungsalternativen
  • 1. Schonende Umsetzung durch die punktuelle Ergänzung bereits bestehender Normen?
  • 2. Formulierung eines neuartigen Rechtsguts als Plädoyer für eine eigenständige Neuregelung
  • B. Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Strafbarkeit der unbefugten Benutzung informationstechnischer Systeme
  • I. Rechtslage zu Social Bots de lege lata
  • 1. Datenveränderung – § 303a Abs. 1 StGB
  • a) Kontextveränderung
  • b) Wechsels des Bezugsgegenstands
  • c) Zu antizipierende Rechtsdurchsetzungsdefizite
  • 2. Computersabotage – § 303b Abs. 1 und 2 StGB
  • 3. Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke – §§ 16, 106 UrhG
  • II. Inkriminierungsvorhaben des Gesetzesentwurfs
  • III. Eigene Bewertung
  • C. Ausgestaltung des Desinformationsverbreitungsstraftatbestands unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeitsanforderungen
  • I. Inhaltliche Anforderungen an Desinformationen – Legitimer Anwendungsbereich eines Desinformationsverbreitungsstraftatbestands im Hinblick auf die erfassten Inhalte
  • 1. Von legitimen Fake News
  • 2. Inhaltliche Anforderungen: Besondere Bedeutung für den öffentlichen Diskurs
  • 3. Nur unwahre oder auch irreführende Informationen
  • 4. Erkenntnistheoretisch im Zeitpunkt der Äußerung nicht verifizierbare (Des-)Informationen als notwendige Strafbarkeitslücke
  • 5. In wesentlichen Punkten unvollständige Information als unrichtig
  • II. Ausgestaltung als Gefährdungsdelikt
  • III. Voraussetzungen auf Ebene der Tathandlung
  • 1. Beschränkung auf spezifische Kommunikationsformen
  • 2. Reine Verbreitung oder geistige Urheberschaft
  • 3. Aggressive Informationspraxis als Verhaltenselement – Ideen des Europäischen Parlaments
  • 4. Kommunikationsintention als maßgeblich unwertbestimmender Faktor
  • IV. Qualifikationen bzw. Regelbeispiele
  • 1. Gewerbsmäßigkeit und bandenmäßige Begehung
  • 2. Audiovisuelle Desinformationen (insbesondere Deepfakes) – sowie technische Visibilitätssteigerungstechnologien
  • 3. Straferhöhung für jegliches Bildmaterial?
  • 4. Gefährdung außenpolitischer Beziehungen
  • V. Privilegierungen
  • 1. Für Wissenschaft und professionellen Journalismus
  • 2. Für Aufklärungsmaßnahmen
  • VI. Sanktionsgestaltung
  • VII. Systematische Verortung
  • D. Prozessual notwendige Folgeänderungen
  • § 16 Schlussbetrachtung
  • A. Unbeeinflusster Meinungsbildungsprozess als Grundvoraussetzung der Demokratie – Schwächung des öffentlichen Diskurses
  • B. Erforderlichkeit der strafrechtlichen Ahndung zur Wahrung eines unbeeinflussten Meinungsbildungsprozesses
  • C. Zusammenfassung der Erkenntnisse in Thesen
  • D. An den Gesetzgeber gerichtete Empfehlung einer Neuregelung
  • Literaturverzeichnis

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§ 1 Einleitung – Fake News als Mittel bewusster politischer, wirtschaftlicher und sozialer Beeinflussung

Das Verbreiten von sog. Fake News und die Verwendung sog. Social Bots besitzt strafrechtliche Relevanz. Ob Strafbarkeitslücken existieren, deren Schließung rechtspolitisch und verfassungsrechtlich geboten erscheint, ist dagegen fraglich. Die vorliegende Darstellung soll einen Beitrag zur Beantwortung folgender Forschungsfrage leisten: Welche rechtlichen Instrumentarien bestehen de lege lata und de lege ferenda, um die Verbreitung von Fake News und die Verwendung von Social Bots effektiv und verhältnismäßig zu bekämpfen und so einen hiervon unbeeinflussten Meinungsbildungsprozess zu gewährleisten?

A. Problemaufriss

Die Verwendung von Fake News als Mittel politischer, wirtschaftlicher und sozialer Beeinflussung ist nicht erst in jüngerer Vergangenheit entdeckt worden, jedoch infolge der jüngeren Datenschutzskandale und der steten Bedeutungszunahme moderner Massenkommunikationsmittel Gegenstand aktueller gesellschaftlicher Diskussionen. Es handelt sich aber mitnichten um ein neuartiges Phänomen, bedingt durch die Existenz der sog. neuen Medien, vielmehr fand das Verbreiten von Fake News bereits in weiter Vergangenheit vor allem als Handlungsinstrumentarium im politischen Diskurs Verwendung. Es besteht inzwischen lediglich eine einfachere und effizientere Verbreitungsmöglichkeit, die dem digitalisierten Zeitalter immanent ist.1 Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages schreibt den diversen im digitalen Zeitalter geschaffenen modernen Verbreitungsformen virale und sogar destruktive Wirkung zu.2

Datenschutz- und Desinformationsskandale wie die Verwicklung des sozialen Netzwerks Facebook und der Marketingfirma Cambridge Analytica in die Auswertung und Analyse des Nutzerverhaltens zur Verwendung von Informationen im US-amerikanischen Wahlkampf erfuhren großes mediales Echo und waren ←47 | 48→Gegenstand von Untersuchungsausschüssen in mehreren Staaten.3 Die Aussagen des „WhistleblowersWylie4 vor einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments, dass Cambridge Analytica an der Manipulation des Brexit-Referendums mitgewirkt habe, ließen ein weitreichendes Ausmaß politischer Beeinflussung durch Fake News befürchten. Sollten sich die letztgenannten Vorwürfe bewahrheiten, wären damit nicht nur datenschutzrechtliche Verstöße bei deutschen Nutzern sozialer Netzwerke bewiesen, sondern auch erhebliche politische Auswirkungen auf Deutschland durch den Brexit nachgewiesen.

Dies macht Bekämpfung und Prävention von Fake News zum rechtspolitischen Anliegen und deshalb zum Anlass der vorliegenden Untersuchung. Die Europäische Kommission erfragte zuletzt in einer Konsultation Daten zur Verhinderung von Online-Desinformationen5 und widmet sich auch im Übrigen der Intervention hinsichtlich der Desinformationsproblematik. Doch existieren im deutschen Recht bereits taugliche Instrumente zur Bekämpfung des Einsatzes von Fake News als Mittel politischer Beeinflussung? Genügen die bereits vorhandenen Instrumentarien dem so formulierten Ziel? Sollte dies nicht der Fall sein, könnte Handlungsbedarf seitens der Rechtswissenschaft und des Gesetzgebers bestehen, die Schutzlücken durch die Schaffung und Implementierung geeigneter Regelungsmechanismen zu beseitigen.

B. Zielsetzung

Ziel ist die Erarbeitung einer rechtlich fundierten konkreten Empfehlung an den Gesetzgeber zur Bekämpfung der Verbreitung von Fake News. Für die zu beantwortenden Fragen besteht eine rechtspolitische und rechtspraktische Notwendigkeit, da Rechtsschutzlücken für den Bereich des schlichten Verbreitens von Fake News unabhängig von konkret inkriminierten Inhalten sowie bei der Anwendung von Social Bots bestehen. Diese beiden Phänomene führen nach Auffassung vieler zu einer erheblichen Beeinträchtigung des unbeeinflussten Meinungsbildungsprozesses in der Bevölkerung.6 Bisherige aus der strafrechtlichen Warte verfasste Arbeiten lassen im Rahmen der Entwicklung rechtsschöpferischer Elemente jedenfalls eine tiefergehende Analyse möglicher neuartiger Rechtsgüter sowie des (straf-)←48 | 49→verfassungsrechtlichen Rahmens zu einer weitergehenden Kriminalisierung vermissen – ausdrückliche Schwerpunkte der vorliegenden Untersuchung.7

In Worten des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama: „Wenn es uns nicht ernst ist mit den Tatsachen und damit, was stimmt und was nicht, wenn wir nicht unterscheiden können zwischen ernsthaften Argumenten und Propaganda, dann haben wir ein Problem.“8 Hier Obama zu zitieren, liegt besonders nah, weil dieser als Senator einen Gesetzentwurf gegen Täuschungspraktiken und Wählereinschüchterung (Deceptive Practices and Voter Intimidation Prevention Act9) eingebracht hatte, der sich mit Desinformation bezogen auf den Wahlablauf und die Wahlregeln beschäftigte und es zu einer Straftat gemacht hätte, die Bevölkerung zu verängstigen oder irrezuführen, um ihr Stimmverhalten zu beeinflussen.10

Die Verbreitung von Desinformationen in einer pluralistischen Gesellschaft führt zur Entgrenzung der Kommunikation sowie zu einer Entfremdung zwischen den Vertretern disparater Meinungen11 und birgt damit sogar die Gefahr einer Extremisierung in sich. Die einmal platzierte Desinformation wird indes selbst bei späterer Korrektur nach kognitionswissenschaftlichen Studien infolge der ←49 | 50→Wiederholung der falschen Nachricht oftmals als richtig in Erinnerung behalten,12 sodass Löschungs- und Richtigstellungsmechanismen im Recht zu einem stumpfen Schwert verkommen. Zudem ist das geänderte Konsumverhalten der Bürger bei der Rezeption von Informationen als mitentscheidender Faktor einer Desinformationsökonomik anzusprechen, da Informationen heute mehr denn je nicht unmittelbar mittels der herkömmlichen Presse, sondern in sozialen Netzwerken rezipiert werden. Die Forschung nach innovativen rechtlichen Steuerungsmodellen zur Bekämpfung gezielter Desinformationskampagnen ist deshalb ein gesamtgesellschaftliches Anliegen.

C. Gang der Untersuchung

Die Bestandsaufnahme (Teil 1) wird eröffnet von der genauen Begriffsbestimmung von Fake News als Ausgangspunkt einer Konkretisierung der zu untersuchenden Handlungen, im Rahmen derer die historische Entwicklung aufzugreifen und zu anderen Phänomenen abzugrenzen ist. Daneben bedarf es zunächst der empirischen Betrachtung des Informationsmarktes und der von Desinformationen ausgehenden Gefahren, bei deren Untersuchung kognitive Verzerrungen von hoher Relevanz sind. Insofern werden die vielzitierten Echokammern und Filterblasen als Katalysatoren einer Desinformationsökonomie zum Gegenstand der Untersuchung gemacht.

Im Anschluss untersucht die Arbeit die de lege lata vorhandenen rechtlichen Regelungsinstrumentarien. Innerhalb der bisherigen Forschung bestehen bereits hinsichtlich der Herangehensweise der Autoren erhebliche Defizite, die der Mehrdimensionalität der zu beachtenden Phänomene nicht gerecht werden: Die rechtswissenschaftlichen Forschungsarbeiten richten ihren Blick zumeist höchst peripher auf ihre eigene Forschungsdisziplin,13 ohne dabei die erforderliche ganzheitliche Perspektive einzunehmen.14 Mit einer multidisziplinären Untersuchung unter Einbeziehung geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse kann dagegen ein Lösungsansatz entwickelt werden, der die tatsächlichen Dimensionen des in Rede stehenden sozialen Problems sehr viel differenzierter berücksichtigt.

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Hier werden die vorhandenen Regelungen umfassend und bereichsübergreifend hinsichtlich ihres Regelungsgegenstandes und der Effektivität bei der Bekämpfung von Fake News analysiert – um folgend die Voraussetzungen für juristische Regelungen zu bestimmen. Zu bearbeiten sind die zivilrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung und auf Gegendarstellung, wobei die Unzulänglichkeit zur Prävention des untersuchten Verhaltens festzustellen sein wird.15 Auch das Medienrecht bietet hinsichtlich des vorgestellten Untersuchungsgegenstands nur rudimentärem Rechtsschutz.

Schließlich wird die Umsetzung des Schutzes durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Der Verfasser prüft im Anschluss an kritische Stimmen in der Literatur dessen Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität.16 Die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht wird dabei wegen einer von den Gesetzesadressaten zur Vermeidung der empfindlichen Folgen des § 4 NetzDG womöglich praktizierten vorschnellen und extensiven Löschungspraxis unter die Lupe zu nehmen sein.17 Schließlich wird die rechtspraktische Umsetzung und die Effektivität des zuvor genannten Gesetzes empirisch zu betrachten sein: Diese ist vor dem Hintergrund der primären Folgen des Löschens des entsprechenden Beitrags und (erhöhter) Bußgelder gegen die betreffenden Provider von vornherein mit besonders kritischem Auge zu analysieren.18 Zuletzt muss die jüngste Überarbeitung des NetzDG durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität analysiert werden, dessen Ausfertigung der Bundespräsident zunächst verweigert hatte.

Bevor eine Analyse des subsidiären Strafrechts erfolgt, sind neben der neuartigen Steuerung durch das NetzDG – umgesetzt durch eine Inpflichtnahme der Inhaber der Hoheit über die Kommunikationsräume – auch anderweitige Regulierungsoptionen und Änderungen des normativen Umfelds zu eruieren, welche sich als milderes Mittel erweisen könnten. Zu beantworten ist die Frage, ob die Erweiterung bestehender oder die Schaffung neuer rechtlicher Steuerungsmodelle abseits des Strafrechts vorzugswürdig ist. Hinterfragt wird, ob etwa nicht-regulatorische Maßnahmen, wie die Unterstützung von Faktenprüfung („Factchecking“) oder Medienkompetenzvermittlung, zu genügen vermögen bzw. ob eine ausreichende Selbstregulierung der sozialen Netzwerke erwartet werden kann.

Auch strafrechtlicher Schutz besteht de lege lata (Teil 2) nur rudimentär. Das Verbreiten von Fake News ist abseits von ehrrührenden, volksverhetzenden oder die innere Sicherheit der Bundesrepublik gefährdenden Inhalten nach derzeit ←51 | 52→geltendem Recht nicht unter Strafe gestellt. Hier werden zunächst die in Betracht kommenden Delikte bzw. Deliktsbereiche aufgezeigt, primär die Ehrschutzdelikte der §§ 185 ff. StGB, die Volksverhetzung gem. § 130 StGB und das Vortäuschen einer Straftat nach § 145d StGB. Ziel der Erarbeitung soll gerade nicht das Hintereinanderreihen vorhandener Regelungen sein, sondern die empirische Untersuchung ihrer Effektivität bei der Bekämpfung der Verbreitung von Fake News, demnach also eine Bestandsaufnahme der Rechtswirklichkeit. Erst dies ermöglicht die daraufhin zu leistende Sytematisierung. In deren Rahmen sind dann resümierend Strafbarkeitslücken bzgl. des Verbreitens von Inhalten festzustellen, die den Wählerwillen nachhaltig beeinflussen können. Die teilweise geforderte Aufstockung der (personellen und sachlichen) Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden19 muss bereits angesichts der bestehenden Gesetzeslücken als unzureichend bewertet werden. Somit wird die rechtsschöpferische Forschung nach neuartigen rechtlichen Instrumentarien zur Bekämpfung einer Beeinflussung des Meinungsbildungsprozesses auf Basis unrichtiger Tatsachen selbst nach dem Inkrafttreten des NetzDG notwendig sein.

In einem weiteren Schritt (Teil 3) ist die Strafbarkeit von Fake News de lege ferenda zu untersuchen. Zunächst erfolgt durch rechtsvergleichende Methodik eine Bestandsaufnahme in anderen Rechtssystemen. Anhand der so gewonnenen Erkenntnisse werden neue Lösungsvorschläge für das deutsche Recht erarbeitet. Erklärtes Ziel ist dabei, dem Gesetzgeber – der mutmaßlich auf die jüngsten Ereignisse reagieren wird – Anstöße bzgl. einer Gesetzgebung zur möglichst schonenden und effektiven Umsetzung des Schutzes eines möglichst unbeeinflussten Meinungsbildungsprozesses durch rechtliche Regulierungsinstrumentarien zu geben.

Den zuvor erarbeiteten (straf-)rechtlichen Expansionsideen werden anschließend kritische Gedanken unter Einbeziehung rechtspolitischer Überlegungen gegenübergestellt: Namentlich analysiert der Verfasser die rechtspolitische und rechtspraktische Notwendigkeit einer weitergehenden Kriminalisierung des Verbreitens von Desinformationen unter Berücksichtigung interdisziplinärer Erkenntnisse verschiedener geisteswissenschaftlicher Disziplinen. Fraglich ist, ob die jüngst aufgekommene gesellschaftliche Diskussion zur Wahlkampfbeeinflussung schon deswegen nicht zu einer Regulierungsnotwendigkeit führt, weil im Rahmen einer aufgeklärten20 und mündigen Gesellschaft nicht davon ausgegangen werden kann, dass die mündigen Bürger sich durch Fake News nachhaltig manipulieren lassen – sondern im Gegenteil der Einzelne hinreichend Verantwortung übernimmt. Des Weiteren ist die Frage nach der Kriminalisierung im internationalen Kontext zu betrachten: Gefragt wird hier in einem Ansatz wertvergleichender Rechtsvergleichung, ob jüngste das Untersuchungsvorhaben betreffende Inkriminierungen in ←52 | 53→autokratischen Staaten entschieden gegen eine die Pönalisierung in Deutschland sprechen.21

Sodann schlägt die Arbeit die Brücke zum deutschen Strafverfassungsrecht und prüft, ob die als rechtspolitisch wünschenswert erarbeitete Inkrimierung unter dessen Anforderungen überhaupt rechtsdogmatisch umsetzbar ist. In diesem Zusammenhang sind die strafverfassungsrechtlichen22 Implikationen daraufhin zu untersuchen, ob aus diesen eine Kodifizierungsmöglichkeit oder gar Kodifizierungsnotwendigkeit im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungs- bzw. Pressefreiheit erwächst. In dieser verfassungsrechtlichen Gemengelage ist der Schutz eines unbeeinflussten Meinungsbildungsprozesses im Lichte einer nicht mehr zu rechtfertigenden (Nach-)Zensur23 auszutarieren.

Als mögliches strafbarkeitsbegrenzendes Konzept wird das dem deutschen Strafrecht immanente Prinzip des Rechtsgüterschutzes24 auf die Frage hin geprüft, ob dieses möglicherweise die tatsächlich vorhandenen Strafbarkeitslücken bedingt. Die Arbeit untersucht die Möglichkeit der Konkretisierung eines Rechtsgutes25, dessen Schutz etwaige Neuregelungen zu dienen vermögen. Hierbei wird auf die historische Entwicklung26 des Rechtsgüterschutzes sowie den negativ strafbarkeitsbegrenzenden Charakter für die Strafgesetzgebung27 eingegangen.

Erst vor dem Hintergrund einer – wie vorliegend – rechtsvergleichenden und zugleich rechtsdogmatischen Untersuchung zeigt sich, ob hinsichtlich des untersuchten sozialen Problems die Konkretisierung eines Rechtsguts möglich ist. Mithin gilt es bzgl. des schlichten Verbreitens von Fake News – unabhängig von dem konkreten Inhalt – ein Rechtsgut zu konkretisieren. Darauf aufbauend wird hinterfragt, ob das so gefundene Rechtsgut von derartiger Wichtigkeit ist, dass die reaktionäre Ahndung im Rahmen des regelmäßig erst als „ultima ratio“ bemühbaren Strafrechts notwendig ist. Der Verfasser analysiert aufgrund des grundsätzlich ←53 | 54→bloß werteerhaltenden und nur ausnahmsweise wertebildenden Charakters des Strafrechts28 zudem die konkrete Einsetzbarkeit wertebildenden Strafrechts im Hinblick auf das in Rede stehende soziale Problem.

Stellt man dem gefundenen Rechtsgut die verschiedenen Möglichkeiten einer Kodifizierung gegenüber, ist sowohl die Ergänzung bereits bestehender Tatbestände als auch die Implementierung und Neuschaffung einer eigenständigen Norm möglich. Dies rückt daher im Fortgang der Untersuchung in den Fokus. Es bedarf hierbei der Auseinandersetzung mit einem Entwurf des Bundesrates im Kontext des Einsatzes von Social Bots, dessen Inhalt aufgrund seiner teils unbestimmten Formulierungen und seines weiten Anwendungsbereichs kritisch zu bewerten sein wird.29 Im Rahmen rechtstheoretischer und rechtsdogmatischer Analyse werden die Vor- und Nachteile der beiden vorgenannten Regulierungsoptionen behandelt. So könnte eine möglichst schonende Umsetzung einer etwaigen Neuregelung ins deutsche Strafrecht durch eine Erweiterung bereits bestehender Normen erreicht werden. Demgegenüber münden das andersartige Rechtsgut und die Besonderheiten eines solchen Kommunikationsdelikts in ein Plädoyer für die Schaffung einer eigenständigen Norm. Welche konkreten Anforderungen an die strafrechtliche Pönalisierung des Verbreitens von Fake News zu stellen sind, ob die strafverfassungsrechtlichen Implikationen eine voraussetzungs- und bedingungslose Kriminalisierung erforderlich machen oder ob eine weitere Begrenzung des strafrechtswürdigen Verhaltens – beispielsweise auf das Verfolgen politischer oder wirtschaftlicher Zwecke – erforderlich ist, gilt es im Detail auszubuchstabieren. Den Abschluss der Arbeit bildet eine rechtspraktisch verwertbare Empfehlung an den Gesetzgeber in Gestalt einer Neuregelung.

D. Methodisches Vorgehen

Die Komplexität der aufgeworfenen Forschungsfrage erfordert den Rückgriff auf verschiedentliche methodische Ansätze der Rechtswissenschaft – wobei die Wahl der jeweiligen Methodik anhand der Inhalte des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes und der mit diesem verfolgten Ziele erfolgt. Die Analyse bereits vorhandener Regelungsmechanismen und deren Schwächen im deutschen Recht abseits des Strafrechts (Teil 1) sowie die Strafbarkeit von Fake News nach geltendem Recht (Teil 2) verfolgt vorrangig einen rechtsdogmatischen Ansatz. Soweit (§ 2) eine umfassende Analyse der veränderten Kommunikationsbedingungen im Internet sowie die Verbreitung von Desinformationen begünstigender kognitiver Faktoren enthält, bedient sich der Verfasser soziologischer, psychologischer und kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse unter Einbeziehung der noch jungen Medienwirkungsforschung. Diese Teile der Bearbeitung betreffen also primär den ←54 | 55→Inhalt, die Interpretation und die rechtspraktische Anwendung bereits bestehender Rechtsvorschriften bzw. empirische Ansätze.

Der darauffolgende Abschnitt „Die Strafbarkeit der Verbreitung von Fake News de lege ferenda“ (Teil 3) bezieht ebenso mehrere methodologische Vorgehensweisen in die Bearbeitung ein. Der Auftakt (§ 10) widmet sich der rechtsvergleichenden Analyse funktional äquivalenter Regelungen und bedient sich daher primär der ergebnisorientierten Methodik klassischer funktionaler Rechtsvergleichung – nicht jedoch ohne einige kritisch beobachtende Punkte bei der Auslegung und Anwendung der dortigen Vorschriften zu ergänzen.30 Der darauffolgende Abschnitt betrifft rechtpolitische bzw. rechtsphilosophische Fragestellungen zur Möglichkeit der Pönalisierung des Verbreitens von Desinformationen (§ 11), die den Expansionsideen gegenüber gestellt werden. Hierbei greift § 11 neben rechtstheoretischen auch rechtspolitische Aspekte auf – etwa als mögliches Argument gegen die Pönalisierung entsprechender Gesetze und Vorhaben in autoritären Staaten. Die Analyse des Rechtsgutsdogmas als verfassungsrechtliche Anforderung einer Kriminalisierung (§ 12) sowie die Deduktion eines Rechtsguts (§ 13) widmet sich neben (straf-)rechtstheoretischen primär rechtsdogmatischen Aspekten.

Die Untersuchung strafverfassungsrechtlicher Implikationen (§ 14) prüft die Vereinbarkeit eines Desinformationsverbreitungsdelikts mit den (straf-)verfassungsrechtlichen Anforderungen und bezieht daher ebenso wie der darauffolgende Abschnitt zu den möglichen Regelungsalternativen (§ 15) vor allem rechtsdogmatische und rechtstheoretische Überlegungen in die Bearbeitung ein. Gegentand des Schlussteils mitsamt einer Empfehlung an den Gesetzgeber (§ 16) ist die Entwicklung und möglichst schonende Integration neuer Rechtsnormen in das deutsche Strafrecht. Der Schlussteil weist also gesetzgebungstheoretische und rechtspolitische Elemente auf.

E. Ausblick

Wie aufzuzeigen sein wird, bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich des Handlungsinstrumentariums des Verbreitens von Fake News rechtspolitisch nicht hinnehmbare Strafbarkeitslücken bestehen, für deren Schließung bereits strafverfassungsrechtliche Implikationen sprechen. Zu dem gleichen Resümee werden die in der Arbeit anzustellenden rechtsvergleichenden Untersuchungen aufgrund der in anderen Staaten vorhandenen oder zumindest geplanten Strafgesetze gelangen. Die Frage, ob und wie eine solche Strafbarkeitslücke de lege ferenda geschlossen werden kann, ist Gegenstand des dritten und entscheidend ←55 | 56→praxisrelevanten Hauptteils der Arbeit, an dessen Ende als Forschungsziel eine rechtspraktisch verwertbare Empfehlung an den Gesetzgeber steht. Diese Empfehlung dient zugleich als Grundlage weiterer Diskussionen. Die Arbeit ist dabei als Beitrag zum noch jungen Medien- bzw. zum in der Entstehung befindlichen Kommunikationsstrafrecht einzuordnen.


1 Vgl. B. Holznagel MMR 2018, 18, 19, der beispielhaft anführt, dass die vermeintliche Wahlempfehlung durch Papst Franziskus zugunsten Donald Trumps per Facebook über 126 Mio. Nutzer, unter Einbeziehung von Instagram sogar fast 150 Mio. Nutzer, erreichte. Vgl. auch Kubiciel FAZ v. 22.03.2017, S. 16.

2 Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages (WD) Fake News, Definition und Rechtslage, Az. WD 10-3000-003/17, S. 5.

3 Das Senate Intelligence Committee des US-amerikanischen Senats befasst sich mit der Frage, inwieweit russische Organisationen die sozialen Online-Plattformen von Google, Twitter und Facebook für die Manipulation der US-Wahl missbraucht haben, Taz v. 07.09.2019, abrufbar unter http://www.taz.de/!5445883/ (21.03.2022).

4 Leitel Handelsblatt v. 27.03.2018, abrufbar unter datenskandal-whistleblower-erhebt-schwere-vorwuerfe-gegen-cambridge-analytica-und-facebook/21119264.html?ticket=ST-51375803-RoogrmvMSEcBU2JzSUe7-ap5 (21.03.2022).

5 Vgl. die Erwähnung bei MMR-Aktuell 2017, 398453.

6 So auch Maas ZRP 2017, 130, 131; ders. K&R 4 (2017), Editorial.

7 So insbesondere Lammich Fake News als Herausforderung des deutschen Strafrechts, S. 227 ff. Diesbezüglich umfassender zuletzt M. Schreiber Strafbarkeit politischer Fake News, S. 248 ff.

8 Auszug einer Rede, die Barack Obama auf einer Pressekonferenz anlässlich eines Besuchs in Deutschland hielt, zitiert nach Solon The Guardian 18.11.2016, abrufbar unter https://www.theguardian.com/media/2016/nov/17/barack-obama-fake-news-facebook-social-media (23.04.2022). Übersetzung nach Yates Freitag v. 21.12.2016, abrufbar unter https://www.freitag.de/autoren/netzpiloten/das-wie-und-das-was (12.05.2022).

9 Sen. 453, 110th Cong., 1st session, 31.01.2007, abrufbar unter https://www.congress.gov/bill/110th-congress/senate-bill/453/text (21.03.2022); Sen. 1975, 109th Cong., 1th session, 08.11.2005, abrufbar unter 109th-congress/senate-bill/1975/text (21.03.2022). Der Entwurf wurde im Jahr 2018 erneut eingebracht, Sen. 3279, 115th Cong., 1d session, 26.07.2018, abrufbar unter 115th-congress/senate-bill/3279/text (21.03.2022).

10 Hasen Mont. L. Rev. 74 (2013), 52, 71, der freilich aber übersieht, dass ein entsprechender Entwurf erstmals bereits 2005 eingebracht worden ist.

11 So Gensing Fakten gegen Fake News, S. 9; vgl. Golz K&R 2017 (07–08), Beilage, S. 30 f. und Schimmele Staatliche Verantwortung für diskursive Integrität in öffentlichen Räumen, S. 38. Jaursch Regulatorische Reaktionen auf Desinformation, Stiftung Neue Verantwortung, 15.10.2019, S. 10 f., abrufbar unter https://www.stiftung-nv.de/sites/default/files/regulatorische_reaktionen_auf_desinformation.pdf (16.03.2022) sieht das Potential, bestehende gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen. Wefing Zeit v. 13.11.2019, abrufbar unter https://www.zeit.de/2019/47/facebook-fake-news-netzwerk-gesetz-verantwortung-medien (16.03.2022) spricht von der der Beförderung von Tribanismus.

12 B. Holznagel MMR 2018, 18, 20 ff. m.w.N.

13 Hoven ZStW 129 (2017), 718; Mafi-Gudarzi ZRP 2019, 65, 65 ff. und Rostalski RW 2017, 436, 445 ff. widmen sich so gut wie ausschließlich dem Strafrecht. Erfreulich umfassend dagegen WD Fake News, Definition und Rechtslage, Az. WD 10-3000-003/17, S. 4; M. Schreiber Strafbarkeit politischer Fake News, S. 94. Interdisziplinäre Ansätze finden sich auch bei Lammich Fake News als Herausforderung des deutschen Strafrechts, S. 84 f.

14 Für eine solche ganzheitliche Perspektive Jaursch (Fn. 11), S. 24. In diese Richtung auch P. Müller/Denner Was tun gegen „Fake News“, S. 7, die nur Falschinformationen mit politischen oder gesellschaftlichen Bezügen erfassen.

15 B. Holznagel MMR 2018, 18, 20 ff.

16 Kritisch zur Verhältnismäßigkeit Guggenberger ZRP 2017, 98, 101; Nolte ZUM 2017, 552, 555.

17 Diese Gefahr sieht auch Richter ZD-Aktuell 2017, 05623.

18 Hoven ZStW 129 (2017), 718, 719.

19 In diesem Sinne wohl auch Nolte ZUM 2017, 552, 555.

20 Maas K&R 4 (2017), Editorial fordert Aufklärung als zentrales Bekämpfungsmittel.

21 Huntington Kampf der Kulturen, S. 137 f. Seine dort erweiterte Theorie geht zurück auf seinen Aufsatz „The Clash of Civilisations?“ in der Zeitschrift Foreign Affairs 74 (1993), 22, 22 ff.

22 Zum Begriff Burchard in Tiedemann/Sieber/Burchard/Brodowski (Hrsg.), S. 27 ff.; Jahn/Brodowski JZ 2016, 969, 973 sowie zu den strafrechtsdogmatischen Anforderungen Jahn in Tiedemann/Sieber/Burchard/Brodowski (Hrsg.), S. 63 ff.

23 Das Zensurverbot im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG erfasst demgegenüber nur die „Vorzensur“, Richter ZD-Aktuell 2017, 05623.

24 Nach Gropp Strafrecht AT, § 1 Rn. 149 f. ist der Schutz von Rechtsgütern Bedingung der Legitimität des Strafrechts.

25 von Liszt Deutsches Strafrecht, § 12 Anm. I.1 begriff ein Rechtsgut als rechtlich geschütztes Interesse.

26 Birnbaum Neues Archiv des Criminalrechts 15 (1834), 149 schuf die Begrifflichkeit.

27 Hohmann GA 1992, 76, 78. Zum Rechtsgüterschutz auch Amelung Rechtsgüterschutz, S. 5 ff.

28 Gropp Strafrecht AT § 1 Rn. 150 ff.

29 Schultze MMR-Aktuell 2017, 385445.

30 Dies entspricht in Kritik und Vorgehen letztlich dem von Fateh-Moghadam in Beck/Burchard/Fateh-Moghadam (Hrsg.), S. 43, 43 ff. vertretenen operativen Funktionalismus. Vgl. insoweit auch Perron in Beck/Burchard/Fateh-Moghadam (Hrsg.), S. 121, 122 f.

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§ 2 Die Zirkulation von Fake News als soziales Problem

A. Begriffsdefinition Fake News

Die Terminologie Fake News kann grundsätzlich zur Bezeichnung verschiedentlicher Gegenstände verwendet werden. Willkürvorwürfen kann nur entgehen, wer zunächst klärt, wie der zu untersuchende Begriff zu verstehen ist.31 Fake News ist spätestens seit dem Jahr 2016 mit dem Brexit Referendum Großbritanniens und der Wahl Donald Trumps zum US-amerikanischen Präsidenten sowie der späteren inflationären Verwendung des Begriffs allgegenwärtig.32 Er wird von Trump verwendet, um zum Ausdruck zu bringen, dass er den Wahrheitsgewalt bestimmter Nachrichten anzweifelt und behauptet, gegen ihn werde „Stimmungsmache“ betrieben.33 Vielzitiert ist insoweit der verbale Ausfall Trumps gegenüber Journalisten „You are Fake News.“34

I. Fallbeispiele von in Deutschland zirkulierten Fake News

1. Fehlerhafte Zitate

In Deutschland stieß ein erfundenes „Sharepic“ der Politikerin Renate Künast auf große Resonanz.35 Der Beitrag zeigte ein Foto der Politikerin mit einem angeblich von ihr stammenden Text im Zusammenhang mit einem damals unter Mordverdacht stehenden Migranten. Der Text lautete auszugsweise: „(…) der traumatisierte junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm aber trotzdem helfen.“ Als Quelle des Zitats wurde die Süddeutsche Zeitung angegeben. In eine ähnliche Richtung ging ein als Screenshot auf Facebook lancierter, angeblicher Beitrag Jens Spahns ←59 | 60→betreffend die Tötung eines jungen Kindes durch einen Migranten: Laut dem Facebook-Post seien Spahns Gedanken bei den Flüchtlingen.36

2. Dekontextualisierung von visuellen Inhalten

Nicht nur rein textliche Fake News erreichten einen erheblichen Verbreitungsgrad; auch dekontextualisierte Bildaufnahmen, wie diejenige des syrischen Flüchtlings Anas Modamani, dessen Selfie mit Angela Merkel im Zusammenhang mit verschiedenen Terroranschlägen gezeigt wurde und so dessen (mögliche) Täterschaft suggerierte, stießen auf erhebliche Resonanz.37

3. Außenpolitisch brisante Fake News

2015 sorgte eine Meldung über die angeblich entgegen der Darstellung der Strafverfolgungsbehörden von Flüchtlingen verschleppte und vergewaltige 15-jährige Deutschrussin Lisa sogar für außenpolitische Verwicklungen, da die Tat angeblich aus politischen Gründen nicht verfolgt würde.38 Im Jahr 2022 kam es zu einem ←60 | 61→vergleichbaren Fall, der nunmehr ein behauptetes Tötungsdelikt mit einem russischen Opfer zum Gegenstand hatte.39

4. Fake News in der Wirtschaft

Auch die Finanzwelt blieb indes nicht von dem Phänomen verschont. So kursierte 2015 auf einer vermeintlichen Internetseite von Bloomberg – deren Identität durch Imitieren des Domainnamens vorgetäuscht worden war (sog Web-Spoofing)40 – die gefälschte Meldung, dass Twitter ein Kaufangebot über 31 Milliarden USD erhalten habe. Die Seite war optisch wie eine von Bloomberg stammende Internetseite gestaltet.41 In der Folge stieg die Aktie um 8,5 Prozent und eine einzelne Person erwarb 12.000 Aktienoptionen.42

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5. Gewalt bewirkende Fake News

Fake News führten in Deutschland teilweise sogar zu körperlichen Auseinandersetzungen: Nach einem mit einem Messer ausgeführten Angriff gegen einen Deutschen in Chemnitz wurden die mutmaßlichen Täter syrischer und irakischer Herkunft eines sexuellen Übergriffs gegenüber einer Frau bezichtigt, was letztlich in der Messerattacke gegen einen der Frau angeblich zur Hilfe eilenden Deutschen gemündet sei. Die Polizei stellte später klar, dass es für den sexuellen Übergriff keine Anhaltspunkte gebe. In Chemnitz kam es in der Folge zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen ausländisch aussehende Menschen.43

6. Fake Science bzw. gesundheitsgefährdende Fake News

Weiterhin kamen anlässlich der COVID-19-Pandemie Fake News über Ursache, Ansteckungswege, Diagnose und Therapie sowie der Versorgungslage der Bevölkerung auf.44 Insofern wurden sogar Desinformationen hinsichtlich angeblicher ←62 | 63→Heilmittel als Problem bekannt, die sich gesundheitsschädigend auswirken könnten.45 Desinformationen, die Verbindungen zwischen der 5G-Technologie und dem Ausbruch von COVID-19 suggerierten, führten zu diversen Brandanschlägen auf die Telekommunikationsinfrastruktur in Europa.46 Angesichts der weitreichenden Verbreitung von Fake News mit Bezug zu COVID-19 wurde von einer „Infodemie“ gesprochen.47 Für Desinformationen in der akademischen Welt wird insoweit ←63 | 64→bisweilen der Terminus „Fake Science“ benutzt.48 Die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöste Infodemie zeigt, dass durch erst neu aufgekommene Themen bedingten Wissenslücken als Katalysator für Fake News dienen können.49

II. Wortlautinterpretation

Der große Wiederhall die Terminologie betreffend führte letztlich im Jahr 2017 u.a. mit den Worten postfaktisch und Lügenpresse zur Implementierung in der Neuauflage des Duden.50 Dort werden Fake News definiert als „in den Medien und im Internet, besonders in den Social Media, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen.“51 Nicht von ungefähr stammt daher die Tatsache, dass zeitgleich die Aufnahme der Begrifflichkeiten postfaktisch und Lügenpresse in den Duden erfolgte.52 Zerlegt man den Terminus in seine Wortbestanteile, ist zunächst „Fake“ als englisch für „vortäuschen, nachmachen“ zu übersetzen.53 Das Wort „News“ umfasst „vor kurzem erhaltene oder beachtenswerte Informationen, insbesondere über die jüngsten Ereignisse.“54 Die Terminologie erscheint bei unverfänglicher ←64 | 65→Betrachtung zunächst als Oxymoron, würde man dem Begriff News doch jedenfalls keine bewusst verfälschten Nachrichten zuordnen.55

1. Interpretation News

Nachfolgend werden die beiden Bestandteile des Begriffs zunächst einzeln ausgehend von ihrer Wortbedeutung beleuchtet, bevor auf Grundlage dieses Verständnisses eine Abgrenzung zu anderen Phänomenen erfolgt.

a) Nur nachrichtlich aufbereitete Informationen?

Teilweise wird als weiteres begriffsnotwendiges Definitionsmerkmal die optische Form eines journalistischen Beitrags gefordert, dem Beitrag müsse im Hinblick auf die Form der Darstellung das Aussehen und der Eindruck („Look and Feel“) eines journalistischen Beitrags zukommen.56 Begrifflich würde eine solche Auslegung wohl am Wort Nachrichten („News“) ansetzen und dies als journalistisch aufbereitete Informationen verstehen, ein Verständnis, dass bei der gesellschaftlichen Kommunikation teilweise durchaus in Ansätzen existiert („Hast du heute die Nachrichten gesehen/gehört?“). Dies dürfte aber ein unrichtiges und von der eigentlichen Wortbedeutung abweichendes Verständnis darstellen: Der Duden begreift eine Nachricht als eine „Mitteilung, die jemandem in Bezug auf jemanden ←65 | 66→oder etwas [für ihn persönlich] Wichtiges die Kenntnis des neuesten Sachverhalts vermittelt“.57 Ein Begriffsverständnis als journalistisch bzw. nachrichtlich aufbereitete Informationen ist demnach enger als die Wortbedeutung. Diese Auslegung ist einer Zeit geschuldet, in der Informationen ausschließlich über professionelle Intermediäre in Form der klassischen Medien vermittelt wurden. Infolge des Aufstiegs des Internets und der damit verbundenen privaten Informationsvermittlung dürfte sich ein solches Begriffsverständnis aber verbieten. Die Erläuterung der Terminologie im Duden mittels des Begriffs Sachverhalt zeigt, dass es sich nicht um die wertende Schilderung von Informationen handelt. Vielmehr sind mit „Nachrichten“ solche Tatsachen gemeint, die zumindest für den Leser als objektiv erscheinen.

Mit einem Begriffsverständnis als journalistisch aufbereitete Informationen würde man daneben den Untersuchungsgegenstand erheblich verkürzen, als Desinformationen, die nicht in diesem optischen Gewand erscheinen, bei der Analyse außen vor bleiben würden. Auch solche Informationen bedienen sich aber des Öfteren bewusst unwahrer Tatsachen und erheben damit Neutralitätsanspruch, dies selbst, wenn diese zur Untermauerung davon unabhängiger Meinungen präsentiert werden. Insoweit erschiene die Formulierung eines Definitionsmerkmals der neutralen Erscheinung nicht zielführend, weil hiermit Beiträge ausgenommen werden, die nicht lediglich Tatsachenbehauptungen enthalten. Die optische Form eines journalistischen Beitrags dient allein der Erhöhung der (vermeintlichen) Seriosität, sodass vor allem professionelle Akteure Desinformationen in dieser Form verbreiten werden – weniger dagegen private Akteure. Damit würden aber zahlreiche private Akteure außen vor bleiben, zudem könnten Regularien auf einfache Weise durch das Verlassen der geforderten Form umgangen werden. Es erscheint daher aus teleologischen Gesichtspunkten geboten, auf solche optischen Anforderungen zu verzichten.58 Erfasst werden daher nicht nur journalistisch oder nachrichtlich aufgearbeitete Texte, sondern ebenso von privaten Akteuren nicht in dieser optischen Form aufbereitete Informationen.

b) Selektive Fakten und falsche Implikaturen

Schließlich sind die graduellen Unterschiede hinsichtlich der Unwahrheit der Information zu beleuchten: So kann schon eine bewusst entstellte oder übertrieben formulierte Überschrift trotz richtiger Wiedergabe der Tatsachen im Text dem Leser eine Falschinformation suggerieren.59 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn nur die Überschrift selektiv wahrgenommen wird. Aber auch ohne eine solche selektive Wahrnehmung kann bereits eine geschickt gewählte missleitende ←66 | 67→Überschrift einem Beitrag eine starke Prägung verleihen.60 Das geschickte Hervorheben einzelner Zitate oder Aussagen und/oder die Außenvorlassung einzelner Informationen stellen für sich genommen keine Fehlinformationen dar, es wird eben nur ein Teilaspekt der Realität dargestellt.61 Die so entäußerte Information kann treffend als selektive Wahrheit62 oder Halbwahrheit tituliert werden.63 Durch falsche Implikaturen wird die falsche Information nicht explizit ausgesprochen, gleichwohl aber als Schlussfolgerung impliziert, beispielsweise per geschickter kontextueller Einbindung.64

Diese Form der Berichterstattung wird von einigen Journalisten als gefährlicher für die öffentliche Meinungsbildung als Fake News eingestuft, da diese Inhalte seit jeher weit verbreitet und daher allgegenwärtig sind. Darüber hinaus sind von richtigen, aber unvollständigen Fakten gestützte Meinungen schwieriger zu hinterfragen als Fake News. Diese Form der Berichterstattung liegt in der Adressatenorientierung seitens der Journalisten, die nicht nach den für die Meinungsbildung erforderlichen Informationen ihre Berichterstattung ausrichten, sondern sich zur Umsatzoptimierung an den Vorlieben bzw. Wünschen der Leserschaft orientieren. Um diesem Phänomen vorzubeugen wird empfohlen, die vermittelten Informationen im Kontext zu lesen und sich bewusst zu fragen, welche Informationen (bewusst) ausgelassen werden. Daneben wird empfohlen, in den sozialen Netzwerken Personen mit anderen Meinungen und Interessen zu folgen, um multiple Positionen zu vernehmen sowie mehr Informationen bei anderen abzufragen.65

Eine solche, tendenziöse Berichterstattung findet jedoch seit jeher Verwendung und bewegt sich oft im Rahmen journalistischer List. Sie ist zumindest teilweise verursacht durch den historisch erwachsenen, eigenen politischen Standpunkt eines Mediums, der zu einer tendenziösen Berichterstattung führen kann.66 Zwar sind selbst solche Erscheinungsformen von List fördernd bei der Verbreitung ←67 | 68→unwahrer Tatsachenbehauptungen und der Irreführung der Rezipienten,67 jedoch unterscheiden sich die angewandten Mittel erheblich von gezielten Desinformationskampagnen, die mittels unwahrer Tatsachenbehauptungen weitere Durchschlagskraft gewinnen und ein weitreichenderes Ausmaß erfahren. Unberührt davon bleibt aber die Qualifikation als Desinformation, wenn der Schluss der einzig mögliche ist und die Information dabei im Ganzen als fehlerhaft zu qualifizieren ist. Dies bleibt allerdings stets eine Frage des Einzelfalls.

c) Interpretation als aktuelle Desinformation

Teilweise werden Fake News derweil als eine Subkategorie von Desinformationen verstanden, da bei diesen die Voraussetzung hinzutrete, sich auf aktuelle Geschehnisse zu beziehen. Insofern könnte man dann von aktuellen Desinformationen sprechen.68 Interpretiert wird dieser Aktualitätsbezug durch einen Neuigkeitswert als zeitliche Komponente sowie die öffentliche Relevanz der Information als soziale Komponente, sodass historische Lügen, wie die Leugnung des Holocaust, nicht erfasst werden.69 Diese Definition dürfte allerdings schon insofern Bedenken begründen, als ebenso Informationen ohne einen solchen zeitlichen Aktualitätsbezug Einflüsse auf aktuelle öffentliche Diskursthemen haben können und sich insofern hinsichtlich ihrer Effektivität als äquivalent darstellen. Die soziale Komponente des Aktualitätsbezugs dagegen dürfte zwar typischerweise erfüllt sein. Gleichwohl erscheint diese als Definitionsmerkmal nicht empfehlenswert, da sich dann Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben könnten, wenn eine Desinformation oder der von ihr betroffene Diskurs erst einige Zeit nach der Veröffentlichung an Dynamik gewinnen. In diesen Fällen würde definitorisch eine Desinformation womöglich erst mit dem Zuwachs an Dynamik vorliegen, obgleich in diesem Moment jede Intervention bereits zu spät wäre. Aus kommunikationstheoretischer Sicht erscheinen die angesprochenen Definitionsmerkmale daher durchaus ←68 | 69→nachvollziehbar und angemessen, um sich auf die besonders brisanten Informationen und deren Besonderheiten zu fokussieren. Aus der regulatorischen Perspektive dagegen liefe ein solches Verständnis auf eine sachwidrige Verkürzung der Phänomenologie hinaus.

d) Verbreitung im Internet respektive in den sozialen Medien als ratio crescendi?

Da die Verbreitung ausweislich der oben genannten Beispiele zumeist im Internet und dort vor allem in sozialen Medien erfolgt stellt sich die Frage, ob diese als Merkmal der Begriffsdefinition zu begreifen sind.70 Entscheidend hiergegen spricht im Hinblick auf die mögliche weitgehende strafrechtliche Regulierung, dass in dieser Form verbreitete Fake News ihren Charakter nicht dadurch verlieren, dass sie aufgegriffen und beispielsweise im Radio weiterverbreitet werden.71 Gleichwohl dürften die Gefahren, die von in Massenmedien verbreiteten Desinformationen ausgehen, als weitaus gravierender einzustufen sein als beim Verbreiten in privater Kommunikation.72 Im Falle eines gutgläubigen Rezipienten besteht aber – selbst bei gegenüber nur einer Person geäußerten Desinformationen – die Gefahr, dass der Gutgläubige die Desinformation in einem Massenmedium weiterverbreitet. Die Definition sollte hier nicht ohne Not zu eng gefasst werden, da nur so alle Facetten der Phänomenologie erfasst werden können. Der unterschiedlichen Gefährlichkeit sowie der höheren Strafrechtswürdigkeit kann gleichwohl bei der konkreten Formulierung von Vorhaben insoweit Rechnung getragen werden, als dass hier weitergehende Anforderungen formuliert werden, die einen potentiell besonders breiten Rezipientenkreis erfordern.

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2. Interpretation Fake

Wörtlich übersetzen könnte man die zusammengesetzte Begrifflichkeit Fake News zunächst als Falschmeldung.73 Der Begriff Zeitungsente, Synonym zur Falschmeldung, ist in Deutschland jedenfalls seit dem 19. Jahrhundert bekannt.74 Die Begriffe Falschmeldung und Zeitungsente werden daher als synonym im Duden aufgeführt.75 Zum Begriff Fake News findet sich im Duden dagegen kein Synonym. Eine Übersetzung allein als Falschmeldung würde allerdings den Wortsinn des Bestandteils Fake als vortäuschen völlig außen vorlassen und insoweit zu kurz greifen.76 Der Wortsinn ist in der Form begriffsprägend, dass der Handlung eine manipulative Absicht immanent ist, der Handelnde also die Unwahrheit kennt und diese vergleichbar eines Stilmittels einsetzt. Die Übersetzung respektive ein Begriffsverständnis als Falschmeldung erscheint insofern zur wissenschaftstheoretischen Bearbeitung problematisch, als dieses keine Abgrenzung zu anderen Erscheinungsformen in der Berichterstattung wie Parodien, Scherzen („Hoaxes“), Gerüchten, Konspirationstheorien, Satire, selektiven Fakten oder einfach schlechter Berichterstattung, ermöglicht.77

Zur terminologischen Bestimmung von Fake News muss differenziert werden zwischen dem Begriff ausschließlich unterfallende falsche Tatsachenbehauptungen einerseits und Meinungen andererseits, schon um dem unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Schutz gerecht zu werden. Tatsachen sind Umstände oder Zustände, die dem Wahrheitsbeweis zugänglich sind, die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität steht daher bei Tatsachenbehauptungen ←70 | 71→im Vordergrund.78 Prägendes Element einer Meinung ist dagegen die subjektive Beziehung des Kommunikators zum Inhalt seiner Aussage. Sie ist durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt.79 Meinungsäußerungen unterfallen daher per se nicht dem zu untersuchenden Gegenstand Fake News.80 Sofern allerdings die entäußerte Meinung auf einer falschen Tatsachenbehauptung fußt, kann dieser Bestandteil isoliert als Fake News eingestuft werden.81

a) Intendierter Verbreitungszweck als Unterscheidungsmerkmal

Fraglich ist indes weiterhin, welche inhaltlichen Anforderungen an die verfolgte Täuschungsabsicht zu stellen sind.82 Da die meisten bekannt gewordenen Beispiele von Fake News sich im politischen Spektrum ereigneten und daher eine politische Täuschungsabsicht verfolgt wird, könnte zunächst von einem politischen Desinformationsbegriff ausgegangen werden.83 Demgegenüber steht ein von der wohl herrschenden Meinung vertretener ökonomisch-politischer Desinformationsbegriff, nach dem ebenso wirtschaftliche Absichten verfolgt werden können.84 Bereits an ←71 | 72→diesem unterschiedlichen Begriffsverständnis wird ersichtlich, dass bislang nicht etwa eine allgemeinverbindliche Definition des Begriffs Fake News existiert.85 Für die letztgenannte extensivere Sichtweise spricht, dass bei der Verbreitung desinformativer Inhalte oftmals kommerzielle Interessen verfolgt werden. So sind etwa im Falle von Fake News-Internetseiten erhöhte Werbeeinnahmen intendiert.86 Teilweise werden bei ein und derselben Fake News zudem vom Ersteller respektive Erstverbreiter politische, von den zeitlich nachfolgend agierenden Akteuren dagegen wirtschaftliche Motive verfolgt (beispielsweise weil diese von den erstgenannten Akteuren für die Zirkulation der Desinformation bezahlt werden). Ein rein politisch verstandener Begriff würde das Phänomen daher zweckwidrig verkürzt betrachten. Darüber hinaus würde man ansonsten Desinformationen ausklammern, die zwecks Manipulation der Referenzwerte von Finanzinstrumenten zirkuliert werden.87 Die Gewährleistung von umfassendem Opferschutz spricht zudem für eine extensive Auslegung.88 Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass neben politischen und wirtschaftlichen auch andere Zwecke mit Gefährdungspotential verfolgt werden könnten, sollte zudem keine ausdrückliche Beschränkung auf bestimmte Zwecke erfolgen. Vielmehr sollte schlicht von rechtlich geschützten Interessen gesprochen werden. Auf Ebene einer etwaigen Kriminalisierung wären diese Umstände dann allerdings auf solche von wesentlicher Bedeutung zu begrenzen, um nicht eine uferlose strafrechtliche Haftung zu erzielen.

Nunmehr findet der Begriff auch in der Implementierung des Duden nicht allein Verwendung in seiner wörtlichen Übersetzung als bloße Falschmeldung, sondern er setzt begriffsnotwendig eine weitergehende Zweckbestimmung voraus, nämlich ←72 | 73→die manipulative Verbreitung in den Medien und im Internet. Ratio essendi des zu untersuchenden Phänomens ist also das Ziel des Entäußerers oder Urhebers, durch die erwartete lauffeuerartige Verbreitung der Falschmeldung politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Umstände zu beeinflussen.89 Desinformationen sind also

beweisbar unrichtige oder fehlleitende Informationen, die zur Täuschung der Rezipienten verbreitet werden und die einen Schaden für ein rechtlich geschütztes Interesse, das von wesentlicher Bedeutung für die Öffentlichkeit ist, hervorrufen können.

Bei Fake News handelt es sich demnach um ein im digitalen Zeitalter vielfach ergriffenes und aufgrund der neuartigen Verbreitungswege im derzeitigen Ausmaß neues Propagandainstrument.90

Fake News sind also – in Abgrenzung zu Konspirationstheorien – Nachrichten, die dem Empfänger als wahr suggeriert werden und die mit der Intention der politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Beeinflussung zirkuliert werden. Es handelt sich daher letztlich kurz gesagt um gezielte Desinformationen.91 Das Landgericht Hamburg92 hat in einem Zivilrechtstreit betreffend Unterlassungsansprüche judiziert, dass Fake News Falschnachrichten sind, die wissentlich falsch verbreiten werden, was die Übersetzung Fälschung des Merkmals Fake bereits wörtlich enthalte.

←73 | 74→
b) Abgrenzung zu anderen Phänomenen
c) Satire und ähnliche Erscheinungen

Zunächst ist, notwendigerweise, zur Satire abzugrenzen. Satirische Inhalte erfreuen sich zur Zeit großer Nachfrage.93 Die Satire charakterisieren Verzerrungen und Übertreibungen, die Verwendung finden, um in aggressiver Form Missstände anzuprangern und Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufzudecken.94 Satirische Inhalte werden im Gegensatz zu der Verwendung von Fake News nicht in der Absicht (verdeckter) politischer oder wirtschaftlicher Beeinflussung, also nicht mit einer im normativen Sinne verwerflichen Absicht, lanciert.95 In der um Fake News geführten Debatte hat zudem der Begriff Hoaxes Eingang gefunden, bei welchen zwar ebenfalls der Empfänger getäuscht werden soll, dies aber, anders als bei Fake News, nur scherzhaft gemeint ist oder anderen infantilen Zwecken dient und insbesondere keine weitergehende böse Absicht verfolgt wird.96 Bei Hoaxes handelt es sich zwar um Falschmeldungen, diese werden allerdings als „urbane Sagen“ per E-Mail oder Instant Messenger Diensten verbreitet und erscheinen nicht als journalistische oder durch anderweitig kredible Quellen untermauerte Nachrichten.97 Hoaxes sind, im Unterschied zu Fake News, typischerweise darauf angelegt, vom Rezipienten letztlich als unrichtig entlarvt zu werden.98

Enthält Satire unrichtige Tatsachenbehauptungen, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes99 für die rechtliche Bewertung darauf an, ←74 | 75→ob für den Konsumenten erkennbar ist, dass es sich um eine satiretypische Verfremdung oder Übertreibung handelt, er sie demnach für seine Meinungsbildung normativ systematisieren kann oder ob er zu der irrigen Einordnung gelangen kann, es handele sich um eine wahrhaftige Aussage. Die Satire genießt regelmäßig den verfassungsrechtlichen Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit und erfährt daher eine privilegierte rechtliche Behandlung.100 Doch auch diese Abgrenzung ist allenfalls auf den ersten Blick ohne größere Hürden zu meistern. Jährlich am 1. April verschwimmen hier zwar grundlegend die Grenzen, indem das Verbreiten von Falschnachrichten als Aprilscherz weitgehend folgenlos gesellschaftlich anerkannt und sogar erwartet wird.101 Gleichwohl erkannte der Aktienmarkt den Aprilscherz von Elon Musk – Chief Executive Officers („CEO“) des Kraftfahrzeugherstellers Tesla – nicht, sondern reagierte auf die Bankrotterklärung im Netz mit einem empfindlichen Kursabfall.102 Brodnig103 nennt als Fallbeispiel zudem einen Beitrag des Postillon, nachdem Saudi Arabien das Instant Messaging-Programm „WhatsApp“, das seinerseits Facebook gehört, zwinge, Emojis zu verschleiern,104 wobei nicht alle Nutzer den satirischen Charakter erkannt hatten.

Die große Informationsdichte im Internet und die kurzweilig erfolgende Rezeption verwässert jedoch die Grenzen zwischen Satire und herkömmlichen Nachrichten.105 Da auch Satire, sofern sie vom Rezipienten nicht als solche erkannt wird, den Meinungsbildungsprozess mittels unwahrer Fakten beeinflussen kann, wird teilweise befürwortet, Satire nicht aus der Begriffsbestimmung herauszunehmen.106 Dem widerspricht aber entscheidend der Wortsinn Fake, wie bereits oben in Ansätzen dargetan.107 Zudem zeigen auch die dargestellten Desinformationsfälle, dass diese sich um intentionär falsche Informationen drehen und nicht um satirische Inhalte. Auch das in der Gesellschaft vorherrschende Begriffsverständnis ist also ein anderes. Gleichwohl liefert die Erkennbarkeit als bewusste Falschnachricht ein Unterscheidungskriterium zu Fake News, das trotz des Verkennens der Unrichtigkeit im Einzelfall im Rahmen einer wissenschaftstheoretischen Diskussion wie ←75 | 76→der vorliegenden zur Differenzierung dienlich ist. Dass wie im aufgezeigten Beispiel trotz der theoretischen Erkennbarkeit in der Praxis womöglich der Inhalt im Rahmen einer bloß beiläufigen Rezeption für wahr gehalten wird, vermag hieran nichts zu ändern.108 Damit ein Beitrag als Fake News qualifiziert werden kann, muss die Wahrscheinlichkeit irrezuführen also nicht nur unbeabsichtigt entstehen, sondern diese muss gerade beabsichtigt sein.109 Erforderlich ist demnach für die Qualifikation als Fake News ein vorgetäuschter Wahrheitsanspruch hinsichtlich der vermittelten Information, also eine Orientierung an Faktizität.110

d) Poor Journalism und andere Formen vernachlässigter Rechercheobligationen

Das journalistische Feld von Fehlinformationen, dem auch die klassischen Medien unterliegen, bietet insofern ein breites Spektrum, das im Folgenden noch einmal aufgezeigt werden soll. Zusammengefasst werden die damit adressierten Formen von Falschinformationen mancherorts unter dem Begriff Poor Journalism.111 Gemeinsam ist den darunter zu betrachtenden Formen der Berichterstattung, dass es sich um regelmäßig nicht intendierte Falschnachrichten handelt,112 wobei die Unrichtigkeit in journalistischen Nachlässigkeiten wie einer nicht hinreichenden Recherche begründet ist.113 Die fehlende Absicht beim Verbreiten wird zumindest ex post oftmals offensichtlich, als nachträgliche Richtigstellungen in Form von Gegendarstellungen oder zumindest sog. Disclaimern erfolgen.114 Ebenfalls unter der Terminologie Poor Journalism können Erscheinungsformen rund um das sog. Klickködern („Clickbaiting“) verstanden werden. Hierbei werden die Rezipienten durch wissentlich überspitzt formulierte Phrasen in den Überschriften auf ←76 | 77→bestimmte Webseiten gelockt, wobei finanzielle Interessen die Vorgehensweise bestimmten.115 Oftmals erfolgen insofern Verzerrungen von echten Informationen oder Bildern, beispielsweise eine sensationsartig verzerrte Schlagzeile, die durch den Einsatz von Clickbaiting populärer gemacht wird.116 Selbst wenn auch hier eine Gefahr für die Streuung von Fehlinformationen117 gesetzt wird, wenn man bedenkt, dass nach Studien in den allermeisten Fällen bloß die Überschriften gelesen werden,118 so ist das Ausmaß doch weitaus geringer als in Fällen, in denen im Text eine Richtigstellung fehlt.

e) Gonzo Journalism und New Jornalism

Abzugrenzen ist auch von den publizistikwissenschaftlichen Formen des Gonzo Journalismus und des „New Journalism“. Der Gonzo Journalismus geht zurück auf das dem Slang entstammende Wort Gonzo mit der Wortbedeutung „bizarr“ oder „extravagant“ und wird oft mit dem Autoren Hunter S. Thompson verbunden, der aus Zeitmangel einen größtenteils aus unbearbeiteten Notizen bestehenden Artikel veröffentlichte und damit zu einem Wegbereiter wurde.119 Beide Erscheinungsformen basieren auf der Annahme, dass der Versuch einer rein objektiven Berichterstattung der Erschaffung eines perpetuum mobile gleicht.120 ←77 | 78→Die Anhänger des New Journalism berichten daher auf Basis eigener Erfahrungen und Emotionen, wobei der Journalist oftmals selbst zum Protagonisten wird.121 Im Gonzo Journalismus verschmelzen typischerweise die eigene Wahrnehmung, Fiktion und Realität miteinander durch die Verwendung von Überspitzungen und satirischen Elementen.122 Auch der nahestehende New Journalism zeichnet sich durch eine subjektive Vorgehensweise unter Verwendung literarischer Stilmittel aus, wobei die Fakten gleichwohl die Basis des Schreibwerks bilden.123

Auch wenn bei diesen Schreibstilen bisweilen Realität und Fiktion miteinander vermischt werden, bildet gleichwohl der Ursprung auf wahrhaftigen Fakten ein erstes Abgrenzungskriterium zu Fake News.124 Ebenso unterschiedlich ist die Intention, als beim Gonzo Journalismus über die fiktiven und subjektiven Elemente der Berichterstattung Gesellschaftskritik geübt und ermöglicht werden soll, gleichwohl aber die Erkennbarkeit als Fiktion gewährleistet und gerade gewollt, eine bewusste Irreführung dagegen gerade nicht beabsichtigt ist.125 Fake News dagegen verwenden bewusst den Deckmantel vermeintlicher Objektivität, um so die beabsichtigte Täuschung durch die Durchschlagskraft vermeintlicher Fakten erfolgversprechender zu gestalten.

III. Lügenpresse – Fake News als rhetorisch pervertierter Kampfbegriff

Einige Forscher, die sich dem Phänomen widmen, bemängeln die oftmals ambivalente Verwendung der Begrifflichkeit.126 So wird er teilweise von Donald Trump ←78 | 79→nahestehenden Personen „als Berichterstattung der Systempresse“ im Sinne eines „politischen Kampfbegriffs“ assoziiert, wohingegen er anderenorts zunehmend mit dem Begriff „Hate Speech“ verwässert werde.127 Bei näherem Hinsehen ist dies aber kein wissenschaftstheoretisches Definitionsproblem, sondern schlicht ein Problem korrekter Subsumption und der Tatsache, dass die Gesellschaft das Phänomen einer eigenen normativen Bewertung zuführt. Soweit ein Definitionsproblem bei der Verwendung von politischen Persönlichkeiten gegenüber der Presse zur Herabwürdigung derselben („You are Fake News“) erblickt wird, so handelt sich dies um eine weiterentwickelte Instrumentalisierung und nicht etwa um ein anderslautendes Begriffsverständnis, nach dem Fake News vom Leser nicht gemochte oder akzeptierte Informationen sind:128 Während es sich bei der bewussten Streuung und Verwendung von Fake News um eine Pervertierung der Wahrheit handelt, ←79 | 80→erfolgt diese Pervertierung bei dem angesprochenen Verhalten bereits doppelt.129 Nicht nur wird den klassischen Medien der Wahrheitsgehalt und die wissentliche Verbreitung von Fake News unterstellt und werden diese darüber hinausgehend als „Lügenpresse“ diffamiert. Weiterhin wird darüber hinweg gesehen, dass die eigene Informationspolitik nicht die akribische Erarbeitung und Wiedergabe der Wahrheit zum Gegenstand hat.130 Darüber hinaus wird nur derjenigen medialen Berichterstattung Legitimität zugesprochen, die dem eigenen Standpunkt entspricht.131 Da sich in der Gesellschaft weitgehend die Verwendung von Fake News zwecks gezielter Desinformation herumgesprochen hat, wird dieser Begriff nun als Kampfbegriff verwendet, um die Glaubwürdigkeit politischer Gegner herunterzuspielen. Die hierbei eingenommene Opferrolle kann darüber hinaus beim Nachrichtenempfänger Solidaritätsgefühle auslösen, welche diese Instrumentalisierung schwerer zu entlarven machen. Der eigentliche Vorwurf („You are Fake News“) beinhaltet hierbei aber nichts anderes als die Aussage, dass diese von den Gegnern verwendet würden: Es handelt sich hierbei nur um eine erneute politische Instrumentalisierung. Als das Phänomen unter dieser Begrifflichkeit noch weitgehend unbekannt war, war es einfacher, die Meinungsbilder durch die Streuung von Fake News oftmals lange Zeit unbemerkt zu beeinflussen. Dagegen ist es nach dem Bekanntwerden des Phänomens leichter möglich, potentiellen Gegnern die Verwendung von Fake News vorzuwerfen in dem Wissen, dass diese die Wahrheit sagen, um die eigenen Desinformationen aufrecht erhalten zu können. So verstanden würde sich der Terminus Fake News nicht auf die als desinformativ bezeichneten Tatsachen selbst beziehen, sondern einen Appell des behaupteten, irreführenden Charakters einer Behauptung darstellen.132 Fake News wären nach einem so verstandenen Begriff quasi ein rhetorisches Mittel, um den gesellschaftlichen Nimbus einer spezifischen Behauptung zu untergraben, indem ihnen der Wahrheitswert streitig gemacht wird.133 Dieses Begriffsverständnis sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, das Pferd von hinten aufzuzäumen, da die Verwendung als rhetorisches Mittel im oben genannten Sinne dem herkömmlichen Verständnis zeitlich nachfolgte und sich insofern als Folgeproblem darstellt.134 Die politische Instrumentalisierung des Begriffs als eine Art Medienschelte führt also mitnichten zu einer anderweitigen, inhaltlichen Verwendung des Begriffs selbst, diese Verwendung von (Rechts)Populisten zur Abwertung der Presse stellt sich nur als ein ←80 | 81→weitergehendes Ausnutzen des Problembewusstseins der Bevölkerung dar, da die Akteure hiermit versuchen, diese hinsichtlich der Authentizität der Medienberichterstattung zu verunsichern.

IV. Austauschen der Begrifflichkeit zur Umgehung der Abgrenzungsprobleme und Anforderungen an die Falsifität

Eine von der Europäischen Kommission eingesetzte Expertengruppe plädiert ebenso wie die Bundesregierung135 und andere Forscher136 dafür, den Begriff Fake News nicht zu verwenden und – auch um eine Abgrenzung zu anderen Erscheinungsformen des öffentlichen Diskurses in sozialen Netzwerken gewährleisten zu können – von Desinformationen zu sprechen.137 Unter Desinformationen sollen alle Erscheinungsformen falscher, irreführender und sogar ungenauer Informationen ←81 | 82→verstanden werden, die mit der Zielrichtung der Schädigung der Öffentlichkeit oder mit Profitabsichten geschaffen, veröffentlicht oder vertrieben werden.138 In ihrem Verhaltenskodex definiert die Europäische Kommission unter ausdrücklicher Anknüpfung an die Expertengruppe Desinformationen schließlich als „nachweislich falsche oder irreführende Informationen“, die kumulativ „zu wirtschaftlichen Zwecken oder zur absichtlichen Täuschung der Öffentlichkeit erstellt, präsentiert und verbreitet“ werden und „öffentlichen Schaden anrichten“ können. Dieser Schaden wiederum wird verstanden als „Bedrohung demokratischer und politischer Prozesse sowie öffentlicher Güter wie des Schutzes der Gesundheit, der Umwelt oder der Sicherheit der EU-Bürger“.139 Insofern sind Desinformationen nach dieser Lesart nicht nur falsche, sondern ebenso irreführende Informationen,140 wobei die Irreführung qualitativ der Falschheit nahe kommen muss.

Ausdrücklich hierunter nicht verstehen will die Europäische Kommission Werbung, Berichtsfehler, Satire und Parodie oder eindeutig identifizierte, parteiische Nachrichten und Kommentare.141 Ferner soll diese Definition verbindliche gesetzliche Verpflichtungen, selbstregulierende Werbekodizes und Normen betreffend irreführende Werbung unberührt lassen.142 Fehlinformationen („Misinformation“) hingegen beziehen sich auf „Informationen, die falsch sind, aber nicht mit der Absicht erstellt wurden, Schaden anzurichten“.143

Sollte sich der Terminus Fake News aber aus wissenschaftlich-theoretischer Sicht unter Gewährleistung einer klaren Abgrenzung zu anderen Formen von Äußerungen definieren lassen, so würden diese Bedenken letztlich nicht durchgreifen. Allein das Problem, dass ein Großteil der Gesellschaft einen Begriff fehlerhaft bestimmt, vermag insofern nicht dessen Abschaffung zu legitimieren. So vermag der oftmals fehlinterpretierte Gehalt einer Urkundenfälschung, die beim Laien primär mit einer inhaltlichen Änderung eines Schriftstücks assoziiert wird, nicht das Austauschen der Begrifflichkeit zu rechtfertigen. Synonym lässt sich allerdings der Begriff Desinformation verwenden, der bereits ausweislich des Wortgehalts das begriffsprägende Merkmal der zielgerichteten Irreführung beinhaltet.144 Der Begriff Fehlinformation findet nachfolgend keine Verwendung, da dieser ←82 | 83→begrifflich keine täuschende Absicht beinhaltet und daher ebenso das vorsatzlose Verbreiten von Falschinformationen erfasst, der Untersuchungsgegenstand setzt dagegen zumindest ein bösgläubiges Individuum in der Schaffungs- respektive Verbreitungskette der falschen Information voraus, was die Information letztlich zur Desinformation oder Fake News qualifiziert.145

V. Hate Speech und andere Begleiterscheinungen

Ebenfalls zum Begriff Hate Speech ist aufgrund der vorerwähnten, mancherorts beobachteten Vermischung mit dem Phänomen Fake News abzugrenzen. Die wortwörtliche Übersetzung als „Hassrede“ birgt dabei die Gefahr der fehlerhaften Verbrämung mit einer Intention.146 Die Emotion Hass ist allerdings tatsächlich nicht ratio essendi einer Hassrede.147 Schließlich bedarf es nicht im Sinne des Wortlautes einer Rede – ebenso können schlichte Handlungen wie beispielsweise Gestik und Mimik als rein tatsächliche Form der Kommunikation eine derartige Diffamierung enthalten.148 Hate Speech lässt sich definieren als intendiertes Herabwürdigen einer Gruppe gegenüber einer anderen Gruppe.149 Der Ausdruck „Hetzrede“ käme dem Bedeutungsgehalt daher erheblich näher.150 Der Begriff „Hassposting“ steht hierzu in naher Verwandtschaft: Er erfordert lediglich keinen Gruppenbezug hinsichtlich der Herabwürdigung.151 Tatsächlich ist mit der behaupteten Vermischung von Hate Speech und Fake News nämlich nicht etwa ein Definitionsproblem angesprochen, sondern eine tatsächliche Schnittmenge, da letztgenannte Erscheinungsform ←83 | 84→von Rechtspopulisten zum Teil für Stimmungsmache gegen bestimmte Personengruppen bzw. Minderheiten verwandt wird, wobei der unrichtige Tatsachen enthaltende Beitrag entweder bereits selbst darüber hinausgehende für Hate Speech charakteristische Elemente enthält oder gerade darauf abzielt, solche bei Dritten auszulösen. Die Intention der Herabwürdigung einer anderen Gruppe kann hierbei ebenso durch Tatsachenbehauptungen erfolgen und bedarf insbesondere keiner herabwürdigenden Meinungsäußerung.152

VI. Kontextuelle Entwicklung – Von Wikileaks, Konspirationstheorien und dem Aufstieg satirischer und alternativer Medien

Die Entwicklung des Begriffs kann freilich nicht ohne den Aufstieg des Whistleblowings im Allgemeinen und der Enthüllungsplattform WikiLeaks im Besonderen gesehen werden. Die Plattform erfuhr durch Enthüllungen betreffend die Wirtschaft und Politik ab dem Jahr 2006 Medienruhm.153 Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 existierten demnach zwei Techniken versuchter politischer Einflussnahme: Neben dem bewussten Streuen von Desinformationen veröffentlichten Hacker mehrere tausend gestohlene E-Mails der Demokratischen Partei auf der Plattform.154 Die gesellschaftliche Zentrierung auf Enthüllungsberichte führte letztlich zu einem Hinterfragen der Wahrhaftigkeit der Politik und der klassischen Pressemedien.155

Letztlich dürfte es sich bei dem Handlungsinstrumentarium um den „nächsten Schritt“ bzw. die Potenzierung des jüngst im Voranschreiten beobachteten Phänomens von Konspirationstheorien156 und deren Verbreitung sein. Dabei dienen die ←84 | 85→aktuellen Krisen der Demokratie in der westlichen Hemisphäre als Katalysator für die verbreiteten Theorien.157 Die lauffeuerartige Verbreitung von Konspirationstheorien findet ihre Ursache hierbei im Sensationsinteresse der Bevölkerung: Die fernliegende, empörende Konspirationstheorie ist so viel klangvoller als die öde Wahrheit.158 Aktuell werden etwa Konspirationstheorien beobachtet, nach denen die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten dem Zweck dienen, Flüchtlinge nach Europa fortzutreiben und so die hiesigen politischen Systeme zu destabilisieren.159 Das Streuen von Konspirationstheorien wird insofern teilweise als eine Desinformationstechnik verstanden.160 Unter dem Begriff Konspirationstheorien können dabei Sachverhalte erfasst werden, die mit Desinformationen belegt werden. Im Unterschied zu Fake News werden sie aber als umstritten dargestellt und wird zugleich eine plausible Erklärung geliefert.161

Mit der vermehrten Zirkulation von Desinformationen kann freilich eine Infantilisierung der Gesellschaft befördert werden, die letztlich bis zur vollständigen Nichtrezeption herkömmlicher Informationen führen kann. Der Wahn um Konspirationstheorien162 stellt sich hierbei als Teufelskreis dar: Jeder Beleg für die Wahrhaftigkeit wird von den Skeptikern gleichsam als Beweis dafür verstanden, dass das Establishment bestrebt ist, die Fehlinformation als Wahrheit darzustellen.163 Die propagandistische Durchschlagskraft solcher Konspirationstheorien ist dabei Ausweis mehrerer Machtergreifungen totalitärer Regime. Sowohl das Regime der Nationalsoziallisten im „Dritten Reich“ als auch die Regentschaft Stalins fußten auf der Verbreitung von Konspirationstheorien im weiteren Sinne.164

←85 | 86→

Diese Durchschlagskraft von brisanten Fehlinformationen in einer selbstentmündigten Gesellschaft machen sich letztlich die Urheber von Fake News zunutze, sodass diese getrost als zielgerichtete Weiterentwicklung aufgefasst werden können. Der Verschwörungstheoretiker zweifelt den Wahrheitsgehalt der herkömmlich dargestellten Fakten an, ohne jedoch die eigene Aussage als einzig wahrhaftige Aussage unter Verschweigen des Faktums darzustellen. Der nächste Schritt besteht darin, die eigene Aussage als wahr darzustellen und dabei die wahren Tatsachen vollends zu verschweigen. Zudem neigen Internetnutzer, die alternativen Quellen165 folgen, am ehesten dazu, Posts von Trollen zu liken oder zu teilen und verhelfen so den organisierten Distributoren von Falschnachrichten maßgeblich zum durchgreifenden Erfolg.166 Zudem verfolgen sie seltener Informationen, die von klassischen Medien oder politischen Gruppen vermittelt werden,167 sie bedienen sich also bei der Informierung mehrheitlich nicht verschiedentlich orientierter Quellen um eine Verifikation in Eigenregie durchzuführen. Diese empirischen Befunde erweisen sich als disparat zu den von den Anhängern von Konspirationstheorien verfolgten Zwecken: Obgleich sie besonders kritisch vermeintliche Informationsverzerrungen durch die Mainstream-Medien hinterfragen, erweisen sich gerade diese Nutzer im Ergebnis als Akteure bei der Verbreitung absichtlicher Falschinformationen.168 Verschwörungstheorien erweisen sich jedoch nicht als diskursfeindlich, als sie ohne das Faktum zu verschweigen offizielle Tatsachendarstellungen herausfordern und so bisweilen schon offizielle Tatsachendarstellungen als nicht haltbar beweisen konnten.169

VII. Gutgläubiges Weiterverbreiten von Fake News

Gegenstand einer strafrechtlichen Abhandlung können nicht allein Handlungen in Gestalt des zielgerichteten Verbreitens von Falschnachrichten sein. Dies ließe vollständig unbeachtet, dass ebenso derjenige, der die Falschnachricht ohne eine entsprechende Absicht teilt und damit weiter verbreitet, gleichwohl erheblich zur ←86 | 87→viralen Verbreitung beiträgt.170 Auch das ungeprüfte Teilen und absichtliche Verbreiten solcher Nachrichten muss also dann, wenn der Urheber der Falschnachricht oder zumindest einer der Verbeiter beim Verbreiten den vorgenannten Zweck verfolgt, Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein. Nur so kann eine allumfassende Analyse der Bekämpfung solcher gezielter Desinformationskampagnen erfolgen. Beispielsweise in § 186 StGB bestätigt der Gesetzgeber eine solche weitreichende Sichtweise, wenn er das Behaupten oder Verbreiten herabwürdigender Tatsachen schon bei Nichterweislichkeit der Wahrheit unter Strafe stellt, um so einen weitreichenden Schutz zu gewähren. Gerade das Weiterverbreiten durch gutgläubige Nutzer ist von den Desinformationsakteuren beabsichtigte Reaktion und Bedingung für den Erfolg der Phänomenologie.

VIII. Typologie von Fake News

Die so gefundene Definition von Fake News als gezielte Desinformationen kann im Folgenden in Anknüpfung an die von Wardle171 gebildeten Kategorien weitergehend differenziert werden: Nicht immer muss es sich um frei erfundene Informationen handeln, vielfach kommen Fake News vor, bei denen an ursprünglich bestehende, korrekte Informationen angeknüpft wird.172 Bei der ersten Erscheinungsform werden tatsächlich richtige Information bewusst aus dem ursprünglich bestehenden Kontext gerissen und hiermit ein falsches Informationsbild erschaffen oder die Informationen werden bewusst unrichtig interpretiert (“Misinterpreted Content”).173 In diese Kategorie fallen insbesondere bildliche Darstellungen ←87 | 88→beispielsweise von Opfern von Gewalttaten, die im Kontext gänzlich anderer Gewalttaten Verwendung finden.174 Die zweite Erscheinungsform dagegen kennzeichnet eine Manipulation ursprünglich korrekter Informationen, beispielsweise kann die Darstellung eines Fotos manipuliert werden („Manipulated Content“).175 Ein Beispiel wären Fotomontagen, auf denen ein angebliches Zusammentreffen bestimmter Politiker dargestellt wird. Weiterhin kann die Information selbst irreführend Verwendung finden, indem beispielsweise ein Kommentar als Tatsache dargestellt wird („Misleading Content“).176 In diese Kategorie könnte die bekannt gewordene Desinformation „Merkel hofft auf 12 Mio. Einwanderer“177 fallen, nach der ein geheimes Papier die Masseneinwanderung in Deutschland positiv thematisierte: Der Beitrag rechnete die aus einem öffentlichen Positionspapier178 des BMI zur demografischen Entwicklungen stammende (und dort letztlich verworfene) absolute Höchstgrenze von 300.000 Einwanderern pro Jahr willkürlich auf 40 Jahre hoch und stellte die Zahl als im Sinne der Bundesregierung dar.179 Schließlich kann ←88 | 89→bzgl. der Inhalte über die Quelle respektive den Ersteller des Beitrags getäuscht werden („Imposter Content“), indem beispielsweise das Branding einer renommierten Nachrichtenagentur verwendet wird oder indem erfundene Inhalte als der Feder bestimmter Behörden oder anderer Hoheitsorgane entstammend dargestellt werden. In Deutschland wurden während der Flüchtlingskrise 2015 vermeintliche Briefe der Gemeinden über die zwangsweise Einquartierung von Flüchtlingen bei Privatpersonen bekannt.180 Diese Informationen werden oftmals frei erfunden sein und daher gleichzeitig der letztfolgenden Kategorie unterfallen. Einzig bei der letzten möglichen Erscheinungsform handelt es sich um frei erfundene Informationen („Fabricated Content“),181 die nicht auf einer ursprünglich bestehenden korrekten Information basieren.

Details

Seiten
802
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631883853
ISBN (ePUB)
9783631893777
ISBN (Paperback)
9783631893623
DOI
10.3726/b20402
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (März)
Schlagworte
NetzDG fake news Strafverfassungsrecht
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 802 S., 2 s/w Abb., 4 Tab.

Biographische Angaben

Marc Philipp Kolpin (Autor:in)

Marc Philipp Kolpin studierte Rechtswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen und war in dieser Zeit mehrere Jahre als studentische Hilfskraft an einer strafrechtlichen Professur tätig. Seine Promotion erfolgte an der Universität Konstanz. Er ist mittlerweile als Rechtsanwalt im Bereich der Berufs- und Managerhaftung in einer Wirtschaftskanzlei tätig.

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Titel: Die Strafbarkeit der Verbreitung von Fake News – Regulierungsmechanismen zur Bekämpfung moderner Erscheinungsformen bei der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen
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