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Die Gründung einer Schiedsinstitution

Eine Analyse am Beispiel des Deutschen Medienschiedsgerichts

von Nico Gielen (Autor:in)
©2023 Dissertation 344 Seiten

Zusammenfassung

Mit der Popularität der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit steigt auch die Anzahl neu gegründeter Schiedsinstitutionen. Solche Neugründungen enden jedoch nur selten im Erfolg. Symptomatisch für diese Entwicklung ist das Deutsche Medienschiedsgericht (DMS), eine auf medienrechtliche Streitigkeiten spezialisierte Schiedsinstitution, die seit ihrer Gründung noch nicht zu einer einzigen Streitbeilegung herangezogen worden ist. Stattdessen geben Parteien der staatlichen Gerichtsbarkeit oder etablierten Schiedsinstitutionen den Vorzug. Für diesen Befund werden Ursachen identifiziert, die nicht nur zum Scheitern des DMS geführt haben. Vielmehr sind sie verallgemeinerungsfähig, sodass die vorgeschlagenen Lösungsansätze zugleich für andere Neugründungen handlungsleitend sein können.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Problemaufriss
  • B. Forschungsfrage
  • C. Gang der Untersuchung
  • Teil 1 Hoher Wettbewerbsdruck für neue Schiedsinstitutionen
  • Kapitel 1 Nachfrage nach Schiedsverfahren
  • A. Merkmale der Nachfrage nach Schiedsverfahren
  • I. Bilaterale Nachfrage nach Schiedsverfahren
  • II. Eingrenzung typischer Streitigkeiten für Schiedsverfahren
  • B. Nachfrage nach medienrechtlichen Schiedsverfahren
  • I. Bestimmtheit der medienrechtlichen Streitigkeit
  • II. Typische medienrechtliche Schiedsverfahren
  • III. Häufigkeit medienrechtlicher Schiedsverfahren
  • C. Ergebnis
  • Kapitel 2 Angebot von Streitbeilegungsmitteln
  • A. Staatliche Gerichtsbarkeit
  • B. Schiedsgerichtsbarkeit
  • I. Überblick
  • II. Rolle von Schiedsinstitutionen
  • 1. Typologie von Schiedsinstitutionen
  • a) Schiedsgerichtsordnung
  • b) Spezialisierung
  • c) Internationalität
  • d) Grad der Einflussnahme
  • 2. Zunehmender Wettbewerb unter Schiedsinstitutionen
  • III. Zwischenergebnis
  • C. Sonstige Formen der Streitbeilegung
  • D. Ergebnis
  • Teil 2 Förderung der Wettbewerbsfähigkeit neuer Schiedsinstitutionen
  • Kapitel 1 Angebot eines effizienten Schiedsverfahrens am Beispiel des DMS
  • A. Schiedsvereinbarung
  • I. Vereinbarung eines Wahlrechts
  • II. Aufhebung des Schiedsspruchs
  • III. Geltungserhaltende Reduktion
  • IV. Zwischenergebnis
  • B. Bildung des Schiedsgerichts
  • I. Anzahl der Schiedsrichter
  • II. Bestellung der Schiedsrichter
  • 1. Geschlossene Schiedsrichterliste
  • 2. Scheitern des Schiedsverfahrens
  • III. Ablehnung eines Schiedsrichters
  • 1. Ablehnungsgründe
  • 2. Ablehnungsverfahren
  • a) Ausschluss des angefochtenen Schiedsrichters
  • b) Effiziente Alternativen
  • IV. Zwischenergebnis
  • C. Zuständigkeit des Schiedsgerichts
  • I. Unbestimmtheit
  • II. Rechtsschutz gegen eine Unzuständigkeitserklärung
  • III. Zwischenergebnis
  • D. Durchführung des Schiedsverfahrens
  • I. Unattraktivität für internationale Parteien
  • 1. Verweis auf die Verfahrensgrundsätze der ZPO
  • 2. Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens
  • 3. Verfahrenssprache
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Vorschläge zur Effizienzsteigerung
  • 1. Durchführung virtueller Verhandlungen
  • a) Zulässigkeit der virtuellen Verhandlung
  • aa) Vereinbarkeit mit Verfahrensgrundsätzen
  • bb) Anspruch auf eine mündliche Verhandlung
  • cc) Gewährleistung der Vertraulichkeit
  • b) Umsetzung durch eine Schiedsinstitution
  • 2. Beschleunigtes Verfahren
  • E. Beendigung des Schiedsverfahrens
  • I. Verfahrenskosten
  • 1. Kosten eines Verfahrens vor dem DMS
  • 2. Kostenentscheidung
  • a) Streitwertfestsetzung
  • b) Erhöhung der Schiedsrichterhonorare
  • c) Alternative Regelung
  • II. Vollstreckbarerklärung
  • F. Exkurs: Schiedsgutachten- und Schlichtungsverfahren
  • I. Kein Angebot von Musterklauseln
  • II. Personenidentität von Schlichtern und Schiedsrichtern
  • G. Ergebnis
  • Kapitel 2 Spezialisierung auf das Medienrecht
  • A. Kompetenzbeschränkung auf das Medienrecht
  • I. Gesetzliche Kompetenzbeschränkung
  • 1. Schiedsfähigkeit medienrechtlicher Streitigkeiten
  • a) Immaterialgüterrechtliche Streitigkeiten
  • aa) Vermögensrechtliche Ansprüche
  • (1) Zuständigkeitsordnung im Immaterialgüterrecht
  • (2) Bindungswirkung von Verwaltungsakten
  • (3) Öffentlich-rechtlicher Verfahrenscharakter
  • bb) Nicht-vermögensrechtliche Ansprüche
  • cc) Zwischenergebnis
  • b) Verwaltungsrechtlichte Streitigkeiten
  • c) Zwischenergebnis
  • 2. Begrenzte Wirkung eines Schiedsspruchs
  • a) Vorfrage
  • b) Relative Nichtigkeit
  • c) Verzicht
  • d) Absolute Nichtigkeit
  • 3. Zwischenergebnis
  • II. Vertragliche Kompetenzbeschränkung
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Gewährleistung der Vertraulichkeit
  • I. Bedarf nach Vertraulichkeit im medienrechtlichen Schiedsverfahren
  • II. Abgrenzung zur Nicht-Öffentlichkeit
  • III. Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Vertraulichkeit
  • 1. Vertraulichkeitsverpflichtung der Verfahrensbeteiligten
  • a) Schiedsrichter
  • b) Parteien
  • c) Dritte
  • 2. Umfang der Vertraulichkeit
  • a) Allgemeine Ausnahmen von der Vertraulichkeit
  • b) Insbesondere: Beteiligung der öffentlichen Hand
  • 3. Rechtsfolge einer Vertraulichkeitspflichtverletzung
  • 4. Zwischenergebnis
  • IV. Lösungsansätze
  • 1. Gesetzgebung
  • 2. Individualvertragliche Vereinbarungen
  • 3. Vorschrift in der Schiedsgerichtsordnung
  • a) Unzureichende Regelung beim DMS
  • b) Alternativvorschläge
  • aa) Anordnung von Vertraulichkeitspflichten im Einzelfall
  • bb) Vertraulichkeitspflichten von Beginn an
  • cc) Weitergehende Maßnahmen zum Geheimnisschutz
  • V. Zwischenergebnis
  • C. Ermöglichung einstweiligen Rechtsschutzes
  • I. Bedarf nach einstweiligem Rechtsschutz im Medienrecht
  • II. Schwächen des einstweiligen Rechtsschutzes im Schiedsverfahren
  • III. Abmilderung der Schwächen durch eine Schiedsinstitution
  • 1. Interessenlage im Schiedsverfahren
  • 2. Defizitäre Regelungen in Schiedsgerichtsordnungen
  • 3. Verbesserung des einstweiligen Rechtsschutzes im Schiedsverfahren
  • a) Beseitigung von Rechtsunsicherheiten
  • b) Beschleunigung der Entscheidung
  • aa) Entscheidung durch den Vorsitzenden
  • bb) Eilschiedsrichter-Verfahren
  • cc) Ex-parte-Anordnungen
  • IV. Zwischenergebnis
  • D. Ergebnis
  • Kapitel 3 Ausgleich des Legitimitätsdefizits
  • A. Legitimitätsdefizit einer neuen Schiedsinstitution
  • I. Liability of Newness
  • 1. Reputation als Auswahlkriterium
  • 2. Beständigkeit als Auswahlkriterium
  • 3. Veranschaulichung am DMS
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Mangelhafte Kontrolle von Schiedsinstitutionen
  • 1. Rechtliche Privilegierung von Schiedsinstitutionen
  • a) Privilegierung im Schiedsverfahrensrecht
  • b) Privilegierung im Haftungsrecht
  • aa) Haftungserleichterung zugunsten der Schiedsinstitution
  • (1) Gesetzliche und richterrechtliche Haftungserleichterung
  • (2) Vertragliche Haftungserleichterung
  • bb) Haftungserleichterung zugunsten der Schiedsrichter
  • (1) Gesetzliche und richterrechtliche Haftungserleichterung
  • (2) Vertragliche Haftungserleichterung
  • cc) Zwischenergebnis
  • c) Privilegierung im Vereinsrecht
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. Gefahren weitreichender Privilegien
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Legitimierende Maßnahmen
  • I. Informationsvermittlung
  • II. Herstellung institutioneller Verbindungen
  • 1. Kooperationen von Schiedsinstitutionen
  • 2. Kooperationen des DMS
  • III. Etablierung von Kontrollmechanismen
  • 1. Verzicht auf den vertraglichen Haftungsausschluss
  • a) Gründe für einen vertraglichen Haftungsausschluss
  • b) Gründe gegen einen vertraglichen Haftungsausschluss
  • c) Zwischenergebnis
  • 2. Selbstregulierung von Schiedsinstitutionen
  • a) Mangelhafte Selbstregulierung beim DMS
  • b) Vorzüge einer Selbstregulierung
  • c) Vorschläge für selbstregulierende Maßnahmen
  • aa) Organisatorische Maßnahmen
  • bb) Individuelle Verhaltenspflichten
  • C. Ergebnis
  • Zusammenfassung der Handlungsempfehlungen
  • A. Änderung der Musterschiedsvereinbarung
  • B. Änderung der Schiedsgerichtsordnung
  • I. Zusammensetzung des Schiedsgerichts
  • II. Ablehnung eines Schiedsrichters
  • III. Zuständigkeit des Schiedsgerichts
  • IV. Durchführung des Schiedsverfahrens
  • V. Beendigung des Schiedsverfahrens
  • VI. Exkurs: Schiedsgutachten- und Schlichtungsverfahren
  • VII. Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens
  • VIII. Einstweiliger Rechtsschutz
  • C. Umsetzung legitimierender Maßnahmen
  • Fazit
  • Anhang
  • DMS-Schiedsvereinbarung
  • DMS-Schiedsgerichtsordnung
  • DMS-Satzung
  • Literaturverzeichnis

←16 | 17→

Abkürzungsverzeichnis

AAA

American Arbitration Association

BAC

Beijing Arbitration Commission

CAfA

Court of Arbitration for Art

CAS

Court of Arbitration for Sport

AAA

American Arbitration Association

BAC

Beijing Arbitration Commission

CAfA

Court of Arbitration for Art

CAS

Court of Arbitration for Sport

CEAC

Chinese European Arbitration Centre

CIArb

Chartered Institute of Arbitrators

CIETAC

China International Economic and Trade Arbitration Commission

CUII

Clearingstelle Urheberrecht im Internet

DIS

Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit

DMS

Deutsches Medienschiedsgericht

DPMA

Deutsches Patent- und Markenamt

DSS

Deutsches Sportschiedsgericht

ELArb

European-Latinamerican Arbitration Center

EPGÜ

Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht

GeschGehG

Geschäftsgeheimnisschutzgesetz

GMAA

German Maritime Arbitration Association

HKIAC

Hong Kong International Arbitration Centre

IBA

International Bar Association

ICC

International Court of Arbitration of the International Chamber of Commerce

ICDR

International Centre for Dispute Resolution

ICSID

International Centre for Settlement of Investment Disputes

IFTA

International Film & Television Alliance

IGE

Schweizerische Behörde für Geistiges Eigentum

LCIA

London Court of Arbitration←17 | 18→

Model Law

UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration

MStV

Medienstaatsvertrag

NAF

National Arbitration Forum

New York Convention

Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards

QMU

Queen Mary University of London

RBeitrStV

Rundfunkbeitragsstaatsvertrag

SAC

Swiss Arbitration Center, Swiss Arbitration Centre

SCC

Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce

SGH

Schiedsgerichtshof Deutscher Notare

UDRP

Uniform Dispute Resolution Policy

UNCITRAL

United Nations Commission On International Trade Law

VIAC

Vienna International Arbitral Centre

WIPO

World Intellectual Property Organization

Siehe für die übrigen Abkürzungen:

Kirchner (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Auflage, Berlin 2001

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Einleitung

A. Problemaufriss

Die Gründungen der ersten modernen Schiedsinstitutionen liegen noch nicht allzu weit zurück: 1892 wurde der London Court of Arbitration (LCIA), 1923 der International Court of Arbitration (ICC) und 1926 die American Arbitration Association (AAA) gegründet.1 Seitdem ist nicht nur die Beliebtheit der Schiedsgerichtsbarkeit signifikant angestiegen.2 Weltweit ist auch ein rasantes Wachstum an neu gegründeten Schiedsinstitutionen zu verzeichnen.3 Darunter befinden sich zunehmend auf bestimmte Branchen spezialisierte Schiedsinstitutionen. Zum Beispiel wurde 2008 das Deutsche Sportschiedsgericht (DSS) in Köln und 2018 der Court of Arbitration for Art (CAfA) in Den Haag gegründet.4

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Teilweise wird allerdings die Beobachtung gemacht, dass unter den zahlreichen Schiedsinstitutionen einige, wenn nicht die meisten, niemals zum Einsatz kommen: “Unfortunately, a number of arbitration institutions have rules and a name, but no cases at all.5 Eine Schiedsinstitution, auf welche diese Behauptung zutrifft, ist das Deutsche Medienschiedsgericht (DMS). Seit seiner Errichtung am 1. September 2016 wurde es noch nicht zu einer einzigen Streitbeilegung aufgefordert.

Dabei betonte der ehemalige Chef der sächsischen Staatskanzlei und Initiator des DMS, dass bei ihm viele Vertreter der Medienwirtschaft ihr Interesse an medienrechtlichen Schiedsverfahren bekundet hätten.6 Neidvoll blickte man wohl auch deswegen auf die Schiedsgerichtsbarkeit, da man am Gerichtsverfahren um die Tagesschau-App, welches 2011 begann und immer noch nicht final beendet ist,7 die Schwächen der staatlichen Justiz erkannte.8 Einen Bedarf nach dem DMS sahen offenkundig auch die zahlreichen Rundfunkanstalten und die Interessenverbände der Medienwirtschaft, die Mitglieder des Trägervereins des DMS wurden.9 Der juristische Direktor des MDR meinte, die „Aussichten sind gut10, dass eine Schiedsinstitution diesen Bedarf decken könne.

Trotz der anfänglichen Euphorie wurden schnell skeptische Stimmen laut. In Fachpublikationen betonten einige die Schwachstellen im Regelwerk des ←20 | 21→DMS und folgerten daraus, das DMS sei ein „zahnloser Tiger11. Zudem wurde die Fallflaute dahin gehend gedeutet, dass das DMS von „der Branche nicht benötigt12 werde. Zu Beginn verteidigte sich das DMS noch und hob hervor, Schiedsinstitutionen „würden erst dann angerufen, wenn Schiedsklauseln in Verträge übernommen worden seien.13 Mehrere Jahre nach der Gründung jedoch löste sich der Trägerverein des DMS Ende 2020 auf, da mangels Fallzahlen eine „kostenauslösende Struktur14, insbesondere eine Geschäftsstelle, nicht benötigt werde. Die Trägerschaft wurde der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig überlassen und das DMS in den Ruhezustand versetzt.15 Seitdem wartet es darauf, durch die erste Streitigkeit wiederbelebt zu werden.

B. Forschungsfrage

Diese Entwicklung provoziert eine Forschungsfrage: Warum scheitern neue Schiedsinstitutionen? Diese Arbeit gibt darauf am Beispiel des DMS eine Antwort. Dabei liegt das Ziel nicht darin, lediglich die Schwachstellen des DMS aufzulisten. Diese sollen nur als Illustration für die Schwierigkeiten dienen, die mit der Gründung einer Schiedsinstitution verbunden sind. Auf dieser Grundlage werden Lösungen entwickelt, um typische Probleme bei der Gründung überwinden zu können oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Diese Handlungsempfehlungen, die am Ende der Arbeit zusammengefasst werden,16 sollen dem DMS und anderen neuen Schiedsinstitutionen eine Orientierungshilfe bieten.

C. Gang der Untersuchung

Vorwiegend sind es keine rechtlichen, sondern ökonomische Erwägungen, die zwei Parteien dazu verleiten, sich auf eine bestimmte Schiedsinstitution zu einigen. Deswegen erscheint es zweckmäßig, in Teil 1 zunächst auf zwei ökonomische Vorfragen einzugehen. In Kapitel 1 soll beantwortet werden, ob für medienrechtliche Schiedsverfahren überhaupt eine Nachfrage erkennbar ist. Danach wird in Kapitel 2 untersucht, ob einer etwaigen Nachfrage schon ein ←21 | 22→Angebot gegenübersteht und mit welcher Konkurrenz eine neue Schiedsinstitution zu rechnen hat.

Nachdem diese zwei Vorfragen beantwortet sind, wird in Teil 2 das DMS einer umfassenden Analyse unterzogen, insbesondere werden seine Schwachstellen identifiziert und Verbesserungsvorschläge entwickelt. Hierfür ist es zwar erforderlich, allerdings nicht ausreichend, einen rechtlichen Maßstab anzulegen. Das Schiedsverfahrensrecht belässt einen großen Gestaltungsspielraum und dieser sollte im Interesse der Parteien genutzt werden. Da sie in erster Linie ein effizientes Schiedsverfahren erwarten, wird in Kapitel 1 zuerst untersucht, ob das DMS-Schiedsverfahren diesem Interesse der Parteien entspricht. Den Untersuchungsgegenstand bilden dabei die Musterschiedsvereinbarung und die Schiedsgerichtsordnung des DMS. Die Schiedsgutachten- und Schlichtungsverfahren werden nur am Rande behandelt. Danach wird in Kapitel 2 die Spezialisierung des DMS auf medienrechtliche Schiedsverfahren untersucht. Diese impliziert einerseits, dass die Medienbranche besondere Anforderungen an ein Schiedsverfahren stellt, und andererseits, dass die Gründer des DMS meinten, diese zu erfüllen – beide Prämissen werden einer kritischen Analyse unterzogen. Abschließend wird in Kapitel 3 problematisiert, dass eine neue Schiedsinstitution der Schwierigkeit unterliegt, die ersten „Kunden“ zu gewinnen. Als Ursache wird ein Legitimitätsdefizit identifiziert, für dessen Abbau ebenfalls Vorschläge unterbreitet werden.


1 Zum LCIA Konrad/Hunter, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, LCIA-SchO, Einl. Rn. 1; Scherer/Richman/Gerbay, S. 2; zur ICC Reiner/Petkutė/Kern, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, ICC-SchO, Einl. Rn. 1; Verbist/Schäfer/Imhoos, S. 13; zur AAA Gusy/Hosking, S. 2.

2 Born, International Commercial Arbitration, S. 94; Fouchard/Gaillard et al., Rn. 53; Gerbay, The Functions of Arbitral Institutions, S. 29 ff.; Horvath, in: Kröll/Mistelis et al., FS Bergsten, 251 (253); Kalra, in: Sanders, New Trends in the Development of International Commercial Arbitration and the Role of Arbitral and Other Institutions, 82 (84); Mourre, in: Berg, Arbitration, 86 (89); Najar, 25 Arb. Int. 2009, 515 (516); QMU, 2015 International Arbitration Survey, S. 17; Warwas, S. 100.

3 Abrahamson, in: Berg, Arbitration, 354 (359); Arroyo, in: Cadiet/Hess/Isidro, Privatizing Dispute Resolution, 617 (622); Berger, Institutional Arbitration, S. 6; Bond, 11 Arb. Int. 1995, 273 (273); Cremades, in: Glossner, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit, Band 4, 31 (40); Droulers, in: Hobér/Magnusson/Öhrström, FS Franke, 141 (143); Gaillard, 31 Arb. Int. 2015, 1 (5); Gerbay, The Functions of Arbitral Institutions, S. 33 ff.; Gremminger, S. 123; Horvath, in: Kröll/Mistelis et al., FS Bergsten, 251 (263); Landau, 13 J. Int. Arb. 1996, 113 (114); Lew/Mistelis/Kröll, Rn. 3-24; Melis, 13 Comp. Law Y.B. Int’l Bus. 1991, 107 (109); Melis, TvA 1988, 25 (26); Moser/Yeoh, In-House Persp. 2006, 18 (18); Paulsson/Rawding/Reed, S. 62; Redfern/Hunter, Rn. 1.157; Schlaepfer/Petti, in: Geisinger/Voser, International Arbitration in Switzerland, 13 (13); Slate II, Wake Forest L. Rev. 1996, 41 (50); Smit, Colum. J. Transnat’l L. 1986, 9 (12); Wilske, 1 Contemp. Asia Arb. J. 2008, 21 (24).

4 Siehe die Webseite des CAfA, abrufbar unter go.wwu.de/sy5a3; ein weiteres Beispiel bildet der Court of Arbitration for Sport (CAS), auf den noch ab S. 216 eingegangen wird.

5 Droulers, in: Hobér/Magnusson/Öhrström, FS Franke, 141 (143); ebenso Cremades, in: Glossner, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit, Band 4, 31 (37 f.); Paulsson, 25 ICSID Rev. 2010, 339 (355).

6 Medienpolitik.net, Interview v. 25.7.2016.

7 Siehe zu diesem Verfahren BGH, Beschl. v. 15.2.2018, I ZR 216/16, BeckRS 2018, 2359; BGH, Beschl. v. 14.12.2017, I ZR 216/16 (unveröffentlicht); BGH, Urt. v. 30.4.2015, I ZR 13/14, MMR 2015, 842; OLG Köln, Urt. v. 30.9.2016, 6 U 188/12, ZUM 2017, 247; OLG Köln, Urt. v. 20.12.2013, 6 U 188/12, MMR 2014, 199; LG Köln, Urt. v. 27.9.2012, 31 O 360/11, JZ 2013, 100; das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde des NDR nicht zur Entscheidung angenommen, siehe Beschl. v. 23.2.2022, 1 BvR 717/18.

8 So die Geschäftsstellenleiterin des DMS, siehe DPA, Pressemitteilung v. 17.9.2017; so auch der Initiator des DMS, siehe Medienpolitik.net, Interview v. 25.7.2016; dazu, ob die Streitigkeit für ein Schiedsverfahren geeignet gewesen wäre, ab S. 30.

9 Die Mitgliederliste ist abrufbar unter go.wwu.de/xvknc: Allianz Deutscher Produzenten, Bundesverband Digitale Wirtschaft, Freistaat Sachsen, Leipziger Messe, Medienstiftung der Sparkasse Leipzig, Mitteldeutsche Medienförderung, MDR, Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, VG Media, Verband Privater Medien, Weidinger Richtscheid, ZDF.

10 Falkowski, Deutschlandfunk vom 20.8.2016.

11 Lissner, GRUR-Prax 2016, 522 (524); siehe auch die Kritik von Lederer, Kluwer Arbitration Blog v. 29.3.2017.

12 Nünning, Medienkorrespondenz v. 20.12.2020.

13 DPA, Pressemitteilung v. 17.9.2017.

14 Nünning, Medienkorrespondenz v. 20.12.2020.

15 Stawowy, Flurfunk: Das Medienblog v. 18.12.2020.

16 Siehe ab S. 239.

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Teil 1 Hoher Wettbewerbsdruck für neue Schiedsinstitutionen

Das DMS stellt ein (vorerst) gescheitertes Experiment dar. Nach nur wenigen Jahren wurde die Trägerorganisation, der DMS-Verein, mangels eingehender Fälle wieder aufgelöst. Um die Gründe hierfür zu ergründen, ist man geneigt, geradewegs die Schiedsinstitution, also ihren Aufbau und ihre Funktionsweise zu untersuchen; eine solche Analyse soll auch in dieser Arbeit nicht fehlen. Allerdings soll zuvor der Markt untersucht werden, den das DMS zu betreten versuchte. Denn aus Sicht einer neuen Schiedsinstitution weist dieser „Markt der Streitbeilegung17 Barrieren auf, die ihr den Marktzutritt erschweren und die es daher zu überwinden gilt.18

Details

Seiten
344
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631887325
ISBN (ePUB)
9783631887332
ISBN (MOBI)
9783631887349
ISBN (Paperback)
9783631882788
DOI
10.3726/b20068
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 344 S.

Biographische Angaben

Nico Gielen (Autor:in)

Nico Gielen studierte Rechtswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und war anschließend Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM). Zudem betreute er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht die Münsteraner Teilnahme am Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot. Derzeit absolviert er sein Rechtsreferendariat am Landgericht Münster mit Stationen am Bundesverfassungsgericht und einer internationalen Wirtschaftsrechtskanzlei in Düsseldorf.

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