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Auswirkungen von Korruption auf nationale und internationale Handelsschiedsverfahren

Unter Berücksichtigung der deutschen und französischen Rechtslage

by Sofia Walla (Author)
Thesis 250 Pages

Summary

Die Behandlung von Korruption ist ein seit langem währendes Thema in der Schiedsgerichtsbarkeit, dem enorme praktische Relevanz zukommt. Die Bereiche des Wirtschaftsrechts, die fast ausschließlich vor Schiedsgerichten entschieden werden, sind auch die, in denen Korruption gängige Praxis ist. Ist der der Schiedsvereinbarung unterworfene Vertrag lediglich geschlossen worden, um Bestechungsgelder zu zahlen, wurden Bestechungsgelder gezahlt um einen Vertrag schließen zu können oder wurden Provisionen vergeben, um einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, hat dies Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen des Schiedsverfahrens.

Table Of Contents

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhalt
  • Einleitung
  • I. Problemstellung
  • 1. Grundproblematik
  • 2. Eingrenzung
  • II. Methode
  • Kapitel 1: Korruptionsbekämpfung
  • § 1 Korruption im Wirtschaftsleben
  • I. Entwicklung der Korruption
  • 1. Ursprung des Korruptionsbegriffes und aktuelle Entwicklungen
  • 2. Statistiken zur Korruptionsentwicklung
  • II. Korruptionsbegriff
  • 1. Durch Korruptionsvorschriften geschützte Rechtsgüter
  • a) Korruption im Amt
  • b) Korruption in der Privatwirtschaft
  • 2. Juristischer Korruptionsbegriff
  • a) Korruptionsbegriff im deutschen Strafrecht
  • b) Korruptionsbegriff im französischen Strafrecht
  • c) Annäherung an einen wirtschaftlichen Korruptionsbegriff
  • d) Weiter, international geltender Korruptionsbegriff
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Mechanismen zur Bekämpfung von Korruption
  • 1. Repressive Korruptionsbekämpfung
  • a) Internationales Strafrecht
  • aa) Anwendbares Strafrecht
  • bb) Universalprinzip (Weltrechtsprinzip)
  • b) Völkerrechtliche Regelwerke zur Korruptionsbekämpfung
  • aa) Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften
  • bb) Initiativen des Europarates
  • cc) OECD Konvention gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr
  • dd) UN-Übereinkommen gegen Korruption
  • c) Konsequenzen für die Korruptionsbekämpfung
  • 2. Korruptionsbekämpfung durch Compliance-Regelungen
  • 3. Sonstige Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung
  • § 2 Korruption im Schiedsverfahrensrecht
  • I. Fallkonstellationen
  • 1. Lagergren, ICC Case No. 1110
  • 2. Cameroon Airlines gegen Transnet Ltd., ICC Schiedsspruch Nr. 11307, 2003
  • 3. Korruption in der Privatwirtschaft
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Zugehörigkeit von Korruptionsverboten zum Ordre public
  • 1. Deutschland
  • a) Ordre public interne
  • b) Ordre public international
  • 2. Frankreich
  • a) Ordre public interne
  • b) Ordre public international
  • 3. Bestimmung des internationalen ordre public in Korruptionsfällen
  • a) Ordre public-Relevanz europäischer Regelungswerke
  • b) Anti-Korruptionskonventionen als Maßstab zur Bestimmung eines internationalen ordre public
  • c) Fallgruppen, in denen ein ordre public-Verstoß nicht ohne weiteres bejaht werden kann
  • aa) Verstoß gegen den ordre public durch Verurteilung zur Erstattung von Bestechungsgeldern
  • bb) Korruption in der Privatwirtschaft
  • cc) Lediglich mit Korruption belasteter Vertrag
  • d) Zwischenergebnis
  • 4. Ordre public transnational
  • a) Herleitung eines ordre public transnational
  • b) Ordre public transnational in der Korruptionsbekämpfung
  • 5. Fazit
  • Kapitel 2: Auswirkungen von Korruption auf die Zuständigkeit des Schiedsgerichts
  • § 3 Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts
  • I. Kompetenzen bei der Entscheidung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts
  • 1. Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts
  • 2. Kompetenz der staatlichen Gerichte
  • II. Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung
  • 1. Das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht
  • 2. Trennungsgrundsatz
  • 3. Ausnahmen von der Doctrine of Seperability
  • a) Fehleridentität
  • b) Investitionsschiedsverfahren
  • c) Der Fall Lagergren
  • d) NIOC v Crescent Petroleum, 2016
  • III. Fazit
  • § 4 Schiedsfähigkeit
  • I. Die objektive Schiedsfähigkeit im internationalen Vergleich
  • 1. Deutschland
  • 2. Frankreich
  • 3. Entwicklung im internationalen Schiedsverfahrensrecht
  • II. Korruption und Schiedsfähigkeit
  • III. Fazit
  • Kapitel 3: Die Rolle des Schiedsgerichts bei der Ermittlung von Korruption
  • § 5 Beweisrecht
  • I. Anzuwendendes Beweisrecht
  • 1. Anzuwendendes Verfahrensrecht
  • a) Parteivereinbarung
  • b) Ermessen des Schiedsgerichts
  • 2. Anzuwendendes Recht zur Bestimmung des Beweismaßes
  • 3. Auf die Beweislast anzuwendendes Recht
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Beweisrecht in institutionellen Schiedsverfahrensordnungen und den IBA Rules
  • 1. Institutionelle Schiedsverfahren
  • 2. IBA Rules
  • III. Rolle der Schiedsrichter bei der Feststellung von Korruptionssachverhalten
  • 1. Untersuchung der Nichtigkeit eines Vertrages aufgrund von Korruption sua sponte in nationalen und internationalen Schiedsverfahren
  • a) Entwicklung in der schiedsgerichtlichen Praxis
  • b) Ansätze zur Herleitung einer Pflicht zur ex officio Untersuchung der Nichtigkeit eines Vertrages aufgrund von Korruption
  • aa) Iura novit curia als Grundlage für eine ex officio Untersuchung
  • bb) Das Verbot der ex officio Untersuchung aus dem ne ultra petita-Grundsatz
  • cc) Ordre public-Konformität
  • (1) Pflicht zum Erlass einer ordre public konformen Entscheidung
  • (2) Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu Verstößen gegen das Kartellrecht
  • c) Zwischenergebnis
  • 2. Beweiserhebung sua sponte
  • a) Geltung des Beibringungs- oder (beschränkten) Untersuchungsgrundsatzes
  • aa) Deutschland
  • bb) Frankreich
  • cc) Schiedsordnungen und IBA Rules
  • dd) Zwischenergebnis
  • b) Entwicklung in der schiedsgerichtlichen Praxis
  • aa) Westacre Investments Inc v. Jugoimport SDPR Holding Co Ltd (ICC Case No. 7047)
  • bb) ICC Case No. 8891 und ICC Case No. 13515
  • cc) Gulf Leaders v. CFF
  • dd) Zwischenergebnis
  • 3. Hinreichende Anhaltspunkte zur Einleitung von Ermittlungen sua sponte
  • 4. Fazit
  • IV. Beweismaß für die Feststellung von Korruption
  • 1. Nationale Schiedsverfahren
  • a) Deutschland
  • b) Frankreich
  • c) Auswirkungen auf das Schiedsverfahrensrecht
  • 2. Internationale Schiedsverfahren
  • a) Erhöhte Beweisanforderungen
  • aa) Schiedsgerichtliche Praxis
  • bb) Entwicklung in der Sportschiedsgerichtsbarkeit
  • cc) Stellungnahme in der Literatur
  • dd) Zwischenergebnis
  • b) Beweiserleichterungen
  • aa) Geringes Beweismaß
  • bb) Beweislastumkehr bei prima facie Beweis von Korruption
  • (1) Beweislastregelungen
  • (2) Vorgehen staatlicher Gerichte bei Schwierigkeiten der Beweisführung
  • (3) Zulässigkeit einer Beweislastumkehr im Schiedsverfahren
  • (4) Umkehr der subjektiven Beweislast oder der Beweisführungslast im Rahmen der sekundären Beweislast
  • (5) Adverse Inferences
  • (6) ICC Schiedsspruch Nr. 6497
  • (7) ICC Schiedsspruch Nr. 12990
  • 3. Fazit
  • V. Beweismittel
  • 1. Partei- und Zeugenvernehmung
  • a) Vernehmung der Parteien
  • b) Vernehmung eines an der Korruption Beteiligten
  • c) Zeugnisverweigerungsrecht
  • 2. Urkunden
  • 3. Sachverständige
  • VI. Indizienbeweise
  • 1. Red flag Listen
  • a) Höhe der Kommission
  • b) Persönliche Beziehungen
  • 2. Schiedsgerichtliche Praxis
  • a) Gulf Leaders
  • b) ICC 16090
  • c) ICC 13914
  • VII. Fazit
  • § 6 Vom Schiedsgericht anzuwendendes materielles Recht
  • I. Anzuwendendes Vertragsrecht
  • 1. Rechtswahl der Parteien
  • 2. Bestimmung des anzuwendenden Rechts durch das Schiedsgericht
  • a) Deutschland
  • b) Frankreich
  • II. Anzuwendendes Strafrecht
  • 1. Anwendung der strafrechtlichen Normen des von den Parteien gewählten materiellen Rechts
  • 2. Schiedsgerichtliche Praxis
  • 3. Anzuwendende Eingriffsnormen
  • a) Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung als Eingriffsnormen
  • b) Berücksichtigung des ordre public
  • c) Berücksichtigung von Eingriffsnormen über die Anwendung des Art. 9 Rom I- VO
  • aa) Schiedsgerichtliche Praxis
  • (1) Deutschland
  • (2) Frankreich
  • bb) Stellungnahme
  • III. Fazit
  • Kapitel 4: Konsequenzen festgestellter Korruption im Schiedsverfahren
  • § 7 Zivilrechtliche Folgen von Korruption
  • I. Nichtigkeitsfolge
  • 1. Deutsches Zivilrecht
  • a) Wirksamkeit von Schmiergeldabrede und Vermittlervertrag
  • b) Wirksamkeit des Hauptvertrages
  • c) Wirksamkeit von nicht im Strafrecht sanktionierten Verhaltensweisen unterfallenden Verträgen
  • 2. Französisches Zivilrecht
  • a) Wirksamkeit von Schmiergeldabrede und Vermittlervertrag
  • b) Wirksamkeit des Hauptvertrages
  • 3. In internationalen Konventionen vorgesehene zivilrechtliche Folgen von Korruption
  • 4. Schiedsgerichtliche Praxis
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung
  • 1. Deutsches Bereicherungsrecht
  • 2. Französisches Bereicherungsrecht
  • 3. Anwendung der Kondiktionssperre in Korruptionsfällen
  • III. Flexiblere Rechtsfolgen
  • 1. Schmiergeldabrede und Vermittlervertrag
  • 2. Hauptvertrag
  • a) Kündigung
  • b) Genehmigungsmodell
  • c) Teilnichtigkeit und Vertragsanpassung
  • IV. Schadensersatzansprüche
  • 1. Schadensersatz aus Vertragsverletzung
  • 2. Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo
  • 3. Ermittlung des zu ersetzenden Schadens
  • 4. Schiedsgerichtliche Praxis
  • V. Fazit
  • § 8 Transparenz in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit
  • I. Vertraulichkeit und Nichtöffentlichkeit im Schiedsverfahren
  • 1. Status quo der Vertraulichkeit und Nichtöffentlichkeit in Schiedsverfahren
  • a) Verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertraulichkeit
  • b) Vorschriften nationaler Rechtsordnungen und Regelungen institutioneller Schiedsverfahren
  • c) Kritik an der derzeitigen Praxis der Schiedsgerichte
  • aa) Bedürfnis nach mehr Öffentlichkeit
  • bb) Anforderungen an die Gewährleistung von mehr Öffentlichkeit
  • 2. Öffentlichkeit in Korruptionsfällen
  • 3. Zwischenergebnis
  • II. Offenbarungspflicht der Schiedsgerichte an staatliche Stellen
  • 1. Herleitung einer Meldepflicht korrupten Verhaltens an staatliche Stellen
  • a) Anwendung gesetzlicher Meldepflichten auf Schiedsrichter
  • aa) Deutschland
  • bb) Frankreich
  • b) Strafbarkeitsrisiko für Schiedsgerichte
  • c) Funktion des Schiedsgerichts
  • 2. Recht der Schiedsrichter, Korruption an staatliche Stellen zu melden
  • 3. Voraussetzungen eines Melderechts
  • a) Zuständige Stelle
  • b) Nachweis von Korruption im Rahmen des Schiedsverfahrens
  • c) Verdachtsmomente des Schiedsgerichts
  • 4. Fazit
  • Kapitel 5: Eingriffsmöglichkeiten staatlicher Gerichte
  • § 9 Prüfungsumfang staatlicher Gerichte in Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren hinsichtlich eines ordre public-Verstoßes
  • I. Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches aufgrund von Korruption
  • 1. Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in Deutschland
  • 2. Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in Frankreich
  • 3. Gründe der Aufhebung oder Versagung der Vollstreckbarerklärung aufgrund von Korruption
  • II. Das Verbot der révision au fond im Rahmen der ordre public-Kontrolle
  • III. Prüfungsumfang staatlicher Gerichte in Deutschland
  • 1. Überprüfung in rechtlicher Hinsicht
  • 2. Überprüfung in tatsächlicher Hinsicht
  • 3. OLG Hamburg, 12.03.1998
  • 4. Bewertung
  • IV. Prüfungsumfang staatlicher Gerichte in Frankreich
  • 1. Entwicklung der französischen Rechtsprechung
  • 2. Rechtsprechungsänderung durch die Cour d’Appel im Fall Gulf Leaders gegen CFF
  • 3. Entscheidung der Cour de Cassation
  • 4. Kritik in der Literatur
  • 5. Bedeutung der Entscheidung für die Rechtsprechung im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren
  • V. Fazit
  • Schlussbetrachtung
  • I. Ordre public Relevanz von Korruption
  • II. Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist nur in Ausnahmefällen problematisch
  • III. Beweisführung in Korruptionsfällen
  • 1. Aktive Aufklärung von Korruptionssachverhalten durch das Schiedsgericht notwendig
  • 2. Zeugnisverweigerungsrecht im Schiedsverfahren
  • 3. Beweisführung durch Umkehr der Beweisführungslast und adverse inferences
  • 4. Red Flag Listen als Hilfsmittel bei Führung eines Indizienbeweises
  • IV. Anzuwendendes Recht
  • 1. Anzuwendendes Strafrecht
  • 2. Berücksichtigung von Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung aufgrund ihrer ordre public-Relevanz oder als zwingend anzuwendende Eingriffsnormen
  • V. Rechtsfolgen
  • 1. Ausschluss jeglicher Ansprüche aus einem zum Zwecke der Korruption geschlossenen Vertrag
  • 2. Flexiblere Rechtsfolgen für den durch Korruption zustande gekommenen Hauptvertrag
  • VI. Keine Meldepflicht, aber ein Melderecht für Schiedsrichter an staatliche Strafverfolgungsbehörden
  • VII. Korruption im Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
  • 1. Gründe für eine Aufhebung des Schiedsspruches oder eine Versagung der Vollstreckbarerklärung
  • 2. Prüfungsumfang
  • Literaturverzeichnis

←18 | 19→

Einleitung

I. Problemstellung

1. Grundproblematik

Korruption als Missbrauch eines öffentlichen Amtes oder Mandates zu privaten oder parteipolitischen Zwecken durch die Verletzung von Rechtsnormen1 ist ein seit langem existierendes Problem im Wirtschaftsleben. Auch durch die Bestrebungen die Korruption auf internationaler Ebene zu bekämpfen, bleibt sie immer noch ein viel diskutiertes Thema. Trotz dieser Bemühungen ist ein Rückgang der Korruption weltweit nicht zu verzeichnen.2 Dabei fehlt es noch an einer internationalen, allgemein gültigen Definition. Durch die UN-Konvention zur Bekämpfung von Korruption3, welche die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, bestimmte Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen, ist die Bestimmung der relevanten Verhaltensweisen zumindest einheitlicher geworden.

Die Behandlung von Korruption ist ein seit langem währendes Thema in der Schiedsgerichtsbarkeit, dem enorme praktische Relevanz zukommt.4 Die Bereiche des Wirtschaftsrechts, die fast ausschließlich vor Schiedsgerichten entschieden werden, sind auch die, in denen Korruption gängige Praxis ist.5 Ist der der Schiedsvereinbarung unterworfene Vertrag lediglich geschlossen worden, um Bestechungsgelder zu zahlen, wurden Bestechungsgelder gezahlt um einen Vertrag schließen zu können oder wurden Provisionen vergeben, um einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, hat dies Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen des Schiedsverfahrens. Diese Auswirkungen sollen untersucht werden.

Die grundlegende Problematik der Behandlung von Korruption in Schiedsverfahren ergibt sich aus dem Zusammentreffen des von dem Parteiwillen geprägten und effizient durchzuführenden Schiedsverfahrens mit verbotenen und ordre public relevanten Verhaltensweisen. Darüber hinaus werden bereits ←19 | 20→im staatlichen Verfahren existierende Probleme im Umgang mit Korruption, wie die hohe Dunkelziffer und erhebliche Beweisschwierigkeiten, im Schiedsverfahren noch begünstigt.

Zunächst muss im Rahmen des Schiedsverfahrens geprüft werden, ob das Schiedsgericht zuständig ist. Für den Ablauf des Schiedsverfahrens ergibt sich sodann die Frage, wie die Untersuchung möglicher Korruption abzulaufen hat. Zu untersuchen ist zunächst, welches materielle Recht anzuwenden ist und damit verbunden die Frage, welche Grenzen sich für die Rechtswahlfreiheit der Parteien ergeben und welche zwingenden Vorschriften vom Schiedsgericht anzuwenden sind.

Im Rahmen der Beweiserhebung sind die Fälle, in denen sich eine Partei auf die Korruption beruft, von denen zu unterscheiden, in denen das Schiedsgericht sua sponte Ermittlungen über mögliche Korruption anstellt. Beruft sich eine Partei auf die Nichtigkeit des Vertrages, ist zu klären, welche Beweisanforderungen diese Feststellung erfüllen muss. Obwohl in den meisten Schiedsordnungen Korruption nicht gesondert geregelt ist, wird vielfach vertreten, dass zur Feststellung von Korruption hohe Anforderungen an die Beweiserhebung zu stellen sind.6 Beruft sich dagegen keine der Parteien auf die Nichtigkeit des Vertrages aufgrund von Korruption, ist bereits problematisch, ob das Schiedsgericht überhaupt befugt ist, sua sponte einen Verstoß gegen Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung zu ermitteln oder ob zumindest Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Rechtsverstoßes vorliegen müssen.7 Die Befugnis wird vielfach schon aus der Pflicht für das Schiedsgericht hergeleitet, keinen ordre public-Verstoß zu begehen.8

Die von Schiedsgerichten getroffenen Entscheidungen zu Korruptionsfällen zeigen, dass unabhängig vom anzuwenden Recht grundsätzlich angenommen wird, dass geltend gemachte Ansprüche nicht durchsetzbar sind.9 Dies gilt aber nicht für alle mit Korruption in Verbindung stehenden Verträge. Schließlich ist nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen internationale Konventionen zur Bekämpfung von Korruption auf Schiedsverfahren haben.

Auch die Beziehung zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Strafverfolgungsbehörden soll untersucht werden. Hier stellt sich die Frage, ob eine ←20 | 21→Benachrichtigung von Strafverfolgungsbehörden durch das Schiedsgericht möglich und/oder notwendig ist.

Letztlich bleibt problematisch, wie Korruptionsvorwürfe im Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren behandelt werden. Einer der Gründe für die Attraktivität von Schiedsverfahren ist in der Beendigung eines Verfahrens durch die abschließende Entscheidung eines Schiedsgerichts begründet. An dieser Stelle wird jedoch auch die zunehmende Kritik an Schiedsgerichten als private Rechtsprechungsinstitutionen zu beachten sein, die durch eine zu zurückhaltende Überprüfung möglicherweise gefördert werden würde.10 Unter den staatlichen Gerichten ergeben sich starke Abweichungen bei der Konfrontation mit Korruptionsvorwürfen. Diese resultieren in erster Linie aus den unterschiedlichen Auffassungen zum Prüfungsumfang staatlicher Gerichte im Rahmen eines Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens. Dass rechtliche Feststellungen des Schiedsgerichts durch staatliche Gerichte voll überprüfbar sind, ist weitgehend unstrittig.11 Keine Einigkeit besteht jedoch darüber, ob auch die Feststellungen auf Tatsachenebene der Überprüfung zugänglich sind und gegebenenfalls, wie eine solche Überprüfung ausgestaltet sein könnte.12

2. Eingrenzung

Zu klären ist, in welchen Fallkonstellationen ein Zusammentreffen von Korruption und Schiedsverfahren zunächst überhaupt denkbar und im zweiten Schritt praktisch relevant ist.

So ist denkbar, dass es im Rahmen einer Investition eines Unternehmens in einem bestimmten Staat zu einer unzulässigen Zuwendung an einen Amtsträger gekommen ist. In diesem Fall handelt es sich um eine unrechtmäßige Investition und der Vertrag hierüber wird im deutschen und französischen Recht als nichtig anzusehen sein. Unterliegt der der Investition zugrundeliegende Vertrag einem Investitionsschutzabkommen, werden Streitigkeiten im Rahmen eines Schiedsverfahrens abzuwickeln sein. Aus den völkerrechtlichen Besonderheiten für Investitionsschiedsverfahren ergeben sich jedoch Abweichungen zu den handelsrechtlichen Schiedsverfahren, die nicht Schwerpunkt dieser Arbeit ←21 | 22→sein sollen.13 Lediglich im Rahmen der Untersuchung zur Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung trotz der Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Vertrages aufgrund der durch Korruption begründeten Gesetzeswidrigkeit sollen die in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit entwickelten Grundsätze als Vergleichswert herangezogen werden.14

Schwerpunkt der Arbeit sollen aber vielmehr Fälle der Handelsschiedsgerichtbarkeit sein. Die Handelsschiedsgerichtsbarkeit regelt die Streitbeilegung durch Schiedsverfahren zwischen natürlichen und/oder juristischen Personen auf dem Gebiet des Handelsrechts.15 Typisch ist in solch einer Konstellation der Fall, dass ein Unternehmer einen Vertrag mit einem Berater geschlossen hat, dessen tatsächliche Aufgabe darin besteht eine Bestechung von Amtsträgern zu bewirken.16 Wenn in einem solchen Fall Streit über die Höhe der zu zahlenden Provision entsteht, beruft sich regelmäßig eine der Parteien darauf, dass der Vertrag aufgrund von Korruptionszahlungen als nichtig anzusehen sei.

Neben den Fällen, bei denen ein beidseitiger Verstoß gegen Strafnormen gegeben ist, sind auch Fälle denkbar, in denen nur eine Partei einen Vertrag entweder zum Zwecke der Korruption schließt oder aber sich zur Durchführung des Vertrages der Korruption bedient. So ist denkbar, dass bei einem Unternehmenskauf das gekaufte Unternehmen die für den Verkauf maßgeblichen guten Geschäftsergebnisse erst durch die von Mitarbeitern vorgenommenen Bestechungen von Amtsträgern und Geschäftspartnern erreichen konnte.17 In einem solchen Fall wird regelmäßig die Rückabwicklung des Kaufes begehrt. Diese Fälle sollten aufgrund der Schutzbedürftigkeit der einen Partei anders zu behandeln sein als jene mit einem beidseitigen Verstoß. Eine einheitliche Lösung, die hinreichend Schutz für die schutzbedürftige Partei bietet, gibt es derzeit nicht.18

Unberücksichtigt bleiben sollen dagegen Fälle der Schiedsrichter- und Zeugenbestechung. Auch in diesen Fällen kann zwar die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches im Ergebnis einen ordre public-Verstoß begründen, diese Fälle werden aber während des Schiedsverfahrens grundlegend anders behandelt als ←22 | 23→Bestechungen, die im Vorfeld des Schiedsverfahrens erfolgt sind; insbesondere in Bezug auf die Beweiserhebung und die Auswirkungen auf das zugrundeliegende Vertragsverhältnis.19

Die Herleitung des deutschen sowie des internationalen ordre public soll lediglich deskriptiv behandelt werden. Es wird aber herausgearbeitet werden, wie sich die ordre public-Widrigkeit begründen lässt und ob sich Besonderheiten im Rahmen des Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens ergeben, wenn das korrupte Verhalten von einer internationalen Konvention verboten wird.

Eine zentrale Fragestellung der Arbeit ist, wie Schiedsgerichte an einer effektiven Korruptionsbekämpfung teilnehmen können, ohne ihre Attraktivität als Streitbeilegungsmethode zu verlieren und wie die staatlichen Gerichte an diesem Prozess mitwirken können.

Die bisherigen Ausführungen haben sich von einem abstrakten Ausgangspunkt dem Thema genähert.20 Untersucht werden soll in dieser Arbeit, wie die Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung im deutschen und französischen Schiedsverfahrensrecht zum Tragen kommen und umgesetzt werden können – und zwar in den unterschiedlichen Stadien des Schiedsverfahrens. Zudem wird herausgearbeitet, wie die staatlichen Gerichte mit den Schiedssprüchen umgehen und welcher Prüfungsumfang von den unterschiedlichen Gerichten angesetzt wird. An dieser Stelle sind insbesondere die Entscheidungen staatlicher Gerichte zu berücksichtigen. Ziel der Arbeit soll somit unter anderem sein, herauszuarbeiten, inwieweit die Bestrebungen zur Bekämpfung von Korruption auf Ebene der Handelsschiedsgerichtsbarkeit Wirkung entfalten können.

Aufgrund der großen Relevanz grenzüberschreitender Fälle in diesem Kontext werden diese in die Bearbeitung einbezogen werden. Ausgangspunkt sollen Fälle sein, bei denen der Schiedsort in Deutschland oder Frankreich liegt und bei denen im Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren deutsche oder französische staatliche Gerichte angerufen werden.

II. Methode

Einleitend wird auf die grundlegende Thematik der Korruption eingegangen. Dann wird die Arbeit die Auswirkungen der Korruption auf Schiedsverfahren ←23 | 24→in drei Teilen darstellen und so auf die verschiedenen Stadien des Schiedsverfahrens eingehen.

Zudem bedient sich die Arbeit einer rechtsvergleichenden Methode. Gegenüber gestellt werden das deutsche und das französische Recht. Beide Staaten sind Vertragsstaaten des New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche21 (UNÜ), sodass sich Parallelen im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ergeben. Frankreich bietet als attraktiver Schiedsort eine gute Grundlage, um die Rechtsprechung französischer Gerichte zum Vergleich heran zu ziehen. In Frankreich hat sich zudem eine umfassendere Entwicklung der Rechtsprechung von staatlichen Gerichten zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen ergeben als dies in Deutschland der Fall ist.22 Es wird die Rechtsprechung der staatlichen Gerichte in Deutschland und Frankreich kontrastiert und insbesondere aufgezeigt, welche Entwicklung die französische Rechtsprechung im Gegensatz zur deutschen hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen durchlaufen hat.


1 Siehe zum maßgeblichen Korruptionsbegriff unten: Kap. 1 § 1 II.

2 Corruption Perceptions Index der Transparency International: http://www.transparency.org/cpi2015#results-table (zuletzt abgerufen am 05.10.2022).

3 Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003, BGBl. 2014 II S. 762, 763.

4 S.u. Kap. 1 § 2 I.

5 Cremades/Cairns in: Arbitration - Corruption, Money Laundering and Fraud, 65 (70).

6 S.u. Kap. 3 § 5 IV.

7 S.u. Kap. 3 § 5 III.

8 Zu den unterschiedlichen Ansätzen: s.u. Kap. 3 § 5 III 1. b).

9 S.u. Kap. 4 § 7 I.

10 Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2016, 127 (129).

11 Anders noch BGH, 25.10.1966, BGHZ 46, 365 (369); BGH, 29.09.1983, WM 1983, 1207 (1208).

12 S.u. Kap. 5 § 9 III.

13 Fehlendes Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren; Zuständigkeit des Schiedsgerichts nur für rechtmäßige Investitionen.

14 S.u. Kap. 2 § 3 II. 3. b).

15 Vgl. Art. 1 Genfer Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961, BGBl. II 1964, 107.

16 OLG Hamburg, 12.03.1998, BeckRS 1998, 6211 Rn. 90.

17 Rieder/Schoenemann, NJW 2011, 1169.

Details

Pages
250
ISBN (PDF)
9783631894033
ISBN (ePUB)
9783631894040
ISBN (Softcover)
9783631886618
DOI
10.3726/b20418
Language
German
Publication date
2022 (December)
Published
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 250 S.

Biographical notes

Sofia Walla (Author)

Sofia Walla studierte Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für deutsches, europäisches und internationales Privat- und Verfahrensrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig. Heute ist sie als Rechtsanwältin in einer Wirtschaftskanzlei in Hamburg.

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