Lade Inhalt...

Die Restschuldbefreiung des angloamerikanischen Rechts

Eine rechtshistorische Untersuchung aus kontinentaleuropäischer Perspektive

von Mirco Schmutzler (Autor:in)
©2023 Dissertation 214 Seiten

Zusammenfassung

Die heute auch im kontinentaleuropäischen Insolvenzrecht etablierte Dogmatik der Restschuldbefreiung für natürliche Personen hat ihren Ursprung in der angloamerikanischen Rechtsfigur der bankruptcy discharge. Diese Arbeit untersucht die Entstehung der bankruptcy discharge ab dem frühen 18. Jahrhundert im englischen Recht. Einen weiteren Schwerpunkt legt die Arbeit auf die Entwicklung der Rechtsfigur im US-amerikanischen Recht des 19. Jahrhunderts. Die Untersuchung nimmt dabei Bezug auf die historischen Grundbausteinen des römisch-kontinentalen Insolvenzrechts, die das angloamerikanische Recht ab dem 16. Jahrhundert teilweise übernahm und im eigenen Rechtsumfeld weiterentwickelte.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Verwendung von Abkürzungen
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Ausgangsmodell der bankruptcy discharge
  • I. These zum Ausgangsmodell der bankruptcy discharge
  • II. Makrohistorische Begründung: Englisches bankruptcy law und Zwangsvergleichsrecht bis Ende des 17. Jahrhunderts
  • 1. Englisches bankruptcy law als Rechtsnormimport im 16. Jahrhundert
  • a) Bankrotteur als Ausgangspunkt
  • b) Bankrottverfahren als Arrest und Gesamtvollstreckung
  • c) Freies Nachforderungsrecht
  • d) Modifikationen durch 13 Eliz. I. c. 7 (1571)
  • aa) Zuständigkeiten
  • bb) Bankrotteur als Kaufmann
  • cc) Enumerativer Katalog von Bankrotthandlungen
  • dd) Modifikation des freien Nachforderungsrechts
  • ee) Zwischenfazit
  • 2. Kein paralleler Rechtsnormimport von cessio bonorum und Zwangsvergleichsrechts
  • a) Englische Forderung nach einem Zwangsvergleichsrecht
  • b) Kontinentaleuropäische cessio bonorum und Zwangsvergleichsrecht
  • aa) Dogmatik der cessio bonorum
  • bb) Stundungszwangsvergleich
  • cc) Erlasszwangsvergleich
  • dd) Keine Tätigkeit des englischen Gesetzgebers bis weit ins 17. Jahrhundert
  • ee) Privy Council
  • c) Court of Chancery
  • d) Zwischenfazit
  • 3. Entwicklungen im bankruptcy law des 17. Jahrhunderts
  • a) Einführung von Straftatbeständen
  • b) Ausweitung der Bankrotthandlungen
  • aa) Schuldhaft und Verzug
  • bb) Arrest und Sequestration
  • cc) Fraudulent conveyances und assignment for the benefit of creditors
  • dd) Moratorien, Zwangsvergleiche und Vollstreckungsschutz
  • ee) Öffnung für Vermögensabtretungen und Zwangsvergleiche erst ab 1825
  • c) Zwischenfazit
  • 4. Scheitern eines gesetzlichen Zwangsvergleichsrechts im 17. Jahrhundert
  • 5. Zusammenfassung zur makrohistorischen Begründung
  • III. Mikrohistorische Begründung: Bestandsaufnahme Ende des 17. Jahrhunderts und Schaffung der bankruptcy discharge
  • 1. Bestandsaufnahme, Kritik und Kommentar des betroffenen Defoe
  • a) Defoe als Betroffener
  • b) Bestandsaufnahme und Kritik: An Essay Upon Projects
  • aa) Dysfunktionalität zugunsten unredlicher Schuldner
  • bb) Dysfunktionalität durch Fehlanreize für redliche Schuldner
  • cc) Lösungsvorschlag durch Entschuldung im Verwertungsmodell
  • dd) Defoe als Kommentator des Gesetzgebungsverfahrens
  • ee) Zwischenfazit
  • 2. Gesetzgebungsverfahren zu 4 & 5 Anne c. 4 (1705)
  • a) Pitkin-Affäre und Pitkin-Gesetz, 3 & 4 Anne c. 11 (1704)
  • aa) Initiative zu 4 & 5 Anne c. 4 (1705)
  • bb) Aufnahme der bankruptcy discharge
  • cc) Epilog zur Pitkin-Affäre, 6 Anne c. 23 (1706)
  • dd) Zwischenfazit
  • 3. Einfluss wirtschaftlicher Volatilität
  • 4. Zusammenfassung zur mikrohistorischen Begründung
  • IV. Dogmatik des Ausgangsmodells der bankruptcy discharge
  • 1. Dogmatik gemäß 4 & 5 Anne c. 4 (1705)
  • a) Konstruktion und Systematik des Gesetzes
  • b) Betrügerischer Bankrott als Kapitalverbrechen
  • c) Belohnung des mitwirkungsbereiten Bankrotteurs mit bankruptcy discharge und Selbstbehalt
  • d) Ausstellung eines Konformitätszertifikats
  • d) Ergänzende Regelungen zu bankruptcy discharge und Selbstbehalt
  • e) Befristung der Geltungsdauer des Gesetzes
  • 2. Unmittelbare Korrektur und Modifikation durch 6 Anne c. 22 (1706)
  • a) Einführung der Gläubigerkontrolle über die bankruptcy discharge
  • b) Weitere Regelungen in 6 Anne c. 22 (1706)
  • c) Parallele Befristung zu 4 & 5 Anne c. 4 (1705)
  • 3. Konsolidierung der bankruptcy discharge als Teil des Bankrottverfahrens
  • V. Zusammenfassung zum Ausgangsmodell der bankruptcy discharge
  • VI. Exkurs: Parallele Institutionalisierung der insolvency laws
  • 1. Schuldhaft als primäres Vollstreckungsmittel des common law
  • 2. Kommissionen zur Hilfe mittelloser Schuldhäftlinge
  • 3. Erlass von insolvency laws im 17. Jahrhundert
  • 4. Insolvenzverfahren nach 2 Geo. II. c. 22 (1729)
  • 5. Insolvenzverfahren nach dem Lord’s Act, 32 Geo. II. c. 28 (1759)
  • 6. An Act for the Relief of insolvent Debtors in England, 53 Geo. III. c. 102 (1813)
  • C. Verwertungsmodell der bankruptcy discharge (straight discharge)
  • I. Rezeption englischer Bankrott- und Insolvenzgesetze in Kolonien, Einzelstaaten und US-Verfassung
  • 1. Insolvenzrecht in den Kolonien und Einfluss des Mutterlandes
  • 2. Beispiel New York
  • 3. Beispiel South Carolina
  • 4. US-Verfassung
  • a) Bankruptcy clause
  • b) Contract clause
  • II. US Bankruptcy Act 1800
  • 1. Nationale Bankrottgesetze und politischer Grundlagenstreit
  • 2. Zusammenhang mit Wirtschaftskrisen in den 1790er-Jahren
  • 3. Inhalt des Bankruptcy Act 1800
  • 4 Aufhebung
  • III. US Bankruptcy Act 1841
  • 1. Gesetzesinitiativen und Diskussion um das freiwillige Bankrottverfahren bis 1827
  • 2. Dekade von 1827 bis 1837
  • a) Einsetzen wirtschaftlicher Erholung
  • b) Abschaffung der Schuldhaft verbesserte die Situation der Schuldner
  • c) Herstellung von Rechtssicherheit für Insolvenzgesetze der Einzelstaaten durch den Supreme Court (Ogden v. Saunders)
  • 3. Wirtschaftskrise von 1837 und Gesetzesinitiative von 1840
  • 4. Wiederaufnahme der Gesetzesinitiative 1841
  • 5. Inhalt des Bankruptcy Act 1841 – straight discharge
  • 6. Verfassungsmäßigkeit der straight discharge
  • 7. Aufhebung
  • IV. US Bankruptcy Act 1867
  • 1. Vorgeschichte zum Bankrottgesetz von 1867
  • 2. Inhalt des Bankruptcy Act 1867
  • 3. Aufhebung
  • V. US Bankruptcy Act 1898
  • 1. Vorgeschichte zum Bankrottgesetz von 1898
  • 2. Inhalt des Bankruptcy Act 1898
  • 3. Gründe für Beständigkeit des Gesetzes
  • 4. Übergang ins Verbraucherinsolvenzrecht
  • D. Tilgungsplanmodell der bankruptcy discharge
  • I. Die englische administration order von 1883
  • II. Das US-amerikanische Tilgungsplanverfahren
  • 1. Lohnempfänger im bankruptcy law und Hastings-Mitchener bill 1932
  • 2. Stundungszwangsvergleich für Lohnempfänger
  • 3. Das Chapter-XIII-Verfahren des Chandler Act von 1938
  • E. Zusammenfassung
  • Quellenverzeichnis historischer englischer und US-amerikanischer Gesetzestexte
  • Literaturverzeichnis

←14 | 15→

A. Einleitung

Die Europäische Union ist seit Langem bestrebt, die insolvenzrechtlichen Regelungen der Mitgliedsstaaten auf Ebene des internationalen Insolvenzrechts zu koordinieren und auf nationaler Ebene zu vereinheitlichen. Die Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen1 verpflichtete die Mitgliedsstaaten erstmals neben der Vereinheitlichung von insolvenzrechtlichen Regelungen für Personen- und Kapitalgesellschaften auch zu einer umfangreichen Vereinheitlichung von Regelungen zur Entschuldung natürlicher Personen. Die Mitgliedsstaaten sollten sicherstellen, „dass redliche insolvente oder überschuldete Unternehmer nach einer angemessenen Frist in den Genuss einer vollen Entschuldung kommen und dadurch eine zweite Chance erhalten können, und dass die Wirksamkeit von (…) Entschuldungsverfahren (…) erhöht wird.“2 Obwohl die Richtlinie keine verbindlichen Vorschriften über die Entschuldung von Verbrauchern enthielt,3 empfahl sie den Mitgliedsstaaten ausdrücklich, „so früh wie möglich die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Entschuldung auch auf Verbraucher anzuwenden.“4 Die anzustrebende „volle Entschuldung“ definierte die Restrukturierungsrichtlinie als Ausschluss der Vollstreckung oder Erlass von Schulden „als Teil eines Verfahrens, das eine Verwertung von Vermögenswerten oder einen Tilgungsplan oder beides umfassen könnte“.5

Diese Art der Restschuldbefreiung für natürliche Personen ist auf dem Kontinent vergleichsweise jung. Wesentlich weiter zurück geht ihre Geschichte im angloamerikanischen Rechtskreis in Form der bankruptcy discharge.6 Ihren ←15 | 16→historischen Ursprung hat diese Rechtsfigur in einem 1706 erlassenen englischen Bankrottgesetz, dem Act to prevent Frauds frequently commited by Bankrupts, 4 & 5 Anne c. 4 (1705).7 Ausgehend von diesem Gesetz entwickelte sich zunächst das Ausgangsmodell der englischen bankruptcy discharge. Burgin führte mit Blick auf die englische bankruptcy discharge in seinem 1923 als Aufsatz für die englische Grotius Society8 veröffentlichten Vortrag Folgendes aus:9

„The idea that bankruptcy should be utilised to overcome the results of some financial misfortunes, and that it should be possible for an individual, after compliance with the bankruptcy laws, to obtain a discharge, is English in origin and essentially English in its main characteristics.“

Aus dem englischen Ausgangsmodell der bankruptcy discharge gingen im 19. und 20. Jahrhundert wiederum die zwei dogmatischen Grundmodelle zur Restschuldbefreiung natürlicher Personen hervor, die sich auch in der oben zitierten Definition der Restrukturierungslinie zur „vollen Entschuldung“ wiederfinden. Hierzu gehört erstens das im 19. Jahrhundert im US-amerikanischen bankruptcy law entstandene Verwertungs- oder Liquidationsmodell. Der ←16 | 17→Insolvenzschuldner wird dabei nach der insolvenzrechtlichen Verwertung seiner zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Vermögenswerte auch von den dadurch nicht gedeckten Restschulden befreit. Weil die Restschuldbefreiung direkt nach der einmaligen Vermögensliquidation erfolgt, wird dieses Modell in der angloamerikanischen Terminologie auch als straight discharge bezeichnet. Aufgrund seiner Regelung im siebten Kapitel des United States Bankruptcy Code wird es zudem als chapter 7 bankruptcy discharge bezeichnet.10

Nach dem englischen Ausgangsmodell und der US-amerikanischen straight discharge entwickelte sich zweitens das Tilgungsplanmodell. Dieses wurde im englischen Recht erstmals 1883 in Form der administration order geregelt und im US-amerikanischen Recht in den 1930er-Jahren in Anlehnung an das englische Vorbild übernommen. Das Tilgungsplanmodell knüpft die Restschuldbefreiung an regelmäßige Zahlungen zugunsten der Gläubiger aus dem laufenden Einkommen des Insolvenzschuldners über einen bestimmten Zeitraum. Aufgrund der Regelung im dreizehnten Kapitel des United States Bankruptcy Code wird dieses Modell auch als chapter 13 bankruptcy discharge bezeichnet.11

Sullivan/Warren/Westbrook interpretierten die bankruptcy discharge Ende der 1980er-Jahre bereits als unverzichtbaren Kernbestandteil des US-amerikanischen bankruptcy law und Ausdruck einer US-amerikanischen fresh-start policy im Sinne einer Kultur der Vergebung und des stetigen wirtschaftlichen Neuanfangs für Individuen und Unternehmen:12

„At the heart of all bankruptcy law, for individuals and for businesses, is the discharge of debts and other legal obligations, the ‚fresh start.‘ The notion of beginning anew, of rebirth, lies near the center of our restless, westward-moving culture and is also the central proposition of its dominant religions. (…) [T]he relaxation of strict legal obligations is the indispensable centerpiece of American bankruptcy law.“

Im US-amerikanischen bankruptcy law besteht der aufgezeigte Dualismus von Verwertungsmodell (Chapter-7-Verfahren) und Tilgungsplan (Chapter-13-Verfahren) zur Restschuldbefreiung bis heute fort. Ein Insolvenzschuldner, der eine bankruptcy discharge anstrebt, muss sich grundsätzlich für einen der Wege entscheiden.13

←17 | 18→

Im englischen Recht entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts eine Kombination aus Verwertungs- und Tilgungsplanmodell. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfolgte das englische bankruptcy law ein durch das Ermessen der Bankrottgerichte geprägtes restriktives Bedingungs- und Befristungsmodell, in dem das Vermögen des Schuldners verwertet, eine discharge aber trotzdem erst nach einem zusätzlichen Abzahlungszeitraum und/oder dem Erreichen bestimmter Mindestbefriedigungsquoten gewährt wurde.14 Heute erfolgt die bankruptcy discharge ein Jahr nach der Bankrotterklärung des Schuldners.15 Trotz der Vermögensverwertung im Bankrottverfahren kann ein als „income payment agreement“ (IPA) bezeichneter freiwilliger Tilgungsplan oder ein „income payment order“ (IPO) genannter gerichtlich angeordneter Tilgungsplan das Bankrottverfahren und die discharge um bis zu drei Jahre überdauern.16 Neben der bankruptcy discharge bestehen heute im englischen Verbraucherinsolvenzrecht weitere Möglichkeiten zur Entschuldung, auf die an dieser Stelle nur hingewiesen werden soll.17

Die Übernahme von Regelungen zur Restschuldbefreiung nach angloamerikanischem Vorbild wurde auf dem europäischen Kontinent etwa seit den 1970er-Jahren gefordert.18 Auf nationaler Ebene ist die Schaffung von Verfahren ←18 | 19→zur Restschuldbefreiung nach dem Vorbild der angloamerikanischen bankruptcy discharge etwa seit den 1980er-Jahren zu beobachten.19 Im deutschen Recht wurde eine an die angloamerikanische bankruptcy discharge angelehnte Restschuldbefreiung erstmals mit der 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung ermöglicht.20 In der Regierungsbegründung des Entwurfs der Insolvenzordnung hieß es, das Gesetz schlage im Hinblick auf die Restschuldbefreiung „zwischen dem geltenden Recht der freien Nachforderung und den recht schuldnerfreundlichen angelsächsischen Rechten einen Mittelweg ein.“21 In Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie wurde die in der Insolvenzordnung zuletzt (grundsätzlich) sechs Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens betragende Wohlverhaltens- und Tilgungsperiode auf drei Jahre verkürzt.22

←19 | 20→

Über den europäischen Kontext ist mindestens seit den 2000er-Jahren ein globaler Trend hin zur Restschuldbefreiung angloamerikanischen Vorbilds zu beobachten.23 In der rechtswissenschaftlichen Literatur spiegelt sich dieser Trend in Arbeitstiteln wie „comparative consumer bankruptcy law“ wider.24

Vor diesem Hintergrund stellt sich die rechtshistorische Frage, wie und warum die Entschuldung natürlicher Personen in Form der bankruptcy discharge eine typisch angloamerikanische Rechtsfigur wurde und warum es umgekehrt so lange der typisch kontinentaleuropäische Ansatz war, den (ehemaligen) Insolvenzgläubigern ein freies Nachforderungsrecht gegen den (ehemaligen) Insolvenzschuldner zu gewähren.

Zur Beantwortung dieser Frage liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf der entscheidenden Weichenstellung der Einführung des Ausgangsmodells der bankruptcy discharge (B.). Im Anschluss daran wird die Weiterentwicklung des Ausgangsmodells zum Verwertungsmodell (C.) und schließlich zum Tilgungsplanmodell (D.) nachgezeichnet. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung (E.).

Als rechtshistorische Untersuchung ist die vorliegende Arbeit auf eine zwangsweise subjektive25 Auswahl (rechts-)historischer Quellen angewiesen. Die Stoffmenge aus mehreren Jurisdiktionen des kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechtskreises und einer jeweils mehrere Jahrhunderte umfassenden Entwicklung ist im Detail kaum zu überblicken. Als historische Arbeit ist sie zudem auf ein historisches Kausalitätsverständnis angewiesen, das sich nicht auf exakte Beweisbarkeit, aber auf die Nachvollziehbarkeit und ←20 | 21→Kontrollierbarkeit stützt.26 Die Arbeit versteht sich in diesem Sinne als Ausgangspunkt und Beitrag für den rechtshistorischen Diskurs zu einem differenzierteren Blick auf die Entstehung und Entwicklung der angloamerikanischen Restschuldbefreiung aus kontinentaleuropäischer Perspektive.

←21 | 22→

1 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. L 172 vom 26.2.2019, S. 18.

2 Richtlinie (EU) 2019/1023, Erwägungsgrund 1.

3 Richtlinie (EU) 2019/1023, Art. 1 Abs. 2 lit. h).

4 Richtlinie (EU) 2019/1023, Erwägungsgrund 21.

5 Richtlinie (EU) 2019/1023, Art. 2 Abs. 1 Nr. 10, sowie dazu Erwägungsgründe 75 ff. und Art. 21.

6 Vgl. exemplarisch Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts, S. 440 f.: „Die Gesetzgebung kann bezüglich der Folgen des Konkurses von verschiedenen Vorstellungen ausgehen; sie kann annehmen, dass der Kridar von seinen Schulden frei wird, dass er frei wird, auch sofern die Schulden nicht bezahlt werden: der Konkurs löst gleichsam den seitherigen Stamm von der Wurzel aus und bewirkt, dass der Schuldner ein neues wirtschaftliches Leben beginnen muss. Dies ist die Vorstellung des englischen Rechts und der Rechte die ihm folgen.“ Sowie S. 58: „Dem englischen und nordamerikanischen Recht eigentümlich ist die discharge, d.h. die Befreiung des Schuldners von den im Konkurse nicht gedeckten Schulden (auch außerhalb des Zwangsvergleiches), welche übrigens nicht immer stattfindet und, auch wo sie stattfindet, mit gewissen Vorbehalten erfolgt.“

7 Das Gesetz erhielt nach dem heute gebräuchlichen gregorianischen Kalender am 19. März 1706 den royal assent, siehe Journals of the House of Lords, Bd. 18 (19. März 1706), S. 162. Nach dem in England bis 1752 gebräuchlichen julianischen Kalender und einem Jahreswechsel vom 24. auf den 25. März entspricht dies dem Jahr 1705, vgl. zur Einführung des gregorianischen Kalenders 24 Geo. II. c. 23 (1751). Bei der genealogischen Zitierweise ist zudem zu beachten, dass alle in einer Legislaturperiode des Parlaments zustande gekommenen Gesetze nach dem Kalenderjahr datiert wurden, in welchem die Legislaturperiode begann. Zu den Einzelheiten der Datierung und genealogischen Zitierweise englischer Parlamentsgesetze siehe Kadens, Duke L.J. 59 (2010), 1229, 1236 f. m. w. N. Häufig findet man auch die Zitierweise 4 Anne c. 17 (1705), zu diesem Unterschied in der Kapitelnummer siehe The Statutes of the Realm, Bd. 8, S. 461, Fn. 2; sowie Duncan, Comm. L.J. 100 (1995), 191, 198, Fn. 49.

8 Die Grotius Society ist eine Vorgängerorganisation des heutigen British Institute of International and Comparative Law.

9 Burgin, Transactions of the Grotius Society 9 (1923), 71, 73.

10 11 U.S.C. §§ 701 ff., insbesondere § 727.

Details

Seiten
214
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631891476
ISBN (ePUB)
9783631891483
ISBN (MOBI)
9783631891490
ISBN (Paperback)
9783631891438
DOI
10.3726/b20263
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (April)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 214 S.

Biographische Angaben

Mirco Schmutzler (Autor:in)

Mirco Schmutzler studierte Rechtswissenschaften an der Universität Kiel, der Universität Heidelberg (Dr. iur.) und der Queen Mary University of London (LL.M.). Er absolvierte den juristischen Vorbereitungsdienst in Frankfurt am Main und New York. Seit 2017 ist er als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main tätig.

Zurück

Titel: Die Restschuldbefreiung des angloamerikanischen Rechts
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
216 Seiten