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Der Strukturwandel zur Liebhaberei

Eine einkommensteuer- und verfassungsrechtliche Untersuchung

von Daniel Vogt (Autor:in)
©2023 Dissertation 246 Seiten

Zusammenfassung

Kann es einen Betrieb ohne Gewinnerzielungsabsicht geben? Dieser Frage widmet sich der Autor dieser Arbeit. Im ersten Teil der Arbeit wird die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu sog. schlafenden Betrieben nachgezeichnet. Der Autor untersucht das Verhältnis von Gewinnerzielungsabsicht, steuerlichem Betriebsbegriff sowie Betriebsvermögen und stellt der Rechtsprechung eine eigene Lösung gegenüber, wonach Betriebe ohne Gewinnerzielungsabsicht nicht denkbar sind. Diese Auffassung sichert der Autor anschließend verfassungsrechtlich ab.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • I. Gegenstand der Untersuchung
  • II. Methodik und Vorgehensweise
  • Kapitel 1 Grundlagen der steuerlichen Liebhaberei und des Strukturwandels
  • § 1 Liebhaberei als Negativabgrenzung zur Gewinnerzielungsabsicht
  • I. Historische Entwicklung
  • II. Sinn und Zweck der Liebhaberei
  • III. Zweigliedriger Liebhabereibegriff
  • 1. Negative Totalgewinnprognose
  • 2. Private Motive
  • a. Zweigliedriger Liebhabereibegriff
  • b. Objektivierter Liebhabereibegriff
  • c. Stellungnahme
  • IV. Sonderfall: Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen und Liebhaberei
  • V. Beweisproblematik bei der Liebhaberei
  • 1. Amtsermittlungs- und Untersuchungsgrundsatz
  • 2. Feststellungslast
  • 3. Indizienbeweis
  • 4. Anscheinsbeweis
  • 5. Beweismaßreduzierung
  • VI. Rechtsfolgen einer Liebhaberei
  • VII. Strukturwandel als Terminus technicus
  • VIII. Zusammenfassung von § 1
  • § 2 Betriebsaufgabe und -unterbrechung
  • I. Verhältnis von Betriebsaufgabe und -unterbrechung
  • II. Historische Entwicklung
  • 1. Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs
  • 2. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
  • a. „Ruhender“ Betrieb
  • b. Kritik am „ruhenden“ Betrieb
  • c. Verpächterwahlrecht
  • III. Voraussetzungen einer Betriebsunterbrechung
  • 1. Fortbestand des wirtschaftlichen Betriebs als Ausgangspunkt
  • 2. Objektive Fortführungsmöglichkeit
  • a. Funktionale Betrachtung
  • b. Funktionale Betrachtung und Liebhaberei
  • 3. Subjektive Wiederaufnahmeabsicht
  • a. Innerhalb eines „überschaubaren“ Zeitraums
  • b. Wahrscheinlichkeit der Wiederaufnahme
  • c. Wiederaufnahmeabsicht und Liebhaberei
  • IV. Dogmatische Grundlage der Betriebsunterbrechung
  • 1. Gewohnheitsrecht
  • 2. Teleologische Auslegung des § 16 Abs. 3 EStG
  • a. Teleologische Reduktion
  • b. Tatsächliches Wahlrecht
  • 3. Kodifizierung durch § 16 Abs. 3b EStG
  • a. „Schleichende“ Betriebsaufgaben
  • b. Fortführungsfiktion des § 16 Abs. 3b EStG
  • c. (Begrenzter) Anwendungsbereich der Fortführungsfiktion von § 16 Abs. 3b EStG
  • 4. Kodifizierung durch § 14 Abs. 2 EStG
  • a. Verhältnis von Betriebsverkleinerung und -aufgabe
  • b. Bundesfinanzhof – Urteil vom 17. Mai 2018
  • c. (Begrenzter) Anwendungsbereich der Fortführungsfiktion von § 14 Abs. 2 EStG
  • d. § 14 Abs. 2 EStG und Strukturwandel
  • V. Zusammenfassung von § 2
  • § 3 Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Strukturwandel
  • I. Bundesfinanzhof – Beschluss vom 6. Juli 1978
  • II. Bundesfinanzhof – Urteil vom 29. Oktober 1981
  • III. Zwischenzeitliche Reaktion des Verordnungsgebers
  • IV. Bundesfinanzhof – Urteil vom 11. Mai 2016
  • V. Kritik an der Rechtsprechung
  • 1. Verfehlte Anknüpfung an die Betriebsverpachtung
  • a. Rechtsprechung zum Verpächterwahlrecht
  • b. Kritik am Verpächterwahlrecht
  • c. Keine Übertragung des Verpächterwahlrechts auf den Strukturwandel
  • 2. Unterlassene Anknüpfung an die beendete Betriebsaufspaltung
  • a. Rechtsprechung zur beendeten Betriebsaufspaltung
  • b. Vergleich von beendeter Betriebsaufspaltung und Strukturwandel
  • 3. Abschlussbesteuerung beim „Liebhabereibetrieb“
  • a. Gleichsetzung von Gewerbe- und „Liebhabereibetrieb“ durch die Rechtsprechung
  • b. Bestimmung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG
  • VI. Zusammenfassung von § 3
  • Kapitel 2 Entwicklung einer eigenen Auffassung – Totalentnahme als Folge des Strukturwandels
  • § 4 Verhältnis von Strukturwandel und steuerrechtlichem Betrieb(svermögen)
  • I. Verhältnis von Strukturwandel und Betrieb
  • 1. Gewinnerzielungsabsicht und Betrieb
  • 2. „Enger“ Betriebsbegriff
  • 3. Strukturwandel und Betrieb
  • II. Einfluss des Strukturwandels auf das Betriebsvermögen
  • 1. Definition des Betriebsvermögens
  • 2. Widmung als Betriebsvermögen
  • 3. Entwidmung des Betriebsvermögens beim Strukturwandel
  • a. „Betriebsvermögen ohne Betrieb“
  • b. Stellungnahme
  • c. Verhältnis von Entwidmung und Entnahme
  • d. Entwidmung des Betriebsvermögens beim Strukturwandel
  • III. „Ewiges“ Betriebsvermögen
  • 1. Objektive Anknüpfung der Betriebsvermögenseigenschaft
  • 2. Unentgeltliche Übertragung gemäß § 6 Abs. 3 EStG
  • IV. Zusammenfassung von § 4
  • § 5 Totalentnahme beim Strukturwandel
  • I. Verhältnis von Betriebsaufgabe und Entnahme
  • 1. Historische Entwicklung
  • 2. Konstitutive Wirkung der Betriebsaufgabe
  • 3. Deklaratorische Wirkung der Betriebsaufgabe
  • 4. Stellungnahme
  • II. Entnahmehandlung
  • 1. Nutzungsänderung als Entnahmehandlung
  • 2. Nutzungsänderung beim Strukturwandel
  • a. Veranlassungsprinzip
  • b. Meinungsstand zur Nutzungsänderung beim Strukturwandel
  • c. Stellungnahme
  • III. Kein substituierender Rechtsvorgang
  • IV. Entnahmewille
  • V. Betriebsaufgabe und Strukturwandel
  • 1. Beendigung des wirtschaftlichen Organismus
  • 2. Begünstigungsfunktion der Betriebsaufgabe
  • VI. Bewertung der Entnahme
  • 1. Keine Buchwertfortführung
  • 2. Gemeiner Wert gemäß § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG
  • VII. Zusammenfassung von § 5
  • § 6 Keine teleologische Reduktion im Falle des Strukturwandels
  • I. Qualifikation der h.M. zum Strukturwandel als teleologische Reduktion
  • 1. Rechtsprechung zur Betriebsunterbrechung
  • 2. Teil-Kodifizierung durch § 16 Abs. 3b EStG
  • II. Voraussetzungen und Rechtsfolge einer teleologischen Reduktion
  • III. Keine verdeckte Regelungslücke beim Strukturwandel
  • 1. Telos der Entnahme
  • a. Neutralisierungsfunktion
  • b. Ersatzrealisationstatbestand
  • c. Telos von Entnahme und Strukturwandel
  • 2. Kein reines Realisationsprinzip
  • a. Fehlender Liquiditätszufluss
  • b. Ersatzrealisation auch ohne Liquiditätszufluss
  • 3. Keine teleologische Reduktion aus Beweisgründen
  • IV. Zusammenfassung von § 6
  • Kapitel 3 Verfassungsrechtliche Aspekte des Strukturwandels
  • § 7 Eigentumsgarantie
  • I. Bundesverfassungsgericht zum Verhältnis der Eigentumsgarantie und Steuern
  • 1. Eigentumsschutz vor konfiskatorischen Steuern
  • 2. Halbteilungsgrundsatz
  • 3. Aufgabe des Halbteilungsgrundsatzes
  • 4. Unterschiede zwischen dem Ersten und Zweiten Senat
  • II. Meinungsbild in der Literatur
  • 1. Kein genereller Schutz des Vermögens vor Eingriffen
  • 2. Sozialstaatliche Notwendigkeit von Steuern
  • 3. Eigentumsgarantie und Ausgabenkontrolle des Parlaments
  • 4. Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich
  • III. Stellungnahme
  • IV. Verhältnismäßigkeit der Totalentnahme beim Strukturwandel
  • 1. Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips in Bezug auf die Eigentumsgarantie
  • 2. Legitimer Zweck
  • 3. Geeignetheit
  • 4. Erforderlichkeit
  • 5. Angemessenheit
  • a. Grundsatz: Prinzip eigentumsschonender Besteuerung
  • b. Keine Ausweichmöglichkeiten im Falle des Strukturwandels
  • c. Ausnahme: Vorrang einer gleichheitsgerechten Besteuerung
  • d. Angemessene Bewertung
  • 6. Billigkeitsentscheidung als Angemessenheitskorrektiv im Einzelfall
  • a. §§ 163, 227 AO als Einfallstore für die Gerechtigkeit im Einzelfall
  • b. Rechtsnatur der „Unbilligkeit“
  • c. Sachliche Unbilligkeit
  • d. Persönliche Unbilligkeit
  • V. Zusammenfassung von § 7
  • § 8 Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit
  • I. Allgemeiner Gleichheitssatz und Steuerrecht
  • II. Leistungsfähigkeitsprinzip
  • III. Eingeschränkte Nützlichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips
  • IV. Zusammenfassung von § 8
  • § 9 Folgerichtigkeitsprinzip
  • I. Aussagegehalt der Folgerichtigkeitsprüfung
  • 1. Rechtliches System statt vorgefundener Wirklichkeit als Maßstab
  • 2. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
  • 3. Meinungsbild in der Literatur
  • 4. Stellungnahme
  • II. Folgerichtigkeit einer Entnahme im Falle des Strukturwandels
  • 1. Belastungsentscheidung des Einkommensteuergesetzes
  • a. Objektives und subjektives Nettoprinzip
  • b. Reinvermögenszugangs- vs. Quellentheorie
  • c. Einkünftedualismus
  • d. Markteinkommensprinzip
  • e. Universalitäts-, Individualsteuer- und Totalitätsprinzip
  • 2. Realisationsprinzip
  • a. Handelsrechtliches Realisationsprinzip
  • b. Steuerrechtliches Realisationsprinzip
  • 3. Folgerichtigkeit der Entnahme …
  • a. … dem Grunde nach
  • b. … der Höhe nach
  • III. Zusammenfassung von § 9
  • § 10 Ungleichbehandlung von Gewinn- und Überschusseinkünften
  • I. Der Dualismus der Einkunftsarten
  • II. Verfassungsmäßigkeit des Dualismus der Einkunftsarten
  • 1. Meinungsbild der Rechtsprechung
  • 2. Meinungsbild in der Literatur und Stellungnahme
  • III. Unterschiedliche Behandlung von Wertsteigerungen im Vermögen
  • IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
  • 1. Prüfungsmaßstab
  • 2. Angemessenheit der Ungleichbehandlung
  • V. Zusammenfassung von § 10
  • Schlussbetrachtung
  • Kapitel 1
  • Kapitel 2
  • Kapitel 3
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

Bezüglich der verwendeten Abkürzungen wird auf H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Auflage 2021, verwiesen.

Gesetze, die heute nicht mehr in Kraft sind, werden mit dem Jahr des Gesetzerlasses versehen (z.B. Reichseinkommensteuergesetz = EStG 1925).

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Einleitung

I. Gegenstand der Untersuchung

Die Notwendigkeit einer Gewinnerzielungsabsicht als Tatbestandsmerkmal des Einkunftstatbestands stellt ein für alle Gewinneinkunftsarten geltendes Grundprinzip des deutschen Einkommensteuerrechts dar.1 Für den Gewerbebetrieb ergibt sich dies unmittelbar aus § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG und für die übrigen Gewinneinkunftsarten aus ihrer Negativabgrenzung zum Gewerbebetrieb.2 Fehlt bereits bei der Tätigkeitsaufnahme die Gewinnerzielungsabsicht, führt dies nach allgemeiner Ansicht dazu, dass die mit der Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Einnahmen und Ausgaben keinerlei steuerliche Relevanz aufweisen. Sie sind insgesamt dem Bereich der privaten Lebensführung, der sog. Liebhaberei, zuzuordnen.3 Die Liebhaberei führt nicht nur zu einem Abzugsverbot für einzelne Aufwendungen, sondern betrifft die gesamte Tätigkeit.4 So unbestritten dies im Bereich einer anfänglichen Liebhaberei ist, so umstritten ist zugleich, wie sich der nachträgliche Eintritt einer Liebhaberei auf den Fortbestand eines Betriebs auswirkt. Hierfür eine schlüssige rechtliche Lösung zu finden, ist Erkenntnisinteresse dieser Arbeit.

Steuerpflichtige können aus unterschiedlichen Gründen mit der Zeit ihre Gewinnerzielungsabsicht verlieren. Ein solcher Verlust der Gewinnerzielungsabsicht wird in dieser Arbeit als Strukturwandel bezeichnet (siehe dazu eingehend unter § 1 VII.).5 Ein Strukturwandel setzt eine Tätigkeit voraus, die zunächst mit Gewinnerzielungsabsicht, später aber aus rein privaten Gründen betrieben wird. Unbestritten steuerlich unbeachtlich sind fortan die laufenden Einkünfte und Aufwendungen, die mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang ←19 | 20→stehen.6 Umstritten sind hingegen die Auswirkungen des Strukturwandels auf den Fortbestand des Betriebs und des darin gebundenen Betriebsvermögens. Durch die drohende Aufdeckung stiller Reserven hat diese Rechtsfrage erhebliche praktische Bedeutung. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Liebhaberei regelmäßig im Fokus der Finanzverwaltung steht.7 Denn vertritt man, wie ein Teil der Literatur, die Ansicht der Strukturwandel löse eine Totalentnahme aus, sind die stillen Reserven im Betriebsvermögen aufzudecken.8

Diese Rechtsfolge wird von der Rechtsprechung als unbillig empfunden, da dem Steuerpflichtigen keine Liquidität zuflösse.9 Wenn in dieser Arbeit von Liquidität gesprochen wird, ist darunter inländisches Bargeld (Euro) zu verstehen, da Euro(-Banknoten) einziges unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel sind, § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG. Aufgrund der Möglichkeit Zahlungen an die Finanzbehörden gemäß § 224 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AO auch als Überweisungen entrichten zu können, ist auch auf Euro lautendes Buchgeld Liquidität. Die Rechtsprechung vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Strukturwandel ohne ausdrückliche Aufgabeerklärung keine Totalentnahme auslöse.10 Das Betriebsvermögen sei fortan als „eingefroren“ zu behandeln.11 Teilweise wird von einer (nur) „betriebsaufgabeähnlichen“ Wirkung des Strukturwandels ←20 | 21→gesprochen.12 Dieser Rechtsprechung hat sich der überwiegende Teil der Literatur angeschlossen.13

Nur auf den ersten Blick stellt sich die vorgenannte h.M. als günstig für den Steuerpflichtigen dar, denn bei genauerer Betrachtung wirkt sie sich auch zu seinen Lasten aus. Ein solcher Fall tritt ein, wenn sich der Steuerpflichtige auf einen Strukturwandel in einem festsetzungsverjährten Veranlagungszeitraum beruft, er dort allerdings keine Aufgabeerklärung abgegeben hat. Nach h.M. bleiben die Wirtschaftsgüter ohne Aufgabeerklärung in aller Regel steuerverstrickt. Erst bei einer späteren Veräußerung, Einzelentnahme oder Aufgabeerklärung seien die stillen Reserven aufzulösen.14

In Verbindung mit dem § 6 Abs. 3 EStG wirft die Vorgehensweise der h.M. die Frage auf, ob eine Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist oder ob nicht vielmehr „ewiges“ Betriebsvermögen gebildet wird, da die vorgenannte Norm eine Buchwertfortführung bei unentgeltlicher Übertragung eines Betriebs ermöglicht. Vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips erscheint eine solche Konsequenz jedenfalls bedenklich.

In Literatur und Rechtsprechung wird die Auflösung des Betriebsvermögens im Falle des Strukturwandels sowohl unter die Entnahme- als auch unter die Aufgabevorschrift subsumiert. Die Begriffsverwendung ist uneinheitlich, was dem geschuldet ist, dass die Betriebsaufgabe ganz überwiegend als Totalentnahme angesehen wird. Soweit in dieser Arbeit nicht explizit darauf hingewiesen ←21 | 22→wird, werden auch hier Totalentnahme und Betriebsaufgabe synonym verwendet (siehe dazu unter § 5 I.).

Das Erkenntnisinteresse, das am Ende dieser Arbeit befriedigt werden soll, besteht darin, nachzuweisen, dass der Strukturwandel zu einem Ende des betroffenen Betriebs führt und damit eine Überführung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen verbunden ist, welche als (Total-)Entnahme zu qualifizieren ist. Diese Arbeit soll die Widersprüche in der Rechtsprechung aufzeigen und ebenso die zugrunde liegenden verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen herausarbeiten. Am Ende dieser Arbeit soll eine Lösung des Problems stehen, die der Gesetzessystematik ausreichend Rechnung trägt.

II. Methodik und Vorgehensweise

Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Auslegung des einfachen Rechts. Es handelt sich um eine rechts- und verfassungsdogmatische Arbeit. Gefolgt wird hier der objektiv-teleologischen Auslegungsmethode, welche auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers abstellt.15

Den Einstieg in diese Arbeit bildet in Kapitel 1 eine Darstellung der steuerrechtlichen „Liebhaberei“ (§ 1). Nachdem dieser zentrale Begriff und die Methodik seiner Feststellung erläutert wurden, wird das Rechtsinstitut der Betriebsunterbrechung in Abgrenzung zur Betriebsaufgabe in den Blick genommen (§ 2). Die Betriebsunterbrechung ist für das richtige Verständnis der Rechtsprechung zum Strukturwandel von großer Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird auf die relativ jungen Normen des § 16 Abs. 3b EStG und § 14 Abs. 2 EStG und ihre Bedeutung für den Strukturwandel eingegangen. Im Anschluss wird die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Strukturwandel dargestellt (§ 3). Es werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Betriebsverpachtung und Betriebsaufspaltung aufgezeigt.

In Kapitel 2 wird eine eigene Lösung zum Strukturwandel entwickelt. Ausgangspunkt ist der einkommensteuerliche Betriebsbegriff und sein Verhältnis zur Gewinnerzielungsabsicht (§ 4). Im Anschluss wird die Brücke vom Betrieb zum Betriebsvermögen geschlagen. In diesem Zusammenhang wird mit Blick auf die Rechtsprechung die Gefahr „ewigen“ Betriebsvermögens untersucht. ←22 | 23→Sodann wird dargelegt, warum der Strukturwandel zu einer Totalentnahme der betroffenen Wirtschaftsgüter führt (§ 5). Dafür wird zunächst eine Abgrenzung von Entnahme- und Betriebsaufgabevorschrift vorgenommen. Das Vorliegen einer Entnahmehandlung beim Strukturwandel wird anschließend nachgewiesen. Als anwendbare Bewertungsvorschrift für die stillen Reserven wird § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG identifiziert. Eine teleologische Reduktion der Entnahmevorschrift wird anschließend mangels verdeckter Regelungslücke verworfen (§ 6).

In Kapitel 3 widmet sich die Arbeit schließlich den verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Strukturwandel. Mit Blick auf die Eigentumsgarantie wird aufgezeigt, dass die Totalentnahme das Gebot der eigentumsschonenden Besteuerung nicht verletzt (§ 8). Maßgeblich anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes wird dargelegt, dass die Entnahme im Fall des Strukturwandels eine folgerichtige Umsetzung der Belastungsgrundentscheidung darstellt (§ 8 und § 9). Schließlich wird aufgezeigt, dass diese Rechtsfolge vor dem Hintergrund des Einkünftedualismus angemessen ist (§ 10).

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1 Vgl. nur Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, § 8 Rn. 125 m.w.N.; Krumm, in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Stand: Juli 2018, Kap. 4 Rn. 1. Kritisch Kruse, FS Raupach, 2006, 143, 147 der eine ausreichende Gesetzesgrundlage dafür vermisst.

2 BFH, Urt. v. 11.10.2007, Az. IV R 15/05, BStBl. II 2008, 465, 466; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, § 8 Rn. 125.

3 Musil, in: H/H/R, EStG, Stand: Januar 2019, § 2 Rn. 442; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, § 8 Rn. 133.

4 Musil, in: H/H/R, EStG, Stand: Januar 2019, § 2 Rn. 442.

5 BFH, Urt. v. 05.04.2017, Az. X R 6/15, BStBl. II 2017, 1130, 1132; Urt. v. 11.05.2016, Az. X R 61/14, BStBl. II 2016, 939, 942.

6 St. Rspr. vgl. nur BFH, Urt. v. 05.04.2017, Az. X R 6/15, BStBl. II 2017, 1130, 1132 m.w.N.

7 Im Jahr 2020 hat die OFD NRW die Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht (Liebhaberei) bei den § 15 und § 18 EStG zu einem Prüffeld erklärt.

8 Seer, in: Kirchhof, EStG, 20. Aufl. 2021, § 16 Rn. 186; Sieker, in: Lademann, EStG, Stand: Juni 2020, § 16 Rn. 533; Hiller, in: Lademann, EStG, Stand: April 2003, § 13 Rn. 134a; so noch Reiß, in: Kirchhof, EStG, 16. Aufl. 2017, § 16 Rn. 205a.; Job, Die steuerrechtliche Liebhaberei, Univ.-Diss. 1977, 96 f.; Kruse, StuW 1980, 226, 227; Lang, DStJG 1981, 45, 70 (Fn. 91); Felsmann, Inf 1982, 517, 519; Trzaskalik, DB 1983, 194, 195; M. Wendt, FR 1998, 264, 275; Paus, DStZ 2017, 377 ff.; im Grundsatz auch schon Friauf, StbJb. 1975/76, 369, 376; nicht eindeutig, aber in diese Richtung Felsmann, Einkommenbesteuerung der Land- und Forstwirte, 1963, 46 f. (Rn. A 12). Offengelassen Rapp, in: Littmann/Bitz/Putz, EStG, Stand: Mai 2012, § 16 Rn. 84.

9 Seer, in: Kirchhof, EStG, 20. Aufl. 2021, § 16 Rn. 186 („Billigkeitscharakter“).

10 St. Rspr. seit BFH, Urt. v. 29.10.1981, Az. IV R 138/78, BStBl. II 1982, 381, 384; zuletzt Urt. v. 11.05.2016, Az. X R 15/15, BStBl. II 2017, 112, 114; Urt. v. 11.05.2016, Az. X R 61/14, BStBl. II 2016, 939, 942. Für die einzelnen Einkunftsarten u.a. BFH, Urt. v. 13.02.1997, Az. IV R 57/96, BFH/NV 1997, 649 (LuF); Urt. v. 13.03.1992, Az. IV R 29/91, BStBl. II 1993, 36, 39 (selbst. Arbeit); Urt. v. 15.05.2002, Az. X R 3/99, BStBl. II 2002, 809, 810 (Gewerbebetrieb).

11 BFH, Urt. v. 05.04.2017, Az. X R 6/15, BStBl. II 2017, 1130, 1132 m.w.N.

12 BFH, Urt. v. 15.05.2002, Az. X R 3/99, BStBl. II 2002, 809, 810; FG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2014, Az. 11 K 1509/14 E, DStRE 2016, 13, 14. Anders ausdrücklich BFH, Urt. v. 11.05.2016, Az. X R 15/15, BStBl. II 2017, 112, 114, dann jedoch wieder abweichend BFH, Urt. v. 11.10.2017, X R 2/16, DStRE 2018, 331, 334.

13 Wacker, in: Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 16 Rn. 156; Graw, in: K/S/M, EStG, Stand: Dezember 2017, § 16 Rn. F 29; Schallmoser, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Stand: August 2021, § 16 EStG Rn. 477; Krumm, in: K/S/M, EStG, Stand: Januar 2017, § 13 Rn. B 103; Kulosa, in: H/H/R, EStG, Stand: Januar 2019, § 16 Rn. 523; Kaminski, Gedächtnisschrift Joecks, 2018, 711 ff.; Urban, Einkünfteerzielungsabsicht, Univ.-Diss. 2010, 198; T. Habl, Einkünfteerzielungsabsicht versus Liebhaberei im Einkommensteuerrecht, Univ.-Diss. 2006, 180 ff.; so bereits früher Felix, Steuerberaterkongreß-Report 1980, 129, 153; Albrod, DStR 1978, 545, 547 f. Mit abweichender Begründung, aber i.E. zustimmend Dötsch, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Univ.-Diss. 1986, 98 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteurrecht, 9. Aufl. 1993, 281 ff.

14 Vgl. nur BFH, Urt. v. 11.05.2016, Az. X R 15/15, BStBl. II 2017, 112, 114 ff., 116.

Details

Seiten
246
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631900765
ISBN (ePUB)
9783631900772
ISBN (Paperback)
9783631897935
DOI
10.3726/b20765
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (März)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 246 S.

Biographische Angaben

Daniel Vogt (Autor:in)

Daniel Vogt studierte Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Während seiner Promotion war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Rechtsanwalt in verschiedenen internationalen Wirtschaftskanzleien. Er ist Notarassessor in der Rheinischen Notarkammer.

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