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Phraseologische Modifikationen in deutschen und polnischen Pressetexten

Eine kontrastive Untersuchung

von Kamila Kosturek-Dybaś (Autor:in)
©2022 Monographie 370 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch ist ein Beitrag zur linguistischen Untersuchung der phraseologischen Modifikationen in der Pressesprache, die als bewusste und situationsspezifisch vorgenommene Abwandlungen von Phraseologismen verstanden werden. Das Hauptziel der Studie ist die Arten und Funktionen von phraseologischen Modifikationen und ihre Gebrauchshäufigkeit aufgrund des erstellten Korpus kontrastiv zu behandeln. Das Korpus bilden Modifikationen aus den Zeitschriften „der Spiegel“ und „Polityka“, die hinsichtlich ihrem parallelen Profil gewählt wurden. Die Studie stellt nicht nur eine breite Palette der von den Modifikationen erzeugten Einwirkungsmöglichkeiten in den Pressetexten dar, sondern auch verweist auf bestimmte sprachliche und kulturelle Tendenzen in den beiden untersuchten Sprachkulturen..

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitende Bemerkungen
  • Zum Aufbau
  • Zum Untersuchungskorpus und Auswertungsverfahren
  • Zu den Zeitschriften Polityka und Der Spiegel
  • 1. Zum Gegenstand der germanistischen Phraseologieforschung
  • 1.1. Zur Forschungsgeschichte
  • 1.2. Zum Problem der Definition von Phraseologismen
  • 1.3. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands
  • 1.4. Die phraseologischen Merkmale
  • 1.4.1. Polylexikalität
  • 1.4.2. Festigkeit
  • 1.4.3. Idiomatizität
  • 1.4.4. Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit
  • 1.4.5. Bildhaftigkeit vs. Bildlichkeit
  • 1.5. Hauptprobleme bei der semantischen Betrachtung von Phraseologismen
  • 1.5.1. Die „freie Bedeutung“ der Komponenten
  • 1.5.2. Die Lesarten des Phraseologismus
  • 1.5.3. Motiviertheit
  • 1.5.4. Vagheit
  • 1.6. Zur Klassifikation der Phraseologismen
  • 1.6.1. Morphologisch-syntaktische Klassifikation nach Fleischer
  • 1.6.2. Basisklassifikation nach Burger
  • 1.6.3. Spezielle Klassen
  • 2. Phraseologische Modifikation als okkasioneller Gebrauch der Phraseologismen
  • 2.1. Allgemeines
  • 2.2. Variation und phraseologischer Fehler vs. Modifikation
  • 2.2.1. Variation
  • 2.2.2. Phraseologischer Fehler
  • 2.3. Modifikation
  • 3. Strukturelle und semantische Besonderheiten phraseologischer Modifikationen
  • 3.1. Zur Typologie phraseologischer Modifikationen
  • 3.2. Modifikationsarten
  • 3.2.1. Wendungsinterne Modifikationstypen
  • 3.2.1.1. Substitution
  • 3.2.1.1.1. Austausch eines Buchstabens/Morphems
  • 3.2.1.1.2. Austausch einer Konstituente
  • 3.2.1.1.3. Austausch mehrerer Konstituenten
  • 3.2.1.2. Expansion/Erweiterung
  • 3.2.1.2.1. Expansion durch ein Morphem
  • 3.2.1.2.2. Expansion durch ein Lexem im Rahmen der Wortbildung
  • 3.2.1.2.3. Expansion durch ein Adjektivattribut
  • 3.2.1.2.4. Expansion durch ein Adverb
  • 3.2.1.2.5. Expansion durch eine Partikel
  • 3.2.1.2.6. Expansion durch eine Präpositionalphrase
  • 3.2.1.2.7. Expansion durch ein Genitivattribut
  • 3.2.1.2.8. Expansion durch einen Relativsatz
  • 3.2.1.2.9. Expansion durch einen Schaltsatz
  • 3.2.1.2.10. Expansion um eine Vergleichsphrase
  • 3.2.1.2.11. Expansion durch eine syntagmatische/syntaktische Einheit in Voranstellung/Nachstellung eines Phraseologismus
  • 3.2.1.2.12. Doppelte Expansion der wendungsinternen Konstituenten
  • 3.2.1.3. Reduktion/Verkürzung
  • 3.2.1.4. Kontamination
  • 3.2.1.5. Koordinierung
  • 3.2.1.6. Grammatische Modifikationen
  • 3.2.1.6.1. Morphologische Modifikationen
  • 3.2.1.6.2. Syntaktische Modifikationen
  • a) Absonderung einer Konstituente
  • b) Partizipbildung auf der Basis der verbalen Konstituente
  • c) Substantivierung/Nominalisierung der verbalen Konstituente
  • d) Umformung der Wendung/Phraseologischer Okkasionalismus
  • 3.2.2. Wendungsexterne Modifikationstypen
  • 3.2.2.1. Literalisierung und Remotivierung
  • Literalisierung
  • Remotivierung
  • 3.2.2.2. Wörtlichnehmen
  • 3.2.2.3. Polysemantisierung
  • 3.2.2.4. Wiederaufnahme der phraseologischen Konstituente(n) in einem nachgestellten Satz
  • 3.2.2.5. Häufung
  • 3.2.3. Gemischte Modifikationsformen
  • 4. Funktionen von phraseologischen Modifikationen in Pressetexten
  • 4.1. Pragmatische Funktionen
  • 4.1.1. Ironisierung
  • 4.1.2. Humoristische Verwendung
  • 4.1.3. Der Ausdruck der Einstellung des Autors zum Sachverhalt
  • 4.1.4. Kommentierende Funktion
  • 4.1.5. Leseanreiz
  • 4.1.6. Aufmerksamkeitssteuerung
  • 4.1.7. Beeinflussung des Lesers
  • 4.1.8. Steigerung der Bildhaftigkeit
  • 4.1.9. Intensivierung der Bedeutung
  • 4.1.10. Spezifizierung der Bedeutung
  • 4.1.11. Selbstdarstellungsfunktion
  • 4.2. Textkonstituierende und -strukturierende Funktionen
  • 4.2.1. Thematische Strukturierung des Textes
  • 4.2.1.1. Einführung des Textthemas
  • 4.2.1.1.1. Modifikationen in der Überschrift
  • 4.2.1.1.2. Modifikationen im Vorspann
  • 4.2.1.1.3. Modifikationen am Textanfang
  • 4.2.1.2. Einführung des Teilthemas des Textes
  • 4.2.1.2.1. Modifikationen im Zwischentitel
  • 4.2.1.2.2. Modifikationen am Anfang des Absatzes
  • 4.2.1.3. Thematische Entfaltung
  • 4.2.1.4. Präzisierung der Erläuterung/Argumentation
  • 4.2.1.5. Thematische Überleitung
  • 4.2.1.6. Zusammenfassung des Textes bzw. Absatzes
  • 4.2.1.7. Argumentative Textrahmung
  • 4.2.2. Kohärenzbildung im Text
  • 4.3. Stiftung von intertextuellen Relationen
  • Fazit
  • Anhang
  • Verzeichnis der Tabellen
  • Quellenverzeichnis
  • Internetquellen
  • Wörterbücher
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Einleitende Bemerkungen

Im heutigen Sprachgebrauch lebt das Sprichwort vor allem in der Variation! Das bedeutet aber zugleich, dass das ursprüngliche Sprichwort weiterhin im Umlauf ist, denn jeder Variante muss ein allgemein bekanntes Original zugrunde liegen. (Mieder 1978: 217)

Das angeführte Zitat bezieht sich zwar auf Sprichwörter, trotzdem kann es aber auch andere Klassen von Phraseologismen betreffen, die eine Basis für phraseologische Modifikationen (bei Mieder werden sie als Variationen bezeichnet) schaffen und in dieser Form im gegenwärtigen Sprachgebrauch überwiegend präsent sind.

In den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde infolge der sogenannten „pragmatischen Wende“ der Schwerpunkt der Phraseologie von systemorientierten Aspekten wie Beschreibung des Forschungsstands, Bestimmung der phraseologischen Merkmale oder Erstellung einer ausführlichen Klassifikation auf kommunikative und funktionale Aspekte verschoben. Linguisten fangen an, sich mit der Verwendung von Phraseologismen in der parole – der Sprachrealität – zu befassen. Seitdem wird die Stabilität von Phraseologismen als kein obligatorisches Kriterium angesehen – ganz im Gegenteil ermutigt sie dazu, die feste Reihenfolge von Konstituenten zu durchbrechen und auf unbegrenzte sprachspielerische Möglichkeiten zurückzugreifen, welche Modifikationen mit sich bringen.

Die vorliegende Monographie versteht sich als ein Beitrag zur linguistischen Untersuchung der Modifikationen von Phraseologismen in der Pressesprache. Im Mittelpunkt der Studie steht das Phänomen der phraseologischen Modifikationen, die als ein okkasioneller Gebrauch von Phraseologismen verstanden werden. Dabei ist festzuhalten, dass hier von einem weitgefassten Begriff der Phraseologie ausgegangen wird. Neben Idiomen, Teil-Idiomen und festen Wortverbindungen werden auch Sprichwörter, Routineformeln, etablierte Zitate und geflügelte Worte, die sogar im alltäglichen Gebrauch vorkommende Bücher- und Filmtitel1 einschließen, in ihren modifizierten Formen der Analyse unterzogen: mithin alle Wortgruppen, die dem Kriterium der Polylexikalität und ←17 | 18→der Stabilität nachgehen. Als Phraseologismen werden mehrgliedrige Einheiten unterschiedlicher Typen verstanden, die in einer Sprache als feste lexikalische Ganzheiten gespeichert und reproduziert werden und deren Bedeutungen meist über die rein wörtliche Bedeutung ihrer Bestandteile hinausgehen.

Es wird in dieser Untersuchung vorausgesetzt, dass Modifikationen bewusste und situationsspezifisch vorgenommene Abwandlungen von Phraseologismen sind, die keinesfalls als ein Verstoß gegen phraseologische Festigkeit betrachtet werden, sondern als eine Ausnutzung des phraseologischen Potenzials, das jedem Phraseologismus zugrunde liegt.

Die Studie ist deskriptiv-kontrastiver Natur und wird der Forschungsrichtung der pragmatischen Linguistik zugewiesen. Die Etablierung der linguistischen Pragmatik führte zu einem Paradigmenwechsel im Bereich der kontrastiven Linguistik; „nicht mehr der Vergleich der phonetischen, syntaktischen oder grammatischen Phänomene stand im Vordergrund, sondern die kontextbezogene Verwendung der Sprache“. Ins Blickfeld fallen „authentische Sprachsituationen in unterschiedlichen Kommunikationsbereichen, in denen es nicht nur auf grammatische Korrektheit und semantisch-logischen Sinn, sondern auch auf eine angemessene Verhaltensweise ankommt“ (Kątny/Olszewska/Socka 2014: 13). Untersucht werden „[…] sprachliche Phänomene wie einzelne Sprechakte, Gesprächstypen oder Texte und Textsorten, die ins Zentrum kontrastiver Arbeiten gerückt“ sind (Czachur 2011: 26). Einer großen Aufmerksamkeit erfreuen sich die soziokulturellen Phänomene des Sprachgebrauchs; es entstanden Monographien zu Anredeformen (Tomiczek 1983), Begrüßungs- und Abschiedsformeln (Miodek 1994) oder Distanzanreden (Buchenau 1997). Ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der kontrastiven Linguistik im pragmatischen Sinne ist die Etablierung der Textlinguistik, die den kontrastiven Analysen neue Perspektiven eröffnete. Eine große Menge jüngerer kontrastiver Untersuchungen entsteht im Bereich der Text-, Diskurs- sowie z. T. der Medienlinguistik (vgl. dazu Bilut-Homplewicz 2013, Czachur 2011), und unabhängig davon, ob sie auf Wort-, Satz-, Text-, oder Diskursebene unternommen werden, machen sie kulturelle Aspekte sichtbar, indem „ein Vergleich immer ein Kulturvergleich [ist], denn die Sprache ist das Produkt der Kultur und ihr Generator zugleich“ (Czachur 2011: 26). „Dadurch kam es zu einer Verschiebung des Schwerpunkts in den Kontrastivstudien: von einer systembezogenen kontrastiven Grammatik über kontrastive Linguistik bis hin zur interkulturellen Linguistik“ (Czachur 2011: 22).

Die Analyse erfolgt anhand der deutschsprachigen Zeitschrift Der Spiegel und der polnischsprachigen Zeitschrift Polityka und stellt die folgenden Fragen:←18 | 19→

  • mit welcher Frequenz treten Modifikationen in den beiden analysierten Zeitschriften auf, und ist die Häufigkeit des Vorkommens vergleichbar?
  • welche Modifikationsarten erfreuen sich großer Beliebtheit unter den Autoren der untersuchten Texte?
  • mit welchen Intentionen der Autoren werden die phraseologischen Modifikationen vorgenommen, und welche Funktionen können sie im Text erfüllen?
  • auf welche Art und Weise bereichern Modifikationen den Text, in den sie eingebettet sind?
  • können bestimmte kulturelle Besonderheiten sowohl aufgrund der Arten der vorgenommenen Modifikationen als auch ihrer Funktion in den analysierten Sprachkulturen ermittelt werden?

Die Antworten auf diese Fragen werden unter Berücksichtigung der Konvergenzen und Divergenzen erteilt, die sich zwischen den deutsch- und polnischsprachigen Beispielen ergeben. Die Analyse soll jedoch einen synthetischen Charakter bewahren.

Zum Aufbau

Die Monographie gliedert sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel gibt einen Überblick über den Gegenstand der Phraseologieforschung und ihre Forschungsgeschichte. Überdies wird auf das Problem der Definition eines Phraseologismus eingegangen, indem eine breite Palette von Definitionen angeführt und zusammengestellt wird. Danach werden die phraseologischen Merkmale wie Polylexikalität, Festigkeit, Idiomatizität, etc. erläutert. Auf die Hauptprobleme, die sich aus der semantischen Betrachtung von Phraseologismen ergeben und auf die vorgeschlagenen phraseologischen Klassifikationen von Fleischer (1982) und Burger (2003) wird zum Schluss des eröffnenden Kapitels eingegangen.

Im nächsten Kapitel wird eine Grenzlinie zwischen Variation und Modifikation abgesteckt. Von Bedeutung ist auch die Abgrenzung der Modifikationen von phraseologischen Fehlern, die durch Unkenntnis des phraseologischen Inventars zustande kommen. Danach wird die methodologische Verwirrung um den entsprechenden Terminus, der den Charakter des behandelten Phänomens am besten wiedergibt, angesprochen. Aus der Fachliteratur werden aus dem Dickicht der Definitionen einige gewählt, um die verschiedenen linguistischen Sichtweisen auf diese Erscheinung darzustellen und ihre Anwendbarkeit aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Darüber hinaus wird angestrebt, die Motive für eine so kreative Ausdruckweise zu ermitteln und ←19 | 20→die notwendigen Bedingungen zu bestimmen, die einer erfolgreichen Erschließung der Modifikationsabsicht zugrunde liegen.

Das dritte Kapitel eröffnet ein kurzer Überblick über die deutschsprachigen Arbeiten, die sich mit dem Phänomen der phraseologischen Modifikationen auseinandersetzen. Danach folgen klassifikatorische Vorschläge, die sowohl die germanistische als die polonistische Forschung auf diesem Gebiet einschließen. Dieser Teil konzentriert sich jedoch überwiegend auf verschiedene Modifikationsarten, die in dem erstellten Korpus zu belegen sind. Es wird von zwei Hauptklassen ausgegangen, nämlich von wendungsinternen und wendungsexternen Modifikationen, die anschließend in weitere Modifikationsarten gegliedert werden. Die Einteilung in einzelne Modifikationsarten geschieht in Anlehnung an die schon in der Fachliteratur übliche Taxomonie, doch werden in manchen Fällen weitere Modifikationsarten für die Zwecke der vorliegenden Studie vorgeschlagen und ergänzt. Damit wird das Ziel verfolgt, ein möglichst vielfältiges Spektrum an belegten Beispielen zu erfassen und zu klassifizieren.

Die Unterscheidung von potentiellen Funktionen, die verschiedene Modifikationsarten erfüllen können, bildet den Schwerpunkt des vierten Kapitels der Studie. Zu unterscheiden sind pragmatische Funktionen, die der Unterstützung der Intentionen des Senders dienen, sowie textkonstituierende und -strukturierende Funktionen, die im Text eine große Rolle spielen, indem sie zu Textbausteinen werden und Textteile miteinander verknüpfen. Ein Überblick über die von modifizierten Phraseologismen erzeugten intertextuellen Relationen schließt das vierte Kapitel. Er zielt in erster Linie darauf ab, den Zusammenhang zwischen den auf Film-, Buch- und Liedertiteln basierenden Modifikationen und inhaltlichen Anknüpfungen an diese Werke zu zeigen. Intertextualität wird auch aus einer philosophisch-anthropologischen Perspektive behandelt. Wenn man die phraseologische Modifikation als ein Sprachspiel versteht, dann kann sie nach Huizinga (1939) als ein wichtiger Teil oder gar als ausschlaggebende Basis der Kultur betrachtet werden, weil es in der menschlichen Natur liegt, sich mit der Doppeldeutigkeit von Wörtern und Bedeutungen zu befassen.

Die abschließende Zusammenfassung der Studie fokussiert auf eine qualitative und quantitative Analyse der Belege. Sowohl die Anzahl der Beispiele für einzelne Modifikationsarten in den beiden untersuchten Korpora, dem deutschen und dem polnischen, als auch ihre Komplexität, d. h. der gekonnte Einsatz von mehreren Modifikationsarten in einen Phraseologismus werden analysiert. Angestrebt wird auch die Hervorhebung von Beispielen, die sich durch originelle Formulierung und Einprägsamkeit von den anderen Beispielen auszeichnen.

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Zum Untersuchungskorpus und Auswertungsverfahren

Das erstellte Korpus umfasst insgesamt 329 Modifikationen, die den Zeitschriften Der Spiegel und Polityka entstammen. Im Zentrum stehen 15 Ausgaben von Der Spiegel und 16 Ausgaben von Polityka, die vom Januar 2013 bis März 2014 gesammelt wurden. Der Unterschied in der Ausgabenanzahl ergibt sich aus unterschiedlichem Umfang der untersuchten Zeitschriften. Insgesamt ließen sich 169 deutsche und 160 polnische Modifikationen belegen. Das zu analysierende Textmaterial orientiert sich an keinem bestimmten Texttyp – ausgeschlossen sind nur Werbetexte, auf die nicht eingegangen wird. Dafür ist die Tatsache ausschlaggebend, dass Werbetexte durch ihren spezifisch persuasiven Charakter von anderen Texten unterschieden sind, indem sie Produkte und Dienstleistungen bewerben und auf deren Verkauf abzielen. Sie weisen auch eine andere Textstruktur als andere Pressetexte auf und werden vorwiegend mit einem Bild versehen.

Die im ausgewählten Textkorpus vorgefundenen Wortverbindungen, die den in dieser Studie festgelegten Kriterien für die Einstufung als Phraseologismus entsprechen, wurden mit der in den konsultierten Wörterbüchern angegebenen Form des Ausgangsphraseologismus verglichen. Wenn die Form und/oder die Bedeutung eines so qualifizierten Phraseologismus von den in Wörterbüchern akzeptierten abweicht, wird er als eine phraseologische Modifikation eingestuft. In der Abweichung werden die originellen Lexeme mit Fettdruck markiert und die neu integrierten Einheiten unterstrichen. Die Belegquellen werden für jedes Beispiel in Klammern angegeben in der folgenden Reihenfolge: Nummer der Zeitschrift, Jahrgang und Seite des ermittelten Belegs. Danach folgt die kursivierte phraseologische Basis in der Ausgangssprache des Beispiels, die entweder mit einem Äquivalent oder einer Erläuterung der Bedeutung in der konfrontierten Sprache, Deutsch bzw. Polnisch, versehen wird. In den meisten Fällen stammen sie aus den konsultierten Wörterbüchern USJP und DUW, abgesehen von den Fällen, wo sie nur in Internetquellen zu finden sind. Die Internetrecherche wird auch in Streitfällen angewendet, wenn zwischen einer phraseologischen Variante und einer phraseologischen Modifikation zu entscheiden ist.

Die belegten Modifikationen treten immer in ganzen Sätzen auf (ausgenommen Modifikationen, die in Überschriften oder Zwischentiteln vorkommen). Vorangehende oder folgende Sätze sind mit aufgeführt worden, wenn sie als Kontext notwendig sind. Das betrifft vor allem die Erläuterung der untersuchten Funktionen im vierten Kapitel, weil nicht nur die Bedeutung einer Modifikation, sondern auch ihre Funktion zunächst durch den Kontext determiniert ist.

←21 | 22→Alle Modifikationen werden nummeriert und nach der Zuweisung zur spezifischen Modifikationsart im Anhang aufgelistet. Der Grund für eine solche Zuordnung des vorhandenen Belegs zu einer Modifikationsart ist die Erkennbarkeit der Relation zwischen der phraseologischen Basis des Ausgangsphraseologismus und seinem okkasionellen Gebrauch. Falls ein Phraseologismus eine Basis für mehrere Modifikationsarten ausmacht, werden sie separat aufgelistet. Hauptsächlich werden die Belege in wendungsinterne und wendungsexterne Modifikationen eingeteilt, jeweils nach der Maßgabe, ob der Komponentenbestand der Ausgangswendung von der jeweiligen Abweichung betroffen ist. Manchmal wird eine Modifikation im Rahmen einer einzelnen Modifikationsart erörtert, obwohl sie den gemischten Modifikationen angehört. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in dem angegebenen Beleg die betrachtete phraseologische Einheit einen bemerkenswerten Fall für eine bestimmte Modifikationsart darstellt. Trotz einer derartigen Analyse wird sie am Ende im Korpus aller Modifikationsarten unter gemischten Modifikationsarten aufgelistet. In den einzelnen Unterkapiteln werden deutsche und polnische Belege abwechselnd analysiert, was sich einerseits aus der Chronologie, in der diese Beispiele gesammelt wurden, andererseits aus der logischen Abfolge der durchgeführten Analyse ergibt.

Darüber hinaus wird nach jeder Modifikationsart eine Tabelle mit der Anzahl und der Prozentangabe sowohl der deutschen als auch der polnischen Modifikationen eingefügt. Dies ermöglicht einen Überblick über die Mannigfaltigkeit der in dem Korpus präsenten Modifikationen und ihre Verwendungshäufigkeit in den beiden uns interessierenden Sprachen.

Zu den Zeitschriften Polityka und Der Spiegel

Polityka (Politik) ist ein polnisches wöchentlich erscheinendes Nachrichtenmagazin, dem ein sozialliberales Profil zugeschrieben wird (vgl. IQ1). Die am 2. Januar 1957 begründete Wochenschrift ist eine der auflagenstärksten in Polen, indem sie sich von Januar bis Mai 2013 auf dem zweiten Platz im Kioskverkauf mit der Auflage von 109 490 Exemplaren platzierte (ebd.). Die Themenbreite umfasst politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Ereignisse Polens, Europas und der ganzen Welt. Polityka wird von einem großen Team von Autoren, darunter vielen mit akademischen Abschlüssen und Titeln, prominenten Intellektuellen sowie von einer Reihe ausländischer Korrespondenten unterstützt, die aktuelle Kommentare, eingehende Analysen der politischen und wirtschaftlichen Situation, Berichte, Feuilletons und Essays verfassen (vgl. IQ2). Seit 1992 erteilt die Wochenschrift jährlich den Preis „Paszporty Polityki“ ←22 | 23→für die herausragenden kulturellen Künstler, der in sechs Kategorien vergeben ist. Zu diesen gehören: Literatur, Film, Theater, klassische Musik, Kunst und Bühne. Seit 2002 wird den für die Kultur verdienten Persönlichkeiten ein Sonderpreis für herausragende Leistungen bei der Förderung der Kultur verliehen (ebd.).

Die wichtigsten Artikel sind auf der Internetseite polityka.pl auch auf Deutsch zugänglich.

Die Wahl der zweiten zu analysierenden Zeitung war keinesfalls zufällig, weil Der Spiegel wie Polityka parallele Themen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur behandelt. Der Spiegel ist ein wöchentlich erscheinendes Nachrichtenmagazin, dessen Ausgabefrequenz der polnischen Zeitschrift auch entspricht. Die am häufigsten verkaufte Wochenzeitschrift in Deutschland ist, mit einer Auflage von 878 954 Exemplaren im zweiten Quartal 2013, zugleich die auflagenstärkste in Europa (vgl. IQ3, 4) und spielt eine führende Rolle in der deutschen Medienlandschaft. Rund 6 Millionen Bundesbürger greifen jede Woche zum Spiegel, das sind 8,5 Prozent der Bevölkerung, deshalb wird er als das öffentliche meinungsbildende „Leitmedium“ (IQ5) bezeichnet. „Seit vielen Jahren ist der SPIEGEL Pflichtlektüre für alle am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschehen Interessierten. Wer in Deutschland etwas zu sagen hat oder mitreden möchte, liest den SPIEGEL“ (vgl. IQ6). 91 Prozent der Auflage wird im Inland verkauft, während circa 8 Prozent ins Ausland geht, der größte Teil davon nach Österreich und in die Schweiz. Insgesamt wird Der Spiegel in 169 Ländern in der ganzen Welt gelesen.

Was das politische Profil des 1947 gegründeten Magazins anbetrifft, deklariert die Spiegel-Gruppe: „Er [der Spiegel] ist politisch unabhängig, niemandem – außer sich selbst und seinen Lesern – verpflichtet und steht keiner Partei oder wirtschaftlichen Gruppierung nahe“ (IQ4).

Im Jahr 1994 wurde die Onlineversion des Magazins gestaltet, die heutzutage eine der reichweitenstärksten deutschsprachigen Nachrichten-Websites ist. Jedoch sind keine Artikel aus dem gedruckten Spiegel in ihrer vollen Länge verfügbar. In der Hauptspalte sind nur die wichtigsten Nachrichten aus dem aktuellen Spiegel-Heft aufgeführt und verlinkt. Wenn man den ganzen Text lesen möchte, ist der Bezug eines Abonnements vonnöten (ähnlich wie es bei den Artikeln auf dem Portal polityka.pl der Fall ist) (vgl. IQ7). Die Texte aus den Ausgaben, die älter als ein Jahr sind, stehen auf der Seite mit Heftarchiven kostenlos zur Verfügung. Es wurde auch eine Rubrik mit englischsprachigen Artikeln gegründet.

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1. Zum Gegenstand der germanistischen Phraseologieforschung

1.1. Zur Forschungsgeschichte

Das 1909 publizierte Werk des schweizerischen Linguisten Ch. Bally Traité de stylistique française legte den Grundstein für die Etablierung der Phraseologie als einer selbstständigen linguistischen Teildisziplin. Bally meint, dass dem Wesen des Phraseologismus seine semantische Natur zugrunde liege. Er unterscheidet zwischen „séries phraséologiques“ (feste Wortgruppen ohne Idiomatizität) und „unités phraséologiques“ (feste Wortgruppen mit Idiomatizität). Seine ausschlaggebenden Leistungen fanden jedoch in Mittel- und Westeuropa keine Resonanz, während in der Sowjetunion sich die Phraseologie zuerst in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts etablierte. Die sowjetischen Phraseologen strebten vor allem danach, der Phraseologieforschung den Status einer selbstständigen linguistischen Disziplin anzuerkennen und sie vom Studium der Lexik und Syntax abzuheben (vgl. Burger 1982: 61).

Wie Fleischer (1982: 10) bemerkt, sind die Anfänge der sowjetischen Phraseologie ohne V. Vinogradov (1946) nicht zu denken. Seine auf drei Typen von Phraseologismen basierte Klassifikation dominierte lange Zeit die Szene und wurde 1961 von R. Klappenbach ins Deutsche übertragen. Den ersten Überblick über die deutsche Phraseologie schuf I. I. Černyševa (1977).2 Die sowjetische Forschung war von der Weite und Vielfalt der Gesichtspunkte des Problems gekennzeichnet. Sie arbeitete sprachtheoretisch orientiert, indem die Bestimmung der phraseologischen Merkmale eine entscheidende Rolle spielte.3 Von einem ganz anderen Standpunkt gingen die Untersuchungen von anglistischen Linguisten aus, die Phraseologismen aus der Perspektive der generativen Transformationsgrammatik betrachteten. Jedoch hat sich die generative ←25 | 26→Auffassung in der deutschsprachigen germanistischen Phraseologieforschung nicht eingebürgert, weil die sowjetischen Konzeptionen einen zunehmenden Einfluss ausübten.

Details

Seiten
370
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631883693
ISBN (ePUB)
9783631883709
ISBN (MOBI)
9783631883716
ISBN (Hardcover)
9783631873717
DOI
10.3726/b19962
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 370 S., 5 s/w Abb., 14 Tab.

Biographische Angaben

Kamila Kosturek-Dybaś (Autor:in)

Kamila Kosturek-Dybaś ist Germanistin und Anglistin. Sie ist Fremdsprachendozentin am Sprachzentrum der Technischen Universität Rzeszów. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Phraseologie, insbesondere phraseologische Modifikationen, sowie Pragmalinguistik und kontrastive Linguistik.

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Titel: Phraseologische Modifikationen in deutschen und polnischen Pressetexten
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